2022-03-19

Kein großer Wurf

Bin ich froh, dass dieses Spiel vorbei ist! Gut, jetzt nicht so, wie es dann vorzeitig sein Ende fand. Aber dass ich schon nach fünf Minuten zum ersten Mal das Spielende herbeigesehnt habe, hat schon viel mit der Atmosphäre zu tun, die später in dem irren Becherwurf eines Bochumer Fans auf den Schiedsrichter-Assistenten gipfelte.

Ich kann verstehen, dass das Stadion in Bochum ein tolles Erlebnis für Fußballfans ist. Und die Stimmung war bestimmt klasse, auf beiden Seiten.

Aber: Auch wenn ich nicht im Stadion war, fand ich, dass dort heute eine sehr toxische Mischung zusammenkam. Eine aufgepeitschte Gastgeber-Mannschaft, die eigentlich in jedem Zweikampf über die Grenzen des Erlaubten ging, ein Schiedsrichter, der sehr viel Mühe hatte, das Spiel im Griff zu behalten und dem das vor allem zum Ende der ersten Halbzeit kaum gelang.
Und ein Spielverlauf, der die Bochumer Fans natürlich frustete, nachdem sie bis zum Rückstand eigentlich die deutlich klareren Chancen gehabt hatten. Das darf natürlich aber trotzdem nie eine Rechtfertigung sein, gegen irgendjemanden handgreiflich zu werden oder gar Gegenstände nach ihm zu werfen. Für so etwas gibt es keine Rechtfertigung oder Entschuldigung.

Bei mir sorgte das Ganze allerdings vor allem in der ersten Halbzeit dafür, dass ich mich mit dieser Partie, mit den immer heftigeren Zweikämpfen, oft knapp vor der Tätlichkeit, selbst auf meiner heimischen Couch unwohl fühlte - weil ich auch nicht den Eindruck hatte, dass Schiedsrichter Benjamin Cortus die Lage wirklich im Griff hatte (mehr werde ich zu seiner Leistung heute nicht schreiben, auch wenn sie mich keineswegs überzeugt hat).

Ich kann und will gar nicht bewerten, wie sich die Fanszene oder einzelne Stadionbesucher aus Bochum grundsätzlich verhalten. Fakt ist offenbar, dass nicht zum ersten Mal Dinge passieren, die mindestens grenzwertig sind. Das süffisante Video von Max Kruse nach dem Union-Sieg dort ist nur ein Indiz dafür. Das im Nachhinein katastrophale Video des Vereins selbst, nach dem Motto "Trinkt das Bier, werft nicht damit", ist ein weiteres. Aber das ist auch nicht mein Bier (sorry für den schlechten Wortwitz).

Wahr ist aber auch: Idioten gibt es auf den Tribünen jedes Vereins, auch im Borussia Park würde ich so eine Aktion nie ganz ausschließen. Es sind immer nur einzelne, die für solchen Schwachsinn verantwortlich sind. Die Konsequenzen werden natürlich dann wieder ganz viele ausbaden müssen, die damit überhaupt nichts zu tun gehabt haben.

Der an sich durchaus sympathische Verein VfL Bochum wird - abgesehen von möglichen weiteren Strafen - damit leben müssen, dass sein Ruf durch die heutige Aktion fürs erste ramponiert ist. Immerhin ließen die ersten Reaktionen der Verantwortlichen keine Klarheit in der Formulierung vermissen. Gut so!
Der getroffene Assistent Christian Gittelmann, dem ich natürlich alles Gute wünsche, muss außer dem körperlichen Schmerz möglicherweise auch erst wieder Vertrauen fassen, bevor er weitermachen kann. Sich nach so etwas wieder unbefangen mit dem Rücken zu den Fans zu stellen, stelle ich mir nicht ganz einfach vor. Und auch das ist einfach scheiße. Wir vergessen manchmal (auch bei mitunter harter verbaler Kritik, da nehme ich mich nicht ganz aus), dass da eigentlich auch Menschen am Werk sind, die den Fußball genauso so lieben wie wir. Die das nicht in erster Linie machen, um Geld zu verdienen, sondern weil sie den Sport lieben.

