2021-01-19

Viele falsche und eine richtige Entscheidung

Kaum zu glauben: Borussia kann 2021 auch im dritten von vier Spielen eine knappe Führung über die Zeit bringen - und bleibt im neuen Jahr ungeschlagen. Denkt man sich die Schiebung aus der Stuttgarter Nachspielzeit weg, wären es gar 12 aus 12 möglichen Punkten gewesen. Zur Hälfte dieser seltsamen Saison ist die Mannschaft von Marco Rose also voll auf Kurs und effektiv wie Oscar (oder sollte ich lieber sagen: wie Lars?).

Das Problem: Es fühlt sich gar nicht danach an. Erst vor Weihnachten das Theater um die Spuckattacke von Marcus Thuram, dann die ständig von bestimmten Medien neu aufgekochten Wechselgerüchte um Spitzenspieler und Trainer, jetzt die dämliche Nummer von Breel Embolo und der Party am Essener Baldeneysee: Es gibt zu viele Störgeräusche im sonst sehr harmonischen Gladbacher Kosmos, die die eigentlich sehr positive Bilanz dick überkleistern.

Ob das auf die Mannschaft durchschlägt, und sie deshalb gegen Stuttgart und Bremen nur phasenweise in der Lage war, ihr gutes Gesicht zu zeigen? Ich weiß es nicht. Fakt ist, dass auch der Sieg heute nicht verdecken kann, dass im Spiel eine zuletzt für überwunden geglaubte Fahrigkeit wieder Einzug gehalten hat.

Mit "Viele falsche Entscheidungen" habe ich deshalb ganz bewusst heute meinen Text überschrieben. Und damit meine ich ausnahmsweise mal nicht den Schiedsrichter.😉 Martin Petersen hatte mit dem Ausgang der Partie dankenswerterweise nichts zu tun.

Nein, erschreckend "viele falsche Entscheidungen" gab es heute im Spiel nach vorne. Immer wenn Borussia in die Nähe des Strafraums kam, wählte der ballführende oder der angespielte Kollege zielsicher den falschen Pass, den falschen Laufweg - oder beides. Und das zog sich durchs ganze Spiel.
Deshalb war es kein Wunder, dass das Siegtor durch eine Standardsituation fiel. Und zwar durch eine schöne Freistoßflanke von Laci Benes
- das war die "eine" richtige Entscheidung -, die Nico Elvedi höchst professionell und gekonnt per angeschnittenem Kopfball ins lange Eck zwirbelte.
Und ich kann mich ehrlich gesagt auch an keine andere Chance erinnern, die das Bremer Tor in ähnlicher Weise gefährdet hätte.
Nein, bei aller Emsigkeit, die man der heute ihrer Wuchtstürmer beraubten Mannschaft bescheinigen muss - vor dem Tor war das heute gar nichts.

Der VfL begann zwar sehr dominant gegen eine Bremer Elf, die erst in der 12. Minute das erste Mal zum Zwecke eines eigenen Angriffs die Gladbacher Hälfte betraten. Sie zwangen aber immerhin VfL-Schlussmann Yann Sommer sogleich zu einer Glanzparade - in Person von Romano Schmid, der Borussia ja schon einmal an gleicher Stelle im Wolfsberger Trikot tief geschockt hatte.
Und am Ende der 90 Minuten stand für die Gäste sogar ein halbes Dutzend erstklassiger Torchancen zu Buche, davon ein Pfostenschuss durch Rashica kurz vor Schluss. Dass Kramer und Co das 1:0 ins Ziel retteten, war also keineswegs selbstverständlich.

Dennoch war es nicht unverdient, dass die drei Punkte im Borussia Park blieben. Der VfL kontrollierte das Spiel über weite Strecken und kämpfte zum Schluss mit Haut und Haaren um den knappen Vorsprung. Allerdings muss man sich schon fragen, ob ein nominelles Spitzenteam Woche für Woche gegen personell weniger gut besetzte Gegner bis zum Schlusspfiff zittern muss oder sollte.

18 Punkte hat man in der Hinrunde kurz vor Abpfiff noch hergegeben, rechnete auch Sky einmal mehr vor. Doch dass das Statistik-Gerede längst auch in den Köpfen der Mannschaft angekommen ist, war heute besonders gut zu besichtigen. In der zweiten Halbzeit häuften sich die Unsicherheiten im Passspiel, die Löcher für Gegenstöße wurden größer, obwohl man doch schon deutlich defensiver stand. Und anhand mancher ziemlich überhastet auf die Tribüne gedroschener Bälle, unter anderem durch "Fußballgott" Tony Jantschke, konnte man ermessen, dass die Nerven in der Schlussphase schon etwas blank lagen. 

Zum Glück ging das gut. Aber selbstverständlich war es nicht. Deutlich wurde aber einmal mehr, dass das Team eine größere Rotation noch nicht ohne Qualitätsverlust wegsteckt. Man kann weder Patrick Herrmann noch Hannes Wolf einen Vorwurf machen, was ihren Einsatz angeht. Aber die Selbstverständlichkeit, einen Pass in die Tiefe auch mutig und präzise zum eigenen Mann zu bringen, die geht ihnen derzeit ein wenig ab. Und das schien gewissermaßen ansteckend zu sein.

