2023-11-25

Mehr als halbvoll

Zwei weitere Spiele hat Borussia seit meinem letzten Blogeintrag und rund um die nächste unnötige Länderspielpause absolviert. Und wenn man es insgesamt betrachtet, ist das Glas bei der Seoane-Elf im Moment deutlich mehr als halbvoll als halbleer. Ein Hauch von halbleer wabert nur deshalb über dem Glas, weil das 2:4 beim BVB durchaus vermeidbar gewesen wäre. 

Manu Koné und Co hätten heute die Krise in Dortmund mit einem gar nicht so abwegigen Auswärtssieg  erheblich verschärfen können. Stattdessen wird man sich beim Gegner jetzt wieder an scheinbaren Comebackqualitäten ergötzen und einmal mehr ignorieren, dass man angesichts der in schwarz-gelber Kleidung vorhandenen fußballerischen Qualität nur mit sehr viel Mühe den Anschluss an die oberen Plätze hält, dazu immer auch mal Hilfe von außen benötigt und insgesamt leistungsmäßig eher stagniert.

Da mich aber nur die wahre Borussia interessiert, ist mir das jetzt auch recht egal. Unsere Mannschaft sortiert sich bekanntermaßen in anderen Gefilden ein, stabilisiert sich als Team aber dabei zunehmend und entwickelt sich in die richtige Richtung. 

Positiv stimmt mich, dass der VfL die Gegner der letzten 180 Bundesligaminuten etwa 130 Minuten lang sehr clever bespielt und dabei oft auch dominiert hat. Der Auftritt gegen Wolfsburg war nahezu ohne Fehler, wobei die Zeitpunkte, zu denen die Tore fielen, natürlich sehr hilfreich waren. 

Das war heute etwas anders, denn nach dem 2:0 blieb dem BVB noch deutlich zu viel Zeit, um am eigenen schwachen Auftritt etwas zu verändern. Es hätte aber nicht sein müssen, dass es Gladbacher Fehler waren, die zu leichte, zu schnelle und zu viele Gegentore einleiteten.
Wir brauchen nicht über Konés fatales Geplänkel vor dem dritten Tor zu reden, auch nicht, dass man sich in den guten 30 Minuten der Dortmunder immer wieder auskontern und ausspielen ließ. Das hat die Mannschaft heute den möglichen Sieg oder wenigstens einen Punkt gekostet, das kann man so festhalten.

An den richtigen Entscheidungen und der richtigen Risikoeinschätzung, auch an der Vermeidung individueller Fehlern  muss weiter gearbeitet werden. Es darf aber auch nicht vergessen werden, dass Seoane das mutige Spiel zurecht einfordert und dass sich das Team zuletzt auch damit belohnt hat. Es war Basis für das Spektakel in den beiden letzten Spielen. 

Auch wenn man anerkennt, dass die Gegentore vor allem selbstverschuldet waren, muss zu Schiri Sven Jablonski und dem VAR Christian Dingert etwas gesagt werden. Jablonski ist ohne Frage ein großes Schiedsrichtertalent. Doch er neigt dazu, Spiele möglichst nur durch Aura, Kommunikation und ohne Verwarnungen über die Bühne bringen zu wollen. Das kann funktionieren, wenn er die lockere Leine auf beiden Seiten gleich anwendet und beide Mannschaften auch etwa gleich intensiv zur Sache gehen. Das war heute nicht der Fall, der BVB kam oft zu spät und war deshalb zu vielen knackigen Fouls gezwungen. Und deshalb war das, was Jablonski heute an Fouls und fälligen Verwarnungen bei den Gastgebern geflissentlich "übersehen" hat, schon nahe an der Spielbeeinflussung. 

Ramy Bensebaini wäre bei der Foulbilanz von heute mit Sicherheit in keinem Spiel im Gladbacher Trikot ohne Gelb oder Gelb-Rot aus der Partie gegangen. Bei Jablonski hatte er trotz zwischenzeitlicher Ermahnung Narrenfreiheit - wie so manch anderer, inklusive Reus, Schlotterbeck und Can. Dessen brutaler Check mit der Schulter gegen Plea war aus meiner Sicht angesichts der Rücksichtslosigkeit des Einsatzes näher an Rot als an der klaren gelben Karte. Der fünf Meter entfernte Schiedsrichter aber sah noch nicht einmal ein Foul darin und reagierte ziemlich spät, obwohl Lasso sofort ausgeknockt alle Viere von sich streckte.