So, Themenwechsel. Aus meiner Sicht war der Spielstand bis zu jener 69. Minute durchaus verdient, moralisch sogar mehr als das. Denn Plea und Co. zeigten heute etwas, was ihnen in der Saison lange abging: Dass sie sich auch gegen enorm physisches Spiel des Gegners erfolgreich wehren können. 

Und mit dem kämpferisch überzeugenden und zudem im Spiel nach vorne ordentlich kreativen Mittelfeld mit Luca Netz, Florian Neuhaus und Manu Koné plus der Sturmreihe Thruam, Embolo und Plea war auch spielerisch eine klare Weiterentwicklung sichtbar - wenn auch erst, als sich die Mannschaft um Matze Ginter aus dem Würgegriff der klammernden, beißenden und kratzenden Bochumer befreit hatten.  

Es wäre fahrlässig, über dem (vermutlichen) 2:0-Sieg weite Teile der ersten Halbzeit zu vergessen, in der sich die Mannschaft von Interims-Chef Christian Peintinger mehr schlecht als recht gegen die Wucht der Bochumer zu wehren wusste. Als sie die lang geschlagenen oder über wenige Stationen flach nach vorne getragenen Angriffe zwar meist stoppen, aber fast immer wieder in die Beine des Gegners klärten, der folglich fast alle zweiten Bälle für sich gewann und so die Gladbacher Hintermannschaft ausgiebig auf ihre Haltbarkeit testete.
Vieles wurde - gemeinsam! - sehr vehement und gut verteidigt, es gab aber auch einige brenzlige Situationen, in denen Yann Sommer, Jordan Beyer oder der liebe Gott helfen mussten, um einen Rückstand zu verhindern. Spielkontrolle konnte man dem Gäste-VfL jedenfalls in den ersten 50 Minuten nicht wirklich attestieren. Was das Spiel, nebenbei gesagt, zu einer ziemlichen Bolzerei mit ständigen Ballbesitzwechseln, heftigem Geklammere und vielen Fouls machte, was nun wirklich das Gegenteil von ansehnlich war.

Das wurde nach der Halbzeitpause besser, das Spiel ging hin und her, aber nicht mehr ganz so fahrig und auf Crashkurs in jedem Zweikampf. Dennoch war es so wichtig, als Lasso Plea endlich eine Lücke fand. Das Führungetor kam nicht völlig aus dem heiteren Himmel. Es war auch nicht durch spielerische Überlegenheit erzwungen. Aber es war auch kein Zufallsprodukt.
Denn seit Luca Netz wieder einmal eine Chance bekommen hat, hat er sich nicht nur auf der linken Abwehrseite ganz robust und gut verkauft. Er hat auch zum wiederholten Mal ein Tor vorbereitet. Die Ecke auf den im Rückraum lauernden Plea sah einstudiert aus, und zum Glück fand der Ball seinen Weg durch die Abwehrbeine ins Tor. Die Standards der jungen Ex-Berliners stellen derzeit jedenfalls einen echten Mehrwert in der Mannschaft dar. Das freut mich sehr.

Das zweite Tor nur sechs Minuten später war wiederum sehr fein herausgespielt und mehr als die halbe Miete zum ersten Erfolg in Bochum seit Urzeiten. Und endlich konnte sich da auch Breel Embolo mal wieder in die Torschützenliste eintragen, mit einem überlegten wie sehenswerten Schuss ins Eck, den ihm Stevie Lainer vorgelegt hatte.
Auch danach hatte man das Gefühl, dass Borussia bemüht war, den Druck auf den Gegner hochzuhalten, um sich nicht wieder wie gegen Stuttgart einschnüren zu lassen. Die Konterversuche, auch wenn sie bis zum Spielabbruch nicht zu weiteren Chancen führten, gefielen mir dabei schon erheblich besser als über weite Strecken der Saison. Und jeder einzelne scheint erkannt zu haben, dass man demütig bleiben und weiter hart arbeiten muss, um die Saison zu einem versöhnlichen Ende zu bringen. Es bleibt auch in der Länderspielpause noch genug zu tun.

