2023-05-28

Einigkeit mit Recht - und Kleingeist

Zurück aus Mönchengladbach, bin ich am Tag nach dem Saisonende froh und auch halbwegs versöhnt mit einem schwierigen Spieljahr. Borussia hat ganz zum Schluss dann doch noch ganz viel richtig gemacht, was uns alle mit einem erheblich besseren Gefühl in die Sommerpause gehen lässt, als das vor zwei Wochen noch abzusehen gewesen wäre.

Es gibt noch viel zu sagen, deshalb muss ich das heute thematisch etwas gliedern. Fangen wir mit dem emotionalsten Erlebnis an.

Der Lars: Es gab eine Phase in dieser Saison, da hätte ich die schon vor langer Zeit gekauften Karten für das letzte Heimspiel der Saison abgeben wollen. Meine emotionale Bindung an das, was da auf und neben dem Platz vor sich ging, hatte sich sehr gelockert, und Stand heute hat sich das auch noch nicht wieder normalisiert. Das jüngste von drei überwiegend frustrierenden Jahren mit wenig Kontinuität hat mich borussia-emotional einfach leergesaugt.

Aber da war ja auch der anstehende Abschied von drei Spielern, die ich sehr liebgewonnnen habe. Dazu gehören Marcus Thuram und Ramy Bensebaini, aber viel mehr natürlich - zusammen mit Flaco und Tony Jantschke - der "menschliche Kitt" zwischen Fans und Team, unser Kapitän Lars Stindl.

Er war am Ende der einzige wirkliche Grund, warum ich mir nicht einen sonnigen Samstag zuhause gemacht habe, sondern den 500-Kilometer-Ritt nach Gladbach und zurück angetreten habe. Es hat sich gelohnt. Denn neben dem schönen Gefühl eines Sieges (da war ich bei meinen letzten Stadionbesuchen nicht so erfolgreich) erlebte ich einen der schönsten Tage, die ich in einem Stadion verbracht habe. Der Dank aus vollem Herzen, der Dank aus über 50000 lauten Kehlen, Tränchen in sehr vielen Augen dabei, natürlich auch in meinen. Das war der Abschied, den du dir verdient hast, Capitano!



Ich brauche das für keinen Fan des VfL zu schreiben, es ist sonnenklar. Lars Stindl steht für Borussia, vor allem dafür, wie der Verein sich selbst sehen will. Er steht authentisch für das, was Fans sich von einem Fußballprofi ihrer Mannschaft ersehnen. Er war hochbezahlter Angestellter des Vereins, aber zugleich  immer "einer von uns", einer mit dem offenen Ohr in die Kurve genauso wie im Umgang mit jedem anderen, mit dem er zu tun hatte. Ein Modellathlet und Modellmensch.

Lars Stindl hat in diesen acht Jahren keinen einzigen Titel geholt, er war nicht einmal nahe dran, wenn wir uns das ehrlich eingestehen. Das hat er sicher manchmal bedauert, aber es war sein Weg, trotz magischer Nächte und Tage gemeinsam mit uns einmal (oder mehrmals) mehr tragisch zu scheitern. Er hat nicht jeden Ball so getroffen, wie es für Borussia vielleicht perfekt gewesen wäre. Er hat lange nicht so viel "Zählbares" erreicht wie manche andere Klublegende. Und doch steht er für mich auf einer Stufe mit titelreicheren Borussen wie Netzer, Vogts oder Heynckes.

Denn weil er immer alles rausgehauen hat, was im Tank war, ist er einer der herausragenden Borussen in der Vereinsgeschichte. Er hat die Mannschaft geführt, mit Taten, mit Worten. Er hat viele Tore geschossen, viele vor- oder vorvorbereitet, er hat gepresst, Gegenspieler giftig gestindelt und gepiesackt, oft mal vehement abgerätscht, gemeckert und gelobt. Er war acht Jahre lang Borusse mit jeder Faser seines Körpers. Und das bedeutet: Lars Stindl hat hier alles richtig gemacht!

