Viel war ja während dieser langen Sieglos-Serie zu hören von diesem fehlenden "Spielglück", das sich die Mannschaft hätte erarbeiten müssen, um zu Erfolgserlebnissen zu kommen. Heute nun kam dieses ominöse Spielglück zurück - mit voller Wucht. Denn auch wenn wir am Ende dank einer ordentlichen Leistungssteigerung gar einen nicht ganz unverdienten Sieg konstatieren können - es war schon sehr viel von diesem "Spielglück" nötig, damit es überhaupt dazu kommen konnte.
Die erste Hälfte war, ohne Umschweife gesagt, eine Katastrophe. Borussia ohne den gesperrten Bensebaini, den kurzfristig angeschlagenen Elvedi und den in Covid-Quarantäne befindlichen Jonas Hofmann, das war schon eine erhebliche Schwächung -aber keine Entschuldigung für diesen Auftritt. Dass Marco Rose angesichts der Ausfälle auf die übliche Viererkette setzen würde, war für den gegnerischen Trainer Christian Streich leicht auszurechnen. Und er setzte mit einer eigenen Dreierkette und der daraus folgenden Überzahl im breit gefächerten Mittelfeld den richtigen Impuls, um Borussia 45 Minuten lang äußerst alt aussehen zu lassen. Darauf hätte der VfL-Stab aber eigentlich vorbereitet sein müssen.
Vor allem über ganz außen kamen die Breisgauer immer wieder leicht und gefährlich durch, das Pressing der Gladbacher funktionierte fast nie und so waren die Außenverteidiger Wendt und Lainer sehr oft sehr hochstehend schnell überspielt und die Restverteidigung oft in Unterzahl gegen die Freiburger, denen man nur eins vorwerfen konnte: dass sie zu wenig zielstrebig und effektiv waren.
Nach vorne ging beim VfL wenig, nach hinten lief man in einen gefährlichen Gästeangriff nacheinander. Es war gruselig. Und es glich einem Wunder, dass es zur Halbzeit nur 0:1 stand - selbst wenn man sich auf Yann Sommer eigentlich immer verlassen kann. Er allein hielt das Team mit einer Handvoll Glanztaten bis dahin im Spiel.
Zur Halbzeit gab es eigentlich nur noch einen Gedanken, der einen auf ein Happyend hoffen lassen konnte: Die Fußballweisheit, dass der, der zu viele Chancen auslässt, am Ende dann doch oft verliert. Quasi also das, was Borussia zuletzt gegen Augsburg widerfahren war. So kam es tatsächlich, aber es war noch ein weiter Weg bis dahin.
Immerhin: Nach der vielleicht schlechtesten Halbzeit in dieser Saison folgte eine starke Phase, die ebenfalls vor allem einer taktischen Umstellung zu verdanken war. Auch Rose stellte nun auf Dreierkette um. Er brachte aber nicht Tony Jantschke, sondern platzierte wieder einmal den spielerisch stärkeren Denis Zakaria zwischen Ginter und den in der ersten Halbzeit ziemlich verloren wirkenden Jordan Beyer. Der profitierte enorm von dieser Umstellung, und er lieferte ab da eine richtig solide Abwehrleistung ab.
Lainer und Wendt brachten ihrerseits im Mittelfeld deutlich mehr Zugriff auf die Gegenspieler als in der ersten Hälfte, und verkürzten zudem die Pass- und Laufwege für das Angriffstrio und die beiden zentralen Mittelfeldspieler Neuhaus und Kramer. Für Zakaria ging Hannes Wolf vom Platz, der als positionsgetreuer Rechtsaußen wie seine Nebenleute in Halbzeit eins völlig wirkungslos geblieben war - was aber nicht in erster Linie seine Schuld war.
Stindl rückte nun auf die rechte Seite, Plea und Thuram tauschten die Positionen, sodass mit Lasso links und Tikus in der Mitte auch hier mehr Wucht, aber auch mehr Flexibilität einzog. Und es wurde endlich mal wieder über längere Zeit mit schnellen Ein-Kontakt-Bällen nach vorne kombiniert und so der Gegner auch mal wirklich beschäftigt, worauf die Freiburger nach der desolaten ersten Hälfte der Gladbacher offensichtlich nicht gefasst waren.
Und so reichte eine starke Viertelstunde, um das Spiel zu drehen. Natürlich mit einer kräftigen Portion "Spielglück". Denn beim Ausgleich stand Thuram genauso zufällig um Zentimeter nicht im Abseits wie es sein Gegenüber Höler in der Nachspielzeit dann eben tat. Zudem wurde sein Schuss, der möglicherweise sogar am Tor vorbei geflogen wäre, vom Rücken seines Gegners unhaltbar ins Tor abgefälscht.
Das zweite Tor war da schon zwingender, nach einem Jonas-Hofmann-Gedächtnis-Schnittstellenpass von Chris Kramer in den Lauf von Thuram. Doch auch da passte mal alles: der erste Kontakt bei der Ballmitnahme, die Grätsche ins Leere von Gegenspieler Lienhart, das leichte Zögern von Torwart Müller, der dann nicht mehr an den Ball herankommen konnte. Ein schönes Tor, das Zentnerlasten abfallen ließ, allen voran beim Torschützen selbst, den man lange nicht mehr so strahlend hat jubeln sehen.
Ab da schien es wirklich für Gladbach zu laufen. Thuram hätte mit einem Flachschuss fast sein drittes Tor erzielt, in der 68. Minute lag der Ball dann auch wirklich zum dritten Mal im Freiburger Tor, diesmal hatte der Unglücksrabe vom 1:1, Santamaria den Querpass von Stindl gleich selbst ins Tor gegrätscht.
