2023-12-09

Im Überlebensmodus

Drei Spiele in einer Woche ergeben zwei zurecht enthusiastisch gefeierte Siege und eine Niederlage für Borussia. Das klingt passabel, und das war es auch. Doch das relativ hilflose Auftreten bei der erwartungsgemäßen Niederlage in der Alten Försterei gegen die bis dahin 16mal hintereinander sieglosen Unioner verdirbt die Laune ein bisschen.

Muss sie aber nicht, denn dieses 1:3 ist vielleicht noch am besten zu erklären, nach 120 intensiven Pokalminuten und einer nicht enden wollenden Personalrotation, die den ständigen Verletzungsausfällen von Stammkräften geschuldet war. Erstaunlicher war für erfahrene Borussia-Fans, dass die Mannschaft von Gerardo Seoane quasi mit dme letzten Aufgebot wichtige Spiele zweimal sehr hemdsärmelig über die Zeit brachte. 

Sowohl gegen die TSG als auch gegen Wolfsburg war nicht viel zu sehen vom spielerischen Vermögen der Mannschaft. Doch auch wenn die Gegner ihre hochkarätigen Chancen hatten, um die Spiele zu gewinnen: am Ende hatte der VfL beide Partien über wiete Strecken relativ gut kontrolliert und über die gesamte Spielzeit clever verteidigt. Das sind möglicherweise Borussia-untypische oder zumindest ungewohnt Tugenden, aber sehr wertvolle Skills, wenn man sich in der Bundesliga behaupten will.

All das gelang Borussia heute in Berlin nicht. Eigentlich war man in allen Belangen unterlegen und die Niederlage somit folgerichtig. Das lag einerseits an den vorgenannten Widrigkeiten - wenig Erholungszeit seit dem Pokalspiel und eine erneut ausgedünnter Personaldecke. Andererseits lag es auch daran, dass Union dank der Schneepause vom Bayernspiel fast zwei Wochen Zeit hatte, sich mit dem Nachfolger von Trainer Urs Fischer wieder auf das zu besinnen, was den Köpenicker Terrorfußball erfolgreich gemacht hat: einfach einfachen und stressigen Terrorfußball zu spielen. Diesen Pfad, so schien es zumindest für mich als Randbeobachter, hatte der Verein mit Erreichen der Champions League und den Zu- und Abgängen im Sommer ein wenig verlassen (wollen). 

Jetzt brachen die "Eisernen" also wieder auf die altbekannte Art und Weise über Plea und Co. herein, mit viel Laufarbeit und Zweikämpfen um jeden Preis. Hilfreich ist es für ein solches Vorhaben, den Schiedsrichter mit sich im Bunde zu wissen, so dass man Bälle ungestraft auch mit großzügig durchgewunkenen Regelwidrigkeiten erobern kann. Dass ist für jeden Gegner unangenehm, für Borussia sind physisch fordernde Gegner aber seit vielen Jahren bekanntermaßen ein Knock-out-Kriterium. Von diesem Makel konnte sich das Team auch unter Seoane noch nicht befreien.

Umso ärgerlicher ist es, wenn bei solchen Partien dann zielsicher Schiedsrichter angesetzt werden, die nicht in der Lage oder willens sind, gleiches Maß auf beiden Seiten anzulegen. Wie mal wieder: Martin Petersen. Der gab Scally völlig ohne Not in der zweiten Minute für ein unabsichtliches Foul Gelb, oder zeigte Weigl nach einem völlig korrekt nur mit Gelb bestraften harten Einsteigen an, dass er Zentimeter an Rot vorbeigeschrammt sei und sich demnach jetzt gar nichts mehr leisten dürfe. Auf der anderen Seite signalisierte er aber mit großspurigen Gesten dem von hinten umgetretenen Plea "kein Foul" und gab ihm prompt Gelb, als er nach dem xten Foul mal deutlicher beschwerte. Insgesamt präsentierte Petersen eine sehr unerfreuliche Unwucht in seinen Pfiffen. 

Natürlich ist das für den Gegner nervenaufreibend, hinterlässt Abnutzungsspuren - und es hilft dem Gegner, einen Spieler wie Lasso Plea, der das Borussen-Spiel seit Wochen mit brillantem Spielmacher-Gen lenkt, weitgehend als Verbindungsstation in der Offensive aus dem Spiel zu nehmen.

Doch im Normalfall darf sich Borussia davon dennoch nicht so beeindrucken lassen, dass die von den meisten Borussenfans schon vorher erwartete traditionelle Niederlage schon früh im Spiel greifbar wurde. 

Ich will mich damit aber gar nicht lange aufhalten, denn für mich ist der Leistungseinbruch heute mit den Abnutzungskämpfen der letzten Wochen durchaus vernünftig erklärbar.

Seit dem verhunzten Köln-Spiel hat sich die Mannschaft in beeindruckender Weise gefunden, von den folgenden 7 Spielen nur eins verloren, aber 5mal gewonnen. Dabei hat das Team vor dem in seine Stammtorwartrolle ganz famos hineingewachsenen Moritz Nicolas allen personellen Rückschlägen getrotzt.

Gegen gegen Hoffenheim und im Pokal gegen Wolfsburg war das nur mit einer gehörigen Portion Glück möglich, unter dem Strich auch sicher nur ein kleines bisschen unverdient. Aber wer mit großem Herz zwei Spiele erfolgreich nach Hause bringt, die man in den Vorjahren sicher verloren hätte, muss sich das nicht vorwerfen lassen. 

Gerade der November und Dezember sind in jeder Bundesliga-Saison die Monate, wo es nicht auf Schönheit, sondern auf Effizienz und Ergebnisse ankommt. Was mit fußballerischer Finesse da nicht klappt, muss eben erkämpft werden. Man muss auf die Zähne beißen und befindet sich schnell mal im "Überlebensmodus". Gerade das hat die alte Borussia zum Jahresende oft nicht mehr hinbekommen, oder nur in einzelnen Spielen. Die neue Borussia ist da auf einem guten Weg. Aber Rückschläge sind unausweichlich, nur ohne Verletzungen wäre der Kader vielleicht in der Breite robust genug, um individuelle Leistungsschwankungen auszugleichen. In dieser Saison schon mehr zu verlangen, wäre vermessen. 

Die jungen Spieler, die ihre Feuertaufe in dieser Saison oder jetzt gerade gegen Hoffenheim und Wolfsburg erlebt haben, werden weiter Fehler machen und uns an anderer Stelle verzücken. Ein Luca Netz genauso wie ein Joe Scally, ein Fabio Chiarodia oder ein Tomas Cvancara. 

Letzterer wirkt nach vielen Verletzungspausen und kleineren Blessuren körperlich nicht auf der Höhe, die ein Stammspieler in der Bundesliga haben muss. Er will dann oft zu viel und scheitert an den einfachen Dingen. Das endet für ihn dann in einem sehr frustrierenden Spiel, über das er sich sicher am meisten ärgern wird. Doch es hilft keinem, ihn jetzt deshalb durch den Wolf zu drehen. Zum Glück hat Seoane eine gute Art, damit umzugehen. Er wird die richtigen Worte finden, Cvancara wieder Selbstvertrauen zu verschaffen und auch an seinen taktischen Fehlern arbeiten.

Jordan, der sich in seine Stürmerrolle ebenfalls nur kurzzeitig reinbeißen durfte, bevor er sich verletzt hat, fehlt im Moment einfach besonders. Wäre er fit, bekäme Cvancara sicher mehr Zeit zur Erholung und Entwicklung. Gleiches gilt auch für andere Positionen. In Lainer, Itakura, Jantschke fehlen auch der Abwehr ein paar Spieler, die anderen bitter notwendige Pausen verschaffen könnten. Das kann man alles nicht ändern, aber man muss es in die Bewertung mit einbeziehen. 

Ich kann jedenfalls mit dem, was ich bis heute gesehen habe, gut leben. Und so sollte man auch die heutige Niederlage nehmen. Scheißegal, ob es wieder kein Sieg bei den Kultigen gab oder eine Pleite gegen den nächsten Tabellenletzten oder einfach nur eine zu wenig wehrhafte Leistung: Die Mannschaft lebt, und das ist die Basis für alles andere.

Saison 2023/24, Bundesliga, 13. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - TSG Hoppenheim 2:1. Tore für Borussia: 1:0 Plea (FEM, Plea), 2:1 Ngoumou.

Saison 2023/24, DFB-Pokal, Achtelfinale:  Borussia Mönchengladbach - VfL Wolfsburg 1:0 n.V. Tor für Borussia: 1:0 Koné.

Saison 2023/24, Bundesliga, 14. Spieltag: Union Berlin - Borussia Mönchengladbach 3:1. Tor für Borussia: 3:1 Plea.


Saisonspende: Vier Tore und ein Zu-Null aus drei Spielen sind am Ende 5 Euro mehr in der Spendenkasse, die nun bei 43,50 Euro steht.

Das gilt in der Saison 23/24: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Jonas Omlin oder einem anderen Torwart: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 123 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

2023-11-25

Mehr als halbvoll

Zwei weitere Spiele hat Borussia seit meinem letzten Blogeintrag und rund um die nächste unnötige Länderspielpause absolviert. Und wenn man es insgesamt betrachtet, ist das Glas bei der Seoane-Elf im Moment deutlich mehr als halbvoll als halbleer. Ein Hauch von halbleer wabert nur deshalb über dem Glas, weil das 2:4 beim BVB durchaus vermeidbar gewesen wäre. 

Manu Koné und Co hätten heute die Krise in Dortmund mit einem gar nicht so abwegigen Auswärtssieg  erheblich verschärfen können. Stattdessen wird man sich beim Gegner jetzt wieder an scheinbaren Comebackqualitäten ergötzen und einmal mehr ignorieren, dass man angesichts der in schwarz-gelber Kleidung vorhandenen fußballerischen Qualität nur mit sehr viel Mühe den Anschluss an die oberen Plätze hält, dazu immer auch mal Hilfe von außen benötigt und insgesamt leistungsmäßig eher stagniert.

Da mich aber nur die wahre Borussia interessiert, ist mir das jetzt auch recht egal. Unsere Mannschaft sortiert sich bekanntermaßen in anderen Gefilden ein, stabilisiert sich als Team aber dabei zunehmend und entwickelt sich in die richtige Richtung. 

Positiv stimmt mich, dass der VfL die Gegner der letzten 180 Bundesligaminuten etwa 130 Minuten lang sehr clever bespielt und dabei oft auch dominiert hat. Der Auftritt gegen Wolfsburg war nahezu ohne Fehler, wobei die Zeitpunkte, zu denen die Tore fielen, natürlich sehr hilfreich waren. 

Das war heute etwas anders, denn nach dem 2:0 blieb dem BVB noch deutlich zu viel Zeit, um am eigenen schwachen Auftritt etwas zu verändern. Es hätte aber nicht sein müssen, dass es Gladbacher Fehler waren, die zu leichte, zu schnelle und zu viele Gegentore einleiteten.
Wir brauchen nicht über Konés fatales Geplänkel vor dem dritten Tor zu reden, auch nicht, dass man sich in den guten 30 Minuten der Dortmunder immer wieder auskontern und ausspielen ließ. Das hat die Mannschaft heute den möglichen Sieg oder wenigstens einen Punkt gekostet, das kann man so festhalten.

An den richtigen Entscheidungen und der richtigen Risikoeinschätzung, auch an der Vermeidung individueller Fehlern  muss weiter gearbeitet werden. Es darf aber auch nicht vergessen werden, dass Seoane das mutige Spiel zurecht einfordert und dass sich das Team zuletzt auch damit belohnt hat. Es war Basis für das Spektakel in den beiden letzten Spielen. 

Auch wenn man anerkennt, dass die Gegentore vor allem selbstverschuldet waren, muss zu Schiri Sven Jablonski und dem VAR Christian Dingert etwas gesagt werden. Jablonski ist ohne Frage ein großes Schiedsrichtertalent. Doch er neigt dazu, Spiele möglichst nur durch Aura, Kommunikation und ohne Verwarnungen über die Bühne bringen zu wollen. Das kann funktionieren, wenn er die lockere Leine auf beiden Seiten gleich anwendet und beide Mannschaften auch etwa gleich intensiv zur Sache gehen. Das war heute nicht der Fall, der BVB kam oft zu spät und war deshalb zu vielen knackigen Fouls gezwungen. Und deshalb war das, was Jablonski heute an Fouls und fälligen Verwarnungen bei den Gastgebern geflissentlich "übersehen" hat, schon nahe an der Spielbeeinflussung. 

Ramy Bensebaini wäre bei der Foulbilanz von heute mit Sicherheit in keinem Spiel im Gladbacher Trikot ohne Gelb oder Gelb-Rot aus der Partie gegangen. Bei Jablonski hatte er trotz zwischenzeitlicher Ermahnung Narrenfreiheit - wie so manch anderer, inklusive Reus, Schlotterbeck und Can. Dessen brutaler Check mit der Schulter gegen Plea war aus meiner Sicht angesichts der Rücksichtslosigkeit des Einsatzes näher an Rot als an der klaren gelben Karte. Der fünf Meter entfernte Schiedsrichter aber sah noch nicht einmal ein Foul darin und reagierte ziemlich spät, obwohl Lasso sofort ausgeknockt alle Viere von sich streckte.