Deshalb war ein ganzes Spiel diesem Abschied gewidmet, deshalb wurde ein Schlachtruf der Mannschaft von "Mönchengladbach olé" zu "Lars Stindl olè" umgedichtet und viele minutenlang inbrünstig durchgesungen - in einem Verein, in dem immer wieder gesagt wird, dass kein einzelner über dem Verein stehen darf.
Und deshalb kann ich mir heute noch in keiner Weise ausmalen, dass beim Anpfiff der neuen Saison nicht Lars Stindl als Mannschaftskapitän auf den Platz laufen wird.

Sicher, der sportliche Verlust von Bensebaini und Thuram wiegt schwer. Aber der von Lars Stindl wiegt schwerer. Menschlich, als Bindeglied in einem teilweise sehr inhomogenen Team. Und sportlich natürlich auch. Denn gerade der entfesselte Auftritt gestern und die starken Spiele, die Stindl in den vergangenen Wochen als Joker absolviert hat, haben auch noch einmal offenbart, welche fußballerischen Qualitäten uns ohne ihn künftig fehlen - und dass da sehr viel mehr als ein langjähriger Stammspieler ersetzt werden muss.


 

Die Unverbesserlichen: Wie schön wäre es gewesen, wenn sich alle an diesem Tag so benommen hätten, wie es sich für das Saisonende gehört. Ich habe meinen Blog mal angefangen wegen der unsäglichen Auspfeiferei von Fans gegen eigene Spieler oder die Mannschaft. Das wurde mit dem Erfolg der vergangenen Jahre besser. Mit der zuletzt ausbleibenden Weiterentwicklung von Mannschaft und Verein wurde dies auch im Borussia Park aber auch wieder schlechter, natürlich auch diese Saison.

Ich sage es immer wieder, ich bleibe dabei und sage es in aller Deutlichkeit: Ich habe kein Verständnis dafür, dass man Spieler, Trainer oder die Mannschaft wegen ihrer Leistung auspfeift. In keiner Phase ist es hilfreich, in keiner Phase ist es angebracht. Echter Fußball ist kein Computerspiel, die Aktiven auf und neben dem Rasen sind Menschen, keine Roboter. Wenn sie ihre besten Leistungen nicht erreichen, wenn sie Fehler machen, wenn sie uns "enttäuschen", dann tun sie das nicht aus Boshaftigkeit gegenüber den eigenen Fans oder aus Kalkül. Es ist unverschämt und respektlos, ihnen das zu unterstellen. 

Diese "Brot-und-Spiele-Einstellung" in Teilen des Publikums, die sich - aus verständlicher Enttäuschung heraus - Bahn bricht, das Maß verliert und in Ablehnung, Pfiffen, Häme, Unterstellungen und Kommentaren unter der Gürtelllinie ausdrückt, widert mich an.
Ich habe mich gestern (wieder einmal) geschämt für die Pfiffe, die von meiner Position in der Südkurve viel zu laut zu hören waren, wo genau auch immer sie herkamen. Gellende Pfiffe bei der Aufstellung, einem der heiligsten Rituale vor dem Anpfiff, gegen Daniel Farke. Sehr laut vernehmlich gegen Ramy Bensebaini und schon erheblich weniger gegen Marcus Thuram. 

Das ist nicht die Borussia-Familie, wie ich sie oft erlebt habe, und wie sie sich gern selbst darstellt. Ich weiß, es ist eine Minderheit, auch gestern im Stadion. Aber sie ist laut, zu laut. Und sie wird nicht einsehen wollen, dass das gestern peinlich war für den Verein. Und unwürdig gegenüber Spielern, die vielleicht nicht immer auf Topniveau abgeliefert haben, die vielleicht auch nicht immer so aussahen, als würden sie alles geben. Die aber natürlich dennoch nie mit angezogener Handbremse gespielt haben, wie mancher ihnen vielleicht vorwirft. 

Sie haben es nicht immer so hinbekommen, wie wir es von ihnen erwartet haben und vielleicht auch erwarten konnten. Aber wir wissen nie, unter welchen Begleitumständen sie in ein Spiel gegangen sind. Ob sie Ärger, Sorgen oder Schicksalsschläge mit ins Spiel genommen haben - so wie zuletzt Jonas Hofmann, der mit seiner Frau damit fertigwerden musste, dass sie das ungeborene Kind verloren haben.
Vielleicht waren es andere persönliche Gründe, die manchen Spieler gehemmt haben. Ängste vor dem Versagen, vor Pfiffen oder weiß der Teufel.
Oder körperliche Blessuren, trotz derer man ins nächste Spiel gehen will oder muss.  