Doch das schien dann selbst dem Schiriteam wohl zu viel des Guten. Der VAR Marco Fritz griff offenbar ein. Nicht um das Tor wegen einer möglichen Abseitsstellung nicht zu geben, die der Assistent signalisiert hatte, die aber nicht vorlag, wie die Fernsehbilder zeigten. Nein, er machte Schiri Christian Dingert auf eine Szene im Mittelfeld aufmerksam, wo ein Freiburger zuvor nach einem Zweikampf liegengeblieben war. Dingert schaute sich die Szene selbst am Monitor an und gab tatsächlich Freistoß für Freiburg.
Eine fette Fehlleistung. Denn was war passiert? Der Freiburger ging zum Ball, touchierte ihn ganz leicht. Stevie Lainer kam von der Seite, spielte den Ball deutlich zu einem eigenen Mann und trat dem Gegner dann beim Zurückschwingen seines ballspielenden Beins unabsichtlich auf den Fuß. Zu diesem Zeitpunkt war der Ball schon gut einen Meter weit weg vom "Tatort", der "gefoulte" Spieler hätte keinerlei Möglichkeit gehabt, ins Spiel um den Ball einzugreifen.
In Realgeschwindigkeit hatte Dingert diese Szene zu Recht weiterlaufen lassen, aber nach dem Eingriff des VAR, der sich wieder einmal meldete, obgleich eben keine gravierende Fehlentscheidung des Feldschiris vorlag, änderte er seine Meinung - zu einer klar falschen Entscheidung. Das ist nicht nur ärgerlich, weil dieses 3:1 mir und wahrscheinlich allen Gladbachfans viel Zittern bis zum Schluss und strapazierte Nerven erspart hätte. Es ist auch ein Bärendienst für den VAR, der ansonsten heute eine sehr wertvolle Hilfe bei den Abseitssituationen war. Allerdings fehlt mir auch das Verständnis für Dingert, eine Szene trotz aller Video-Hilfsmittel dann derart falsch zu bewerten.
Dass wir über diese Szene aber nicht länger diskutieren müssen, hat dann erneut mit dem Spielglück der Gladbacher zu tun. Denn nach dieser Szene verlegten sich Ginter und Co wieder zu sehr auf das, was sie am wenigstens können: einen knappen Vorsprung verteidigen. So kam Freiburg in den Schlussminuten unnötigerweise noch mehrmals im Strafraum gefährlich zum Abschluss.
Und nach fünf gespielten Nachspielminuten dann vermeintlich auch noch zum 2:2, was letztlich für die Gäste nicht unverdient gewesen wäre - und auch eine "verdiente" Lektion für die Rose-Elf, die es einmal mehr schaffte, sich nach einer Minute eigenem Ballbesitz von Pass zu Pass mehr in Bedrängnis zu bringen, bis der lange Ball nach vorne beim Gegner landete und am Ende die Befreiung aus dem eigenen Strafraum nicht gelingen wollte.
Und so gut Stefan Lainer heute wieder attackierte und der Gladbacher Kampf-Taktgeber war: hier, in dieser letzten Szene in der Nachspielzeit, da musste er den Ball aus dem Strafraum eigentlich so klären, dass dieser mindestens bis zur Mittellinie oder ins Aus geflogen wäre. So blieb er im Spiel, flipperte ohne Gladbacher Ballberührung über fünf Stationen durch den Strafraum und landete schließlich im Tor.
Und hätte Hölers Bein nicht zufällig noch etwas im Abseits gestanden - was nun mal die Regel ist, auch wenn es den Sinn der Abseitsregel völlig karikiert -, dann wäre der Katzenjammer groß gewesen, einmal mehr in den letzten Sekunden wichtige Punkte abgegeben zu haben - auf die man allerdings 45 Minuten zuvor kaum noch einen Pfifferling zu setzen gewagt hätte.
Fast zuviel also des Spielglücks für nur ein Spiel. Andererseits ist es gerade gegen Freiburg nicht soo schade, auch mal viel Glück auf der eigenen Seite zu haben. Ich kann mich da in der Historie dieser Partien auch schon an mehrere angefälschte Gegentore, Schiri-Blackouts und andere Unglückseligkeiten erinnern.
Das bedeutet unter dem Strich: Gladbach stolpert - mit einigen eingeschobenen eleganten Zwischenschritten - wieder ein wenig Richtung internationales Geschäft. Das liegt vor allem daran, dass die direkt vor Borussia platzierten Teams netterweise ein bisschen auf die Rose-Elf gewartet und sich noch nicht uneinholbar entfernt haben.
Und daran, dass zur richtigen Zeit zwei Gegner kamen, die ihren Teil dazu beigetragen haben, dass der VfL weiter von einem versöhnlichen Saisonabschluss träumen kann. Das gibt der Rose-Eklf tatsächlich siuchtlich Auftrieb, spielerisch wie kämpferisch, wenn auch bisher nur phasenweise im Spiel. Aber das ist ja schon mehr, als man in den Wochen vorher noch zu hoffen wagte. In diesem Sinne: Weiter arbeiten, die steigende Form festhalten - und das Spielglück auch, wenn's geht.
Bundesliga,
27. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - SC Freiburg 2:1. Tore für
Borussia: 1:1 Thuram, 2:1 Thuram.
Saisonspende: Ein wichtiger Sieg, aber für zwei Tore gibt es trotzdem nur einen Euro ins Spendenschwein. Da in der Länderspielpause bei der Nationalmannschaft diesmal keine Gladbacher Torbeteiligungen dazu kamen, sind wir bei einem Gesamtstand von 102,50 Euro.
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