Das war genauso ärgerlich wie beim Gladbacher Angriff vor dem 1:2, bei dem der Schiri mehr oder weniger (gut gemeint) aus einem Vorteil einen doppelten Nachteil für den VfL machte. Der Zweikampf von Reus gegen Koné bei der Balleroberung war mindestens grenzwertig, weil der Dortmunder wohl etwas Ball und deutlich mehr Bein des Gladbachers traf. Da ich von der Szene aber keine vernünftige Zeitlupe sehen durfte (danke für nichts, Sky!), kann ich nicht endgültig entscheiden, ob hier VAR Christian Dingert zwingend hätte eingreifen müssen. 

Zuvor hatte Jablonski Vorteil angezeigt, weil die Gladbacher in Ballbesitz geblieben waren, nachdem Schlotterbeck Honorat umgeflext hatte, ohne auch nur den Hauch der Chance oder des Willens, den Ball zu spielen. Honorat nahm an dem Angriff aber aus Schmerzgründen nicht mehr teil, logischerweise dann aber auch nicht mehr ander Verteidigung des Gegenangriffs, der zum Anschlusstreffer führte.
Das ist schon schlimm - oder von mir aus auch  unglücklich - genug. Dann aber noch nicht einmal nachträglich die Gelbe Karte gegen Schlotterbeck zu ziehen für diese asoziale Grätsche (die natürlich vom Unterhaltungssender Sky auch nicht noch einmal in aller Deutlichkeit gezeigt wurde) - das ist schon eine Frechheit. Zusammen mit vielen anderen Merkwürdigkeiten in der Foulbewertung pro BVB war das eine mehr als ärgerliche Leistung des Unparteiischen.  

Dazu kommt dann noch das Versagen des gesamten Teams beim 2:3. Reus stand beim Torschuss im Abseits, und da er im Sichtfeld des Torwarts stand und dem Ball sogar noch etwas auswich, war das klar als strafbar zu bewerten. Das war auch dem Ex-Gladbacher bewusst, der sich den Torjubel quasi sparte. Was Christian Dingert im Kölner Keller in der Zeit gemacht hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Seiner Aufgabe ist er da jedenfalls nicht gerecht geworden, um es vorsichtig auszudrücken. Aber wer weiß, wofür es gut war. Wäre diese oder andere Entscheidungen gegen Akis Elf gefallen, hätte es vielleicht wieder Brennpunkte und Dopa-Sondersendungen und Schiedsrichtersperren für Dortmunder Spiele geben müssen. Mit den Gladbachern, die sich als Verein nie so vehement beschweren (natürlich auch nicht die Spieler auf dem Platz), kann man aber ja alles machen. Sarkasmus aus.

So oder so: Am Ende wäre ein 3:3 sicher das verdientere Ergebnis gewesen, aber dazu hätte Christoph Kramer dann auch endlich mal seine ausgeprägte Torphobie mit einem etwas überlegteren Schuss überwinden können müssen. So bleibt ein fader Beigeschmack - ob des erneut leichtfertig hergeschenkten Vorsprungs und einer mehr als fragwürdigen Heimschiedsrichterleistung (vom VAR nicht zu reden).

Aber es gilt auch: Die Mannschaft zeigt sich deutlich stabilisierter als vor einigen Wochen. Sie hat guten Fußball in den Beinen und den Willen, ihn zu zeigen. Und sie kann und wird deutlich mehr Positives und nachhaltig zu Verbesserndes aus diesem 2:4 ziehen als aus dem ungefährdeten Sieg gegen die VW-Werksmannschaft. Da bin ich mir sicher.

Saison 2023/24, Bundesliga, 11. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - VfL Wolfsburg 4:0. Tore für Borussia: 1:0 Cvancara, 2:0 Reitz, 3:0 Honorat, 4:0 Plea.

Saison 2023/24, Bundesliga, 12. Spieltag: Dortmund - Borussia Mönchengladbach 4:2. Tore für Borussia: 0:1 Reitz, 0:2 Koné.


Saisonspende: Sechs Tore aus zwei Spielen gegen finanziell deutlich besser gestellte Gegner, dazu noch das erste Zu-Null der Saison, das ist sehr in Ordnung und steigert die Summe um 7 Euro auf 38,50 Euro. Schade, dass greifbare Sonderprämien wie ein Sieg in Dortmund und ein Kramer-Tor so leichtfertig liegengelassen wurden.

Das gilt in der Saison 23/24: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Jonas Omlin oder einem anderen Torwart: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 123 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

2023-11-04

Fragiler Aufwärtstrend

Wenn man eins wahrlich nicht sagen kann, dann, dass Borussias Spiele langweilen. Es ist immer viel geboten, viel Spektakel, mit und ohne Makel. Nach der blöden Derbyniederlage, die die Stimmung schneller als befürchtet in unter Seoane noch nicht gekannte Tiefen zog, waren die beiden Auftritte gegen Liganeuling Heidenheim ein unverhofftes Geschenk. 

Denn die beiden verdienten Siege gegen eine äußerst kampfstarke Mannschaft, die ihre unangenehmen Eigenschaften in beiden Partien aber nur phasenweise auf den Rasen des Borussia Parks bringen konnte, erlaubte es der aufgrund ihrer Sprunghaftigkeit selbst verunsichert wirkenden Mannschaft, wieder mutig ins Agieren zu kommen und das Spiel zu gestalten, und das über weite Strecken der insgesamt 180 Minuten ganz gut. 

Was das wert sein würde und ob dieser Aufwärtstrend weiter reichen würde als über die Mönchengladbacher Stadtgrenze, das musste die jährliche Desillusionsfahrt nach Freiburg zeigen.

Und ja, was soll man sagen? Es war das, was immer ist. Aber andererseits auch nicht. 

In jedem Fall war es ein wilder Ritt durch die bisherige Saison. Schwache erste 15 Minuten, in denen die Breisgauer schon 3:0 hätten führen können. Eine Stabilisierungsphase, die mit dem überraschenden Ausgleich durch eine hervorragend einstudierte Freistoßvariante einen Power-Boost bekam. Gegen nun völlig ausgelöste Freiburger gelang es so, das Spiel bis zur Pause in einen 3:1-Vorsprung zu verwandeln. 

War der VfL da so stark oder der Gegner so schwach wie die Seoane-Elf in den ersten 10 Minuten? Man weiß es nicht genau. Fakt ist, dass das Spiel nach vorne über Lasso Plea plötzlich klappte wie am Schnürchen, meist im Zusammenspiel mit dem bärenstarken Bälle-Ansauger Jordan. Der erzielte nicht nur den ersten Treffer, sondern stand auch beim zweiten mit einem klasse Laufweg Pate und holte den Elfmeter raus, den Julian Weigl dann mit VAR-Hilfe im zweiten Versuch ins Freiburger Tor bugsieren durfte.

Aber: Jordan verletzte sich noch in Halbzeit eins und musste schließlich raus. Und das nahm Borussias Vorwärtsgang die Stärke und Freiburg den bis dahin schmerzhaft effektiven Stachel im Fleisch. Nach vorne ging nach der Pause nicht mehr viel, nach Pleas Auswechslung gar nichts mehr. 

Im Stile einer Terrorfußballmannschaft, mit Glück und Geschick, verteidigten Weigl und Co. allerdings jeden Angriff des SC erfolgreich weg - bis wirklich fast ganz zum Schluss. Eine erfolgreich Terrorfußballmannschaft wäre aber auch noch in der Lage gewesen, den einen entscheidenden Konter zu setzen. Dem VfL fehlte dazu heute die Ruhe und vielleicht auch das Personal.  

Am Ende steht deshalb ein leistungsgerechtes 3:3, das unglaublich bitter ist, weil die Mannschaft sich im Abwehrkampf wirklich für diesen Sieg zerrissen hat. Dass es am Ende dafür wieder nicht gereicht hat, ist aber auch selbst eingebrockt. Denn es ist immer ein Ritt auf der Rasierklinge, wenn man sich eine halbe Stunde in der eigenen Hälfte einschnüren lässt und einen Vorsprung nur noch verteidigen will - oder kann. 

Denn wie es sich heute zeigte, muss es nur ein blöder Ball sein, ein Querschläger, ein Schritt, den du zu spät kommst, und schon machst du dem Gegner ein Geschenk und bringst dich um deinen Lohn. Wer über eine halbe Stunde so wenig Entlastung aus der eigenen Hälfte hinbekommt (nicht zum ersten Mal), ist aber konsequenterweise auch nicht besonders zu bedauern, wenn er es nicht schafft, den Sieg über die Zeit zu bringen.

Ob das an den Einwechslungen liegt oder nicht, ist müßig. Tomas Cvancara, das zeigt sich, ist nicht im Rhythmus wie zu Beginn der Saison und derzeit nicht auf dem gleichen Niveau wie Jordan unterwegs. Robin Hack und andere agieren unter Druck oft nicht ruhig genug am Ball. Das gehört dazu, und da müssen die Spieler und wir als Fans durch.
Ich habe aber schon den Eindruck, dass die Abstimmung untereinander besser wird, die Abläufe häufiger klappen und die Mannschaft stabiler auftritt. Es braucht Zeit, das haben wir gewusst. Und ständige Verletzungsausfälle sind da ein ziemliches Gift. Aber jammern hilft nichts.

Dass der Last-Minute-Ausgleich natürlich "ausgerechnet" durch Grifo erzielt wurde, der vor zwei Wochen durch seine skandalöse Nicht-Rote Karte im Prinzip auch zu Konés Platzverweis einen Tag später (samt heutiger Sperre) beigetragen hat, ist geschenkt. 

Ich fand viel wichtiger, wieviel Positives heute in der Mannschaft zu sehen war. Luca Netz wurde fast die ganze Zeit über links heftig bespielt und zog sich dennoch als Teil der Viererkette hervorragend aus der Affäre. Jordan und Plea habe ich genannt, Weigl und natürlich Rocco Reitz überzeugten als Staubsauger im Mittelfeld, die Abwehr machte trotz einiger heikler Situationen einen stabilen Eindruck. Und Torwart Moritz Nicolas spielt auf, als hätte er schon mehrere Jahre als Stammkeeper in der Bundesliga hinter sich. Es ist schade, dass Grifos Elfmeter einfach zu gut geschossen war. Aber mit der Hand an diesem harten und platzierten Schuss überhaupt noch dran zu sein - Respekt, Moritz! Und natürlich für die abgeklärte Leistung.

Es ist zwar scheiß-ärgerlich, so kurz vor Schluss um den Dreisam-Dreier gebracht worden zu sein, aber ich bin heute unter dem Strich recht zufrieden mit dem, was ich gesehen habe. Aber ob das nächste Woche von unserer Wundertüte wieder genauso gezeigt werden kann - wer würde drauf wetten wollen?

So, noch ein paar wenige Worte zu Schiri und drumherum. Felix Brych machte heute nichts, worüber man sich hätte aufregen müssen, mir ließ er zu viel Foulspiel laufen, vor allem bei Vorteilen, die dann keine waren. Aber das sind Kleinigkeiten. Die Hilfe des VAR konnte Borussia bei Weigls schwachem ersten Elfmeter heute gut gebrauchen. Aber auch wenn wir heute davon profitiert haben: Meine Meinung vom Köln-Spiel bleibt bestehen, als die Elfmeterwiederholung von Kainz wegen eines wenige Zentimeter vor dem Tor stehenden Torwarts zu unserem Nachteil ausfiel. 

Diese Regel ist eindeutig und sie ist auch zentimetergenau nachzuweisen, insofern unbestechlich. Aber sie ist Müll, weil sie eine Perversion einer guten Idee ist. Wenn der Torwart einen halben Meter vorspringt, um den Winkel zum Schützen zu verkürzen, mag er sich einen unrechtmäßigen Vorteil verschaffen. Bei 10 Zentimeter ist das Quatsch. 

Zumal die Regel in beiden Spielen zum Einsatz kam, wo der Schütze einfach schlecht und haltbar geschossen hatte. Also: das ist sportlich gesehen in Köln genauso ungerecht gewesen wie in Freiburg. Froh war ich über den heute daraus resultierenden beruhigenderen Vorsprung dann aber doch. 

Wäre es beim 2:1 geblieben, hätte sich Borussia aber vielleicht auch nicht so früh und so deutlich für die Einigelungstaktik entschieden. Aber ob es dann anders ausgegangen wäre? Wir wissen es nicht. Was wir wissen, ist, dass es mit der Einstellung von heute, abzüglich der ersten Viertelstunde, gelingen kann, den VfL in den kommenden Wochen in sicheren Tabellengewässern zu verankern. Und das wäre soo wichtig. Denn wie schnell das Selbstvertrauen der Mannschaft leidet, ist in den ersten 10 Ligaspielen auch oft genug zu sehen gewesen. 

