Mut, Kampf, Leidenschaft, Effektivität - und jede Menge Fehler. Der Start in die Bundesligasaison war für Borussia ein wildes Auf und Ab. Am Ende steht ein 4:4, das in der Entstehung glücklich war, zumal Borussia in der Schlussphase kaum echte Akzente setzen konnte. Über die gesamte Spielzeit war es aber sicher verdient, vor allem nach einer sehr abgezockten Anfangsphase.
Das Spiel selbst war kein Burner, ein Spektakel der eher unansehnlichen Sorte. Augsburg hatte viel Ballbesitz, aber selten die Klasse, daraus große Gefahr für das Tor der Borussia zu entwickeln. Gefährlich wurde es vorwiegend nach Standardsituationen, auch wenn nicht alle Tore so fielen.
Die Gladbacher Defensive war dennoch viel zu oft am Anschlag, weil über Außen zu wenig Druck auf den Gegner gemacht wurde und auch das Mittelfeld zu oft preisgegeben wurde. Diese Abstimmungsprobleme waren auch schon in der Vorbereitung immer mal zu sehen, und es wird Zeit brauchen, bis da alles sitzt. Hatte vielleicht auch etwas damit zu tun, dass Itakura nach der Neuhaus-Rückkehr erstmals wieder in die Abwehr rückte und mit Wöber ein neues Innenverteidiger-Duo bildete.
Nach vorne hingegen bestätigten gerade die Neuen um Cvancara dagegen, dass sie Bundesliga-Format haben und aufmerksam und torhungrig sind, gewillt, Fehler des Gegners auszulösen und zu nutzen. Das Spiel nach vorne machte phasenweise richtig Spaß - bis in der zweiten Halbzeit mehr und mehr die Kraft, die Kreativität und Lockerheit auszugehen schienen. Insofern war mit dem späten Punch zum Punktgewinn auch fast nicht mehr zu rechnen.
Für mich war das ein nervlich anstrengender, aber sehr vernünftiger Auftakt. Da steht eine Mannschaft, die etwas will. Dass nicht alles klappt, oder wie im Fall von Luca Netz heute fast gar nichts, gehört zur Entwicklung dazu. Aus diesen Erfahrungen lässt sich aber lernen, und das scheint man bei Borussia auch zu tun. Ich freue mich jedenfalls schon auf die nächsten Spiele, obwohl ich angesichts der offensivstarken Gegner meine Bedenken habe, ob die Seoane-Elf da schon genug entgegenzusetzen hat.
Überschattet wurde das Spiel einmal mehr von Daniel Schlager. Der "Unparteiische", der in dieser Liga leistungsmäßig nichts zu suchen hat, aber immer wieder ran darf, schaffte über 103 Minuten eine vielleicht einmalig einseitige Regelauslegung zugunsten der Gastgeber. Er sah Phantomfouls, immer wenn eine Augsburger Blechbüchse sich - kaum getroffen - weinerlich am Boden rollte, vergaß dafür alle verdienten Verwarnungen für den Gegner (bis auf eine für Dorsch). Selbst als Pedersen Honorat an der Außenlinie einfach umflexte und damit einen erfolgversprechenden Angriff beendete, ließ er den Karton stecken - um die Karte 30 Sekunden später nach einem harmlosen Schubser im Gerangel vor einem Freistoß an Cvancara zu verteilen. Komplett daneben.
Dass seine größte Fehlleistung in diesem Spiel am Ende nur ein Randaspekt war, war der Konzessionsentscheidung zu verdanken, die Borussia den späten Ausgleich per Elfmeter erlaubte. Denn einen Elfmeter hatte Schlager auch in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit verhängt, mit Verspätung und nach VAR-Eingriff.
Punkt 1: In der Situation entschied Schlager richtig, ließ das Spiel nach dem Zweikampf von Luca Netz mit dem Augsburger Engels weiterlaufen. Das war nachvollziehbar, weil es - wenn überhaupt - nur einen ganz leichten Kontakt gegeben haben konnte, der Augsburger sich dann aber sehr theatralisch fallen ließ. Aufgrunddessen hätte man sogar auf Schwalbe und Gelb erkennen können.
