So, das allerletzte Fitzelchen Hoffnung auf eine Europacup-Teilnahme in der nächsten Saison ist dahin, Borussia wird die verkorkste Saison im Niemandsland der Tabelle beenden. Und über die gesamte Spielzeit gesehen wird das auch ok sein.
Durch die ein wenig befürchtete Klatsche in München ist nicht nur der Punkterückstand auf deutlich formstärkere Mannschaften wie Hoffenheim, Frankfurt und Leipzig kaum noch auszugleichen. Den Garaus macht dem VfL die unaufholbare (miese) Tordifferenz, die man größtenteils einigen wenigen Tagen wie diesem heute verdankt.
Das eben geschilderte Szenario war schon vor dem Anpfiff beim deutschen Meister nicht so ganz unwahrscheinlich gewesen. Was mich aber so sauer macht, ist, dass in dem Spiel heute alles drin war, um für einen Überraschungserfolg zu sorgen.
15 ganz hervorragende Minuten, in denen die kleine Borussia dem großen Weltverein aus München und der sportlichen Konkurrenz eindrucksvoll zeigte, wie man den Dauermeister packen und besiegen kann. Aggressiv im Anlaufen, mit dem Willen, den Ball selbst zu besitzen und in den eigenen Reihen zu halten. Ein paar clevere Pässe, mit denen man die Weltklasseoffensive leicht überspielt, um dann die seit Jahren eher mittelmäßige, aber von Gegnern fast nie geforderte Abwehrreihe in Schwierigkeiten zu stürzen. Das und der unbändige Kampf und Wille, sich eine einmal erzielte Führung um keinen Preis der Welt mehr abjagen zu lassen, war das Erfolgsgeheimnis aller guten Ergebnisse gegen den Rekordmeister in den vergangenen Jahren. Auch heute sah es 25 Minuten lang danach aus, als könnte die zuletzt angeknockte Gladbacher Elf den Bayern so Paroli bieten - wie in der Hinrunde beim sensationellen 2:1-Sieg.
Doch es kam anders. Wie gesagt, das kann passieren. Es ist wahrscheinlich, in München zu verlieren. Man kann bei den Bayern auch mal hoch verlieren. Doch das, was nach dem guten Beginn in den letzten 70 Minuten des Spiels passierte, ist nicht zu entschuldigen. Es war die freiwillige Selbstaufgabe einer Mannschaft, die dem Klassenschläger erst ein paar freche Widerworte gegeben hat und nun mit einem winselnden "bitte, bitte, tu mir nichts" um eine Tracht Prügel bettelt.
Man kann in dieser Saison an der Hecking-Elf viel kritisieren, viel beklagen, was schief gelaufen ist. Aber so, wie die Mannschaft nach den guten Beginn hinterhergelaufen und auseinandergefallen ist, das geht nicht. Das ist nichts, was ich nochmal mitansehen möchte.
Bei Sky gab es in der Kommentierung natürlich nur eine Richtung: Die Bayern haben die Anfangsphase verschlafen. Dann haben sie sich gefangen und mit ihrer Klasse der Borussia eine Lehrstunde erteilt. Das stimmt auch irgendwie, aber es führt auf eine falsche Fährte. Denn wie das Spiel ablief, hatte deutlich mehr mit Gladbach zu tun als mit dem Gegner.
Fast erschrocken durch das frühe Tor von Josip Drmic und weiteren einfachen Angriffen, die den Bayern sichtlich weh taten, tat der VfL viel zu schnell wieder das, was er zu oft nach Führungstoren in dieser Saison getan hatte. Erstmal den Gang rausnehmen und den Gegner kommen lassen. Sich auf dem 1:0 ausruhen. Das kann gegen viele Gegner gutgehen, gegen die Bayern nur in den seltensten Fällen. Denn wenn man nicht alle Zweikämpfe voll bestreitet, sich auch nur einen Schritt weniger erlaubt als der Gegner, dann wird das gegen das Starensemble meist teuer.
So war es beim Ausgleich und allen weiteren Toren. Der zu Beginn bärenstarke Josip Drmic bricht den erfolgversprechenden Sprint gegen Hummels frühzeitig ab, versucht stattdessen mit einer Körpertäuschung vorbeizukommen und wird vom Abwehrmann mit leichtem Stoßen vom Ball getrennt. Das gibt oft Freistoß, muss aber nicht zwingend so sein. Stattdessen läuten dieser Ballgewinn und ein langer Ball die sehenswerte Kombination ein, die Wagner zum 1:1 abschließt. Da war auch noch viel Pech im Spiel. Der Ball holpert ein bisschen glücklich durch den Strafraum, Yann Sommer fehlen nur ein paar Zentimeter, um das Zuspiel vor Wagner wegzufischen. Dennoch hatte sich das 1:1 bereits angedeutet, weil die Bayern schon zwei, dreimal gefährlich vor Sommer aufgetaucht waren.