Saison 2023/24, Bundesliga, 9. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - FC Heidenheim 2:1. Tore für Borussia: 1:0 Plea, 2:1 Eigentor Heidenheim.

DFB-Pokal 2023/24, 2. Runde: Borussia Mönchengladbach - FC Heidenheim 2:1. Tore für Borussia: 1:0 Jordan, 2:0 Jordan, 3:0 Hack.

Saison 2023/24, Bundesliga, 10. Spieltag: SC Freiburg - Borussia Mönchengladbach 3:3. Tore für Borussia: 1:1 Jordan, 1:2 Plea, 1:3 Weigl (FEM).


Saisonspende: Sieben Tore in drei Spielen sind ordentlich, die Siegprämie in Freiburg, naja, die gab es wie immer nicht.... Im Topf sind nun immerhin 31,50 Euro.

Das gilt in der Saison 23/24: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Jonas Omlin oder einem anderen Torwart: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 123 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2023-10-22

Dr. Lari und Mr. Fari

Wenn auf eins Verlass ist in dieser Saison von Borussia, dann ist es die Unzuverlässigkeit der Mannschaft. Kleine Fortschritte und große Rückschläge innerhalb von 90 Minuten und von Spiel zu Spiel gehören zum ständigen Repertoire der neuen Borussia, das ist nervenzerreißend und über die Zuständigkeit von vier Trainern und einem deutlichen Personalumbruch auf dem Platz hinweg kaum noch nachvollziehbar zu erklären. 

Und auch wenn ich den Weg gutheiße und bereit bin, dem Trainer sehr viel mehr Zeit zu geben als manch anderer schon jetzt: Die zahlenmäßig und unter dem Strich auch gefühlt maue Bilanz und das wankelmütige Auftreten der Elf vom Niederrhein lässt Platz für manchen Zweifel. Das Mainz-Spiel habe ich nicht gesehen und ich hatte während der Belästigungspause durch erneute Länderspiele auch gar keine Motivation, mir das im Nachhinein noch anzuschauen.

Das Derby heute bewies dann wieder, dass auch das, was gegen Mainz wohl ganz gut klappte, eine flüchtige Angelegenheit war. Einmal mehr. Das Spiel heute war ungeachtet einiger unglücklicher Momente ein böser Rückfall in die vergangenen Jahre, aber auch in die des noch nicht so lange zurückliegenden Darmstadt-Spiels.
Wie so oft zuvor wurden vor dem Derby von den Spielern zwar verbal die richtigen Tasten gedrückt (wir wissen, was das Spiel bedeutet, wir geben alles für den Sieg, bla bla bla), nur um sich dann wieder schlafmützig und verdutzt in einem Spiel wiederzufinden, für das man offensichtlich nichts von den angekündigten Tugenden auf den Rasen hat retten können.

Köln ist die fußballerisch schwächere Mannschaft, aber das war heute nur zeitweise in der zweiten Halbzeit zu erahnen. Aber im Gegensatz zur Seoane-Truppe machte die Mannschaft von Steffen Baumgart (nicht zum ersten Mal in den vergangenen Derby-Jahren) das, was sie kann, dann auch gut. Sie kämpfte und lief fleißig, sie zog mit vielen Bällen über die schnellen Außen den Gladbacher Abwehrverbund auseinander, um dann in der Mitte die sich bietenden Räume zu nutzen und den davon überrumpelten und paralysierten Gegner von einer Verlegenheit in die nächste zu stürzen. 

Ich bin nicht Taktiknerd genug, um einschätzen zu können oder zu wollen, ob das jetzt mehr am Kölner Können lag oder daran, dass Koné in der ersten Hälfte nur partiell an dem Fußballspiel teilnehmen mochte, vor allem, wenn es in die Gladbacher Hälfte ging. Oder Neuhaus und Friedrich (der sich immerhin steigerte) und Plea mal wieder einen ihrer schlechten Tage hatten, was in der Summe jeden Defensivverbund ins Schwimmen bringen kann. 

Es ist allerdings auch für diesen Text egal, denn am Ende stand eine tief ernüchternde erste Halbzeit, bei der nur das Ergebnis noch etwas hoffnungsvoll stimmen konnte - schließlich stand es (auch dank Moritz Nicolas) nur 0:1.
Mit Rocco Reitz und einigen weiteren Umstellungen kam der VfL nach der Pause etwas sicherer und zwingender ins Spiel. Das Ausgleichstor von Nico Elvedi war Ausweis der gesteigerten Bemühungen um mehr Spielteilnahme, aber auch noch kein Auftakt für ein spielerisches oder wenigstens kämpferisches Feuerwerk gegen nun deutlich mehr geforderte Gastgeber. Wäre Koné in der 69. Minute nicht einmal mehr zu schläfrig gewesen und hätte sich dann nicht zu einem saudummen Foulspiel hinreißen lassen, wäre heute dennoch mehr möglich gewesen.

So besiegelte der einzige Fehler des sonst wieder bärenstarken Moritz Nicolas kurz darauf den nächsten Derby-Elfmetertreffer von Florian Kainz. Nicolas spielte im Duell mit Waldschmidt nicht den Ball, sondern traf den Kopf des Kölners leicht, der daraufhin den korrekten Strafstoßpfiff für sich bekam. Ein unglückliche Szene, denn Waldschmidt konnte den Ball nur unkontrolliert verlängern, es bestand also keine Torgefahr. Aber das passiert. 

Kainz verschoss zwar den ersten Versuch aus 11 Metern, doch dank der Spezialregeln für Torhüter beim Elfmeter durfte der Kölner nochmal ran und brachte den FC gegen die dezimierten Gäste endgültig auf die Siegerstraße.

Was lernt man aus diesem neuerlichen Tiefschlag? Lässt man den Alarmismus aus der Fanseele mal weg, der die Niederlage besonders dramatisch erscheinen lässt, weil es ja das Derby gegen den bis dahin auch noch sieglosen Erzrivalen war, dann war es immer noch ein äußerst fragwürdiger Auftritt.

Es ist nicht das erste Spiel, bei dem Gerardo Seoane taktisch und personell viel korrigieren musste, bis Borussias Bemühungen einigermaßen konkurrenzfähig oder zeitweise dann auch sehr ansehnlich erschienen. Das spricht entweder für falsche Annahmen, was die Taktik der Gegner angeht. Oder dafür, dass der Trainer noch kein sicheres Gespür dafür hat, welcher der Seinen am Spieltag diesmal unpässlich aufzutreten gedenkt. Oder beides. Vielleicht liegt es auch daran, dass dann die Alternativen fehlen, mit denen man anders auftreten kann. So war es sicher eine Schwächung, dass heute nicht der wendige Itakura, sondern der statische Marvin Friedrich verteidigte. Aber die Mannschaft sollte unabhängig davon in der Lage sein, mehr als einen Punkt gegen Gegner wie Mainz und Köln zu holen.

Was also fehlt? Ich weiß es nicht, und Gerardo Seoane wird schnell Lösungen finden müssen, wie er sein Team über ein ganzes Spiel konzentriert und motiviert Fußball spielen lassen kann. Denn fürs Erste ist Borussia in der unteren Tabellenhälfte festgenagelt, und dort geht die Geduld mit Trainern in der Anhängerschaft besonders schnell verloren. Keiner verlangt Wunderdinge von dem Schweizer, aber mehr als in den ersten 8 Spieltagen muss es künftig werden, das steht außer Frage.

So, natürlich hat heute auch der Schiedsrichter Einfluss auf den Ausgang des Spiels genommen. Weil die Hauptschuld an der Niederlage allerdings zweifellos bei Borussia liegt, setze ich meine Schiedsrichter- und Regelkritik aber ans Ende des Textes.
Aus meiner Sicht war es heute trotz überwiegend formal korrekter Entscheidungen in den wichtigsten Szenen ein sehr schwacher Auftritt von Deniz Aytekin. Eine so einseitige Linie pro Köln in den Zweikämpfen (trotz recht fairem Spiel) habe ich sehr lange nicht gesehen. Keine einzige gelbe Karte gegen Köln, wo allein Hübers sich drei taktische Fouls leistete und einmal mit einem beherzten Tritt in Neuhaus' Hacken auch noch den Schuh des Gladbachers mit wegtrat. Dagegen stand wieder einmal eine Witz-Verwarnung, diesmal gegen Scally nach Martels Schauspieleinlage kurz vor Schluss. Unterirdisch auch die "Stürmerfoul"-Entscheidung gegen Jordan am Ende, was dann noch eher ein Elfmeter für den Gladbacher Angreifer gewesen wäre und auf jeden Fall eine erstklassige Torchance für Borussia gewesen wäre.

Entscheidender in Aytekins Leistung war für mich aber der erste Elfmeter. Aytekin erkannte auf Hand, weil Konés Arm an der Strafraumkante aus einem Meter Entfernung angeschossen wurde. Er wusste bei seinem Pfiff noch nicht, dass sich Koné auf der Linie und damit im Strafraum befunden hatte. Dass so aus einem Freistoß ein Elfmeter wurde, ist regelkonform und nicht zu kritisieren. Wohl aber, diese Situation als strafbares Handspiel zu werten. 

Es ist physikalisch nicht möglich, dass Koné in dieser Situation beim Rauslaufen und zur Seite drehen (um dem Schuss auszuweichen) den Arm anders hält. Der Arm befindet sich nicht in abgestreckter Position und auf keinen Fall ist es eine absichtliche Vergrößerung der Körperfläche. Mit diesem Abstand zum Schützen ist es auch zeitlich nicht möglich, sich in irgendeiner Weise aus dem Schussfeld zu bewegen. Mit gesundem Menschen- und Fußballerverstand darf man so einen Elfmeter nicht verhängen.

Und da liegt das Problem, denn es werden immer wieder solche Zufallstreffer zu Strafstößen und Szenen, wo Abwehrspieler im Fallen bewusster einen Ball blocken, nicht. Es wird sich natürlich an diesem Zustand nichts ändern, aber es ist und bleibt eine Verhöhnung der wirklich motorisch hochversierten Profifußballer, die auf diese Weise Strafen gegen sich bekommen, die sie überhaupt nicht vermeiden oder abwenden können.

Bei der Roten Karte gegen Koné gehe ich mit, es ist auch Spekulation, ob die Diskussion um die Grifo-Szene einen Tag zuvor dazu geführt hat, dass man gegenüber Gladbachs Franzosen nun ganz bestimmt nicht zu milde urteilen wollte. Aber die Art, wie Koné da in die Beine grätschte, lässt ehrlicherweise kaum Argumente, das bei Gelb zu belassen.

Bleibt die Elfmeter-Wiederholerei nach dem gehaltenen Strafstoß, die wirklich ärgerlich war, weil sie Nicolas und Co. noch einmal ein Momentum im Spiel hätte geben können. Ich denke nicht, dass die Partie dann verloren gegangen wäre, ist aber natürlich nur ein Gefühl. An der korrekten Auslegung der Regel gibt es auch nichts zu monieren, der Keeper des VfL hatte die Linie verlassen, bevor Kainz geschossen hatte. Punkt.

Kritikwürdig auch hier die Absolutheit, mit der diese Regel zu Anwendung kommt. Sinn der Regel ist es, dass sich der Torwart mit der Bewegung nach vorne keinen Vorteil gegenüber dem Elfmeterschützen verschaffen soll. Das war in dieser Szene auch überhaupt nicht der Fall. Nicolas stand beim Schuss wenige Zentimeter vor der Linie, der Elfmeter war zudem grottenschlecht geschossen und wäre womöglich nicht einmal ins Tor gegangen. 

Hier wird also einem Schützen eine zweite Chance gegeben, obwohl im Sinne des Spiels kein nennenswerter Verstoß des Torhüters vorgelegen hat, wohl aber eine messbare Verletzung einer willkürlich eingeführten Erschwerung der Torhüterparade. Dass es um Entscheidungen im Fußball immer wieder so viel Ärger gibt, liegt nicht zuletzt an solchen sportfernen Regelungen. Die sind von Schiedsrichtern bequem und formal stets korrekt anzuwenden, und nur dafür werden sie eingeführt - nicht, um das Spiel gerechter zu machen.
Beim Abseits haben wir uns inzwischen an absurde Zentimeter-Abseitsentscheidungen gewöhnt, auf deren Zustandekommen die Aktiven selbst kaum noch einen Einfluss haben. Keiner kann wissen, ob zum Zeitpunkt des Abspiels ein Haarbüschel oder eine Kniescheibe vor dem Verteidiger ist, das ihn ins Abseits befördert. Wir nehmen das in Kauf, aber es macht den Sport nicht besser und nicht gerechter. Es macht ihn nur egaler und unberechenbarer. 

Saison 2023/24, Bundesliga, 8. Spieltag: 1. FC K*** - Borussia Mönchengladbach 3:1. Tor für Borussia: 1:1 Elvedi.