Punkt 2: Warum der VAR Tobias Reichel sich dann einschaltete, bleibt wohl sein Geheimnis. Nach allen Diskussionen über Eingriffsschwellen und Vorgaben, die es dank der häufigen VAR-Absurdidäten in den letzten Jahren gab, hätte hier NIEMALS ein Review empfohlen werden dürfen. Der Schiri ging darauf ein und schaute sich die Szenen zudem noch sehr lange an, bis er dann auf Elfmeter entschied.
Punkt 3: Diese Versagenskette zeigt einmal mehr das Elend der deutschen Spitzenschiedsrichterei auf, bei der es nur eine Handvoll Schiris gibt, die fußballverständig und souverän genug sind, sich über solche unangemessenen Eingriffe von außen hinwegzusetzen und bei ihrer Entscheidung zu bleiben, wenn es nötig und richtig ist.
Alle Bilder gaben Schlager recht, dass dieser Zweikampf nicht elfmeterreif war. Trotzdem traute er sich nicht und fiel um. Dass der Druck auf den VAR immens ist, möglichst keinen Fehler im Unterlassen von Hinweisen zu machen, kann ich schon nachvollziehen. Dass der Sportkamerad Reichel aber auch nicht zu den guten Vertretern der Zunft gehört, wirkt sich dann aber insgesamt noch extremer und für den Sport katastrophal aus.
Zum Glück für Borussia zeigte Schlager dann aber am Ende auch nochmal auf den Punkt. Ganz klar: Dieser Elfmeter war genausowenig einer wie der für Augsburg. Beide Seiten können damit aber vernünftig leben, weil es letztlich eine "ausgleichende Ungerechtigkeit" war.
Ich habe aber meine Theorie, warum der Schiedsrichter in dieser Szene nicht auch nochmal an den Bildschirm ging, um seine Entscheidung zu überprüfen. Die Befürchtung, in dieser entscheidenden und vergleichbaren Situation nochmal gegen Gladbach entscheiden zu müssen, könnte dazu beigetragen haben.
Denn natürlich hätte eine vernünftige Review dazu geführt, die leichte Berührung von Vargas gegen Borges Sanchez nicht als strafbar einzustufen und den Strafstoß zurückzunehmen. Dass es einen "Treffer" gab konnte man an den Bildern nicht beweisen, man konnte es nur an Yvandros Gesichtsausdruck ablesen. Das reicht aber hoffentlich nicht einmal in Schlagers Kosmos nochmal zu einem Elfmeter.
Wie auch immer. Mit dem 4:4 im Gepäck kann man auch diese Schiri-Katastrophe gelassener nehmen. Stattdessen steht verdientermaßen mehr im Fokus, was bei der eigenen Mannschaft gut und was nicht so gut war. Den Daumen über einzelne Spieler zu senken oder andere (zu) hochzuheben, sollten wir uns verkneifen. Es ist eine Mannschaft, die da heute auf dem Platz gestanden hat. Mancher hat mehr Probleme als andere, insgesamt wurde heute häufig zu viel Raum preisgegeben und zu langsam gespielt.
Die Hitze mag eine Rolle gespielt haben, die noch nicht perfekte Abstimmung ebenfalls. Aber das wird. Das ist zumindest mein Eindruck. Was bleiben wird, ist, dass die Spiele der neuen Borussia wieder viele Nerven kosten werden. Aber wann war das nicht so?
Saison
2023/24, Bundesliga, 1. Spieltag: FC Augsburg - Borussia Mönchengladbach 4:4.
Tore für Borussia: 0:1 Itakura, 0:2 Cvancara, 1:3 Ngoumou, 4:4 Cvancara ("FEM").
Saisonspende: Vier Tore am ersten Spieltag und schon steht's 12 Euro.
Das gilt in der Saison 23/24: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Jonas Omlin oder einem anderen Torwart: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 123 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.