Willkommen zurück, Borussia! Der Sieg heute war nicht nur vom Ergebnis her äußerst charmant - besonders für mich als fast mein ganzes Leben lang von Frankfurt-Fans umgebener gebürtiger Hesse.
Es war auch die Rückkehr der Mannschaft, die uns Marco Rose versprochen hatte, die er für ein Jahr auch auf die Beine gestellt hatte und die irgendwann im Spätherbst zwischen Pflicht und internationaler Kür verloren gegangen war.
Es gibt keinen Zweifel daran, dass der Sieg heute verdient war. Ob in der Höhe, darüber kann man diskutieren, aber das juckt mich letztlich auch nicht - schließlich gingen auch schon genug Spiele für die Leistung zu knapp aus. Gladbach hatte das Spiel fast die gesamte Spielzeit über im Griff, die Abwehr frustrierte die Stürmer Silva und Jovic enorm, weil sie ihnen eigentlich überhaupt keine Schnitte ließen. Defensiv hielten die Borussen die Formation sehr breit, sodass vor allem über die Außen kaum schnelle Angriffe durchkamen.
Außerdem hatte Borussia noch weitere Möglichkeiten, diese vier Tore auch in anderen Situationen nochmal zu erzielen. Und das, ohne die zweieinviertel möglichen Elfmeter, über die ich mich heute zum Glück nicht mehr aufregen muss.
Auf der anderen Seite war es natürlich ein Spiel, das genausogut sehr frustrierend hätte enden können, wenn die Eintracht in der ersten Hälfte ihre Torgelegenheiten durch Jovic und Ilsankers Kopfball, den Tobi Sippel sensationell noch an die Latte lenkte, besser genutzt hätte - und Borussia eben nicht.
Und wenn alle treffsicherer gewesen wären, hätte es bis zum Schluss vielleicht ein Spiel auf des Messers Schneide sein können, mit einem sehr hohen aber knappen Endergebnis.
Was der Ausgang heute nicht war: glücklich. Natürlich spielte es Jonas Hofmann und seinen Kollegen in die Karten, dass das 1:0 ziemlich leicht und früh fiel, und dass Frankfurts Torwart Trapp beim zweiten Tor zuviele Gedanken im Kopf hatte, wie Hofmann den Ball nach innen bringen könnte und den strammen Schuss dann unter den Armen durchflutschen ließ.
Ansonsten waren bei einigen Szenen eher die Gäste im Glück als der VfL. Das galt für ein aus meiner Sicht strafwürdiges Foul von N'dicka an Thuram. Es galt nicht so sehr für ein Handspiel in der zweiten Halbzeit, wo im Fallen die Hand des Frankfurters vor dessen Körper getroffen war, der Schuss aber direkt Richtung Tor ging.
Am strittigsten war es allerdings bei Ilsankers ungewollter Ballfangaktion in der ersten Hälfte.
Ja, ich akzeptiere die Interpretation von Schiri Deniz Aytekin, der erst die leichte Ballberührung mit dem Bein und dann auch den relativ körpernah geführten Arm als entlastend wertete. Ich kann damit leben, weil er sich die Szene nochmals am Bildschirm ansah und dann bei seiner ursprünglichen Entscheidung die er in Echtzeit bewertet hatte, blieb.
Ich halte sie trotzdem für falsch und glaube, dass es unter zehn Bundesligaschiedsrichtern keine eindeutige Mehrheitsentscheidung für diese Auslegung gegeben hätte. Es ist völlig fußballwidrig, dass ein Schuss, der im Strafraum direkt aufs Tor geschossen wird, von einem Spieler mittels Berührung beider Arme abgeblockt, kurz sogar gestoppt (also "gefangen") werden kann und dies keinen Elfmeter zur Folge hat.
Es war zum Glück keine Entscheidung, die für dieses Spiel am Ende eine Rolle gespielt hat. Aber das macht die Szene an sich ja nicht unstrittiger. Ansonsten gefiel mit Aytekin wieder gut, die Kommunikation 1A, manchmal vielleicht etwas zu kleinlich bei leichten Schubsern von hinten - da ist die Linie in der Bundesliga ja doch inzwischen oft auch etwas großzüger.
Unter dem Strich kann man der Rose-Elf heute die wohl beste Leistung seit fast einem halben Jahr bescheinigen - auch weil es kein Gegner aus dem unteren Tabellendrittel war, den man leichter dominieren kann, sondern der Vierte der Liga, der auch immer noch 10 Punkte Vorsprung auf Ginter und Co. hat.
Mit zunehmender Spielzeit kopierte Gladbach sogar ein wenig das
eigentlich von der Eintracht gerne praktizierte Spiel mit vielen langen
Bällen hinter die Mittellinie, und überließ dem Gegner am Ende
erstaunliche 63 Prozent Spielanteile statt wie so oft selbst die Spielkontrolle zu suchen. Dazu spielte die Fohlenelf -
ebenso erstaunlich nur 326 Pässe (Frankfurt 567) und verbuchte eine äußerst mäßige Passquote von 71 Prozent - weil der Spielaufbau
erheblich zielstrebiger (und fehleranfälliger) nach vorne ging, was Frankfurt durchaus zur
Vorsicht bei eigenen Pressing anhielt und ihnen einiges von ihrer
Angriffsschärfe nahm.