Saison 2023/24, Bundesliga, 7. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - FSV Mainz 05 2:2. Tore für Borussia: 1:0 Neuhaus, 2:2 Scally.


Saisonspende: Zwei Tore gegen Mainz, eins im Derby. Für den gehaltenen Elfmeter von Moritz Nicolas gibt es 2,50 Euro, auch wenn er letztlich nichts gebracht hat. Gesamtstand jetzt 24,50 Euro.

Das gilt in der Saison 23/24: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Jonas Omlin oder einem anderen Torwart: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 123 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

2023-10-01

Entwicklungsschritte

Auch nach 5 Spieltagen sieglos, auch das dritte Heimspiel hintereinander verloren - es könnte Weltuntergangsstimmung herrschen am Borussia Park. Dass das nicht der Fall ist, ist einerseits dem Realitätssinn im und um den Verein herum geschuldet. Und andererseits dem Vertrauensvorschuss, den die Mannschaft von Gerardo Seoane für den Neustart von den Fans bekommen hat und auch in der dritten Halbzeit nach dem bitteren Offenbarungseid aus der ersten Darmstadt-Halbzeit sehr anständig verteidigt hat!

Es ist klar: Borussia kann im Moment weder defensiv noch offensiv über ein ganzes Spiel voll mithalten. Es fehlt ihr an personellen Alternativen, um einige müde gelaufene Spieler gleichwertig oder vielleicht besser zu ersetzen. Nicht jeder Spieler ist bereits auf dem notwendigen körperlichen Level. Wenn wie in diesem Spiel jemand wie Cvancara ausfällt, fehlt der Backup, der zum Beispiel Jordans Rolle 1:1 übernehmen kann. Für ihre Verhältnisse macht die Mannschaft das dennoch inzwischen über größere Phasen sehr gut. Es wird gefightet, es wird viel versucht, die Spieler zeigen, dass sie wissen, worum es geht. Dass nicht alles klappt, geschenkt. Aber der Aufwärtstrend ist sichtbar, nur an den Ergebnissen bisher nicht ablesbar.

Das Problem, dass man entweder hinten sehr anfällig und vorne durchschlagskräftig ist oder komplett umgekehrt, das ist in den ersten Spielen ebenfalls nicht zu übersehen gewesen. Die richtige Balance wird sich einstellen, so sieht es jedenfalls nach dem doch sehr konzentrierten Auftritt gegen den Brausekonzern aus, der außer dem Siegtor überhaupt nur eine halbwegs gefährliche Torchance herausarbeiten konnte. Aber die Frage ist, wann die Fortschritte für Zählbares ausreichend sind.

Dass Leipzig heute gewann, war zwar trotz großem Ballbesitzanteil nicht wirklich verdient und wieder einmal einem maximal unglücklich verteidigten Glückstor von Timo Werner zu verdanken, der den Ball gar nicht bekommen hätte, wenn ihm Itakura diesen nicht unfreiwillig genau in den Lauf gegrätscht hätte. Dann auch noch mit Pfosten-Unterstützung, eigentlich die Höchststrafe, so zu verlieren.

Andererseits hatte der VfL über die gesamte Spielzeit neben ein paar vielversprechenden, aber doch versandeten Angriffsversuchen ebenfalls nur sehr wenig Gefahr (ausschließlich) durch Standardsituationen zu bieten. Das ist dann im Zweifel dann auch zu wenig, um einen möglichen Sieg als verdient zu reklamieren. Immerhin gelang es über weite Strecken der Partie, selbst in längere Ballbesitzphasen zu kommen und den Gegner weit genug weg vom eigenen Tor zu halten. Das ist eine wichtige und mutmachende Erkenntnis.

Wo stehen wir? Drei absolute Topteams und zwei aus dem unteren Kämpferlager als Gegner, da kommen nur zwei Punkte nicht ganz überraschend. Es sind aber eigentlich zu wenige. Egal, wie man es einschätzt: Es bedeutet auf jeden Fall, dass der Druck jetzt enorm steigt. Mainz und Bochum sind ebenfalls schon unten drin, das wird also eher Keilerei. Danach kommt das Derby, das dieses Jahr auch in Richtung Kellerduell tendiert. Und dann Heidenheim. Es wird also nur auf dem Papier leichter.

Saison 2023/24, Bundesliga, 5. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Dosenpfand Leipzig 0:1.

 

2023-09-17

(Nicht nur) mit Spitzenfußball überfordert

Tipp vorab: Da ich meinen Einsatz hier etwas zurückfahre, geht es hier heute auch um mehr als ein Spiel. Wer auf meinen Blick zurück vor die Länderspielpause verzichten möchte, scrollt gleich bis unten durch.

 

"Es wird schwäär, das ist klar": Man musste kein Prophet sein, um die weisen Worte von Lucien Favre über die Bilanz der ersten Bundesligaspiele der neuen Saison zu legen. 

Gegen Leverkusen und die Bayern wurde auch dem letzten Fan deutlich gemacht, dass es in diesem Jahr nicht darum gehen wird, Spitzenteams zu schlagen, sondern erstmal die Basics zu erfüllen, die Hausaufgaben zu machen, und die Punkte gegen Teams mit einer vergleichbaren Kragenweite zu holen. Das war Borussia in den Jahren zuvor zu häufig nicht gelungen. Insofern waren die Niederlagen gegen Bayer und Bayern für Realisten keine wirkliche Überraschung. 

Weit tiefer in die Problematik lässt der (erneut) sehr spezielle Auftritt von Borussia Mönchengladbach heute beim bis dato ähnlich unerfolgreichen Gegner SV Darmstadt 98 blicken. Und ich denke, auf diesen Blick hätten wir in der Deutlichkeit auch gern verzichtet. Doch dazu später mehr.  


Nichts zu melden

Eine schmerzhaft klare Sache gab es schließlich auch schon bei der Heimpremiere. Es hat nämlich lange schon keine Mannschaft mehr so dominant im Borussia-Park aufgespielt wie die Gäste aus Leverkusen - auch nicht Freiburg bei diesem bemerkenswerten 0:6 damals und auch nicht der Rekordmeister aus München eine Woche später. 

Die Mannschaft von Xabi Alonso ließ Borussia in keiner Phase des Spiels eigene Akzente setzen, die Niederlage hätte vor allem in Halbzeit eins durchaus höher ausfallen können. Das lag natürlich auch daran, dass Borussia bei der Erneuerung der Mannschaft finanzielle Grenzen gesetzt sind, dem Gegner aber nicht. So kaufte der sich für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag noch weitere Torgefahr ein, und dazu auch zwei Ex-Gladbacher. 

Während der gereifte Granit Xhaka das Spiel seiner Mannschaft nahezu alleine dirigierte, blieb Jonas Hofmann bei seiner Rückkehr an die alte Wirkungsstätte eher eine Mitläuferrolle. Der Empfang für Granit war erwartbar positiv, der für Hofmann erwartbar durchwachsen, mit Pfiffen und Applaus. Das war alles durchaus im Rahmen, habe ich mit Freude festgestellt.  

Das Nachkarten im Interview nach dem Spiel hätte sich Hofmann daher besser - genauso wie Roland Virkus direkt nach dem Wechsel - einfach gespart. Aber was soll's.

Die Pfiffe gegen den Ex verblassten angesichts der tollen Unterstützung der VfL-Fans für die eigene Mannschaft sowieso. Bei aller Geduld, die es brauchen wird und bei aller Unfertigkeit des neuen Borussia-Projekts war die Unterstützung im Stadion trotz des chancenlosen Auftritts der Mannschaft heute ein ganz wichtiger Fingerzeig für die Saison. 

Bleiben wir also geschlossen und geduldig, auch wenn wir die Grenzen erkennen, die der Mannschaft derzeit gesetzt sind.

Saison 2023/24, Bundesliga, 2. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Bayer Leverkusen 0:3.  

 

2023-08-19

Aufregender Auftakt

Mut, Kampf, Leidenschaft, Effektivität - und jede Menge Fehler. Der Start in die Bundesligasaison war für Borussia ein wildes Auf und Ab. Am Ende steht ein 4:4, das in der Entstehung glücklich war, zumal Borussia in der Schlussphase kaum echte Akzente setzen konnte. Über die gesamte Spielzeit war es aber sicher verdient, vor allem nach einer sehr abgezockten Anfangsphase.

Das Spiel selbst war kein Burner, ein Spektakel der eher unansehnlichen Sorte. Augsburg hatte viel Ballbesitz, aber selten die Klasse, daraus große Gefahr für das Tor der Borussia zu entwickeln. Gefährlich wurde es vorwiegend nach Standardsituationen, auch wenn nicht alle Tore so fielen.
Die Gladbacher Defensive war dennoch viel zu oft am Anschlag, weil über Außen zu wenig Druck auf den Gegner gemacht wurde und auch das Mittelfeld zu oft preisgegeben wurde. Diese Abstimmungsprobleme waren auch schon in der Vorbereitung immer mal zu sehen, und es wird Zeit brauchen, bis da alles sitzt. Hatte vielleicht auch etwas damit zu tun, dass Itakura nach der Neuhaus-Rückkehr erstmals wieder in die Abwehr rückte und mit Wöber ein neues Innenverteidiger-Duo bildete.

Nach vorne hingegen bestätigten gerade die Neuen um Cvancara dagegen, dass sie Bundesliga-Format haben und aufmerksam und torhungrig sind, gewillt, Fehler des Gegners auszulösen und zu nutzen. Das Spiel nach vorne machte phasenweise richtig Spaß - bis in der zweiten Halbzeit mehr und mehr die Kraft, die Kreativität und Lockerheit auszugehen schienen. Insofern war mit dem späten Punch zum Punktgewinn auch fast nicht mehr zu rechnen.

Für mich war das ein nervlich anstrengender, aber sehr vernünftiger Auftakt. Da steht eine Mannschaft, die etwas will. Dass nicht alles klappt, oder wie im Fall von Luca Netz heute fast gar nichts, gehört zur Entwicklung dazu. Aus diesen Erfahrungen lässt sich aber lernen, und das scheint man bei Borussia auch zu tun. Ich freue mich jedenfalls schon auf die nächsten Spiele, obwohl ich angesichts der offensivstarken Gegner meine Bedenken habe, ob die Seoane-Elf da schon genug entgegenzusetzen hat.

Überschattet wurde das Spiel einmal mehr von Daniel Schlager. Der "Unparteiische", der in dieser Liga leistungsmäßig nichts zu suchen hat, aber immer wieder ran darf, schaffte über 103 Minuten eine vielleicht einmalig einseitige Regelauslegung zugunsten der Gastgeber. Er sah Phantomfouls, immer wenn eine Augsburger Blechbüchse sich - kaum getroffen - weinerlich am Boden rollte, vergaß dafür alle verdienten Verwarnungen für den Gegner (bis auf eine für Dorsch). Selbst als Pedersen Honorat an der Außenlinie einfach umflexte und damit einen erfolgversprechenden Angriff beendete, ließ er den Karton stecken - um die Karte 30 Sekunden später nach einem harmlosen Schubser im Gerangel vor einem Freistoß an Cvancara zu verteilen. Komplett daneben.

Dass seine größte Fehlleistung in diesem Spiel am Ende nur ein Randaspekt war, war der Konzessionsentscheidung zu verdanken, die Borussia den späten Ausgleich per Elfmeter erlaubte. Denn einen Elfmeter hatte Schlager auch in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit verhängt, mit Verspätung und nach VAR-Eingriff. 

Punkt 1: In der Situation entschied Schlager richtig, ließ das Spiel nach dem Zweikampf von Luca Netz mit dem Augsburger Engels weiterlaufen. Das war nachvollziehbar, weil es - wenn überhaupt - nur einen ganz leichten Kontakt gegeben haben konnte, der Augsburger sich dann aber sehr theatralisch fallen ließ. Aufgrunddessen hätte man sogar auf Schwalbe und Gelb erkennen können.

Punkt 2: Warum der VAR Tobias Reichel sich dann einschaltete, bleibt wohl sein Geheimnis. Nach allen Diskussionen über Eingriffsschwellen und Vorgaben, die es dank der häufigen VAR-Absurdidäten in den letzten Jahren gab, hätte hier NIEMALS ein Review empfohlen werden dürfen. Der Schiri ging darauf ein und schaute sich die Szenen zudem noch sehr lange an, bis er dann auf Elfmeter entschied.

Punkt 3: Diese Versagenskette zeigt einmal mehr das Elend der deutschen Spitzenschiedsrichterei auf, bei der es nur eine Handvoll Schiris gibt, die fußballverständig und souverän genug sind, sich über solche unangemessenen Eingriffe von außen hinwegzusetzen und bei ihrer Entscheidung zu bleiben, wenn es nötig und richtig ist. 

Alle Bilder gaben Schlager recht, dass dieser Zweikampf nicht elfmeterreif war. Trotzdem traute er sich nicht und fiel um. Dass der Druck auf den VAR immens ist, möglichst keinen Fehler im Unterlassen von Hinweisen zu machen, kann ich schon nachvollziehen. Dass der Sportkamerad Reichel aber auch nicht zu den guten Vertretern der Zunft gehört, wirkt sich dann aber insgesamt noch extremer und für den Sport katastrophal aus.