Dennoch: Das alles lässt uns, nicht nur wegen der zu erwartenden drei Punkte, die das Sportgericht noch offiziell zuerkennen muss, nun deutlich positiver in den Endspurt der Liga schauen. Die Formkurve zeigt klar nach oben, aus den letzten sieben Spielen sollten vier Punkte zum sicheren Klassenerhalt reichen. Und wenn die Mannschaft das stabilisiert, was sie gegen Hertha und Bochum bewiesen hat, nämlich dass sie als Team auftritt und auch bereit ist, dahin zu gehen, wo es wehtut, dann könnte man sogar noch ein bisschen auf die Einstelligkeit in der Tabelle schielen. Etwas, was auch Ex-Manager Max Eberl am Ende der Saison sicherlich noch mal eine Spur besser schlafen lassen würde.   

Das werde ich wohl heute auch gut können. Denn ich habe beschlossen, mir von dem unschönen abrupten Spielende nicht den Gladbacher Erfolg schmälern zu lassen. In dem Moment, als der Becher flog, war ich zumindest schon recht entspannt, dass heute nichts mehr anbrennen würde. Ich hoffte nur, dass sich niemand mehr verletzen würde und das Spiel am Ende nicht noch einmal so eskalieren würde wie in der ersten Halbzeit. Aber das hatte sich dann ja erledigt, wenn auch auf keine schöne Art. Bald schon wird man sich an das Spiel nur noch erinnern, weil es abgebrochen wurde. Was vorher passiert ist, wird verblassen. Sicher nicht zu unrecht. Denn ein großer Wurf war die Partie heute unter dem Strich ganz sicher nicht.  

Bundesliga, 27. Spieltag: VfL Bochum - Borussia Mönchengladbach beim Stand von 0:2 abgebrochen. Tore für Borussia: 0:1 Plea, 0:2 Embolo.

Unabhängig von der offiziellen Spielwertung berechne ich den Spendenstand natürlich nach den gespielten Minuten: Zwei Tore und das zweite Zu-Null innerhalb einer Woche bringen drei Euro ein. Neuer Stand: 110 Euro.

Folgendes gilt für die Saison 2021/22: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal: 1 Euro. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 121 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2022-03-12

Ein Moment des Durchatmens

Einmal tief durchatmen, bitte! Das zweite Abstiegsduell innerhalb einer Woche geht an Borussia - zum Glück -, und man muss sagen, dass es an der Richtigkeit dieses Spielausgangs auch keine Zweifel gibt. Gladbach war von Minute eins Herr im Borussia Park und leistete sich nur direkt nach Wiederanpfiff eine etwas lethargischere Phase gegen offensiver aus der Kabine gekommene Herthaner. Da hätte das Spiel durch einen schnellen Anschlusstreffer aber durchaus noch mal kippen können. 

Doch insgesamt blieb es bei einem gefährlichen Kopfball von Kempf, den Sommer über die Latte wischte (54.) und einem Schuss von Herthas Ekkelenkamp, der auch einen Meter übers Tor geflogen wäre, hätte ihn nicht Kramer ungewollt mit dem Gesicht abgefälscht (77.). Zum Glück prallte der Ball aber an der Latte ab und fiel (diesmal) nicht unglücklich ins lange Eck. Mehr klare Chancen verzeichneten die Gäste nicht - in der ersten Halbzeit blieben sie ganz ohne Torschuss, auch in der zweiten gelang es der Gladbacher Defensive ebenfalls meist, das Tor auch bei dicht vors Tor geschlagenen Flanken recht gut zu verteidigen. Und wenn nicht, räumte Yann Sommer ungewohnt robust im Rauslaufen auf.

Der durch Covid19 verhinderte Adi Hütter und sein Team hatten das wenig überzeugende Experiment mit einer sehr tiefstehenden Ordnung aus dem Stuttgart-Spiel gleich wieder beerdigt und diesmal ultra-offensiv aufgestellt. Neben dem vorderen Trio Embolo, Thuram und Plea sorgten die jungen Scally und Netz über außen für Druck. Koné und Neuhaus entwickelten das Spiel immer wieder durch mutige Läufe durchs Zentrum vertikal nach vorne. 

Begünstigt durch die sehr defensive Aufstellung des Gegners gelang es zumindest in Halbzeit eins fast optimal, den Gegner aus der eigenen Hälfte und vor allem aus dem letzten Drittel vor dem eigenen Tor herauszuhalten. Eine aber nachvollziehbare taktische Ausrichtung, denn der VfB Stuttgart hat offensiv auch deutlich mehr zu bieten als die Berliner, die auch heute keine Argumente dafür sammeln konnten, warum sie nicht absteigen werden.