Es gibt so viele handfeste Gründe, warum man vor den Augen von Millionen kritischer Augen im Stadion oder vor den Fernsehgeräten etwas nicht so hinbekommen kann, wie man es von sich selbst erwartet. Wir alle wissen vieles davon nicht, wir wissen aber inzwischen, dass Körpersprache nicht immer zeigt, wie die Einstellung zum Spiel ist. Fragt Raffael, fragt Özil.
Und, das richtet sich natürlich nur an die Leute auf den Rängen, die pfeifen für in Ordnung halten: Bringt  Respekt auf, lieber einmal mehr als einmal zu wenig - auch Spielern wie Plea, Wolf, Bensebaini oder Thuram gegenüber, selbst wenn die manchmal wie Ritter von der traurigen Gestalt gewirkt haben mögen. Den Menschen vom Fußballprofi zu trennen und ihn wie einen Leistungsroboter zu behandeln, das sollten wir uns heutzutage echt verkneifen. Es kann uns als Fans nur aufwerten. In guten wie in schlechten Tagen.

 

Das Spiel: Man musste es nach dem Auf und Ab in dieser Saison wirklich nicht erwarten, aber am letzten Spieltag zeigte die Mannschaft von Daniel Farke eine komplette Halbzeit lang genau das, was sie zu leisten imstande ist. Das war der Fußball, für den dieser Trainer stehene will und den seine Jungs in der Saison zu selten über mehr als 20 Minuten im Spiel umsetzen konnten. Der FC Augsburg, für den es ja noch um das Vermeiden des Relegationsranges ging, war in den ersten Minuten völlig überfordert mit dem, was das Team um den wie aufgedreht spielenden Lars Stindl ihnen abverlangte. Das 2:0 zur Pause hätte locker ein 5:0 sein müssen, ganz nebenbei hätte Tikus sich in dieser Zeit nochmal ins Rennen um die Torjägerkrone einschalten können. 

Die zweite Hälfte war nach dem Platzverweis für Augsburg nicht mehr von Belang, weil der VfL zwar auch diesma ein wenig zu sehr in den Verwaltungsmodus schaltete und das Spiel verflachte. Der Gegner war allerdings trotz einer Reihe von Standardsituationen nicht in der Lage, große Chancen herauszuspielen. Bei Borussia hingegen zeigte vom Torwart bis zum Mittelstürmer jeder durchweg eine tadellose Leistung. Keiner ließ schleifen, keiner machte leichte Fehler oder war unkonzentriert. Es war ein souveräner Sieg, ein runder und sehr anständiger sportlicher Abschluss, der uns in dieser Hinsicht positiv in den Sommer gehen lässt - auch wenn diese Mannschaft natürlich so nie mehr zusammenspielen wird. 

Kein Extra-Kapitel gibt's für Schiri Matthias Jöllenbeck, was ich auch gut finde. Er wollte zwar etwas zu sehr ganz ohne Karten auskommen. Dabei half ihm, dass die Gladbacher in der ersten halben Stunde viel zu handlungsschnell für die Augsburger waren, selbst um gefoult zu werden. Dennoch musste der Unparteiische dann als erste Karte gleich Rot ziehen. Insgesamt war das aber alles in Ordnung. Es war allerdings auch in dem Spiel kein großes Konfliktpotential mehr vorhanden. Sehr anständig, dass er die ausgiebigen Verabschiedungen bei den Auswechslungen von Thuram und Stindl zuließ.  

So, damit ist die Saison beendet. Um die Zukunft von Borussia, des Trainers und das Kommen und Gehen von Spielern beim anstehenden Umbruch im Kader wird es noch genug zu sagen geben. Das spare ich mir heute. Und bis eine Entscheidung in Sachen Farke gefallen ist, halte ich mich auch da zurück. Ich denke, dass es kein guter Weg wäre, sich nach einem Jahr schon wieder zu trennen, wo man das Projekt doch vor der Saison auf längere Sicht angelegt hatte. Aber ich weiß auch nicht, was intern möglicherweise vorgefallen ist, oder was sonst für einen Trainerwechsel sprechen könnte. Schade fände ich es, bei aller verständlichen Kritik an mancher  übertriebenen Aussage, etwa zu einer angeblich zu hohen Erwartungshaltung im Umfeld des Vereins. Dass Borussias Fans wertschätzen, was geleistet wird, wenn sie das Gefühl haben, dass alles gegeben wurde, zeigt das Beispiel Lars Stindl vielleicht am besten. 