Zum Glück für Borussia zeigte Schlager dann aber am Ende auch nochmal auf den Punkt. Ganz klar: Dieser Elfmeter war genausowenig einer wie der für Augsburg. Beide Seiten können damit aber vernünftig leben, weil es letztlich eine "ausgleichende Ungerechtigkeit" war. 

Ich habe aber meine Theorie, warum der Schiedsrichter in dieser Szene nicht auch nochmal an den Bildschirm ging, um seine Entscheidung zu überprüfen. Die Befürchtung, in dieser entscheidenden und vergleichbaren Situation nochmal gegen Gladbach entscheiden zu müssen, könnte dazu beigetragen haben. 

Denn natürlich hätte eine vernünftige Review dazu geführt, die leichte Berührung von Vargas gegen Borges Sanchez nicht als strafbar einzustufen und den Strafstoß zurückzunehmen. Dass es einen "Treffer" gab konnte man an den Bildern nicht beweisen, man konnte es nur an Yvandros Gesichtsausdruck ablesen. Das reicht aber hoffentlich nicht einmal in Schlagers Kosmos nochmal zu einem Elfmeter.    

Wie auch immer. Mit dem 4:4 im Gepäck kann man auch diese Schiri-Katastrophe gelassener nehmen. Stattdessen steht verdientermaßen mehr im Fokus, was bei der eigenen Mannschaft gut und was nicht so gut war. Den Daumen über einzelne Spieler zu senken oder andere (zu) hochzuheben, sollten wir uns verkneifen. Es ist eine Mannschaft, die da heute auf dem Platz gestanden hat. Mancher hat mehr Probleme als andere, insgesamt wurde heute häufig zu viel Raum preisgegeben und zu langsam gespielt. 

Die Hitze mag eine Rolle gespielt haben, die noch nicht perfekte Abstimmung ebenfalls. Aber das wird. Das ist zumindest mein Eindruck. Was bleiben wird, ist, dass die Spiele der neuen Borussia wieder viele Nerven kosten werden. Aber wann war das nicht so?           

Saison 2023/24, Bundesliga, 1. Spieltag: FC Augsburg - Borussia Mönchengladbach 4:4. Tore für Borussia: 0:1 Itakura, 0:2 Cvancara, 1:3 Ngoumou, 4:4 Cvancara ("FEM")

Saisonspende: Vier Tore am ersten Spieltag und schon steht's 12 Euro.

Das gilt in der Saison 23/24: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Jonas Omlin oder einem anderen Torwart: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 123 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

2023-08-11

Aber hallo, neue Borussia!

Danke Borussia, das war ein schöner Auftakt in das neue Spieljahr. Einen ungefährdeten Erstrundensieg im Pokal gegen einen Oberligisten musste man zwar erwarten können. Aber es hat dennoch schon richtig Spaß gemacht, der Mannschaft von Gerardo Seoane zuzuschauen. Eine Viertelstunde lang zeigte allerdings der Amateurvertreter den Profis, dass es doch einen merklichen Unterschied zwischen Testspiel und Ernstkampf gibt, wie es im Vokabular des Schweizer Trainers gern tönt.

Die giftigen Bersenbrücker standen in der Anfangsphase Weigl und Co richtig auf den Füßen, pressten konsequent und störten alle schönspielerischen Ansätze des VfL. Es hätte auch noch unangenehmer werden können, wenn die Gastgeber in der 8. Minute - verdient - in Führung gegangen wären. Doch zum Glück warf sich dem der neue Mannschaftskapitän Jonas Omlin zweimal resolut, gekonnt und erfolgreich entgegen. 

Danach gelang es den Borussen aber immer besser, das eigene Spiel zu entwickeln. Das lag auch daran, dass der Fünftligist einen Teil seiner Kräfte in der Anfangsphase gelassen hatte und dem Gegner den Rest des Spiels mehr und mehr Spielanteile und Räume überlassen musste.

Die Tore fielen irgendwann als logische Konsequenz der Überlegenheit und sie waren allesamt sehenswert. Im Spiel nach vorn zeigte sich schon sehr gut, wie Seoane die gewonnene Geschwindigkeit mit Ngoumou, Honorat und Cvancara hinter einem Pass-Strategen wie Alassane Plea (und in der zweiten Halbzeit auch  Flo Neuhaus) einsetzen will. Viele Angriffe verpufften zwar auch heute noch, weil Laufwege falsch eingeschätzt wurden oder Pässe unpräzise kamen. Doch es funktionierte vieles zwischen den Alten und den Neuzugängen in der Offensive auch schon sehr gut. 

Cvancara vergab zwar ein paar Chancen leichtfertig, doch er traf auch doppelt und legte einen Treffer auf. Darüber hinaus zeigte er das, was einen Mittelstürmer auszeichnet. Riecher für Situationen, Prellbock- und Ballbehauptungsqualitäten, den Mut für Schüsse aus allen Positionen und die nötige Schnelligkeit, um Gegenspieler ins Schwitzen zu bringen. Auch Ngoumou und Honorat haben in der Vorbereitung bewiesen, dass sie torgefährlich sind und zusammen so manche Defensive aushebeln können. 

Spieler des Spiels war für mich aber Alassane Plea, der nicht nur hinter den Spitzen den Ballverteiler gab, sondern zum Teil schon tief in der eigenen Hälfte Bälle sicherte und in die Umschaltbewegung gab. Der sich auch in der Defensive fleißig und zweikampfstark zeigte. Als Vorbereiter wird er in der neuen Saison sicher noch viel öfter glänzen. Ein Tor war ihm heute aber erneut nicht vergönnt, weil entweder der letzte Pass nicht genau genug kam oder ihn ein Abseitspfiff stoppte. Dennoch: In dieser Verfassung ist Lasso ein Schlüsselspieler für die Saison. 

Weniger souverän war der Eindruck, wenn es um die Verteidigung der eigenen Hälfte ging. Das sah in den Testspielen schon deutlich besser aus als phasenweise im heutigen Spiel. Unter Druck offenbarten Scally und Netz auf den Außenpositionen, aber auch die erfahreneren Innenverteidiger Marvin Friedrich und Neuzugang Maxi Wöber einige Unsicherheiten. Während letzterer sich im Laufe des Spiels stabilisierte, blieb Friedrich heute Unsicherheitsfaktor und damit den Beweis schuldig, dass er in die Bundesliga-Startelf gehört. 

Wenn sich im zentralen Mittelfeld die zwischenzeitliche Personalknappheit auflöst, wird Ko Itakura wieder in die Abwehr rücken. Und dann könnte es für Friedrich trotz ganz guter Testspielleistungen wieder nur für die Bank reichen, zumal Tony Jantschke in der Vorbereitung einen insgesamt erheblich sichereren Eindruck gemacht hat und endlich mal wieder richtig verletzungsfrei und fit wirkt.

Insgesamt lässt sich aber sehr positiov in die Saison schauen. Es läuft allerdings schon wieder fast zu glatt und harmonisch. Während das Management um Roland Virkus und Nils Schmadtke geräuschlos dafür sorgte, dass der enorme spielerische Verlust (Thuram, Hofmann, Stindl, Bensebaini) weitgehend oder mit etwas Fantasie für die Zukunft ersetzt werden konnte (Honorat, Cvancara, Wöber, Hack und Talente wie Ranos und Chiarodia), blieb die Mannschaft unter Seoane inder Vorbereitung unbesiegt und zeigte sich dabei geschlossen und leistungsfreudig wie lange nicht mehr. Eine neue Hierarchie bildet sich und es scheinen alle an einem Strang zu ziehen.

Doch was diese Eindrücke wert sind, zeigt sich erst, wenn ein paar Spiele des recht happigen Startprogramms in der Liga absolviert sind. Erst dann wird man wissen, in welche Richtung sich Borussia in diesem Jahrorientieren kann und muss. 

Das Schöne ist: Es macht bisher sehr viel Spaß, diese neue Borussia zu begleiten. Und es gibt Hoffnung, dass die Neuerfindung der Fohlenelf funktionieren und mitreißen kann, selbst wenn die Ergebnisse nicht immer so sein werden, wie kühne Optimisten sie sich ausmalen möchten. Es wird eine schwierige Saison, aber wir alle können uns hinter dieser neuen Mannschaft versammeln, weil wir uns mit ihr identifizieren können. Das ist schon viel wert.

Nun noch ein paar Worte in eigener Sache: Zwei Monate war hier Sommerpause, und das ganz bewusst bis zum ersten Pflichtspiel. Ich habe diese Auszeit gebraucht, und ich habe mich emotional auch noch weiter vom Fußball-Zirkus (Geschäft ist ja schon fast verniedlichend) entfernt. 

Ich fiebere immer und auch weiterhin mit Borussia mit. Aber die Entwicklung der Rahmenbedingungen, die nur die bestehenden Machtverhältnisse im internationalen Fußball und an der Spitze der deutschen Bundesliga weiter zementieren, lassen mich die Wettbewerbe immer weniger ernstnehmen. Im Normalfall werden Teams wie mein VfL keine Titel mehr holen, das ist mir klar, und das verdirbt den Reiz am Wettbewerb. Die Perversitäten im Transfermarkt werden weitergetrieben, bis irgendwann das ganze Kartenhaus zusammenfallen wird. Aber auch das berührt mich immer weniger.

Deswegen werde ich auch hier nicht mehr so viel Energie reinstecken wie bisher. Einmal aus den genannten Gründen des aus den Fugen geratenen Fußballsystems. Zum anderen aber auch, weil ich nach einem Jobwechsel beruflich ziemlich gefordert bin. Weil ich häufiger das Gefühl habe, dass ich mich nach zehn Jahren wiederhole. Und weil ich Zeit für andere Projekte gewinnen will, die mir auch wichtig sind. 

Im Gegensatz zu den Jungs von Mitgedacht mache ich keinen kompletten Schnitt. Ich werde aber nicht mehr so regelmäßig und zeitnah nach Schlusspfiff zu jedem Spiel etwas schreiben. Habe ich mir zumindest vorgenommen.

Was bleibt, ist meine Saisonspende, die führe ich unverändert fort. Und es gibt hier auch immer noch genug zu lesen, denke ich. Mal sehen, was Borussia dafür so hergibt diese Saison. Die Spiele sind heute jedenfalls schon mal sehr positiv eröffnet worden. Das macht Mut.     

Saison 2023/24, DFB-Pokal, 1. Runde: TuS Bersenbrück - Borussia Mönchengladbach 0:7. Tore für Borussia: 0:1 Honorat, 0:2 Ngoumou, 0:3 Cvancara, 0:4 Cvancara, 0:5 Honorat, 0:6 Hack, 0:7 Ranos

Saisonspende: Sieben Tore und ein Zu-Null sind ein guter Start in die Spendensaison. Es geht mit 8 Euro Pokal-Vorgabe in die Bundesliga-Spiele.

Das gilt in der Saison 23/24: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Jonas Omlin oder einem anderen Torwart: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 123 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2023-06-13

Seriös in den Umbruch

Gut gemacht, Borussia!

Die in der letzten Zeit ja nicht immer zu Unrecht kritisierte Vereinsführung hat zügig nach dem Ende der sehr vorzeitig abgebrochenen Ära Daniel Farke einen renommierten neuen Trainer präsentiert und stellt sich dazu auch im Management nachvollziehbar neu, gut und breiter auf als bisher.
In Dr. Philipp Schützendorf und Nils Schmadtke rücken im Scouting und Talententwicklungsbereich zwei Fachleute mit ins Manangement, die sowohl für gute Arbeit bekannt sind als auch den Verein sehr gut kennen. Steffen Korrell kann dadurch weiterhin - wie von ihm selbst offenbar präferiert - im Hintergrund arbeiten. Dass Roland Virkus damit bei manchen Aufgaben entlastet wird, ist ebenfalls gut und wichtig. Wie die Arbeitsteilung genau aussehen wird, muss sich allerdings noch zeigen, zumal es ja auch im Teammanagement einen Abgang gibt.

Dass die Zeit des treuen Spielers und Teammanagers Christopher Heimeroth bei Borussia endet, finde ich schade. Aber ein Urteil darüber kann ich mir nicht erlauben. Ist er ein notwendiges Bauernopfer, wenn Strukturen aufgebrochen und neu aufgebaut werden müssen? Kann man ihm etwas vorwerfen? Ich weiß es nicht. Heimeroth steht für mich für Borussias Weg. Seit 2006 im Verein, ein wichtiger Teil der Mannschaft, egal ob er im Tor stand oder Ersatzmann war, einer, der nicht im Mittelpunkt stehen musste, ein stiller Teamworker - und ein Sympathieträger. Es kann gut sein, dass inzwischen an dieser Stelle andere Qualitäten mehr gefordert sind. Insofern sage ich aus tiefstem Herzen Danke und wünsche "Heimi" alles, alles Gute auf seinem weiteren Weg - ohne die Entscheidung des Vereins zu bewerten.