Dass dieser Sieg gelang - und auch noch ohne Zittern bis zum Schluss -
hatte viel mit Disziplin, Kampf- und Laufbereitschaft zu tun, und es brauchte
in einigen Szenen auch den energischen individuellen Einsatz, bei dem
sich vor allem Stevie Lainer einmal mehr Bestnoten verdiente, weil er
Kostic immer wieder abkochen konnte und auch unter Druck stabil blieb.
Jonas Hofmann lief wieder wie aufgezogen, als hätte er in der
Covid-19-Quarantäne seine Reserven noch ausgebaut. Natürlich war er auch
nach vorne zusammen mit dem zunehmend befreiter aufspielenden Marcus
Thuram der Kreativmotor des VfL, was den Frankfurtern ohne deren
Kampfschwein Martin Hinteregger doch deutlich zusetzte und einige
Unsicherheiten offenlegte.
Na
klar, auch der unauffällige Elvedi und die auffälligen Torschützen
Ginter und Bensebaini verdienten heute Extralob, aber es gab keinen, der
da wirklich abfiel. BEsonders loben muss man Tobi Sippel aber - nicht nur für zwei, drei fantastische Paraden und sein verdientes Zu-Null-Spiel. Sondern auch für seine sehr kontrollierten und präzisen langen Bälle nach vorne. das ist etwas, was Yann Sommer zuletzt etwas hatte vermissen lassen. Viele lange Schläge des Schweizers landeten postwendend beim Gegner, gerade in Phasen, wo die Mannschaft unter Druck war. Heute war das gefühlt (ich habe nicht mitgezählt) viel effektiver. Top, Tobi!
Was aber das Wichtigste war - die Energieleistung von Berlin vergangene Woche hat im Positiven Spuren hinterlassen. Es stand heute wieder eine Einheit auf dem Platz. Spieler, die füreinander laufen und fighten, die sich helfen, unterstützen - die sich verstehen. Und nicht vergessen: Es fehlten heute mit Kapitän Stindl, Yann Sommer und Chris Kramer nicht irgendwelche Spieler. Aber das war fast nicht zu bemerken, weil andere Spieler diese Lücken exzellent auszufüllen verstanden.
Ob das gute Auftreten heute auch etwas mit der geklärten Trainerfrage in der kommenden Saison zu tun hatte? Mit der Möglichkeit, sich ausgerechnet im ersten Spiel nach der Bekanntgabe von Hütters Wechsel genau diesem 90 Minuten lang in erster Reihe präsentieren und sozusagen bei ihm "bewerben" zu können? Das könnte sein.
Aber in erster Linie ziehen die Spieler (und der Trainerstab) in eigener Sache an einem Strang - weil sie gemerkt haben, dass es aufwärts geht, dass sie sich auch wieder belohnen, wenn sie sich im Spiel etwas zutrauen und nicht nachlassen. Bestes Beispiel: Florian Neuhaus, der heute wieder einige instinktive Weltklasse-Anspiele zeigte, unter anderem den schönen Wechsel auf Jonas Hofmann vor dem 2:0.
Jetzt gilt es, diese Leistung zu bestätigen. Hoffentlich fällt für das Spiel in Hoffenheim am Mittwoch Jonas Hofmann nach dem K.o.-Schuss von ("ausgerechnet") Amin Younes nicht schon wieder aus. Denn so wie er heute aufgespielt hat - in der Defensive, in der Offensive, aus dem Spiel heraus und bei seinen Standards -, ist er kaum wegzudenken aus der Startelf.
Heute können wir wohl alle gut schlafen. Das war ein großer Schritt hin zu einem versöhnlichen Saisonende. Egal, was Corona oder andere Plagen für uns noch bereit halten.
Bundesliga,
29. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Eintracht Frankfurt 4:0. Tore für
Borussia: 1:0 Ginter, 2:0 Hofmann, 3:0 Bensebaini, 4:0 Wolf.
Saisonspende: Heute gibt's 3 Euro ins Sparschwein. Vier Tore ergeben 2 Euro, dazu endlich mal wieder eine weiße Weste, und das für den frischgebackenen Vater Tobis Sippel. Das ist toll! Ach ja, Gesamtstand: 106,50 Euro.
Vollste Zustimmung!
AntwortenLöschenBin in so vielem bei Dir, besonders in der Bewertung von Ilsankers „Ballfangen“, wie schon Bonhof in der Halbzeitpause meinte, wenn das kein Elfer wäre, wüsste er auch nicht mehr (o.s.ä.).
Was mir im Besonderen gefallen hat, war die kurze Kommunikation (am TV beobachtet) zwischen Elvedi und Ginter kurz vor der Ecke zum 3:0, als hätten die beiden beschlossen, dass Matze ein paar Abwehrspieler auf sich zieht, damit Nico köpfen kann.
Hat ja auch fast funktioniert, brauchte dann nur kurz Rami zum Abstauben ;-)
Noch eine Frage zum Blog: Warum kann ich nicht mehr einzelnen Beiträgen „zustimmen“, sie „ablehnen“ oder „neutral“ bewerten?
Bin weiter gespannt auf das Endergebnis von „Ein Tor für Tony“ und auch hier weiterhin bei Dir.
Herzliche Grüße aus Düsseldorf
Elke
Sorry für die späte Antwort, Elke. Ja, das hat mich auch gewundert. Die Funktion "Zustimmen/ablehnen/weiß nicht" ist ohne mein Zutun verschwunden, offenbar gibt es dieses Gadget nicht mehr. Schade, aber im Moment nicht anders zu lösen. Liebe Grüße, Michael
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