Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft.
Für diese Binsenweisheit müsste ich eigentlich ein bisschen Geld ins Phrasenschwein werfen. Aber was nützt es, wenn es doch so ist. Nach dem 7. Spieltag und der unerquicklichen Niederlage gegen die selbst fußballerisch sehr dünnen Unioner schien Borussia endgültig am Boden. Auch die erneute Trainerfrage - ob man sich Eugen Polanski gerade überhaupt als "Experiment an der Seitenlinie" leisten könne, wurde und wird rund um unseren Verein intensiv diskutiert. Diese Stimmen könnten nun etwas leiser werden.
Bis dahin sprach ergebnistechnisch aber in der Tat nichts für ihn außer dem Hinweis, dass die bisherigen Gegner in seiner Amtszeit eben auch kein Fallobst waren. Dass er viel versuchte, war zu sehen, dass auch ihm dabei nicht alles gelang, was er personell und taktisch aufbot, war ebenso unübersehbar.
Dass es Zeit und viel Arbeit braucht, um eine verunsicherte Mannschaft in einer üblen Abwärtsspirale zu stabilisieren, wusste auch jeder. Aber ob der Verein die haben würde, wenn man Gefahr lief, am Tabellenende im Oktober/November schon den Anschluss zu verlieren, das war (und bleibt noch) offen.
Nun sind wir ein paar Wochen weiter und auch ein Stück schlauer. Gegen die Übermannschaft aus München hielt das Abwehrbollwerk trotz früher selbstverschuldeter Unterzahl mit konzentrierter Arbeit immerhin etwas mehr als eine Stunde. Es war hilfreich, dass der Gegner es im Anschluss recht gut meinte mit dem VfL und an diesem Tag nicht seine ehrgeizigste Einstellung in den Borussia Park gebracht hatte. Aber immerhin: Das Spiel zeigte einen leichten Aufwärtstrend, den man in die nächste Partie mitnehmen konnte.
Der 3:1-Pokalerfolg über den kampfstarken Zweitligisten aus Karlsruhe könnte sich im Nachhinein als ein Wendepunkt herausstellen - wenn denn die Entwicklung weiter in die richtige Richtung geht. Auch hier ging Polanski mit verschiedenen personellen Wechseln in Vorleistung (er wagt da durchaus einiges und bleibt sich treu, auch vor großen Namen nicht zurückzuschrecken).
Doch die Mannschaft zahlte es mit der bis dahin besten Leistung der Saison zurück. Sicher, der KSC blieb seinerseits vieles schuldig, das frühe 1:0 spielte Borussia in die Karten und auch hier gab es Phasen, in denen sich das Team zu sehr in Bedrängnis bringen ließ. Doch es war am Ende ein verdienter und auch kaum gefährdeter Sieg, der zwar erstmal "nur" Geld und eine weitere Partie im Pokal einbringt. Aber in Borussias Situation möchte man natürlich auch auf solche finanziellen Bausteine gerade nicht verzichten.
Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg gegen den KSC war, dass Reitz und Co. es schafften, sich in der Defensive geschickt und diszipliniert in den Räumen zu bewegen und dem Gegner nicht so absurde Wege zu Toren zu öffnen, wie sie in den Spielen zuvor Punkt um Punkt und Selbstvertrauen um Selbstvertrauen gekostet hatten.
Den Fokus der Spieler darauf zu richten, ihre Aufgaben zu erfüllen, ohne sich ablenken zu lassen oder zu überdrehen und überall auf dem Platz alles löschen oder im Spiel ankurbeln zu wollen - das muss man Polanski und seinem Trainerteam zurechnen.
Und solche Dinge sind es auch, die eben ihre Zeit und Übung brauchen, um sicher abrufbar zu sein. Das hatte unter Seoane gefehlt und auch in den ersten Spielen, in denen sich der neue Trainer und das desillusionierte Team erst noch finden mussten.