Auch die Bewegung in den Räumen war heute - wie teilweise schon in Stuttgart - zu behäbig. Gladbach braucht für sein Spiel aber gerade Akteure, die sich ständig freilaufen und in die Räume starten. Das gelang heute zu oft nicht, und so blieb oft nur Ballgeschiebe im Mittelfeld ohne Ertrag und irgendwann ein Fehlpass.
Sicher, Werder stand gemein eng in der eigenen Hälfte. Es gelang ihnen über weite Strecken auch, den vertikalen Spielaufbau über Flo Neuhaus zu verhindern und stattdessen auf die rechte Seite der Borussen zu lenken, wo häufig lange Diagonalbälle in die Spitze gespielt werden, für die es heute keine Abnehmer gab. Auch die Box war im letzten Drittel der Bremer meist unterbesetzt, Flanken von außen kaum eine Option.

Das änderte sich erst ein wenig mit der Einwechslung des gewohnt giftigen Lars Stindl sowie von Bensebaini und Benes, die dem Spiel des VfL mit ihrer sichtbaren Energie gut taten - ohne dass dadurch die Gelegenheiten auf ein erlösendes zweites Tor zwingender wurden. Auch da waren wieder häufig zum richtigen Zeitpunkt die falschen Entscheidungen im Weg.

Aber gut, halten wir uns nicht so lange mit diesem Spiel auf, es reichte am Ende für drei Punkte, und die nächste große Aufgabe wartet bereits am Freitag mit dem BVB. In welcher Aufstellung Marco Rose das Spiel angeht, darf man mit Spannung erwarten. Vielleicht sogar ähnlich wie im Hinspiel (0:3), als Hofmann, Wolf und Stindl die Sturmreihe bildeten und Plea und Thuram später von der Bank kamen. Auf jeden Fall wird es am Freitag mehr Mut, mehr Geschwindigkeit und viel mehr Bewegung in den gefährlichen Räumen geben. Das Gute ist, dass der BVB diese Räume auch anbieten wird und nicht - wie Werder heute - humorlos zuschüttet.

Nun noch ein paar Worte zu Breel Embolo. Es ist noch zu viel unklar, um sich mit einem Urteil über die nächtliche Aktion in Essen aus dem Fenster zu lehnen. Ich habe das auf Twitter heute in der Verteidigung der Unschuldsvermutung gegenüber dem Jungen vielleicht schon zu sehr getan. Denn auch ich weiß ja nicht, was sich dort wirklich abgespielt hat. Ich denke allerdings, dass da medial und von Seiten vieler Fans bereits eine Vorverurteilung stattgefunden hat und es wichtig ist, sich nicht von den wenigen gesicherten Fakten zu Spekulationen hinreißen zu lassen. 

Ungeachtet der Wahrheit, die irgendwo zwischen hemmungsloser Party und gemütlichem Basketball-Abend auf der Couch liegt: Beides geht nicht! No way! Nicht in dieser Zeit, wo Menschen vorgeschrieben wird, wieviele andere sie in ihrer Freizeit treffen sollen und dürfen. Und ganz sicher auch nicht aus rein egoistischen Teamerwägungen - nicht nach einem späten Auswärtsspiel in Stuttgart und im Angesicht einer englischen Woche. Das wissen alle Beteiligten (spätestens jetzt), und sie werden intern die richtigen Schlüsse daraus ziehen, da bin ich mir ziemlich sicher. 

Alles, was darüber hinaus jetzt noch auf Breel einstürzen mag, hat er sich letztlich selbst leichtfertig eingebrockt. Dennoch glaube ich nach wie vor, dass er ein vernünftiger Kerl mit einem guten Charakter ist und daraus lernen wird. 

Dass das Theater um ihn zur Unzeit kommt ist jedem klar - aber wir wollen ja nicht gleich argwöhnen, dass es ein schwarz-gelber Sympathisant bei der Essener Polizei war, der dem Boulevard dazu die notwendigen Interna des Polizeieinsatzes verraten hat. Oder doch? Egal, am Freitag hilft am allerbesten ein Sieg über alle Misstöne und Unannehmlichkeiten hinweg. Und es wird auch echt mal wieder Zeit - nach 12 Klatschen in Serie gegen die ungeliebte Namenscousine.

Bundesliga 2020/21, 17. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - Werder Bremen 1:0. Tor für Borussia: 1:0 Elvedi.

Saisonspende: Ein Tor aka 50 Cent reichen zum Sieg, dazu kommt das Zu-Null, das sich Yann Sommer verdient hat. Der Spendenpott steigt somit um 1,50 Euro auf 82 Euro.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Erreichen der K.o-Phase und für jede weitere erreichte CL-Runde: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

1 Kommentar:

  1. Hallo Michael,

    mit diesem Satz triffst Du genau mein Fazit für die Hinrunde auf den Punkt:

    „Allerdings muss man sich schon fragen, ob ein nominelles Spitzenteam Woche für Woche gegen personell weniger gut besetzte Gegner bis zum Schlusspfiff zittern muss oder sollte.“

    DANKE für Deine fundierte Analyse und Kritik!

    Zu Breel sage ich erst mal nichts, da hast Du auch schon die richtigen Worte (No way!) gefunden.

    Liebe Grüße aus Düsseldorf
    Elke

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