Noch vor Jahresende sollten wichtige Vertragsdinge geklärt sein, damit die Spieler sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren können, das hatte Max Eberl nach den deprimierenden Dezemberauftritten gefordert.
Und pünktlich am 29. Dezember sind tatsächlich drei wichtige Personalien entschieden worden. Die Vertragsverlängerung von Jordan Beyer bis 2026 war dabei die vielleicht wichtigste Neuigkeit, weil sie einen weiteren ablösefreien Abgang verhindert, ein echtes eigenes Talent mit Raute im Herzen an Borussia bindet und somit nachhaltig wirkt.
Dass Matthias Ginter und Denis Zakaria ihre auslaufenden Verträge nun auch nicht mehr verlängern würden, nachdem sie dies im Sommer nicht wollten, aber offenbar vorher keinen genehmen ablösezahlenden Abnehmer gefunden hatten, das war dagegen wirklich keine Überraschung mehr. Das es trotz zweistelliger Millionen-Marktwerte keine Einnahmen für Borussia bei deren Wechseln geben wird, daran konnte man sich auch schon langsam gewöhnen. Doch auch wenn das ärgerlich ist: Es ist ein Signal, dass dadurch zugleich ein Erneuerungsprozess angestoßen wird.
Und der Abschied fällt mir im Moment auch recht leicht (das ändert sich vielleicht nochmal, falls einer doch zu den üblichen Verdächtigen aus D oder M. und nicht ins Ausland gehen sollte). Sicher, Denis Zakaria ist kaum 1:1 zu ersetzen, aber er wäre auf Dauer ohnehin irgendwann nicht mehr zu halten gewesen, das wussten wir schon lange.
Matze Ginter wiederum hat sich fünf Jahre mit allem, was er hatte, für Gladbach in jede Schlacht geworfen und er hat sich dabei nie geschont. Er war dabei unglaublich robust und zuverlässig, hat fast nie gefehlt, war wahrscheinlich neben Yann Sommer der Spieler mit den meisten Einsätzen in dieser Zeit. Er ist nach meiner Beobachtung ein einwandfreier Charakter und deshalb respektiere ich auch, was er für Borussia gemacht hat und dass er jetzt seinen Weg ohne Gefühlsduselei weitergeht.
Was mich von ihm leichteren Herzens Abschied nehmen lässt, ist aber auch etwas anderes. Nämlich, dass er nie richtig nachweisen konnte, dass er ein Leader, ein Abwehrchef ist, der eine Mannschaft mitreißt. Immer wenn Gladbach irgendwo unterging, ging er mit unter. Das war sicher nicht sein eigener Anspruch, und es war auch das, was Borussia sich eigentlich von ihm erhofft hatte und was er unter dem Strich bei allen Verdiensten nicht einlösen konnte. Insofern glaube ich, dass Max Eberl ihn im Sommer relativ gleichwertig ersetzen kann, auch wenn Ginter natürlich ein erfahrener Nationalspieler ist.
Wer an dem unbefriedigenden Abgang der beiden nun Schuld oder nicht Schuld trägt, ist schwierig zu beurteilen, wenn man die Abläufe und Details nicht kennt. Fakt ist: Zakaria war im vergangenen Sommer - nach langer Verletzung und weit entfernt von der Bestform - nicht der heißeste Scheiß auf dem eher corona-zähen Transfermarkt. Und Matthias Ginter wäre vielleicht wirklich gern geblieben. Ob sich der Verein da verpokert hat und früher ins Risiko hätte gehen sollen, um ein gutes Angebot für eine Vertragsverlängerung vorzulegen? Es ist Spekulation. Die besseren Karten hatten in beiden Fällen die Spieler in der Hand. Die Zeit lief für sie, und sie können sich auch in diesen schwierigen Zeiten sicher sein, dass sie einen lukrativen Vertrag bei einem zahlungskräftigeren Arbeitgeber ergattern werden.
Dass sie den Vertrag wie vorgesehen erfüllen und nicht wie branchenüblich den bisherigen Verein an dem Transfer mitverdienen lassen, ist ihr gutes Recht. Allenfalls moralisch kann man es in Frage stellen, wenn man sieht, dass im Fall Zakaria etwa der Verein alles dafür getan hat, dass dieser nach der wirklich schweren Verletzung Stück für Stück wieder der alte Zak werden konnte. Eingespielt haben Ginter und Zakaria ihre Ablösesumme für Borussia ohnehin wieder, zum Beispiel durch die europäischen Qualifikationen oder durch Länderspieleinsätze, für die der Verein ja auch entschädigt wurde.
