2020-06-20

Schlampiger Sieg

Das war noch ein guter Tag in der Saison von Borussia Mönchengladbach. Und weil in Berlin die Hertha zugleich Borussias CL-Kontrahenten Leverkusen in Schach hielt, kann der VfL am nächsten und zugleich letzten Bundesliga-Spieltag aus der sehr guten Ausgangslage sogar noch eine ganz hervorragende Saison machen. Denn durch den Erfolg der Rose-Elf in Paderborn und Leverkusens Pleite sind es zwei Punkte und neun Tore, die zwischen den beiden Clubs und der Qualifikation für die Champoions League oder die Euro League liegen.

Das ist wahnsinnig gut. Aber es bedeutet zugleich, dass der letzte Schritt nicht leichter wird als jeder einzelne zuvor. Denn es ist auch eine gefährliche Ausgangslage, wie wir wissen. Es ist noch nicht so lange her, da standen Stindl und Co. schon einmal vor der fast identischen Aufgabe. Ein Sieg oder ein Unentschieden reichte, doch am Ende verlor Borussia das letzte Gruppenspiel der Euro League gegen Basaksehir in der Nachspielzeit mit 1:2 - und war eiskalt erwischt und von einer auf die andere Minute draußen aus dem Wettbewerb. 
Bevor also jemand schon den Schampus kalt stellt, weil es für die Hertha nächste Woche "ja um nichts mehr geht" - denkt daran, es muss immer erst noch gespielt werden.

Damit komme ich zum heutigen Spiel, das schon viel von einem typischen 34.-Spieltag-Kick hatte. Alle waren in Spiellaune, es gab mehr Räume auf beiden Seiten als gewohnt, und wenn es eine Mannschaft mal richtig ernstgemeint hätte, hätte es am Ende gut und gerne eine hohe einstellige Klatsche für den bereits feststehenden Absteiger gegeben. 

Es gab aber (wieder) nur ein vergleichsweise knappes Ergebnis - ein 3:1, das vielleicht die Kräfteverhältnisse im Mittelfeld, aber nicht ansatzweise das Verhältnis der erstklassigen Torchancen ausdrückte. Denn Paderborn hatte eigentlich nur die eine, die zum Tor durch den Ex-Borussen Sven Michel führte ("Ausgerechnet..."), während es den Borussen um Breel Embolo und Patrick Herrmann gefiel, eine Großchance nach der anderen zu versemmeln. 
Auch nach dem hochverdienten Platzverweis von Hünemeier änderte sich an dieser Schlampigkeit im Abschluss nichts. Und als dann Laszlo Benes endlich mal den Ball zum vermeintlichen 4:1 über die Linie wuchtete, pfiff ihm der Kölner Keller das verdiente Erfolgserlebnis wegen einer äußerst fraglichen Abseitsentscheidung weg - die man passenderweise auch in keiner Wiederholung noch einmal nachvollziehbar präsentiert bekam. 
Das ist besonders ärgerlich, weil ein Zweifel bleibt. Schließlich hatte der Assistent von Schiri Tobias Welz schon beim 3:1 von Stindl eine Abseitsentscheidung signalisiert, die nicht stimmte. Und sein Kollege auf der anderen Seite brachte Borussia in der ersten Hälfte um einen erfolgversprechenden Angriff, weil er auch da zu schnell und zu Unrecht die Fahne hob.

Zum Gück ohne direkte Auswirkung, aber dennoch ärgerlich: Nach der Fußspitzenabseits-Szene von Hofmann gegen die Bayern war das jetzt schon das zweite Tor innerhalb kürzester Zeit, das mit Berufung auf eine Regel annulliert wurde, die dereinst ganz sicher nicht dafür geschaffen wurde, dass heute mit moderner Technik fingerdicke Abseitsstellungen 40 Meter vor dem Tor abgemessen werden. Aber das ist zum Glück nichts, das uns heute groß besorgen muss. Es wird uns aber weiter begleiten, da bin ich sicher.

Denn das Spiel heute hat gezeigt, dass beim VfL auch der "zweite Anzug" passt. Stindl (3), Hofmann (2) und Herrmann (1) heißen die Torschützen der englischen Woche - auf sie ist genauso Verlass wie auf Elvedi-Vertreter Jantschke oder den lange nicht zur Startelf zählenden Chris Kramer, der auch heute viel für die Mannschaft arbeitete und seinen Anteil daran hat, dass nur ein Gegentor aus den vergangenen zwei Spielen zu Buche schlägt.