Es gibt also Lernpotenzial auf allen Seiten. Damit Borussia sich weiter stabilisiert und auf einen guten Weg zurückfindet, sollte sich jeder an die eigenen Nase fassen und bald wieder seinen Beitrag dazu leisten. Die Seele brennt!

Saison 2022/23, Bundesliga, 34. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - FC Augsburg 2:0. Tore für Borussia: 1:0 Netz, 2:0 Hofmann. 

Zum Schluss noch zur Saisonspende: Zwei Tore, ein letztes Zu-Null in dieser Saison und keine Prämie für die Saisonziele - auch die Spendensaison mit Borussia endet unterdurchschnittlich. Glatte 120 Euro sind es geworden.
In den beiden Jahren zuvor waren es immerhin 142,50 und 137 Euro, die ich dann jeweils auf 150 Euro aufgerundet habe. Das werde ich auch diesmal tun, es geht schließlich darum, gute Zwecke zu unterstützen. Wohin das Geld geht, verrate ich in einem späteren Beitrag.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer, Jonas Omlin (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2023-05-21

Gastgebergeschenke

Was begann wie die nächste derbe Klatsche, endete mit zwei lauten Lachern und einem seltsamen 2:2, das man nach dem Spielverlauf nun wirklich nicht hatte erwarten können. Aber was kann man schon erwarten in diesem Jahr?

Die erste Hälfte ist schnell erzählt: In den gemütlichen ersten 15 Minuten mitgehalten, mit der ersten Tempoverschärfung der Leverkusener in Rückstand geraten, nach 20 Minuten schon wieder mit 0:2 hinten und zur Halbzeit glücklich, dass es nicht schlimmer geworden war. Auch im vorletzten Saisonspiel zeigte Borussia eine erste Hälfte zum Kopfschütteln. 

Daniel Farke hatte von vornherein in Hofmann und Thuram nur zwei Offensivkräfte aufgeboten, dies führte in den ersten 45 Minuten insgesamt dreimal zu abgeschlossenen Angriffen, deren Torgefahr aber überschaubar war. Gegen den Ball hatte der VfL allerdings trotz der verstärkten Defensive immer wieder Probleme. Bayer schien nach dem 2:0 einem ungefährdeten Kantersieg entgegenzusteuern, das nächste Tor nur eine Frage der Zeit.
Doch das Team von Xabi Alonso ließ es in Halbzeit zwei vielleicht im Gefühl des sicheren Sieges etwas zu locker angehen. Das war durchaus nachzuvollziehen, denn zunächst war von der personell unverändert aus der Kabine gekommenen Borussia keine weitere Gefahr auszumachen.

Dass das Spiel dennoch ins nahezu Absurde kippte, lag an zwei eigentlich unfassbaren Aussetzern in der Leverkusener Abwehr und an den Wechseln, die zwischen der 64. und 72. Minute passierten. Erst profitierte Jonas Hofmann von einem unmotiviert und schlampig gespielten Rückpass von Bakker auf Torwart Hradecky, den der mit seinen limitierten fußballerischen Mitteln nicht kontrollieren konnte, aber offensichtlich auch nicht ins Aus klären wollte. Hofmann erlief den Ball und schoss ihn zum so überraschenden wie unverdienten Anschlusstreffer ins Tor (58.). Beeindruckt schien davon aber keine der beiden Mannschaften, das Spiel plätscherte weiter seinem scheinbar unvermeidlichen Ende und dem Heimsieg der Bayer-Elf entgegen. 