Das war genauso ärgerlich wie beim Gladbacher Angriff vor dem 1:2, bei dem der Schiri mehr oder weniger (gut gemeint) aus einem Vorteil einen doppelten Nachteil für den VfL machte. Der Zweikampf von Reus gegen Koné bei der Balleroberung war mindestens grenzwertig, weil der Dortmunder wohl etwas Ball und deutlich mehr Bein des Gladbachers traf. Da ich von der Szene aber keine vernünftige Zeitlupe sehen durfte (danke für nichts, Sky!), kann ich nicht endgültig entscheiden, ob hier VAR Christian Dingert zwingend hätte eingreifen müssen. 

Zuvor hatte Jablonski Vorteil angezeigt, weil die Gladbacher in Ballbesitz geblieben waren, nachdem Schlotterbeck Honorat umgeflext hatte, ohne auch nur den Hauch der Chance oder des Willens, den Ball zu spielen. Honorat nahm an dem Angriff aber aus Schmerzgründen nicht mehr teil, logischerweise dann aber auch nicht mehr ander Verteidigung des Gegenangriffs, der zum Anschlusstreffer führte.
Das ist schon schlimm - oder von mir aus auch  unglücklich - genug. Dann aber noch nicht einmal nachträglich die Gelbe Karte gegen Schlotterbeck zu ziehen für diese asoziale Grätsche (die natürlich vom Unterhaltungssender Sky auch nicht noch einmal in aller Deutlichkeit gezeigt wurde) - das ist schon eine Frechheit. Zusammen mit vielen anderen Merkwürdigkeiten in der Foulbewertung pro BVB war das eine mehr als ärgerliche Leistung des Unparteiischen.  

Dazu kommt dann noch das Versagen des gesamten Teams beim 2:3. Reus stand beim Torschuss im Abseits, und da er im Sichtfeld des Torwarts stand und dem Ball sogar noch etwas auswich, war das klar als strafbar zu bewerten. Das war auch dem Ex-Gladbacher bewusst, der sich den Torjubel quasi sparte. Was Christian Dingert im Kölner Keller in der Zeit gemacht hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Seiner Aufgabe ist er da jedenfalls nicht gerecht geworden, um es vorsichtig auszudrücken. Aber wer weiß, wofür es gut war. Wäre diese oder andere Entscheidungen gegen Akis Elf gefallen, hätte es vielleicht wieder Brennpunkte und Dopa-Sondersendungen und Schiedsrichtersperren für Dortmunder Spiele geben müssen. Mit den Gladbachern, die sich als Verein nie so vehement beschweren (natürlich auch nicht die Spieler auf dem Platz), kann man aber ja alles machen. Sarkasmus aus.

So oder so: Am Ende wäre ein 3:3 sicher das verdientere Ergebnis gewesen, aber dazu hätte Christoph Kramer dann auch endlich mal seine ausgeprägte Torphobie mit einem etwas überlegteren Schuss überwinden können müssen. So bleibt ein fader Beigeschmack - ob des erneut leichtfertig hergeschenkten Vorsprungs und einer mehr als fragwürdigen Heimschiedsrichterleistung (vom VAR nicht zu reden).

Aber es gilt auch: Die Mannschaft zeigt sich deutlich stabilisierter als vor einigen Wochen. Sie hat guten Fußball in den Beinen und den Willen, ihn zu zeigen. Und sie kann und wird deutlich mehr Positives und nachhaltig zu Verbesserndes aus diesem 2:4 ziehen als aus dem ungefährdeten Sieg gegen die VW-Werksmannschaft. Da bin ich mir sicher.

Saison 2023/24, Bundesliga, 11. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - VfL Wolfsburg 4:0. Tore für Borussia: 1:0 Cvancara, 2:0 Reitz, 3:0 Honorat, 4:0 Plea.

Saison 2023/24, Bundesliga, 12. Spieltag: Dortmund - Borussia Mönchengladbach 4:2. Tore für Borussia: 0:1 Reitz, 0:2 Koné.


Saisonspende: Sechs Tore aus zwei Spielen gegen finanziell deutlich besser gestellte Gegner, dazu noch das erste Zu-Null der Saison, das ist sehr in Ordnung und steigert die Summe um 7 Euro auf 38,50 Euro. Schade, dass greifbare Sonderprämien wie ein Sieg in Dortmund und ein Kramer-Tor so leichtfertig liegengelassen wurden.

Das gilt in der Saison 23/24: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Jonas Omlin oder einem anderen Torwart: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 123 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

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