Und so ist es aus meiner Sicht auch nicht angebracht, gegenüber den Spielern in irgendeiner Weise ausfallend zu werden oder zu große Enttäuschung zu zeigen. Sie gehen ihren Weg und legen keinen Wert darauf, bei einem Verein Heldenstatus zu erlangen. Das ist ok. Umso mehr wissen wir zu schätzen, wer da doch anders tickt und dafür ausgiebig geliebt oder auch nach seinem Karriereende noch verehrt wird.
Der absehbare Weggang von Ginter und Zakaria ist aber wohl nur Auftakt eines merklichen Umbruchs im Kader, der von vielen gefordert wurde und offensichtlich auch nötig ist. Durch die von Corona-Einschränkungen veränderten finanziellen Rahmenbedingungen fällt dieser Umbruch drastischer und möglicherweise rumpeliger aus, als es vielleicht gut ist. Auf jeden Fall aber kommt er anders als geplant.
Im Normalfall, das müsste sich jeder ausmalen können, wären im Sommer neben Zakaria auch Thuram, vielleicht Neuhaus und auch Bensebaini Wechselkandidaten gewesen. Jeder von ihnen hätte bei einem Verkauf ein erhebliches Transferplus generiert und Max Eberl in die Lage versetzt, wie üblich für einen verkauften zwei entwicklungsfähige Neuzugänge zu verpflichten. Damit wären wohl auch frühzeitige Vertragsverlängerungen (Ginter, Hofmann) möglich gewesen. Da Borussia bei Koné (als gute Alternative zu den Spielertypen Neuhaus/Zakaria) schon im Januar in Vorleistung ging (und vielleicht auch musste) und dann doch weder Zakaria noch Neuhaus abgab, schränkte das den finanziellen Spielraum ein, zumal auch Wolf noch fest verpflichtet werden musste.
So konnte dann beispielsweise auch der junge William Pacho aus Ecuador nicht verpflichtet werden, der zu einem Nachfolger in der Innenverteidigung hätte werden können/sollen. Der hätte auch den Kader in der Breite verstärkt, damit ein Zakaria nicht wieder in die Abwehr zurückgezogen werden müsste, wenn das Verletzungspech so zuschlägt - wie gerade wieder erlebt.
Ob nun Pech, eigene Fehler, die bösen finanzkräftigeren Clubs oder von allem etwas - die Situation ist so, wie sie ist. Und die verstörend wechselhafte und unter dem Strich schwache Hinrunde nebst leichter Existenzängste lässt den Umbruch nicht nur dringender erscheinen denn je. Es macht ihn auch schwieriger und risikoreicher. Denn man könnte jetzt natürlich alle auf einmal aussortieren und abgeben, an deren Einsatzfreude man insgeheim zweifelt. Doch das macht zum Glück keiner. Erstens wäre das kaum ein lohnendes Geschäft, denn die Hintergründe eines Verkaufs wären auch interessierten Vereinen natürlich nicht verborgen geblieben. Zum anderen muss man ja auch adäquaten Ersatz greifbar haben, der sofort weiterhelfen müsste. Dieser Transferwinter bietet sich dafür nicht unbedingt an.
Borussia hat Probleme, aber auch heute mehr zu verlieren als vor gut zehn Jahren, als man im Winter mit Stranzl und Hanke einen Glücksgriff landete, die Spieler aber auch vor dem Hintergrund auswählte, dass diese mit in die zweite Liga gegangen wären. Das ist heute nicht der Anspruch, wenn man einen Kader hat, der sich fast in identischer Besetzung vor einem Jahr noch auf Champions-League-Niveau bewegte.
Es sind also keine "Feuerwehrmänner" (à la Galasek) gefragt, sondern sinnvolle Ergänzungen, die den Verein sofort stabilisieren helfen, aber auch in der nächsten Saison den erwünschten Schritt nach vorn (nach zwei zurück) mitmachen können. Dabei darf man aber auch die Unwägbarkeiten der Liga nicht vergessen, und die warnenden Beispiele von Vereinen, die auch zu lange dachten, sie seien zu gut besetzt, als dass sie absteigen könnten.