Für den offensiven Aufwand mit einigen sehenswerten Angriffen belohnte sich die Mannschaft von Interimscoach Christian Peintinger allerdings noch zu lange nicht. Zwar verzeichnete vor allem Thuram in der ersten halben Stunde einige Abschlüsse, die aber alle zu ungenau waren. Die einzige richtig dicke Chance hatte Embolo in der 9. Minute mit einem schönen Schlenzer an den Pfosten gehabt. 

Das 1:0 in der 24. Minute fiel hingegen nicht unbedingt aus einer zwingenden Torchance. Marcus Thuram hatte im Eins-gegen-Eins-Duell gegen Kempf zwar einen Geschwindigkeitsvorteil und er hätte mit dem nächsten Schritt aufs Tor schießen können. Doch Kempfs Grätsche verhinderte das in strafbarer Art und Weise. Plea verwandelte den Strafstoß zur wichtigen Führung, die leider bis zur Halbzeit gegen einen wankenden Gegner nicht weiter ausgebaut werden konnte.
Insofern war das gefährlich, weil sich die Gäste erwartbar nach der Pause offensiver zeigten und Gladbach einmal mehr eine Weile brauchte, um selbst darauf angemessen zu reagieren. Das gelang immerhin dann besser
und das defensiv sehr konsequente Vorgehen und das gegenseitige Helfen in Bedrängnis war ein deutlicher Fortschritt zu manch anderem Spiel.

Dass am Ende ein doch ungefährdeter Sieg stand, lag aber auch daran, dass der VfL heute aus den wenigen guten Torchancen das Optimum herausholte. Die Vorentscheidung fiel nach einer Stunde, nachdem Scally auf schönen Pass von Thuram Hertha-Torwart Lotka zu einer Glanzparade gezwungen hatte und Matze Ginter die direkt darauf folgende Ecke von Luca Netz per Kopf sehr cool im Berliner Tor versenkte.
Natürlich ging dem ein individueller Fehler von Herthas Niklas Stark voraus, aber sowohl die Qualität der Flanke als auch der Abschluss machten einen einstudierten Eindruck. Ganz wichtig, gerade zu diesem Zeitpunkt! 

Die Torvorlage zum 2:0 krönte auch die Leistung des sehr giftigen, aufmerksamen und zweikampfstarken Luca Netz ("ausgerechnet" gegen seinen alten Club), der wie schon gegen die Bayern zeigte, dass wir uns in Zukunft auf einiges von ihm freuen können - nicht nur auf gute Standards. Auch für Matthias Ginter freut es mich, auch er machte ein gutes Spiel und war vor allem in der ersten Hälfte auch als quasi zusätzlicher Offensivspieler unterwegs, fast wie in seiner Nationalmannschaftsrolle. Das sollte ihm Auftritt geben, nachdem er zurecht zuletzt ja auch oft kritisiert worden ist.

Das heute war ein wichtiger Schritt raus aus der Krise. Doch es gibt natürlich mehrere "abers". Gladbach war heute über weite Strecken der Partie gut auf den Gegner eingestellt. Allerdings war das aus meiner Sicht auch der zweitschwächste Gegner, der sich in dieser Saison im Borussia Park vorgestellt hat. Nur der Auftritt von Greuther Fürth in der Hinrunde war noch harmloser. 

Insofern stellt sich die Frage, ob das auch gegen einen konterstärkeren Gegner heute gutgegangen wäre. Hertha hatte zwar nur wenige gute Abschlüsse, diese hätten im schlechten Fall aber dennoch für Gladbacher Punktverluste ausreichen können. Die Mannschaft ist also noch lange nicht über den Berg - das wäre auch vermessen zu glauben, nach den letzten Wochen. Aber sie stabilisiert sich.

Das wäre eine gute, Hoffnung gebende Nachricht, aber: Wie oft haben wir nach guten oder wenigstens verbesserten Auftritten gehofft, dass jetzt der Groschen gefallen, der Knoten geplatzt, der Ernst der Lage erkannt worden war? Um uns dann doch immer und immer wieder eines Schlechteren belehren zu lassen.

