Borussia-Fans selig, die Bayern richtig angepisst: Das war ein schönes Spiel, auch wenn es diesmal nicht ganz zum Pflichtsieg gegen den Lieblingsgegner FC Bayern gereicht hat.
Aber im Ernst: Das hart erkämpfte 1:1 in München war ein ganz wichtiger Baustein auf dem Weg zur neuen Borussia.
Nur für die Bundesliga waren auch diese 90 Minuten eine schlechte Nachricht. Denn es wird wohl auch in dieser Saison kein Team geben, das dem Rekordmeister über mehr als ein, zwei Spiele ein echter Konkurrent sein kann. Das schreibe ich nicht, weil Borussia heute insgesamt in vielen Belangen so deutlich unterlegen war. Sondern weil sich diese von den Bayern gezeigte Dominanz und spielerische Wucht und Finesse, die auch jederzeit von der Bank gebracht werden kann, über 34 Spieltage einfach klar und deutlich durchsetzen wird und muss. Es müsste im Team Nagelsmann schon sehr viel schief laufen, wenn das nicht passiert.
Für den Moment ist mir das aber herzlich egal, denn ich schaue nur auf unser Team und das - wie es sich gehört - auch nur von Spiel zu Spiel.
Und da muss ich sagen: Hut ab, Jungs! Hut ab, Daniel Farke! Nach dem guten Saisonstart mit zwei Siegen, einem Remis und einigen phasenweise offensichtlichen Schwächen wartete heute eine eigentlich noch zu frühe Monsteraufgabe gegen die Münchner, die in glänzender Frühform bisher alles auseinandergenommen hatte, was sich ihnen in den Weg gestellt hatte.
Das hatten sie sichtlich auch mit dem "Angstgegner" Mönchengladbach vor, der in den vergangenen Jahren die mit Abstand beste Bilanz aller Bayern-Gegner vorzuweisen hatte. Das war von der ersten Minute an zu spüren.
Die Gastgeber starteten furios, und wären gleich der erste oder zweite Ball ins Tor gefallen (wie es Bochum in der Vorwoche passiert war), hätte es eine bittere Partie werden können. Doch Borussias Defensive schien vorbereitet und hielt stand, bis auf einmal erfolgreich - aber durchweg in imponierender Art und Weise.
Natürlich war das Ergebnis in erster Linie dem Hexer Yann Sommer zu verdanken, der insgesamt rekordverdächtige 19 Torchancen parierte, manche davon mit Weltklasseparaden, andere immer noch sehr überdurchschnittlich. Das war auch insofern äußerst guter Zeitpunkt, weil er zu Beginn der Saison noch nicht wieder auf dem ganz hohen Niveau zu halten schien wie in der Vorsaison. Zwar machte er keine wirklichen Fehler, aber spielbeeinflussende Paraden waren eben auch nicht dabei. Heute aber wurde er von Beginn an warmgeschossen und brachte die Gegner reihenweise zur Verzweiflung. Ein Wahnsinns-Spiel des Schweizers, aber keineswegs so überraschend, wie es die Sky-Fußballplauderer offensichtlich empfanden, die nur Augen für seine Leistung hatten.
Auf der anderen Seite war Borussias Angriffsspiel ein nicht einmal laues Lüftchen. Auch das überraschte kaum. Farke-Ballbesitz-Fußball war gegen diesen Gegner nicht zu erwarten gewesen, aber selbst zu Ballbesitz über ein paar Sekunden hinaus reichte es nur selten, und wenn, dann meist dann, wenn der Ball nicht im Spiel war - bei Yann Sommers Abstößen ;-).
Die logische Folge: Es war eine reine Abwehrschlacht. Das umso mehr, nachdem Marcus Thuram einen Befreiungsschlag von Chris Kramer und einen groben Patzer von Upamecano dankbar angenommen und sehenswert zum Führungstor in Manuel Neuers Tor versenkt hatte.
Der Gegner arbeitete sich wütend an dieser Aufgabe ab. Doch auf den dareaus resultierenden Dauerdruck schien die Farke-Elf gut vorbereitet. Äußerst diszipliniert, sehr konzentriert und so dicht gestaffelt, wie es sonst eher Gladbachs Gegner tun, bearbeiteten Koné und Co. den Sturmwirbel des Gegners. Die Bayern kamen zu Chancen, sie kamen zu guten Chancen, aber zumindest in Halbzeit eins noch nicht zu Hochkarätern wie im weiteren Spielverlauf. Gut, bei den zurecht abgewunkenen beiden Abseitstoren waren sie nah dran am erwarteten Spielverlauf - aber eben nur nah dran.
Aber auch mit der Führung im Rücken wurde es eine echt aufreibende Partie - für die Jungs auf dem Platz, aber auch für uns Fans. Aber zumindest mich begleitete über das gesamte Spiel ein gutes Gefühl, keine Ohnmacht wie öfter in der vergangenen Saison.