Ansonsten muss man über das Spiel nicht viele Worte verlieren, es war eine solide Leistung und wird bald schon vergessen sein. Borussia stand trotz der einen oder anderen Leichtfertigkeit (etwa Bensebaini) sicher, agierte nach vorne ganz gut, aber auch oft ungenau und manchmal geradezu fahrig. 
Ich hatte dennoch nie das Gefühl, dass Paderborn dem VfL heute hätte gefährlich werden können, auch wenn die Gastgeber durchaus gute Leute auf dem Platz hatten. Selbst mit dem zwischenzeitlichen Ausgleich verließ mich dieses Gefühl nicht. Die Mannschaft wohl auch nicht - sie schüttelte sich nur kurz, und dann ging es wieder nach vorn, dem Sieg entgegen.


Und jetzt? Bleibt noch eine Woche Vorfreude auf ein Finale, wie wir es uns eigentlich erträumt haben. Platz 5 ist sicher, Platz 4 in Reichweite - und selbst Platz 3 ist theoretisch noch möglich. Hoffen wir, dass dieser letzte Schritt ein großer wird. Gut ist es so oder so. Denn die Gelder aus der Champions League würden dem Verein zwar eine wichtige finanzielle Basis für die nach wie vor unklare Corona-Lage später im Jahr verschaffen. Doch die Euro League täte der sportlichen Entwicklung der Mannschaft vielleicht noch etwas besser. Also, gebt alles! Wir sind auf alles vorbereitet.

P.S. Ach ja, da gab es ja auch noch zwei schöne Personalien heute. Torben Müsel feierte sein Debüt als Fohlen, darauf hat er - wie Keanan Bennetts und Mamadou Doucouré zuvor - lange warten müssen. Und in Sinsheim lief der an Union Berlin ausgeliehene Moritz Nicolas ebenfalls zum ersten Mal als Bundesligaspieler auf. Dass er zum Einstand von Hoffenheim gleich vier Tore eingeschenkt bekam, ist nicht so schön. Aber nach dem, was ich gesehen habe, war das nicht seine Schuld. Also Kopf hoch, Moritz! Und noch viele weitere Spiele im Oberhaus, vielleicht auch irgendwann für unsere Borussia. 


Bundesliga 2019/20, 33. Spieltag: SC Paderborn - Borussia Mönchengladbach 1:3 (Tore für Borussia: 0:1 Herrmann, 1:2 Stindl FEM, 1:3 Stindl)

1 Kommentar:

  1. Da ich ja immer noch kein Pay-TV-Kunde bin (vielleicht ändert sich das zur neuen Saison mit Fohlen TV), konnte ich wie immer "nur" die Zusammenfassung(en) sehen. Klar, in dem Fall gut für uns mit dieser "Mit-dem-Rücken-zum-Tor-stehend-Hackenabseitsstellung", die da irgendwo vorkam - aber solch einen Kram finde ich schlussendlich einfach nur lächerlich und kleinkariert.

    Das passt dann aus meiner Sicht auch zu meiner schon vorher geäußerten Kritik der Uneinheitlichkeit - auf der einen Seite "Millimeter-Erbsen-Zählen", dann wieder nicht eingreifen, wo es schon eher angebracht wäre. Zeitweise weiß man schon fast nicht mehr, ist das jetzt Schiri-Tatsachen-Entscheidung oder ist es Willkür / ein schlafender Kölner Keller oder einfach nur Geldsack-Club-Nasenfaktor?

    Aber in dem Fall vom vergangenen Samstag, EGAL, denn - wenn man sich nicht allzu dusselig anstellt - ist die ersehnte CL wirklich zum Greifen nah und für mich wäre das Erreichen derselben unterm Strich auch ein verdienter, ja, ein sehr verdienter, Abschluss der Saison.

    Trainer Rose wird unsere Truppe sicherlich für dieses letzte Saisonspiel passend vorbereiten und einstimmen, da bin ich mir sicher. Da werden jetzt schon einige das Spiel Hertha-Leverkusen vor den Bildschirmen akribisch zerlegen in Gladbach.

    Ich hoffe, hoffe, hoffe inständig, dass sie es in "guter" (ja, extra in Gänsefüßen, für die Ironie, damit sie auch jeder findet!) alter Gladbach-Manier nicht doch auf den letzten Metern noch verdaddeln.

    Dann würde wohl nicht nur ich im Regen stehen. Nun muss ich nur noch dieses verdammt gute Gefühl loswerden. Ein gutes Gefühl heißt bei mir sehr oft: Aufm Platz geht's daneben...

    Trotzdem, ich freue mich, dass wir es nun doch noch in der eigenen Hand haben. Allez Borussia!!

    Gruß,
    Fohlen

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