Dass dieses Gefüge gegen St. Pauli heute dann gleich wieder funktioniert hat und das Team einen unerwartet hohen und nie gefährdeten 4:0-Sieg am Millerntor verdient und teilweise richtig stark herausgespielt hat, ist dennoch keine Selbstverständlichkeit.
Klar, Honorat ist wieder da und fit, Maschino macht Fortschritte, insgesamt stellen sich die personellen Möglichkeiten schon etwas angenehmer dar als vor einigen Wochen.
Denn auch Stöger und Neuhaus sind Spieler, die mit ihren individuellen Fähigkeiten inzwischen wieder den Unterschied machen können, auch wenn ersterer weiterhin im Spiel oft einem anderem Navi zu folgen scheint als seine Kollegen. Er macht vieles gut, zum Beispiel in der Balleroberung, doch es kam auch gegen den KSC aus dem Spiel heraus nahezu nichts Gefährliches dabei rum - immerhin aber eine Sahneflanke zu Elvedis vorentscheidendem 2:0. Zum Sieg heute konnte er daher (nicht ganz unerwartet) heute erst spät von der Bank aus etwas beitragen.
Stattdessen waren es Rocco Reitz mit einer sehr fokussierten Leistung und eben jener Florian Neuhaus, der endlich gewillt scheint, sich selbst am feinen Passfüßchen aus dem Schlammassel und Leistungsloch- und Mallorca-Sumpf der letzten Monate und Jahre zu ziehen. Für diese hellwachen Momente vor dem 0:1, für seine Spielintelligenz und die Auffassungsgabe bei der Ballverteilung haben wir ihn einst bewundert und waren von einer bevorstehenden Topkarriere überzeugt.
Wenn dieser ganze Downfall bei Borussia in den letzten Jahren sicher auch mit seinem Namen verbunden ist, dann muss man ihn hier auch heute als einen der Matchwinner nennen. Eine Entwicklung, die vor kurzem noch undenkbar gewesen wäre.
Ein anderer ist sicher Haris Tabakovic. Bei der Verpflichtung noch belächelt, nach den ersten unglücklichen Auftritten in der Fanszene schon "haareberauft" und von manchem für zu ungelenk und zu leicht für die Liga befunden, hat er nahezu alle Kritiker verstummen lassen. Ein Tor und eine Vorlage beim Sieg im Pokal sowie in acht Bundesligaspielen zwei Assists und fünf Tore (von insgesamt zehn Gladbacher Toren), das ist eine Spitzenquote.
Man sieht außerdem, dass er in der Mannschaft auf dem Platz voran geht, sich vorne wie hinten reinwirft und auch in die Prellbock- und Verteilerrolle bei langen Bällen immer besser reinkommt. Diese Leihe ist, wie die von Yannik Engelhardt, sicher etwas, was Roland Virkus vor dem Fernseher zu Recht als zwei seiner guten Entscheidungen abhaken dürfte.
Für mich ist eine der zentralen Entscheidungen für den jüngsten Aufschwung aber eine andere. Polanski hat gesehen, dass er mit Philipp Sander und Yannik Engelhardt zwei hervorragende Zweikämpfer und auch Spielgestalter in der Mittelfeldzentrale hat, dazu einen Rocco Reitz, dessen Fähigkeiten unbestritten sind, der sich aber als Kapitän der Mannschaft einfach zu viel zugemutet und auf die Schultern geladen hatte, weil er überall eingreifen, helfen, vorangehen wollte. Mit diesen drei Spielern das Zentrum effektiv zu verdichten, das gelang so einfach nicht, das war deutlich zu sehen.
Mit dem Zurückziehen von Sander in die Dreierkette löste Polanski gleich mehrere Probleme: die Abwehrkette bekam in den beiden letzten Spielen erheblich mehr Stabilität, der Spielaufbau über den ballsicheren Sander brachte mehr Variation und Gefährlichkeit ins Spiel nach vorn. Zugleich standen sich die ähnlich veranlagten und agierenden, sehr spielintelligenten Sechser nicht mehr im zentralen Mittelfeld auf den Füßen und steckten ihre Reviere besser aufeinander abgestimmt ab.