Doch zurück zum wohl wichtigsten Zugang. Der neue Trainer Gerardo Seoane hat bewiesen, dass er Mannschaften erfolgreich machen kann, und auch sein vorzeitiges Aus in Leverkusen war wohl nicht allein an seinen Fehlern festzumachen. Seoane war auch früher schon einmal mit Borussia in Verbindung gebracht worden, man hat sich also schon länger mit diesem Trainer beschäftigt. Dieser hat vor seiner Zeit als Cheftrainer auch in der Jugendarbeit bewiesen, dass er Spieler entwickeln kann. Das ist ihm im Seniorenbereich dann auch bei Luzern und den Young Boys Bern gelungen, die er dreimal zum Meistertitel in der Schweiz coachte.

Er ist also durchaus ein Trainer, der zu Borussia passen könnte und sollte - noch mehr jetzt, wo die Rückkehr zum "Borussia-Weg" in keiner Wortmeldung von Roland Virkus mehr fehlt. Darunter ist die verstärkte Förderung der Durchlässigkeit in den Erstliga-Kader für Talente aus der eigenen Jugend zu verstehen, aber auch die Entwicklung von externen Transfers junger Spielern wie Ullrich von Hertha oder Ranos vom FC Bayern II. Nicht zu vergessen, dass da auch noch Rohdiamanten wie Luca Netz und Joe Scally weiter zu schleifen wären.

Die Trennung von Daniel Farke deutet darauf hin, dass man speziell diese Aufgabe diesem Trainer nach den Erfahrungen der abgelaufenen Saison nicht mehr zugetraut hat und sich daher in der Einschätzung, dass man mit Farke über mehrere Transferperioden etwas tragfähig Neues aufbauen könne, korrigiert hat.

Das wäre nachvollziehbar, denn die über Corona und die nicht so erfolgreichen letzten drei Jahre erheblich abeschmolzenene finanzielle Fettschicht erfordert auch einfach günstigere Lösungswege, um den Kader zu erneuern.
Borussia steckt seit vielen Jahren viel Geld in den Nachwuchs und bringt auch immer wieder vielversprechende Talente hervor. Gerade jetzt scheint es in den U17 bis U23-Jahrgängen eine Reihe von Spielern zu geben, die das Zeug für die Bundesliga haben. Genau daran haperte es in den vergangenen Jahren aber zu oft. 

Borussia bildete gut aus, ein paar schafften es auch in den Kader oder feierten gar ihr Bundesliga-Debüt. Doch außer dem jetzt in England beheimateten Jordan Beyer ist in den vergangenen fünf Jahren keiner aus dem Fohlenstall wirklich nah an den Status Stammspieler herangekommen. Die meisten Internatsabsolventen landen letztlich in den Ligen drei und vier, vielleicht auch mal in der 2. Bundesliga oder einer der schwächeren ausländischen Ligen - was im übrigen absolut nicht abwertend gemeint ist. Auch das ist eine Riesenleistung von Spielern und Trainern. Und man darf auch nicht vergessen, dass der Weg in einen Euro-League-Kader nochmal erheblich schwieriger ist als in einen Kader, der in der Bundesliga gegen den Abstieg spielt, so wie es bei Tony Jantschke und Patrick Herrmann damals war.

Vor allem für Jan Olschowsky, Yvandro Borges Sanchez und Rocco Reitz wird es in den kommenen zwei Jahren aber darum gehen, den Sprung in Borussias Erstliga-Stammkader zu schaffen, und möglicherweise kommt da der eine oder andere hoffnungsvolle Spieler aus den jüngen Jahrgängen dazu. Gerardo Seoane und auch Roland Virkus werden sich daran messen lassen müssen, wie erfolgreich es Ihnen gelingt, diesen Part des Borussia-Weges zu gestalten. Bis man auf diese Spieler für die erste Mannschaft bauen kann, wird es aber vermutlich noch ein, zwei, drei Jahre dauern. Das bedeutet, es muss zuvor auch eine personelle Veränderung gemanagt werden, die nicht zu unterschätzen ist.

Dass Daniel Farke in der vergangenen Saison zu wenige dieser jungen Spieler ins Spiel brachte, hatte durchaus Gründe. Einerseits die Frage, ob die Qualität über längere Saisonphasen ausgereicht hätte, um das Ziel nicht zu gefährden, möglichst lange im einstelligen Tabellenbereich die Tuchfühlung zu einem der europäischen Wettbewerbe zu halten. Denn auch wenn die Ziele am Ende der Saison immer bescheidener geplant dargestellt wurden, war genau das die Zielsetzung für die genannte Tabellenspanne 7 bis 12. Dass Farke in der nicht immer komfortablen Situation auch darauf achtete, dass er erstmal für seine eigenen Arbeit buchstäblich Pluspunkte sammeln konnte und deshalb mehr auf die auf dem Papier stärkste Formation setzen würde statt auf die Abteilung "Jugend forscht", ist nichts wirklich Überraschendes.

In dieses Dilemma könnte im Prinzip auch Gerardo Seoane je nach Saisonverlauf geraten. Ihm kommt immerhin jetzt der hoffentliche Lernprozess von Roland Virkus zugute. Und die Tatsache, dass der Umbruch im Kader so erheblich sein wird, dass die Qualität von Thuram, Bensebaini und Co. qualitativ voraussichtlich nicht sofort 1-zu-1 zu ersetzen sein wird.
Auch wenn wir noch nicht wissen, welche Neuzugänge noch kommen werden: Niemand, der die vergangenen Jahre realistisch und aufmerksam verfolgt hat, kann von der Borussia 23/24 vor diesem Hintergrund sofort eine Euro-Qualifikation erwarten. 

Wenn alles gut läuft, ist das sicher nicht ausgeschlossen. Es ist aber sehr viel wahrscheinlicher, dass es nicht so sein wird. Es ist sogar gut denkbar, dass die Seoane-Elf auch mal in Kontakt mit den hinteren Plätzen kommt und sich da wieder rauskämpfen muss.
Dafür ist auch Geduld von uns Fans (aber auch im Management) gefordert. Die Erfahrung des Trainers lässt mich hoffen, dass eine solche Phase für ihn zu handeln ist. Und vom Verein erwarte ich, dass er dem Trainer diesmal die notwendige Zeit dafür einräumt.

Ich denke - nach den ersten Eindrücken bei der Pressekonferenz -, dass der neue Trainer qualitativ und von der Erfahrung her alles mitbringt, worauf es für die "neue Borussia" in den nächsten zwei, drei Jahren ankommen wird. So wie im übrigen die vorhergehenden Trainer unter anderen Rahmenbedingungen wahrscheinlich auch.

Doch Gerry Seoane allein kann auch nicht zaubern. Ein Trainer allein ist kein Grund zum Jubilieren oder gar vor Begeisterung ausflippen. Denn die größte Baustelle ist die Mannschaft, von der wir noch nicht ansatzweise wissen, wie sie ab 18. August in die neue Saison startet.

Auch wenn einige der Abgänge zuletzt durchaus manch berechtigte Kritik abbekamen: Mit Thuram, Bensebaini und Lars Stindl gehen drei Spieler, die allein die Hälfte der Tore der vergangenen Saison erzielt haben (27 Tore/14 Assists). In der Saison zuvor waren diese drei zusammen mit Embolo und Zakaria für 20 Tore und 12 Assists zuständig, wobei Zak nur eine halbe Saison für Borussia spielte und die anderen durch diverse Verletzungen häufiger außen vor waren.

Die einzigen Spieler, die unter Hütter und Farke deutlich zweistellig scoren konnten, waren Jonas Hofmann in beiden Saisons und Lasso Plea (unter Hütter). Um Plea ranken sich ebenfalls derzeit Wechselgerüchte, Jonas Hofmann scheint den Weg weiter in Gladbach mitgehen zu wollen. Doch auch er wird seit der letzten Vertragsverlängerung eine Ausstiegsklausel im Vertrag verankert haben, sodass Borussia ähnlich wie bei Jordan Beyer im Ernstfall keine Verhandlungsposition hätte.

Er gilt für das Team Virkus also nun, diese Tore, Vorlagen (und vorletzten Pässe) aus dem eigenen Kader (etwa durch einen wieder aufblühenden Flo Neuhaus) oder von außen gleichwertig zu ersetzen - bei überschaubarem finanziellen Spielraum. Das ist möglich, aber wenn es auf Kosten weiterer Transfers (Koné, Elvedi, Plea) gehen würde, müssten eben auch dort tragfähige Lösungen gefunden werden. Ob das mit einem oder mehreren der vielen Namen, die im Moment als mögliche Neuzugänge gehandelt werden, möglich wäre, vermag ich nicht zu sagen. 

Das Vertrauen in Gladbachs Scoutingabteilung ist weiterhin groß genug, um da entspannt zu sein. Aber das Entscheidende ist und bleibt im Transfergeschäft das Geld. Damit muss auch Borussia immer wieder klarkommen.

Wer sich das alles also nüchtern anschaut, erkennt leicht, warum es derzeit bei Borussia bei allem Vertrauen in handelnde Personen keinen Grund für überzogene Erwartungen oder begeisterte Aufbruchsstimmung geben kann. Hoffnung ja. Gewissheit oder einen Hype um die neue Borussia - Stand heute - sicher nicht.

Denn einerseits haben die Entwicklungen unter den letzten drei Trainern ihre Spuren in der Fanseele hinterlassen und ein gesundes Misstrauen ist aufgrund dessen gerechtfertigt.

Andererseits ist in diesem Sommer ja auch nicht nur eine Mannschaft wieder auf die normale Kaderstärke zu "ergänzen", sondern komplett in ihrer Gruppenhierarchie neu zu sortieren und vor allem, wieder zu einer charakterlich belastbaren Einheit zu formen, die die eine oder andere vorhandene Schwäche dann gemeinsam auch wieder auszubügeln versteht - und natürlich bereit ist, dafür ein paar "Extrameilen" zu gehen. 

Das braucht vermutlich Zeit und Geduld, es wird Rückschläge und Enttäuschungen beinhalten. Und es ist spätestens in diesem Jahr ein unumgänglicher Weg. Daher benötigt es umso mehr auch die Resilienz und starke Nerven von uns Fans - und vielleicht nicht so viele Extremausschläge auf der Beurteilungsskala unseres Teams wie zuletzt.      

2023-06-11

Die Abrechnung: Saisonspende

Die Saison ist schon eine Weile durch, aber eins bin ich noch schuldig: die Einlösung meiner Saisonspende. Glatte 120 Euro sind es geworden - wer nochmal nachlesen will, wofür ich pro Spieltag kleine Geldsümmchen ausgesetzt habe, kann dies unten im Kleingedruckten tun. 

In den beiden Jahren zuvor war die "Performance" der Borussia in dieser Hinsicht besser, das muss man ja schon sagen. Da waren es 142,50 beziehungsweise 137 Euro, die ich jeweils auf 150 Euro aufgerundet habe. Wie ich schon angekündigt habe, tue ich das auch diesmal, es geht schließlich um die Sache.

Wie verwende ich diese Summe? Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht, weil ich gern mehrere Organisationen unterstützen möchte. Durch aus meiner Sicht sehr unangenehme Entwicklungen außerhalb des Sports fällt das Ergebnis meiner Überlegungen und meine Unterstützung in diesem Jahr "deutlich politischer" aus als in den Jahren zuvor. Ich begründe meine Spenden. Das wird mancher nachvollziehen können oder gut finden, manch anderer nicht.

Wem es nicht gefällt, der muss die Inhalte nicht teilen, es nicht einmal lesen. Wenn es andere zum Nachdenken anregt, und vielleicht zu ganz anderen Schlussfolgerungen führt, ist das für mich auch fein. Nur: Respektiert meine Argumentation, respektiert andere. Und verschwendet nicht unser aller Zeit mit Whataboutism. Grundsatzdiskussionen will und werde ich nicht führen. 

Das hier sind die Empfänger meiner Saisonspende in diesem Jahr:

50 Euro für das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe, Nothilfe Ukraine: Die Folgen des Krieges in der Ukraine und des Dammbruchs am Dnipro sind verheerend. Deshalb ist es für mich selbstverständlich, dass ich einen kleinen Beitrag zur Soforthilfe leisten will. Ich spende zwar lieber direkt an kleine Organisationen, aber dort habe ich darüber im Moment nicht genug Informationen zu seriösen Projekten und effektiver Hilfe. Wer etwas empfehlen kann, gern. Dann kann ich beim nächsten Mal vielleicht darauf zurückgreifen. Diesmal geht das Geld an das Aktionsbündnis von Caritas, DRK, UNICEF und Diakonie.