Nach knapp 65 Minuten kam dann Lars Stindl ins Spiel und damit auch mehr Herz in die Mannschaft. Kurz darauf gingen auf der anderen Seite die angeschlagenen Adli und Wirtz vom Feld, zwei Spieler, die in der ersten Hälfte den Unterschied gemacht hatten. Der Gladbacher Kapitän brauchte etwas, um seine Mannschaft zu wecken, doch der Gegner half, indem er schläfriger und passiver wurde und seine Stärken - Schnelligkeit und effiziente Zweikampfführung - nicht mehr ausspielte. 

Borussia nutzte dieses leichte Zurückweichen des Gegners, das in den Schlussminuten vielleicht auch mit dem Europacup-Spiel am Donnerstag zu tun hatte und kam etwas besser ins Spiel. Lars Stindl vergab in der 85. Minute die beste Chance zum möglichen Ausgleich. Und fünf Minuten später krönte er seinen erneuten Jokereinsatz auf Vorlage von Marcus Thuram zum 2:2-Endstand.

Dass und wie dieses Tor fiel, kann man eigentlich nicht glauben. Erneut liefen die Gladbacher sehr hoch an und Nadiem Amiri spielte unter Druck den Ball zurück zum Torwart. Doch vor diesem stand Thuram, der zuvor eine Hereingabe des eigewechselten Patrick Herrmann verpasst hatte, sich im Tornetz darüber eine Weile ärgerte, langsam zurück ins Spiel chillte und zum richtigen Zeitpunkt auf Höhe von Hradecky ankam, um Amiris Pass in Empfang zu nehmen und für den nachrückenden Lars Stindl aufzulegen.

Dieses Slapstick-Tor hatte damit auch irgendwie alles, wofür die verkorkste Saison von Borussia steht. Dass die Gäste nach diesem Treffer dem 3:2 näher gewesen wären als Bayer, wundert nicht wirklich, es wäre aber tatsächlich nach der Leistung der ersten 60 Minuten sehr peinlich gewesen, hier auch noch einen Sieg mitnehmen zu wollen. Daniel Farke kam dennoch nach dem Spiel wortreich zum Schluss, dass ein Sieg nicht unverdient gewesen wäre, was - sagen wir mal - eine sehr exklusive Sichtweise war. 

Den Schlusspunkt sezte aber ein anderer. Leverkusens Hincapie zog in der Nachspielzeit mit gestrecktem Bein wie ein Geistesgestörter gegen Weigl durch, sodass man sich echte Sorgen um den Gladbacher Mittelfeldgestalter machen musste. Zum Glück konnte er weiterspielen, im Gegensatz zu seinem Kontrahenten, den Schiri Daniel Siebert (dem die Gelbe Karte ansonsten ein bisschen zu locker saß) ohne Zögern und hochverdient mit Rot vom Platz schickte. Einmal mehr eine unnötige Entgleisung in dieser Mannschaft, die in jüngster Zeit einfach schon zu viele Gladbacher aus dem Spiel getreten hat.

Immerhin: Einmal noch, dann haben wir diese Saison endlich geschafft. Im Heimspiel gegen Augsburg heißt es noch einmal eine Einheit im Borussia Park zu sein und dem Kapitän Lars Stindl den verdienten warmen Abschied zu bieten. Wenn nichts mehr dazwischen kommt, werde ich auch im Stadion sein. Danach beginnt - wieder - eine neue Zeit, mit einer sichtbar veränderten Mannschaft, vielleicht auch schon wieder mit einem neuen Trainer und natürlich mit den üblichen Hoffnungen, dass es nach diesen turbulenten Jahren mal wieder in ruhige und gute Fahrwasser zurück geht. Den darin sind wir ja alle unverbesserlich - sonst wären wir keine Borussen.          

Saison 2022/23, Bundesliga, 33. Spieltag: Bayer Leverkusen - Borussia Mönchengladbach 2:2. Tore für Borussia: 1:2 Hofmann, 2:2 Stindl. 

Zwei Tor plus = neuer Spendenstand 117 Euro.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer, Jonas Omlin (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

2023-05-13

Überfordert und überfordernd

Den Klassenerhalt gerade geschafft und deshalb eigentlich frei aufspielen können: Es gibt Mannschaften, die verstehen, was damit gemeint ist. Die Borussia aus Mönchengladbach nicht.
Sie kann es in der derzeitigen Zusammensetzung - trotz einiger sichtlich engagierter Spieler auf dem Platz - noch nicht einmal so aussehen lassen, als bemühe sie sich darum. Der VfL blamierte sich stattdessen heute in Dortmund innerhalb weniger Minuten vor den Augen aller "Top-Spiel"-Zuschauer bis auf die Knochen und reißt damit fast mutwillig selbst die kleinen Hoffnungspflänzchen aus, die die zuletzt stabileren Auftritte wieder hatten sprießen lassen.