Ich kann deshalb beim besten Willen nicht vorhersagen, von welcher Seite sich dieses Team am kommenden Freitag in Bochum zeigen wird. Ob sie an das heutige Spiel anknüpft oder ob sie sich möglicherweise einmal mehr den Hintern versohlen lässt.
Deshalb glaube ich auch am Fernseher vernommen zu haben, dass die Erleichterung im Stadion zwar sehr zu spüren war, aber eben keine Euphorie aufkam. Es ist und bleibt ein schwerer Weg bis zum letzten Spieltag. Die drei Punkte von heute wiegen schwer - gegen die Berliner und für Borussia. Mit denen von Stuttgart wäre das Abstiegsthema aber heute schon sehr sehr klein geworden. Mit einer Niederlage in Bochum dagegen kann es wieder groß werden, denn es sind immer noch "nur" sieben Punkte bis zu den Plätzen 16 und 17.
Allerdings zeigt zum Glück die Formkurve von immer mehr Borussen wieder nach oben, sodass es - konzentrierte Leistungen vorausgesetzt -, heute ein ganzes Stück wahrscheinlicher geworden ist, dass Gladbach auch in der kommenden Saison im Fußball-Oberhaus dabei ist.  

Auch der psychologische Effekt dieses erst vierten Zu-Null-Spiels der Saison - dem ersten seit dem 4:0 gegen Fürth am 20. November - ist nicht zu unterschätzen. Mit diesem Erfolg kann sich die Mannschaft weiter festigen, kann wieder mehr an die eigenen Stärken glauben, auch in der Defensive. Das ist gut - sofern die Spieler nicht leichtsinnig oder überheblich werden. Hoffen wir also, dass dieses Gefühl des Erfolgserlebnisses diesmal von längerer Dauer ist.

Meine wöchentlichen 5 Cent zum Schiedsrichter: Florian Badstübner gefällt mir von seiner ruhigen Art und seiner klaren Gestik (trotz verhältnismäßig wenig Erstligaerfahrung) eigentlich sehr gut. Er versucht auch, viel laufen zu lassen, was mir heute in einigen Szenen aber auch deutlich zu viel war. Beim Elfmeter konnte er offenbar schlecht sehen, ob Ball oder Fuß getroffen wurde, das kann passieren. Und das gibt zugleich dann heute auch mal wieder einen ganz großen Pluspunkt für das reine Vorhandensein des VAR, der diese offensichtliche Fehl- oder Nichteinschätzung logischerweise leicht korrigieren konnte.

Unverständlich ist für mich aber, wie in einem solchen Spiel mit vielen engen und knackigen Zweikämpfen Gladbach am Ende mit drei gelben Karten und Hertha ohne Verwarnung rausgehen konnte. Hier war doch eine erhebliche Ungleichbehandlung zu erkennen, allein die Foulstatistik mit 17:7 für Hertha sagt ja schon einiges über die Frage aus, wer hier erheblich öfter danebengehauen hat.
Ein kompletter Witz des Systems ist es für mich, dass man zwar für einen unabsichtlich mit der Hand abgefälschten Ball im Strafraum zwingend Gelb sieht (wir erinnern uns an Marvin Friedrich oder Denis Zakaria), während es bei Foulspielen (wie beim Elfer von Kempf) aber offenbar ins freie Ermessen des Schiris gestellt wird, ob eine Verwarnung gezogen wird oder nicht. Kempf jedenfalls bekam weder in der Szene noch in zwei anderen eine (verdiente) Karte, dafür auf der anderen Seite aber Marcus Thuram, der dem Schiedsrichter bei der Auswechslung nicht schnell genug vom Platz trabte. 

Das wiederum war eine völlig überzogene Entscheidung, Thuram war ja nicht mal aufreizend langsam vom Platz gegangen, er wählte nur den etwas längeren Weg zur eigenen Bank, was ihm der Schiri auch nicht anders aufgetragen hatte. 

Aktualisierung/Korrektur: Ich bin dankenswerterweise darauf aufmerksam gemacht worden, dass Badstübner Thuram doch bedeutet hatte, dass er auf der anderen Spielfeldseite raus gehen sollte. Dann geht die Verwarnung natürlich grundsätzlich in Ordnung. Das ist mir entgangen. Es ändert aber nichts an meiner Kritik daran, dass so etwas nur alle Jubeljahre mal geahndet wird (siehe folgende Zeilen) und auch, wie in diesem Spiel auch wieder, nicht wenigstens konsequent nachgespielt wird.  