40 Euro für Sea-Watch e.V.: Der jüngste Asylkompromiss ist aus meiner Sicht ein neuerlicher Tiefpunkt in der EU-Geschichte. Er löst kein einziges Problem in den Fluchtgebieten. Er wird den Staaten an den EU-Außengrenzen nicht gerecht. Er verrät sämtliche Werte, für die sich vor allem christlich geprägte Gesellschaften so gern selbst feiern. Feiern kann man eine solche Politik aus meiner Sicht nur dann, wenn man große Teile der Realität in der Welt einfach ausblendet und nur bis zur nächsten Hauswand blicken möchte.
Ihr hört heraus, ich bin sehr frustriert über die gesamte Entwicklung. Denn die Fluchtbewegungen werden durch die Auswirkungen des Klimawandels in den kommenden Jahren ohne Zweifel erheblich stärker werden. Und selbst wenn man an den Grenzen immer höhere Mauern baut: Das Ausgangsproblem geht nicht weg. Mit der Asylverschärfung wird es allerdings auch zunehmend schwerer werden, Menschen auf dem Mittelmeer vor dem Tod zu retten. Denn die Menschen werden trotzdem weiter in Boote steigen, risikoreichere Fluchten auf sich nehmen. Zugleich wird Helfern die Arbeit mit diesem Asylkompromiss weiter erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Solange es geht, unterstütze ich die Retter auf See daher in meinen Möglichkeiten.  

25 Euro für das Frauenhaus Marburg: Toxische männliche Arschlöcher gibt es nicht nur im Showbusiness, unter Fußballprofis oder bei Rammstein. Sexualisierte Gewalt ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet, geduldet oder gar akzeptiert. Das ist in vielen Gesellschaften weit verbreitet. Es ist genauso quer durch alle Schichten unserer urdeutschen Gesellschaft vorhanden, bis heute wird es in vielen Familien anerzogen und vorgelebt. Ein bisschen Schutz für mutige Frauen, die sich aus einer solchen Partnerschaft oder Familie lösen wollen, bieten Frauenhäuser. Sie sind uneingeschränkt unterstützenswert, wenn gleich es eine Schande ist, dass es sie geben muss.

25 Euro für Hate Aid: HateAid schützt Demokratie und Meinungsfreiheit. Der Verein arbeitet dafür, dass jeder Mensch das Recht und die Möglichkeit hat, sich im Internet frei zu entfalten. Die Organisation unterstützt Opfer von Hass und Gewalt im Netz, ganz konkret durch Beratung und rechtliche Unterstützung von Betroffenen, und bei der Bekämpfung von systematischer Desinformation.

10 Euro für die "Letzte Generation": Nein, ich bin kein Klimakleber. Ich halte viele Aktionen der Letzten Generation auch nicht für zielführend und gut. Aber ich kann nachvollziehen, warum eine Gruppe vorwiegend sehr junger Menschen mehr und mehr glaubt, nur noch mit sehr drastischen Mitteln wie Farbanschlägen oder dem Lahmlegen von Straßen und damit des überwiegend fossil betriebenen Individualverkehrs, ein schnelleres Umsteuern für mehr Klimaschutz erreichen zu können. FridaysforFuture haben mit dem jahrelangen "netten Straßenprotest" zwar weltweit sehr große Aufmerksamkeit generiert, aber konkret nicht genug erreichen können. 

Warum ich einen eher symbolischen Betrag für die Letzte Generation spende, hat zwei Gründe. Zum einen macht ein früherer Kollege dort mit und unterstützt damit das Engagement seiner Kinder. Dieser Mann hat sein ganzes Leben in verschiedenen Organisationen gesellschaftlich relevanten (Bürgerrechts-)Themen gewidmet. Er hat sich dabei sehr viel auch mit (zulässigem) gewaltlosem Widerstand in der Demokratie befasst. 

Diese Protestform gab es immer, und es wurde von staatlicher Seite immer versucht, sie pauschal zu kriminalisieren. Der Mann, von dem ich spreche, ist kein Spinner, kein Revoluzzer, schon gar kein Terrorist. Seine Töchter sind es auch nicht. Nicht für alle in dieser Organisation kann ich das oder ihr Radikalisierungspotenzial natürlich so sicher beurteilen. Wo Straftaten geschehen und Gerichte zu entscheiden haben, ob der Protest noch zulässig war oder nicht, müssen und sollen sie das tun und zu entsprechenden Urteilen kommen.
Die pauschale Kriminalisierung dieser Bewegung aus großen Teilen unserer Politik heraus aber ist nicht akzeptabel. Genausowenig übrigens wie Selbstjustiz wildgewordener Autofahrer.
Deshalb unterstütze ich die Letzte Generation mit einer kleinen Summe. Das Geld geht aber nicht an die Aktivisten selbst für weitere Aktionen, sondern an den Umwelt-Treuhandfonds, der Kosten für juristischen Beistand bei Protestaktionen der Klima- und Umweltbewegung übernimmt.

Eins noch zum Schluss: Ich weiß, dass die Empfehlung ist, Spenden möglichst nicht in mehrere kleine Summen zu splitten. Natürlich ist es effektiver, wenn die Empfänger nicht zu viele Kleinspenden verwalten müssen. Es ist mir aber auch wichtig, mehrere Zwecke und verschiedene Organisationen zu unterstützen. Deshalb mache ich es so. 

 

Das galt für meine Saisonspende in der Saison 22/23: "Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer, Jonas Omlin (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro."

2023-06-04

Umbruch - jetzt aber wirklich

Seit einer guten Woche ist die Bundesliga-Saison 2022/23 Geschichte. Und Borussia steht - um einige zwiespältige Erfahrungen reicher - fast wieder da, wo sie vor einem Jahr stand: zwischen allen Stühlen. Der Neustart, erst ohne Marco Rose, dann auch noch ohne Max Eberl, er will dem Verein nicht so recht gelingen. 

Die Ära Farke, die den Borussia-Weg neu planieren und dessen Leitplanken neu einziehen sollte - sie endet nach einem Jahr, also genauso schnell und unbefriedigend wie die Ära Hütter. Über die Gründe will ich hier nicht viel Worte verlieren. Das haben andere schon ausgiebig getan, man kann sich stunden- oder tagelang darüber streiten, wer nun was nicht richtig gemacht hat, und wo was besser gewesen wäre. Ich persönlich habe da aber keine Lust mehr drauf, die Saison ist rum - und von meiner (vereinsfernen) Seite wäre alles, was sich nicht direkt mit der Beobachtung der Leistungen in den Spielen beschäftigt, auch mehr Spekulation als wissende Analyse. 

Mir geht es mehr darum, nach vorne zu blicken, mit dem, was Borussia derzeit anbietet. Und da ist leider Stand heute noch nicht allzuviel, das hoffen lässt.

Denn am Ende dieser Saison, die mit anderen Personen, anderen fußballerischen Mitteln und anderen Nebengeräuschen nahezu das gleiche mittelmäßige Ergebnis eingebracht hat wie die davor, steht Borussia wieder am Anfang des Neuanfangs. 

Der ist natürlich bei weitem nicht so dramatisch wie bei einem Team, das abgestiegen ist und erst wieder aufsteigen muss. Doch als Gladbach-Fan hat man genau dieses Szenario und die Furcht davor im Hinterkopf fest eintätowiert. Wir wissen schließlich, wo wir herkommen.

Bei uns wird sich nun ab Juli ein weiterer hochqualifizierter Übungsleiter - erwartet wird allenthalben Gerardo Seoane - an diesem Kader versuchen. Der wird diesmal immerhin schon deutlich anders aussehen als der Champions-League-Kader, den man bis in dieses Jahr hinweg noch hoffte, ab und zu im Borussia-Dress neu aufflackern zu sehen.

Aber es ist besser, sich von solchen Erwartungen für die nächste Zeit zu verabschieden. Sommer, Ginter, Zakaria, Embolo, jetzt Stindl, Thuram und Bensebaini, weitere Abgänge wie Plea, Elvedi nicht ausgeschlossen: bei diesem Aderlass verblassen die aufregenden Europapokalabende schon fast von selbst in der Erinnerung. Endlich, möchte man sagen. Denn so lässt sich leichter auch mit hakeligem Spiel und Rückschlägen umgehen.

Vorerst aber bleibt viel Ratlosigkeit, denn der wortgewaltige Trainer, von dem der neue Sportdirektor gleich so angefixt war, hätte ja eigentlich mehr Zeit und Vertrauen bekommen und eine neue Ära einleiten sollen, mit einem borussiaaffinen schönen Kombinationsfußball. Wie das aussehen sollte, konnte man immer wieder mal kurzzeitig sehen. Viel zu oft sah man aber das, was auch schon zeitweise unter Favre und Hecking die geneigte Fanseele gelangweilt und erzürnt hatte: billigen Ballbesitz mit viel Ballgeschiebe in der eigenen Hälfte und wenig Durchschlagskraft nach vorne. 

Die richtige Balance für seine Fußballidee mit dem einen oder anderen neuen Spieler zu finden, das bleibt Daniel Farke nun versagt, genauso wie ein Jahr zuvor schon Adi Hütter.
Wahrscheinlich gibt es im Verein gute fachliche Gründe dafür, die nichts mit den Pfiffen im Stadion und dem Furor in sozialen Medien zu tun haben. Ich will das auch gar nicht bewerten. Ich hätte mir aber durchaus vorstellen können, dass Team und Trainer in der zweiten Saison in die Spur gefunden hätten. Insofern bedauere ich die Trennung auch eher, als dass ich sie begrüße. Allerdings: Ich kenne die gesamte Geschichte nicht und weiß daher nicht, was aus Vereinssicht sonst noch gegen Daniel Farke gesprochen haben könnte.

Für mich stellt sich nun aber grundsätzlich die Frage, wie resilient und geduldig Vereinsführung und Management wirklich sind, wenn es um den schwierigen Umbruch und Neuaufbau bei einer über die Zeit sehr in sich verwachsenen Mannschaft geht. Ein Vorhaben, das möglicherweise eben auch mal mehr als 12 Monate Zeit benötigt und das man gegenüber Fans und Öffentlichkeit eben auch gut moderieren muss. 

Das hat unter beiden Trainern zuletzt gefehlt, und beide wurden am Ende ziemlich alleingelassen und teilweise sozusagen stellvertretend mit der Außenkommunikation betraut, während der Verein sich vornehm zurückhielt. Das lief insbesondere zuletzt unter Daniel Farke nicht besonders gut, wobei ihn an den Misstönen, die sich aus manchen seiner weitschweifigen Aussagen heraus entwickelten, auch nicht die alleinige Schuld trifft.

Wie dem auch sei: Viel weitergebracht haben die beiden Trainerexperimente Borussia am Ende nicht. Es bleiben viele Fragen und hohe Abfindungen für Trainer, die den ohnenhin nicht so üppigen Spielraum für die Neuentwicklung des Kaders wieder etwas einschränken. 

Der notwendige personelle Umbruch, von dem seit drei Jahren gesprochen und geschrieben wird, muss nun aber wirklich kommen. Und die nächste Trainerentscheidug muss passen, sonst wird es auch für Roland Virkus ungemütlich. Doch um wirklich viel bewegen zu können und dem Team neue Qualitäten hinzufügen zu können, muss man auch einen Teil der vorhandenen Qualität zu Geld machen, etwa, indem man Manu Koné oder Lasso Plea bei anständigen Angeboten ziehen lässt.

Ob dafür adäquater Ersatz zu finden ist, ist völlig offen. Am Scouting sollte es eigentlich nicht liegen, wohl aber an Konkurrenz, die bessere Perspektiven zu bieten hat - und an der Frage, wer wann als Trainer feststeht.

Viel mehr lässt sich jetzt nicht seriös sagen. Erst, wenn Trainer und und mehr Zugänge bekannt sind, lässt sich damit so etwas wie Aufbruchsstimmung erzeugen. Die Grundlagen sind da: Mit Omlin, Itakura, Weigl, Neuhaus und Hofmann ist - Stand heute - eine Achse da, an der die neue Borussia sich ausrichten ließe. Der Rest ist gutes Scouting, Überzeugungskraft und Verhandlungsgeschick. 

Und vielleicht lässt sich dann in einem Jahr sagen, dass der Umbruch funktioniert. Aber bis dahin braucht es von uns Fans noch viel Vertrauen und Geduld.

2023-05-28

Einigkeit mit Recht - und Kleingeist

Zurück aus Mönchengladbach, bin ich am Tag nach dem Saisonende froh und auch halbwegs versöhnt mit einem schwierigen Spieljahr. Borussia hat ganz zum Schluss dann doch noch ganz viel richtig gemacht, was uns alle mit einem erheblich besseren Gefühl in die Sommerpause gehen lässt, als das vor zwei Wochen noch abzusehen gewesen wäre.

Es gibt noch viel zu sagen, deshalb muss ich das heute thematisch etwas gliedern. Fangen wir mit dem emotionalsten Erlebnis an.

Der Lars: Es gab eine Phase in dieser Saison, da hätte ich die schon vor langer Zeit gekauften Karten für das letzte Heimspiel der Saison abgeben wollen. Meine emotionale Bindung an das, was da auf und neben dem Platz vor sich ging, hatte sich sehr gelockert, und Stand heute hat sich das auch noch nicht wieder normalisiert. Das jüngste von drei überwiegend frustrierenden Jahren mit wenig Kontinuität hat mich borussia-emotional einfach leergesaugt.