Die anderen vier Gegentore - es hätten am Ende auch gut noch drei mehr sein können - hatten dann nichts mehr mit Pech zu tun, sondern mit einem unterirdischen Abwehrverhalten. Beim 1:2 sieht der am Ball vorbeigreifende Sommer am schlechtesten aus. Aber die Fehlerkette zuvor ist deutlich länger: Dreimal gelingt es unter anderem Hofmann nicht, den Ball im Strafraum zu klären und weit genug weg zu befördern. Und wenn im vierten Anlauf Wagner dann, umringt von drei Gegnern, frei zum Kopfball kommt, ist das peinlich. Beim dritten Gegentor schlafen gleich drei Gladbacher, die den Steilpass auf Tolisso nicht mitbekommen. Beim 1:4 bewundert Hazard die Schusstechnik von Alaba, anstatt ihn zu stören. Und beim 1:5? Da müsste man eine bessere verbale Abstimmung zwischen Ginter und Elvedi erwarten können. So verlängert Ginter den Ball, den er hätte durchlassen müssen, unglücklich vorbei an Elvedi direkt auf Lewandowskis Fuß.
Wenn man also nach einer starken Anfangsphase so dramatisch nachlässt, zwar über 90 Minuten läuft wie ein Hase, aber kaum noch in Zweikämpfe kommt und die dann noch meist verliert, dann bleibt am Ende ein ganz bitteres Gefühl zurück.
Natürlich hat die Mannschaft sich kollektiv den Schneid abkaufen lassen. Aber das hatte auch mit einigen indivuellen Dingen zu tun - und vielleicht auch mit der Wechseltaktik.
Während ein Josip Drmic seit Monaten leise, zurückhaltend und bescheiden um seine frühere Form kämpft und in den letzten Spielen (4 Torbeteiligungen) dafür auch langsam wieder belohnt wird, hört man von anderen immer wieder Kampfansagen von wegen "Europa ist noch nicht abgeschrieben" oder "auch bei den Bayern können wir gewinnen". Letzteres kam gerade erst per Boulevardzeitung von Raffael. Doch wer war heute mit Abstand der schlechteste Spieler auf dem Platz? Genau: Raffael. Er wirkte behäbig, unlustig, fahrig. Gewann nicht nur kaum einen Zweikampf, sondern produzierte mit riskanten Rückspielen zwei gefährliche Gegenangriffe. Nach vorne war er ein Totalausfall, verzögerte das Spiel, wenn es nach vorne hätte gehen können und vertändelte Ball um Ball. Der Maestro war schon zur Halbzeit ein klarer Kandidat zum Auswechseln.
Hatte der VfL deshalb also gefühlt schon die zweite Hälfte der ersten Halbzeit in kämpferischer Unterzahl gespielt, gesellten sich zu den Ausfällen nach dem Pausentee mindestens noch Hazard und Kramer dazu. Dass man so den immer glatter anlaufenden Bayern-Angriffswellen nicht erfolgreich trotzen kann, ist offenkundig. Also stellte Borussia nach dem 1:3 sämtliche Angriffsbemühungen ein und schaltete den Hertha-Rückpass-Modus ein. Ab da war der Auftritt der Borussia nicht mehr zu ertragen.
Durch die Auswechslungen verschlimmerte sich meine Laune nur noch. Der lauffreudigste und heute auch defensiv sehr bissige Hofmann musste dem Künstler Grifo weichen, in einem Spiel, indem es nur noch um Schadensbegrenzung gehen konnte. Und Cuisance ersetzte Drmic, den einzigen, der vielleicht nochmal für ein wenig Entlastung hätte sorgen können - denn echte Stürmer hatte der VfL ja keine auf der Bank. Raffael und Hazard dagegen blieben auf dem Feld. Und auch Strobl ersetzte am Ende nicht den immer schwächer werdenden Chris Kramer, sondern Zakaria, der wenigstens ansatzweise noch mal dazwischenging, wenn die Bayern aufdrehten. Das muss man nicht verstehen.
Egal. Es ist rum. Natürlich musste man einkalkulieren, in München unter die Räder zu kommen. Denn auch wenn die Erfolgsfans kichernd noch dreimal "B-Elf" zu ihrer heutigen Anfangsaufstellung sagen. Fakt ist: Auch diese Startelf ist Borussia von der Papierform noch immer deutlich überlegen. Aber darum geht es nicht. Es geht mir nur um den VfL, und der hat für mich heute den Tiefpunkt der Saison abgeliefert - den Klatschen gegen Leverkusen, Dortmund oder schwachen Auftritten wie in Freiburg zum Trotz, und auch noch nach dem armseligen Auftritt gegen Berlin letzte Woche.
Klar: Auch heute trifft die Mannschaft der Fluch des eigenen Leistungsvermögens. Hätte der VfL einfach nur schlecht gespielt, hätte man das Ergebnis heute leichter abhaken können. Doch wenn man in der ersten Viertelstunde mit seinem Auftritt knapp 70000 Erfolgsfans im eigenen Stadion verstummen lässt - was angesichts der Monotonie der Bayern-Sprechchöre allein schon eine Wohltat ist - und dann doch so einbricht, dass der Gegner am Ende denkt, er hätte sich selbst auf die Siegerstraße gebracht, dann macht mich das wütend.