Engelhardt ist so zum Dreh- und Angelpunkt in der Zentrale geworden, er und Reitz interpretieren ihre Rolle mit Druck und Drang, aber auch mit Risiko nach vorne. Das können sie aber auch tun, weil hinter ihnen in Sander noch eine gute Lebensversicherung für den Fall eines Ballverlustes steht. Das entlastet auch Diks, Elvedi und die Außen, die gerade in den intensiven Verteidigungsphasen oft erheblich unter Druck geraten sind und dann auch entsprechend Fehler machten. Das hat sich gegen den KSC und St. Pauli deutlich reduziert.
Philipp Sander kann sich bei wenig Gegnerdruck zudem auch zusätzlich in den Angriff einschalten, was die Variabilität noch erhöht und auch anderen Mitspielern Räume öffnen kann. Ich könnte mir deshalb gut vorstellen, dass das eine Dauerlösung werden könnte.
Und was sind die letzten Spiele unter dem Strich nun für die Gesamtentwicklung wert? Das wissen wir noch immer nicht. Dazu ist sie noch zu kurz und fragil. Und die beiden ersten Siege sind fraglos gegen Gegner zustandegekommen, die nicht ihren besten Tag erwischt hatten. Gelänge ein Spiele wie heute auch gegen stärkere und vor allem besser pressende Gegner? Wir wissen es nicht.
Aber die Zielrichtung muss sein, dass wirklich auch weiterhin nur ein Schritt nach dem anderen gemacht wird, Spiel für Spiel angegangen und sich auf die dort anstehenden Herauasforderungen fokussiert wird. Und das wird es intern sicher auch.
Nun steht das Derby vor der Tür, für das Verein und Mannschaft zum Glück rechtzeitig ordentlich Selbstvertrauen tanken konnten. Zu holen gibt es dort aber nur etwas, wenn es wie heute gelingt, die Spielkontrolle und die Ruhe am Ball auch dann zu behalten, wenn man selbst unter Druck gerät. Und wenn man einfach bei sich und im Teamverbund verankert bleibt.
Ob das gelingt, vermag ich nicht zu prognostizieren. Aber nach dieser Woche bin ich etwas optimistischer. Borussia ist noch lange nicht wieder auferstanden. Aber etwas aufgerichtet hat man sich wenigstens schon, in den Ruinen der Champions-League-Borussia, die in den vergangenen Jahren so fatal zerbröselt sind. Und mehr kann man in diesen paar Tagen nun wirklich noch nicht erwarten.
Also, volle Kraft voraus, zum überfälligen Derbysieg!
Bundesliga, 7. Spieltag: Union Berlin - Borussia Mönchengladbach 3:1. Tor für Borussia: 2:1 Tabakovic.
Bundesliga, 8. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Bayern München 0:3.
DFB-Pokal, 2. Runde: Borussia Mönchengladbach - Karlsruher SC 3:1. Tore: 1:0 Maschino, 2:0 Elvedi, 3:1 Tabakovic.
Bundesliga, 9. Spieltag: FC St. Pauli - Borussia Mönchengladbach 0:4. Tore für Borussia: 0:1 Tabakovic, 0:2 Tabakovic, 0:3 Maschino, 0:4 Fraulo.
Saisonspende: 8 Tore aus vier Spielen, darunter auch ein zu Null. Damit sind wir jetzt bei 22 Euro. Das gilt in der Saison 25/26: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für Derbysiege gegen K*** gibt es 10 Euro. Gehaltener Elfmeter: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 2 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund, Leverkusen oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 20 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 30 Euro. Deutsche Meisterschaft: 125 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.