Aber da war ja auch der anstehende Abschied von drei Spielern, die ich sehr liebgewonnnen habe. Dazu gehören Marcus Thuram und Ramy Bensebaini, aber viel mehr natürlich - zusammen mit Flaco und Tony Jantschke - der "menschliche Kitt" zwischen Fans und Team, unser Kapitän Lars Stindl.

Er war am Ende der einzige wirkliche Grund, warum ich mir nicht einen sonnigen Samstag zuhause gemacht habe, sondern den 500-Kilometer-Ritt nach Gladbach und zurück angetreten habe. Es hat sich gelohnt. Denn neben dem schönen Gefühl eines Sieges (da war ich bei meinen letzten Stadionbesuchen nicht so erfolgreich) erlebte ich einen der schönsten Tage, die ich in einem Stadion verbracht habe. Der Dank aus vollem Herzen, der Dank aus über 50000 lauten Kehlen, Tränchen in sehr vielen Augen dabei, natürlich auch in meinen. Das war der Abschied, den du dir verdient hast, Capitano!



Ich brauche das für keinen Fan des VfL zu schreiben, es ist sonnenklar. Lars Stindl steht für Borussia, vor allem dafür, wie der Verein sich selbst sehen will. Er steht authentisch für das, was Fans sich von einem Fußballprofi ihrer Mannschaft ersehnen. Er war hochbezahlter Angestellter des Vereins, aber zugleich  immer "einer von uns", einer mit dem offenen Ohr in die Kurve genauso wie im Umgang mit jedem anderen, mit dem er zu tun hatte. Ein Modellathlet und Modellmensch.

Lars Stindl hat in diesen acht Jahren keinen einzigen Titel geholt, er war nicht einmal nahe dran, wenn wir uns das ehrlich eingestehen. Das hat er sicher manchmal bedauert, aber es war sein Weg, trotz magischer Nächte und Tage gemeinsam mit uns einmal (oder mehrmals) mehr tragisch zu scheitern. Er hat nicht jeden Ball so getroffen, wie es für Borussia vielleicht perfekt gewesen wäre. Er hat lange nicht so viel "Zählbares" erreicht wie manche andere Klublegende. Und doch steht er für mich auf einer Stufe mit titelreicheren Borussen wie Netzer, Vogts oder Heynckes.

Denn weil er immer alles rausgehauen hat, was im Tank war, ist er einer der herausragenden Borussen in der Vereinsgeschichte. Er hat die Mannschaft geführt, mit Taten, mit Worten. Er hat viele Tore geschossen, viele vor- oder vorvorbereitet, er hat gepresst, Gegenspieler giftig gestindelt und gepiesackt, oft mal vehement abgerätscht, gemeckert und gelobt. Er war acht Jahre lang Borusse mit jeder Faser seines Körpers. Und das bedeutet: Lars Stindl hat hier alles richtig gemacht!

Deshalb war ein ganzes Spiel diesem Abschied gewidmet, deshalb wurde ein Schlachtruf der Mannschaft von "Mönchengladbach olé" zu "Lars Stindl olè" umgedichtet und viele minutenlang inbrünstig durchgesungen - in einem Verein, in dem immer wieder gesagt wird, dass kein einzelner über dem Verein stehen darf.
Und deshalb kann ich mir heute noch in keiner Weise ausmalen, dass beim Anpfiff der neuen Saison nicht Lars Stindl als Mannschaftskapitän auf den Platz laufen wird.

Sicher, der sportliche Verlust von Bensebaini und Thuram wiegt schwer. Aber der von Lars Stindl wiegt schwerer. Menschlich, als Bindeglied in einem teilweise sehr inhomogenen Team. Und sportlich natürlich auch. Denn gerade der entfesselte Auftritt gestern und die starken Spiele, die Stindl in den vergangenen Wochen als Joker absolviert hat, haben auch noch einmal offenbart, welche fußballerischen Qualitäten uns ohne ihn künftig fehlen - und dass da sehr viel mehr als ein langjähriger Stammspieler ersetzt werden muss.


 

Die Unverbesserlichen: Wie schön wäre es gewesen, wenn sich alle an diesem Tag so benommen hätten, wie es sich für das Saisonende gehört. Ich habe meinen Blog mal angefangen wegen der unsäglichen Auspfeiferei von Fans gegen eigene Spieler oder die Mannschaft. Das wurde mit dem Erfolg der vergangenen Jahre besser. Mit der zuletzt ausbleibenden Weiterentwicklung von Mannschaft und Verein wurde dies auch im Borussia Park aber auch wieder schlechter, natürlich auch diese Saison.

Ich sage es immer wieder, ich bleibe dabei und sage es in aller Deutlichkeit: Ich habe kein Verständnis dafür, dass man Spieler, Trainer oder die Mannschaft wegen ihrer Leistung auspfeift. In keiner Phase ist es hilfreich, in keiner Phase ist es angebracht. Echter Fußball ist kein Computerspiel, die Aktiven auf und neben dem Rasen sind Menschen, keine Roboter. Wenn sie ihre besten Leistungen nicht erreichen, wenn sie Fehler machen, wenn sie uns "enttäuschen", dann tun sie das nicht aus Boshaftigkeit gegenüber den eigenen Fans oder aus Kalkül. Es ist unverschämt und respektlos, ihnen das zu unterstellen. 

Diese "Brot-und-Spiele-Einstellung" in Teilen des Publikums, die sich - aus verständlicher Enttäuschung heraus - Bahn bricht, das Maß verliert und in Ablehnung, Pfiffen, Häme, Unterstellungen und Kommentaren unter der Gürtelllinie ausdrückt, widert mich an.
Ich habe mich gestern (wieder einmal) geschämt für die Pfiffe, die von meiner Position in der Südkurve viel zu laut zu hören waren, wo genau auch immer sie herkamen. Gellende Pfiffe bei der Aufstellung, einem der heiligsten Rituale vor dem Anpfiff, gegen Daniel Farke. Sehr laut vernehmlich gegen Ramy Bensebaini und schon erheblich weniger gegen Marcus Thuram. 

Das ist nicht die Borussia-Familie, wie ich sie oft erlebt habe, und wie sie sich gern selbst darstellt. Ich weiß, es ist eine Minderheit, auch gestern im Stadion. Aber sie ist laut, zu laut. Und sie wird nicht einsehen wollen, dass das gestern peinlich war für den Verein. Und unwürdig gegenüber Spielern, die vielleicht nicht immer auf Topniveau abgeliefert haben, die vielleicht auch nicht immer so aussahen, als würden sie alles geben. Die aber natürlich dennoch nie mit angezogener Handbremse gespielt haben, wie mancher ihnen vielleicht vorwirft. 

Sie haben es nicht immer so hinbekommen, wie wir es von ihnen erwartet haben und vielleicht auch erwarten konnten. Aber wir wissen nie, unter welchen Begleitumständen sie in ein Spiel gegangen sind. Ob sie Ärger, Sorgen oder Schicksalsschläge mit ins Spiel genommen haben - so wie zuletzt Jonas Hofmann, der mit seiner Frau damit fertigwerden musste, dass sie das ungeborene Kind verloren haben.
Vielleicht waren es andere persönliche Gründe, die manchen Spieler gehemmt haben. Ängste vor dem Versagen, vor Pfiffen oder weiß der Teufel.
Oder körperliche Blessuren, trotz derer man ins nächste Spiel gehen will oder muss.  

Es gibt so viele handfeste Gründe, warum man vor den Augen von Millionen kritischer Augen im Stadion oder vor den Fernsehgeräten etwas nicht so hinbekommen kann, wie man es von sich selbst erwartet. Wir alle wissen vieles davon nicht, wir wissen aber inzwischen, dass Körpersprache nicht immer zeigt, wie die Einstellung zum Spiel ist. Fragt Raffael, fragt Özil.
Und, das richtet sich natürlich nur an die Leute auf den Rängen, die pfeifen für in Ordnung halten: Bringt  Respekt auf, lieber einmal mehr als einmal zu wenig - auch Spielern wie Plea, Wolf, Bensebaini oder Thuram gegenüber, selbst wenn die manchmal wie Ritter von der traurigen Gestalt gewirkt haben mögen. Den Menschen vom Fußballprofi zu trennen und ihn wie einen Leistungsroboter zu behandeln, das sollten wir uns heutzutage echt verkneifen. Es kann uns als Fans nur aufwerten. In guten wie in schlechten Tagen.

 

Das Spiel: Man musste es nach dem Auf und Ab in dieser Saison wirklich nicht erwarten, aber am letzten Spieltag zeigte die Mannschaft von Daniel Farke eine komplette Halbzeit lang genau das, was sie zu leisten imstande ist. Das war der Fußball, für den dieser Trainer stehene will und den seine Jungs in der Saison zu selten über mehr als 20 Minuten im Spiel umsetzen konnten. Der FC Augsburg, für den es ja noch um das Vermeiden des Relegationsranges ging, war in den ersten Minuten völlig überfordert mit dem, was das Team um den wie aufgedreht spielenden Lars Stindl ihnen abverlangte. Das 2:0 zur Pause hätte locker ein 5:0 sein müssen, ganz nebenbei hätte Tikus sich in dieser Zeit nochmal ins Rennen um die Torjägerkrone einschalten können. 

Die zweite Hälfte war nach dem Platzverweis für Augsburg nicht mehr von Belang, weil der VfL zwar auch diesma ein wenig zu sehr in den Verwaltungsmodus schaltete und das Spiel verflachte. Der Gegner war allerdings trotz einer Reihe von Standardsituationen nicht in der Lage, große Chancen herauszuspielen. Bei Borussia hingegen zeigte vom Torwart bis zum Mittelstürmer jeder durchweg eine tadellose Leistung. Keiner ließ schleifen, keiner machte leichte Fehler oder war unkonzentriert. Es war ein souveräner Sieg, ein runder und sehr anständiger sportlicher Abschluss, der uns in dieser Hinsicht positiv in den Sommer gehen lässt - auch wenn diese Mannschaft natürlich so nie mehr zusammenspielen wird. 

Kein Extra-Kapitel gibt's für Schiri Matthias Jöllenbeck, was ich auch gut finde. Er wollte zwar etwas zu sehr ganz ohne Karten auskommen. Dabei half ihm, dass die Gladbacher in der ersten halben Stunde viel zu handlungsschnell für die Augsburger waren, selbst um gefoult zu werden. Dennoch musste der Unparteiische dann als erste Karte gleich Rot ziehen. Insgesamt war das aber alles in Ordnung. Es war allerdings auch in dem Spiel kein großes Konfliktpotential mehr vorhanden. Sehr anständig, dass er die ausgiebigen Verabschiedungen bei den Auswechslungen von Thuram und Stindl zuließ.  

So, damit ist die Saison beendet. Um die Zukunft von Borussia, des Trainers und das Kommen und Gehen von Spielern beim anstehenden Umbruch im Kader wird es noch genug zu sagen geben. Das spare ich mir heute. Und bis eine Entscheidung in Sachen Farke gefallen ist, halte ich mich auch da zurück. Ich denke, dass es kein guter Weg wäre, sich nach einem Jahr schon wieder zu trennen, wo man das Projekt doch vor der Saison auf längere Sicht angelegt hatte. Aber ich weiß auch nicht, was intern möglicherweise vorgefallen ist, oder was sonst für einen Trainerwechsel sprechen könnte. Schade fände ich es, bei aller verständlichen Kritik an mancher  übertriebenen Aussage, etwa zu einer angeblich zu hohen Erwartungshaltung im Umfeld des Vereins. Dass Borussias Fans wertschätzen, was geleistet wird, wenn sie das Gefühl haben, dass alles gegeben wurde, zeigt das Beispiel Lars Stindl vielleicht am besten. 

Es gibt also Lernpotenzial auf allen Seiten. Damit Borussia sich weiter stabilisiert und auf einen guten Weg zurückfindet, sollte sich jeder an die eigenen Nase fassen und bald wieder seinen Beitrag dazu leisten. Die Seele brennt!

Saison 2022/23, Bundesliga, 34. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - FC Augsburg 2:0. Tore für Borussia: 1:0 Netz, 2:0 Hofmann. 

Zum Schluss noch zur Saisonspende: Zwei Tore, ein letztes Zu-Null in dieser Saison und keine Prämie für die Saisonziele - auch die Spendensaison mit Borussia endet unterdurchschnittlich. Glatte 120 Euro sind es geworden.
In den beiden Jahren zuvor waren es immerhin 142,50 und 137 Euro, die ich dann jeweils auf 150 Euro aufgerundet habe. Das werde ich auch diesmal tun, es geht schließlich darum, gute Zwecke zu unterstützen. Wohin das Geld geht, verrate ich in einem späteren Beitrag.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer, Jonas Omlin (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.