Dreieinhalb Minuten befand man sich in dieser Partie auf Augenhöhe, wurde dabei bereits zweimal vom gewohnt unterirdischen Schiri Daniel Schlager regelwidrig an einem aussichtsreichen Angriff gehindert, nur um dann mit dem ersten ernstzunehmenden Angriff in Rückstand geraten - durch ein halbes Eigentor des wahrscheinlich bald im schwarz-gelben Dress auflaufenden Ramy Bensebaini. Der fälschte einen Dortmunder Schuss unglücklich ab, was Omlin-Ersatz Jan Olschowsky gegen Donyel Malen nicht mehr ausbügeln konnte.
Auch danach präsentierte sich Bensebaini mal wieder in jener Form, in der man ihn nicht so sehr vermissen wird. Daran änderte auch der sicher verwandelte Elfmeter zum 1:4 in der Schlussphase nichts (der im übrigen genausowenig einer war wie zuvor der vorentscheidendere auf der anderen Seite).

Der Algerier reihte sich damit aber nur ein in eine Slapstick-Abwehr, die wenig richtig machte in der ersten halben Stunde. Und die, wie offenbar das gesamte Team, nicht verstanden hatte, was der eigentliche Plan gewesen war. Bis die Mannschaft das begriffen hatte, war das Spiel entschieden, auch wenn es am Ende kurzzeitig gar nicht mehr so danach aussah.
Denn selbst mit diesem Trümmerauftritt wäre es am Ende möglich gewesen, dem Ausgleich ganz nah zu kommen und den BVB aus seinen Meisterträumen jäh zu wecken. Luca Netz und Lars Stindl hatten spät die besten Chancen, um den BVB noch mal richtig nervös zu machen. Doch das wäre heute wahrlich um einiges zu viel des Glücklichen gewesen, denn in der ersten Halbzeit musste man ja zeitweise noch mit einem zweistelligen Ergebnis rechnen.

Negativ beeinflusst wurde das Ergebnis zugegebenermaßen auch vom Schiedsrichter, der einmal mehr eindrucksvoll bewies, dass er auf diesem Niveau nichts verloren hat, weil er keinerlei Gefühl für die Bewertung von Zweikämpfen hat und (auf beiden Seiten) viele Entscheidungen zum Kopfschütteln fabrizierte.

Ergebnisrelevant war letztlich ein Handspiel von Malen vor dem 0:1, das man Schlager allerdings nicht anlasten kann, weil er es nicht sehen konnte, wohl aber der Kölner Keller. Malens Kopfball parierte der tapfere Olschowsky nämlich noch, dann drückte der Dortmunder Angreifer den Ball aber mit seinem Körper über die Linie und berührte dabei den Ball mit der Hand.
Vorentscheidend war der "Foul"-Elfmeter zum 0:2, für dessen ausschlaggebende Berührung es wahrscheinlich nirgendwo sonst auf dem Feld einen Pfiff gegeben hätte. Die Entscheidung blieb aber trotzdem bestehen, weil Schlager eben gepfiffen hatte. Hätte er es nicht getan, wäre aus Köln ziemlich sicher auch kein Signal gekommen, auf Elfer zu entscheiden. Genauso verhielt es sich später mit dem zweiten Elfmeter des Tages.
Das alte Lied.

Aber das ist am Ende alles auch egal. Denn dieses Spiel hat Borussia ganz allein verloren, in einer Art und Weise, die einen wahnsinnig machen kann. Anstatt sich nach dem schnellen 0:2-Rückstand erstmal aufs Stabilisieren der Defensive zu konzentrieren, wurde am gegnerischen Strafraum weiter munter und unsinnig gepresst und vom Gegner dann mit oft nur einem langen Pass das komplette Gladbacher Mittelfeld überspielt und die Abwehr überrannt. 