Es ist ein tiefer Fall in eindeutig zu kurzer Zeit. Und den müssen nicht nur die Spieler verdauen, sondern auch wir Fans.
Bundesliga,
Saison 2017/18, 30. Spieltag: Bayern München - Borussia Mönchengladbach 5:1 (Tor für Borussia: 0:1 Drmic)
Gladbach kann nicht beißen, kämpfen, aggressiv spielen. Als wären sie sich zu schade dafür. Vielleicht können sie es wirklich nicht. Mittelmaß ist das. Sie arbeiten viel zu wenig an ihrer Athletik, körperlichen Stärke, Kampfkraft. Dass es so viele Verletzte gibt, immer wieder, wirft kein gutes Licht auf den medizinischen Bereich.
AntwortenLöschenHecking hat keine Antwort auf dieses Desaster, das merkt man deutlich. Er hat keine Idee, verdient aber 2,5 Mio. im Jahr.
Das geht so lange so weiter, bis irgendein Verantwortlicher mal so mutig ist zu sagen, dass Gladbach grundsätzlich an seiner Philosophie, sie seien die so schön spielenden Gladbacher, deutlich etwas ändern muss. Aber dann sind Kramer und Co. wahrscheinlich schon entnervt auf dem Weg woanders hin...
Ganz so drastisch würde ich das mit der fehlenden Kampfkraft nicht sehen. Sie haben immer mal wieder gezeigt, dass sie sich wehren können und im Hinspiel haben sie den Bayern auch mit solchen Mitteln den Zahn gezogen. Es scheint aber so, als ginge das immer nur phasenweise und nicht jedes Spiel - als ob nicht jeder derzeit auf so eine veränderte Spielsituation wie nach der 1:0-Führung richtig reagieren kann. Woran das liegt, kann ich nicht beurteilen. Absicht oder fehlende Einstellung unterstelle ich keinem, obs an der Fitness oder an einer Blockade im Kopf liegt? Oder am Trainer? Ich weiß es nicht. Da haben Borussias Verantwortliche auf jeden Fall ein großes Feld zu beackern, um das abzustellen.
AntwortenLöschenNatürlich hat in dem Spiel auch Stindl gefehlt, als aggressiver Zweikämpfer und als Laufmaschine. Raffael, Cuisance und auch Drmic sind keine Pressing-Stürmer wie z.B. ein André Hahn. Und wenn vorne nicht schon zugepackt wird, macht man es den Bayern einfach zu leicht.
warum wird einer wie Andre Hahn nicht in der Mannschaft eingebaut? Wo sind die Typen, die kämpfen, kratzen beißen? Wo der Gegner schon weiß, bleib lieber mal weg und nicht nur Typen, die wie im Münchenspiel schon erschrocken sind bevor der Gegner buh sagen konnte!?
AntwortenLöschenschaut mal, wie Eintracht Frankfurt sich entwickelt hat, das ist eine richtig klasse Truppe geworden, und auch Bayer Leverkusen, das konnte man gestern im Pokalhalbfinale gut sehen, mit welchem Willen, welcher Entschlossenheit, welchem Druck sie trotz der vielen Gegentore auftreten können...für mein Empfinden ist es genau das, was Gladbach abgeht. Deshalb meine ich, muss an der Spielphilosophie gearbeitet werden, das ist ein hartes Stück Arbeit, ich weiß nicht, ob Hecking das sieht, ob er das will, und auch ob er das kann?! Und ob Eberl das im Blick hat? Was will Gladbach in 3, 5 oder 10 Jahren sein? Eine Mannschaft, die mal betörend schön spielen kann, aber dann immer wieder peinlichste Phasen hat, während der sie - wie "adi" schon sagte - beim ersten "Buh" des Gegners umfallen.
AntwortenLöschenMeine Frage an die Vereinsführung: Was ist euer Ziel für die nächsten Jahre?
Wie wollt ihr Konstanz entwickeln?
WElche Kriterien sind dafür notwendig?
Bei Leverkusen gebe ich dir recht, die sind uns voraus. Aber ich möchte ganz sicher nicht, dass Borussia sich zu einer Tretertruppe wie Frankfurt zurückentwickelt. Es ist so, dass man mit dieser Art Fußball in dieser Saison weit kommen kann, aber Zukunft sehe ich darin nicht. Da waren wir von der Fußballphilosophie schon deutlich weiter. Aber klar: Kämpfen und laufen, Schneid abkaufen, das ist ein Stilmittel, was du heute beherrschen musst. Nicht gegen jeden Gegner, aber doch häufig genug. Ansonsten finde ich unseren Ansatz mit viel Ballbesitz ja gut. Aber wenn du keine Schärfe in die Pässe und keine überraschenden Ideen auf den Platz bringst, spielst du eben nur hin und her und der Gegner kann gemütlich auf Fehler warten, um dich auszukontern.
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