Ich würde gern mal wissen, wann der letzte Spieler in der Bundesliga für so etwas Gelb gesehen hat (und wie oft es überhaupt geschieht) oder ob es da nur wieder ein neues Gegen-Gladbach-"Commitment" à la Stieler gegeben hat, das dann genau bis zum Anpfiff des nächsten Spieltages gilt.
Sicher, es war erst die zweite Karte von Tikus und sie wird wohl diese Saison keine großen Konsequenzen mehr haben. Aber in Ordnung ist das für mich trotzdem nicht (im Gegensatz übrigens zu den anderen beiden Gelben Karten, die angemessen waren).     

Bundesliga, 26. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Hertha BSC 2:0. Tore für Borussia: 1:0 Plea (FEM, Thuram), 2:0 Ginter.

Saisonspende: Zwei Tore steigern den Spendenstand um zwei Euro. Für das erste Zu-Null seit gefühlten Äonen gibt es einen weiteren Euro. Wenn ich gewusst hätte, wie selten die weißen Westen für Yann Sommer in dieser Saison sind, hätte ich den Einsatz vor Saisonbeginn sicherlich höher bewertet. Macht insgesamt nach dem 26. Spieltag: 107 Euro.

Folgendes gilt für die Saison 2021/22: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal: 1 Euro. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 121 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2022-03-05

Ein Schritt vor, drei zurück

Lerneffekt: Nahe null. Immer wieder das gleiche Systemversagen. Borussia Mönchengladbach ist in der Saison 2021/22 ein Spielball der eigenen Unzulänglichkeiten. Zum Mäusemelken. Denn es ist keine durchgängige Besserung in Sicht - trotz des immer wieder zu beobachtenden Aufflackerns individueller und mannschaftlicher Klasse.

Das - nicht nur, aber vor allem das heute - muss jeden tief besorgen, der es mit dem VfL hält. Denn zu den mittlerweile 51 Gegentoren nach 25 Spielen, von denen man jedes zweite verloren und nur sieben gewonnen hat, kommt die Erkenntnis, dass die Mannschaft es zwar immer wieder mal schafft, sich neuen Kredit zu erarbeiten und nach einem Katastrophenspiel eine vernünftige, manchmal auch gute Reaktion zu zeigen. Dass aber nichts davon auch dauerhaft in der Spiel-DNA Borussias fest verankerbar scheint. Das ist umso verwunderlicher, weil jeder von uns weiß, dass es mit genau diesen Spielern auch schon anders war.

Erschütternder Fakt bleibt nach diesem "Top"-Spiel am Samstagabend: Durch eine absolut verdiente 2:3-Niederlage beim VfB Stuttgart - nach eigener 2:0-Führung - hat die Elf von Trainer Adi Hütter es nicht nur verpasst, sich in der Tabelle nachhaltig von den direkten Abstiegsplätzen zu distanzieren. Sie hat es geschafft, sich zu blamieren und auch gleich noch selbst in die nächste Verunsicherung schießen zu lassen.  

Und das, nachdem die Mannschaft in der ersten Hälfte - zwar etwas glücklich - durch zwei wirklich sehenswerte Angriffe eiskalt und komfortabel mit 2:0 in Führung gegangen war. Doch das verunsicherte nicht etwa die gegnerische Mannschaft, die ja unter deutlich höherem Druck stand, heute im direkten Duell der Konkurrenten gewinnen zu müssen.
Nein, der VfB spielte mit Herz, Tempo, Zielstrebigkeit und Schwung einfach weiter, als sei nichts geschehen und schaffte schon drei Minuten nach dem 0:2 den Anschlusstreffer. Die Borussia spielte leider auch so weiter wie vorher. Mit der Ausnahme, dass das Offensivspiel ab da eigentlich überhaupt nicht mehr der Rede wert war.

Umso mehr allerdings die Leistung in der eigenen Spielhälfte - im Negativen. Yann Sommer und Christoph Kramer sprachen das nach der Partie auch in aller Deutlichkeit an, immerhin: "Stuttgart hat uns vorgeführt", so der Schweizer Goalie völlig zutreffend. Und hätten die Schwaben etwas mehr Effektivität an den Tag gelegt, dann hätte es auch heute wieder leicht fünf oder sechs Gegentore regnen können.