Das bedeutet aus meiner Sicht, dass es in der Rückrunde doch mit dem Gros der Spieler weitergehen wird, die zur Verfügung stehen. Es wäre auch gefährlich, personell zu viel auf einmal zu verändern, weil das das Mannschaftsgefüge erheblich beeinflussen würde - und nicht sicher wäre, dass sich dies nur positiv auswirkt.
Ok. Vielleicht wird Zakaria noch im Januar aus seinem Vetrag herausgekauft, weil natürlich auch von den Interessenten keiner die Chance verpassen will, so ein Schnäppchen zu machen. Dann aber braucht Borussia zwingend eine zusätzliche Alternative auf der Sechs und/oder der Innenverteidigung. Zu schnell machen sonst mögliche Verletzungen die taktischen Möglichkeiten zunichte. Das haben wir ja gerade erst erlebt.
Möglicherweise geht auch Thuram noch im Winter, da arbeitet sein Berater Mino Raiola ja schon länger dran. Auch für ihn brauchte es dann einen sofortigen Ersatz, der aber vom Typ her ein anderer sein könnte - etwa ein schneller, wendiger Außenstürmer. Kandidaten sollte es geben, der Verein wird darauf vorbereitet sein, zumal ein Wechsel von Thuram ja offenbar schon im Sommer nur an dessen Verletzung gescheitert war.
Dass Matthias Ginter jetzt schon geht, glaube ich nicht. Bei ihm werden die Vereine (Inter Mailand wird ja gerade wieder genannt) eher noch abwarten, weil er auch längst nicht die Star-Strahlkraft eines Rüdiger oder Süle hat, die ja ebenfalls im Sommer auf seiner Position ablösefrei zu haben sind. Sollte es doch passieren, müsste wohl von den ebenfalls im Sommer vertragslosen Alternativen - zum Beispiel Friedrich (Union), Kempf (Stuttgart), Schlotterbeck (Freiburg) oder Pieper (Bielefeld) - einer an den Niederrhein gelockt werden. Auch hier glaube ich, dass der Verein auf alles vorbereitet ist.
So. Es ließe sich noch viel weiter spekulieren, insbesondere, was den weiteren Umbau des Kaders angeht, um dem Trainer die Umsetzung seiner Vorstellungen zu erleichtern. Ich beschränke mich dafür aber hier erstmal nur darauf, wer vom aktuellen Kader bleibt. Für Neuzugänge-Raten ist es mir jetzt noch zu früh.
Im Tor stellt sich die Frage erst im kommenden Jahr. Alle vier Torleute haben einen Vertrag bis 2023. Änderungsbedarf gibt es zumindest kurzfristig nicht. Dass Sommer es auf einen ablösefreien Wechsel anlegen könnte, erscheint in seinem Alter auch nicht als das große Risiko.
In der Abwehr sind Elvedi und Lainer (bis 2024) und Beyer (2026) bereits länger gebunden, ebenso Netz (2026) und Scally (genaue Laufzeit nicht genannt). Tony Jantschke steht bis mindestens 2023 zur Verfügung und läuft auch nicht mehr weg. Bei Ramy Bensebaini steht eine Entscheidung im Sommer an, der Vertrag läuft sonst 2023 aus. Doucouré ist bis 2024 gebunden, bleibt aber weiter als Alternative nicht planbar. Für Ginter und eventuell Bensebaini muss also Stammspieler-Ersatz gesucht werden. Für den Algerier wären in Scally und Netz immerhin schon mögliche Anwärter im Verein. Ein Innenverteidigungsplatz muss aber in jedem Fall neu vergeben werden, möglichst mit einem polyvalenten Spieler, der auch noch weitere Positionen beherrscht.
Im Mittelfeld droht der größte Umbruch, auf jeden Fall gibt es hier die meisten Unwägbarkeiten. Zakaria geht weg, das ist seit heute klar. Bennetts Vertrag läuft aus, er hat nicht wirklich eine Perspektive bei Borussia, wird also auch wohl gehen müssen. Bei Hannes Wolf (bis 2024) scheint es auch nach vorzeitiger Trennung auszusehen, sofern die Rahmenbedingungen stimmen. Unklar ist, was Florian Neuhaus (2024) plant, ob er sich unter Hütter aus seinem Tief herausziehen kann und entsprechend auch wieder verstärktes Interesse anderer Clubs weckt.