Einfach dumm gelaufen? Wohl kaum. Denn wenn ich vorher weiß, dass ich mit meinen Spielern kein Laufduell gegen Malen, Adeyemi und Co gewinne - was soll das dann? Immerhin, um auch einen Kalauer in dieses Trauerspiel zu bringen: Dass es so einfach werden würde, hätte sich der BVB vorher sicher auch nicht aus-Malen können.
Stellungsfehler, überforderte Spieler - und was genauso schlimm war: es gab in Halbzeit eins keine sichtbare Reaktion von der Bank. Und das nach diesem Saisonverlauf, nach diesem Auf und Ab - ein einziger ausbleibender Lerneffekt auch noch (oder wieder) am 32. Spieltag. Es fällt immer schwerer, das zu erklären oder zu verteidigen. Das Team spielt manchmal bodenlos und kann schon im nächsten Moment sein großes Können hervorkramen. Und man weiß nicht, wem man mehr Schuld dafür zuweisen soll, dass es nicht gelingt, hier irgendeine Konstanz reinzubekommen.  

Sicher, es war auch vor dem Spiel klar, dass Borussia in Dortmund gegen ein anderes Kaliber antreten musste als es zuletzt Wolfsburg, Stuttgart oder Bochum dargestellt hatten. Und die personelle Situation ohne Omlin, Plea und Thuram ließ einen Auswärtssieg der Auswärtsschwachen noch weniger wahrscheinlich aussehen. Doch dass man sich in der ersten Hälfte so abschlachten lassen würde, war auch damit nicht absehbar. 

Umso fragwürdiger ist im Nachhinein, dass Daniel Farke sich zum Beispiel für Hannes Wolf und gegen Lars Stindl in der Startelf entschied. Nicht, dass Wolf der Alleinschuldige gewesen wäre. Doch was der Kapitän immer noch mehr auf den Platz bringt, zeigte er eindrucksvoll nach seiner Einwechslung. Da steckte der Karren aber schon zu tief im Dreck.
Und ausgerechnet jetzt, nach dieser ersten Katastrophenhalbzeit, stellte der Trainer plötzlich auf Dreier-/Fünferkette um, was er die ganze Saison über so gut es ging vermieden hatte. Die Mannschaft zeigte nach der Pause, dass sie damit ganz gut zurecht kommen kann. Das Spiel lief deutlich sicherer, natürlich aber auch, weil der Gegner nicht mehr mit der gleichen Intensität auf das nächste Tor ging wie vor der Pause. 

Doch warum gibt es immer erst Änderungen vonder Bank, wenn eigentlich alles schon zu spät ist? Dass nach den klaren Worten zum Umbruch mit Farke und den sichtbaren Transferbemühungen der vergangenen Tage gleich nach dem Spiel Spekulationen über eine bevorstehende Entlassung des Trainers laut wurden, erklärt sich daraus allerdings auch wieder nicht. Und es würde aus meiner Sicht auch keinen Sinn ergeben.

Aber was weiß ich schon? Nicht erst seit heute zweifele und verzweifele ich an meiner aktuell überforderten und uns Fans überfordernden Borussia. Scheint wohl so, als ob das auch noch ein Weilchen so bleibt.  

Saison 2022/23, Bundesliga, 32. Spieltag: BVB - Borussia Mönchengladbach 5:2. Tore für die wahre Borussia: 1:4 Bensebaini (FEM), 2:4 Stindl. 

Zwei Tor plus = neuer Spendenstand 115 Euro.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer Jonas Omlin (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2023-05-07

Die Weichen auf Zukunft

Es ist vollbracht: Am viertletzten Spieltag der Übergangssaison beseitigt Borussia letzte Zweifel am Klassenerhalt. Und, das gehört zu dieser seltsamen Spielzeit dazu, steht damit wieder auf Platz 10 und hat den einstelligen Tabellenplatz plötzlich theoretisch mit vier Punkten Rückstand wieder in Reichweite. Nicht, dass ich dieses Ziel damit ausrufgen möchte - aber möglich wäre es angesichts schwächelnder Frankfurter auf Platz 9.