Bei dieser unerfreulichen Feststellung macht vor allem nachdenklich, dass offensichtlich auch langsam die Optionen ausgehen, wie man die Defensivschwäche in den letzten Saisonspielen noch irgendwie in den Griff bekommen will. Wie schon gegen Dortmund war die Umstellung auf die (von vielen immer wieder geforderte) Viererkette ein kompletter Reinfall, weil in den Abläufen gegen den Ball auch damit fast nichts funktioniert. Jeder Angriff des Gegner wirkt gefährlich, jede Standardsituation vor Yann Sommer riecht nach Gegentor. Der Gegner zieht, wie Stuttgart heute, das Spiel in die Breite, oder er kommt mit einfachsten Pässen durch die Mitte zum Zug, und in Gladbahcs Defensive herrscht Durcheinander - und oft genug auch reine Panik.

Heute versuchte man in der ersten Halbzeit deutlich tiefer zu stehen als gewohnt, angegriffen wurde der Gegner in den meisten Fällen erst ab der Mittellinie. Möglichkeiten genug, um die Räume für den Gegner effektiv zu verdichten und ihm das Spielmachen möglichst schwer zu machen. Um es deutlich zu sagen: Auch das funktionierte zu keiner Phase dieses Spiels zufriedenstellend. 

Zwar gelang es oft, Flanken und Zuspiele im eigenen Strafraum noch zu klären, doch auch da landete fast jeder Befreiungsschlag beim Gegner und kam postwendend zurück. Immer wieder wurde Yann Sommer von den eigenen Mitspielern gegen früh anlaufende Stürmer als Anspielstation gesucht und benötigt, immer wieder wurde er zum langen Ball gezwungen. Nur dass heute dessen Schläge auch noch außerordentlich oft direkt beim Gegner landeten. Die Folge: Borussia blieb permanent nur die Reaktion auf die Aktionen des Gegners, jeder rannte hinterher, die Entlastung fehlte und somit häuften sich auch die individuellen Fehler. 

Waren die ersten beiden Gegentore noch - höchst borussialike - jeweils (teils mehrfach) durch eigene Beine abgefälscht und begünstigt (der Ehrlichkeit halber galt das auch diesmal für die Gladbacher Tore), bewies der Siegtreffer des VfB einmal mehr, dass diese Abwehr in vielen Situationen nicht bundesligatauglich agiert und auch in entscheidenden Momenten völlig den Überblick verliert.
Bei Sosas Eindringen in den Strafraum und seinem Lauf zur Grundlinie, der in diesem Fall von Thuram nicht verhindert werden konnte (ebenso wie ungefähr 20mal davor schon von anderen Kollegen), standen sechs Verteidiger auf einer Linie am Fünfmeterraum. Und alle waren aus dem Spiel genommen durch den wahrscheinlichsten aller Pässe, nämlich den zurück in Richtung Elfmeterpunkt. Dort stand Kalajdzic völlig blank, er konnte sich den Ball sogar noch mal selbst richtig auflegen und sich die Ecke aussuchen, in die er schießen wollte. 

Da hilft dann auch kein Yann Sommer in Weltklasseform mehr, der vorher schon immer wieder beherzt und erfolgreich eingreifen konnte und musste. Nein, das ist dann einfach nur zu schlecht für die Bundesliga.    

Borussia lief das ganze Spiel über dem Gegner hinterher, Borussia ließ immer wieder die gleichen Angriffe und die gleichen Laufwege zu, als sei es von Gott bestimmt, dass der - ja ligaweit für seine Spielweise sehr bekannte - linke Außenspieler Sosa vor sich freie Räume hat und dort auf überforderte Gegner wie Joe Scally trifft, die er mühelos überlaufen kann.

Damit soll der junge Amerikaner, der nach einigen Spielen (fast) ohne Spielpraxis überraschend für den erkrankten Lainer ins Team rückte, überhaupt nicht die Schuld zugeschoben bekommen. Verteidigen ist eine kollektive Aufgabe in der Mannschaft, und vom Trainer bis zum Stürmer fiel keinem Gladbacher - über die gesamte Spielzeit - eine Lösung ein, wie man diese Abwehrseite (genauso wie die andere, die allerdings weit weniger bespielt wurde) besser absichern könnte. 