Kramer (2023) und Koné (2024) sind Stand heute die einzigen, von deren Verbleib im Sommer man derzeit sicher ausgehen kann. Torben Müsels Vertrag müsste ebenfalls auslaufen - Entscheidung offen, eine Rolle hat er im Profikader leider nie spielen können, auf seiner offensiven Position gibt es zudem jede Menge Konkurrenz. Bleibt Laszlo Benes (2024), der sich in der Rückrunde so festspielen müsste, dass man ihm den bisher immer ausgebliebenen letzten großen Schritt doch noch zutrauen kann. Als guter Standardschütze hat er immerhin ein Alleinstellungsmerkmal im derzeitigen Kader. Wieviele Planstellen im Mittelfeld neu zu besetzen sein werden, hängt auch mit von Jonas Hofmann ab. Der hat einen Vertrag bis 2023 und wird im Sommer gehen (müssen), falls die aktuellen Bemühungen von Max Eberl fehlschlagen, ihn von einem Verbleib zu überzeugen. Da Hofmann auf vielen Positionen einsetzbar ist, wäre sein Verlust natürlich ein herber Rückschlag, und in Sachen Ersatz eine große Aufgabe. In jedem Fall wird es inzwischen jede Menge Interessenten geben, die ihn haben wollen.
Im Angriff gibt es die beiden Franzosen Thuram (2024) und Plea (2023), die als klare Wechselkandidaten gelten dürften. Allerdings ginge damit auch ein großer Teil der unberechenbaren Gefährlichkeit der vergangenen Saison. Lars Stindl und Breel Embolo (beide 2023) sollten bleiben dürfen und vielleicht im Sommer verlängern. Das gleiche gilt wohl für Patrick Herrmann, dessen Vertrag im Sommer ausliefe.
All das deutet interessanterweise darauf hin, dass ein Jahr nach dem Abschied von Mentor Ibo Traoré die französischsprachige Fraktion im Kader erheblich ausgedünnt worden sein könnte. Das wäre zumindest bemerkenswert.
Damit bleiben noch die ausgeliehenen Spieler Rocco Reitz und Famana Quizera. Wie da die Planungen aussehen, weiß ich natürlich nicht. Dass Reitz bei dem Neustart im Sommer wieder eingebunden werden sollte, steht aber für mich außer Frage. Und hat Conor Noß schon das Zeug, sich in der Bundesliga zu behaupten oder wäre es besser, ihn noch auszuleihen? Gleiches gilt für den jungen Yvandro Borges Sanchez, der mit 17 schon Nationalspieler von Luxemburg ist, aber aufgrund der Schulausbildung noch gar nicht voll mit den Profis trainieren kann. Hier ist der Anfang des angekündigten Weges, verstärkt die eigenen Talente einbauen zu wollen, schon zu sehen. Doch es könnte für den einen oder anderen eben auch noch ein Jahr zu früh kommen.
Wie auch immer es kommt - es wird ein spannender Prozess. Auf den freue ich mich. Doch nach den vergangenen Monaten schwingt auch die Angst mit, dass all das den Bach runtergehen könnte, was der Verein über zehn Jahre aufgebaut hat. Ein Abstieg wäre fatal, das ist jedem bewusst. Deshalb gilt es vor allem, so schnell wie möglich Abstand zu dieser Gefahrenzone zu gewinnen.
Ich will positiv sein und daran glauben, dass dies relativ zügig gelingt, weil jetzt alle den Ernst der Lage verstanden haben sollten. Versuchen wir, unseren Teil dazu beizutragen. Auch, indem wir dem Verein und seinen handelnden Personen das Vertrauen entgegenbringen, das sie sich in den vergangenen Jahren verdient haben. Je weniger Zwietracht zwischen Verein, Team und Fans herrscht, desto besser die Chancen, da gemeinsam rauszukommen. Packen wir es an. Und wünschen Max Eberl wieder das glückliche Händchen, was ihn jetzt schon so lange ausgezeichnet hat. Die Seele brennt!