Davon, unter dem Strich mehr als Durchschnitt zu sein, war die Mannschaft von Daniel Farke auch heute ein gutes Stück entfernt. Zwar erspielte sie sich im Gegensatz zu den Spielen zuvor einen fast verschwenderischen Strauß an erstklassigen Torchancen, traf durch Ngoumou und Bensebaini gar zweimal die Latte.

Doch zugleich ließ sie immer wieder auch sehr gute Chancen der ansonsten recht wild auftretenden Gäste aus Bochum zu. Es brauchte wieder einmal einen hervorragend aufgelegten Jonas Omlin, die robusten Zweikämpfe von Nico Elvedi, Stevie Lainer und des für den rotgesperrten Ko Itakura ins Team gerutschten Marvin Friedrich, um ohne Gegentor aus dem Spiel gehen zu können. Und eine gehörige Portion Glück.

Einmal war sogar der heute oft zu großzügige Schiedsrichter Robert Schröder ein Helfer in der Not. Denn Alassane Pleas ungeschickter Einsatz im Strafraum gegen Schlotterbeck hätte kurz vor der Pause durchaus einen Elfmeter zur Folge haben können.

Doch so lief das Spiel am Ende doch in die Richtung des gastgebenden VfL. Nach einer soliden ersten Hälfte in der Defensive und mit ganz vernünftigen Torchancen in der Offensive, die nicht zuletzt aus haarsträubenden Fehlern des Gegners herrührten, gelang es Weigl und Co., die zwischenzeitliche Führung durch Jonas Hofmann (auf feine Flanke von Ramy Bensebaini) heil in die Pause zu bringen.

Nach dem Wiederanpfiff allerdings zeigte sich einmal mehr das pomadige Borussengesicht. Bis zur 60. Minute hätte Bochum das Spiel leicht gedreht haben können, die Gladbacher ließen sich in der eigenen Hälfte von einem spielerisch kaum konkurrenzfähigen Gegner zeitweise einschnüren und fand phasenweise sehr wenig Zugriff.

Erst nach einer Stunde befreiten sich die Farke-Schützlinge zunehmend aus der misslichen Situation und setzten gegen einen im Mittelfeld dann immer offener agierenden Gegner einen Konter nach dem anderen. Doch einer nach dem anderen blieb auch ungenutzt, teilweise in schon tragikkomischer Art und Weise. 

So war es erst kurz vor Schluss dem eingewechselten Kapitän vorbehalten, das erlösende 2:0 zu erzielen und noch einmal sehr emotional vor der Nordkurve zu bejubeln - sooo verdient und soo gegönnt, lieber Lars!

Dank der anderen Ergebnisse des Spieltags ist Borussia nun auch rechnerisch nicht mehr in der Lage, sich auf einen der letzten drei Tabellenplätze durchreichen zu lassen. Das ist sehr erleichternd! Nun gilt es, in den letzten drei Partien gegen Leverkusen, den BVB und Augsburg einen anständigen Abschluss hinzubekommen, damit sowohl die abwandernden Spieler ihren verdienten freundlichen Abschied bekommen als auch die Hypothek für die neue Saison nicht zu hoch wird. Denn was am Schluss war, daran erinnert man sich noch länger.

Was die Zukunft angeht, hat der Verein ja gerade diese Woche einen guten Job gemacht. Julian Weigl fest und recht günstig langfristig zu verpflichten und ihm den Umbruch im Tema und Verein schmackhaft zu machen, ist bemerkenswert. Dazu der deutsche U-19-Kapitän Ullrich von der Hertha als einen Baustein der Zukunft - das lässt manche Falte auf der Stirn etwas entspannen. Roland Virkus und sein Team konnten damit die gröbsten Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Vereins jedenfalls erstmal zerstreuen. Doch wie gut der Kader im Sommer 2023 dastehen wird, hängt von einigen weiteren guten Entscheidungen ab. Darauf können wir nach diesem Spieltag etwas entspannter schauen. Und das tut auch echt gut.          

Saison 2022/23, Bundesliga, 31. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - VfL Bochum 2:0. Tore für Borussia: 1:0 Hofmann, 2:0 Stindl.

Ein hart erkämpftes Zu-Null bringt insgesamt drei weitere Euro. Neuer Stand: 113 Euro.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer Jonas Omlin (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.