Wer Sosa ist, wer Kalajdzic ist, der die natürliche Empfangsstation für dessen Flanken ist, das weiß doch nun wirklich jeder. Und es war insofern auch sehr schade für den VfL, dass ausgerechnet diese beiden rechtzeitig wieder fit waren für dieses Spiel. Denn auch in den vorangegangenen Partien beider Teams waren es gerade diese beiden gewesen, die Gladbach enorme Probleme bereitet hatten. Aufgabe wäre gewesen, genau daraus zu lernen und ein "Gegengift" zu finden.

Einschub: Von daher finde ich auch die nun natürlich boulevard-sportjournalistische Helden-Erzählung vom märchenhaft- überraschenden Erfolg des seit neun Spielen sieglosen Vorletzten aus Stuttgart etwas albern. Denn zum Einen hatte die Mannschaft von Pellegrino Matterazzo in den vergangenen Wochen schon bewiesen, dass sie spielerisch deutlich besser performt als es die blanken Ergebnisse aussagten.
Und zum anderen hatte auch Stuttgarts Sportvorstand Mislintat vor dem Spiel zugegeben, dass er froh sei, dass der VfB nun wieder offensiv (mit Ausnahme von Silas) die "volle Kapelle" zur Verfügung hatte.
Auf das druckvolle, begeisterungsfähige Team und das spielerisch durchdachte Auftreten der Gastgeber war Borussia Mönchengladbach - warum auch immer - heute nicht oder nicht gut vorbereitet.

All das ist natürlich keine Entschuldigung für das eklatante Versagen Borussias. Natürlich kann man ein solch wichtiges Spiel am Ende auch verlieren. Und natürlich kann man - mal - einen schlechten Tag haben. Aber mir fehlt langsam die Fantasie, wie man diese ständigen Rückfälle nach halbwegs gelungenen Stabilisierungen, die auf bemerkenswerte Systemabstürze und Pleiten gefolgt sind, noch erklären und vor allem irgendwann dann doch noch in den Griff bekommen will und kann. 

Ich bin ratlos, wie eine Mannschaft in der einen Woche den Gegner mit viel Einsatz, gutem Anlaufen und auch langsam zurückkehrendem Spielwitz beherrschen kann und in der Woche darauf scheinbar alles vergessen hat, worauf es beim Fußball ankommt. Und das, obwohl man im gleichen Spiel ja sogar schon Wege gefunden hat, den Gegner zwei Bälle ins Tor zu schießen - aber selbst diese beruhigende Führung nichts dazu beiträgt, um das Spiel in den Griff zu bekommen.

Die Spieler? Sie wirken selbst verzweifelt und ratlos, über das, was sie da immer wieder über sich hereinbrechen lassen. Worte, die das Problem erklären, scheint wohl auch das Trainerteam nicht zu haben. Hat es Wege aus dieser Klemme? Die richtigen Werkzeuge? Ich konnte es im Coaching und in den Auswechslungen - nicht nur heute - nicht wirklich erkennen. Ich hoffe, es liegt an mir. Aber ich fürchte, wenn man wie wir alle heute beobachtet hat, dass selbst eine erheblich defensivere Aufstellung gegen den Ball überhaupt keine Wirkung gezeigt hat, dann sind Zweifel angebracht, ob hier jemand den Schlüssel zum sicheren Klassenerhalt in Händen hält. Oder ob er ihn wenigstens noch rechtzeitig finden wird. 

Obgleich es auch heute manches zu bekritteln gegeben hätte, verzichte ich auf mehr als diesen Satz zu Schiedsrichter Christian Dingert. Denn: Die Baustellen lagen auch heute wieder woanders als beim Schirigespann, was aber durchaus auch einige - nicht spielentscheidende Merkwürdigkeiten offenbarte.

Bundesliga, 25. Spieltag: VfB Stuttgart - Borussia Mönchengladbach 3:2. Tore für Borussia: 0:1 Plea, 0:2 Thuram.

Saisonspende: Zwei Tore steigern den Spendenstand auf 104 Euro. Das war vielleicht schon das Beste heute.

Folgendes gilt für die Saison 2021/22: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal: 1 Euro. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 121 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.