Es war zu sehen, dass da zwar fast die gleiche Mannschaft, aber ein komplett anderes Team auf dem Platz stand. Es ist das, was Daniel Farke bei seinem Amtsantritt versprochen hatte: ein Team, das stolz und bereit ist, die Raute auf dem Trikot mit allem zu verteidigen, was sie hat. Das war schon in den ersten Saisonspielen zu spüren, aber heute unter dem noch erheblich höheren Druck noch viel mehr. Da stand "ein Team" auf dem Platz, das sich für Borussia zerriss. Und vielleicht war es auch nur so möglich, diese von Farke angesprochene Resilienz, also Widerstandsfähigkeit, zu zeigen, mit der man Angriffswelle um Angriffswelle erfolgreich abwehrte.
Hätten die Bayern das Spiel am Ende noch gedreht, wäre das zwar ärgerlich gewesen - und gemessen am Aufwand, den die Mannschaft trieb, auch unverdient. Aber es hätte diesen wichtigen Eindruck nicht getrübt.
Borussia ist wieder da - und zwar so, wie wir sie lieben. Das schon am vierten Spieltag nach einer schwierigen Zeit und einem erneuten erzwungenen Trainerwechsel sagen zu können, stimmt mich sehr positiv. Denn derzeit hat man den Eindruck, dass alle voll mitziehen, dass alle Spaß an diesem neuen Fußball haben - und an den Zielen und Reizen, die Daniel Farke setzt. Und das überträgt sich auf den Platz. Nicht alle Spieler wuchsen heute über sich hinaus, für Plea und Neuhaus etwa, die ziemlich in der Luft hingen, war es sicher kein vergnügliches und auch nicht ihr stärkstes Spiel. Aber alle gaben das, was sie konnten. Und das machte den Unterschied aus.
Denn wie der Trainer es nach dem Spiel auch noch mal verdeutlichte: Ein Lars Stindl war offenbar noch nicht so weit, dass er heute eine Option war. Bensebaini und Lainer fehlten, sodass stattdessen die immer noch jungen und vergleichsweise unerfahrenen Scally und Netz sich der wahrscheinlich stärksten Flügelspieler der Liga erwehren mussten. Luca Netz musste dies völlig ohne Spielpraxis tun, genauso wie Hannes Wolf, der sich sehr gut einführte und - angesichts der stets großen Kritik auch der eigenen Fans an ihm - sehr teuer verkaufte. Ebenso wie später Fußballgott Tony Jantschke, der auf der ungewohnten Sechserposition reinkam, um das Ergebnis zu verteidigen.
Da dann so zu bestehen, ist nicht selbstverständlich. Und das hat aus meiner Sicht auch damit zu tun, wie Daniel Farke mit dem Team umgeht und wie er es auf die wechselnden Aufgaben einstellt. Das ist keine Garantie, dass am kommenden Wochenende gegen Mainz alles wie am Schnürchen läuft. Aber es beruhigt doch sehr, wenn man sieht, wie flexibel die Mannschaft sich gegen unterschiedliche Gegner auf- und anstellt. Ich würde sagen, Borussia ist in der Saison endgültig angekommen. Das Spiel von heute ist kein Grund für Euphorie, aber es ist ein wichtiger Fingerzeig, in welche Richtung es gehen könnte. Und das macht große Lust auf mehr!
Meine paar Cents zum Schiedsrichter kommen heute vor allem wegen der albernen Kritik, die der schlechte Punkteverlierer Julian Nagelsmann nach dem Spiel im Interview äußerte. Das, nachdem er schon versucht hatte, Yann Sommers Leistung zu relativieren, indem er die Abschlüsse seiner Spieler schlechtgeredet hatte. Aber das nur am Rande.
Dass Nagelsmann mit Schiri Daniel Schlager unzufrieden war, hat er immerhin mit mir gemeinsam. Allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Nagelsmann und seine kleine Giftschleuder Joshua Kimmich fühlten sich ja quasi in allen 50:50-Situationen benachteiligt. Das ist natürlich Quatsch. Schlager bewertete eine Reihe von Szenen offensichtlich falsch, davon auch einige zugunsten von Gladbach, das stimmt.
Aber er gewährte auch einen großzügigen Rekordmeisterbonus, was das konsequente Ahnden von gelbwürdigen Fouls und anderen Unsportlichkeiten wie Reklamieren, Pöbeln, die Ausführung von Freistößen verhindern (man erinnere sich an das neue Schiri-Commitment, dafür konsequent Gelb geben zu wollen) anging.
Kimmich fand es zum Beispiel doof, dass er eine Verwarnung bekommen hatte, obwohl diese Szene doch gar nicht so schlimm gewesen sei. Kann sogar sein. Aber dennoch kann er von Glück sagen, dass er von den durchaus möglichen fünf Verwarnungen bis dahin nur die letzte bekommen hatte.
Der aggressive Auftritt von Sané war wiederum zwar in der Sache nicht ganz unberechtigt, denn er wurde klar gefoult. Aber sich so respektlos gegenüber dem Schiedsrichter aufzuführen, war auch eher eine Rote als eine Gelbe wert. Zum Vergleich erinnere ich gern mal an eine Gelb-Rote Karte wegen "Abwinkens", die Alassane Plea erleiden musste.
Unter dem Strich blieb die Ansetzung von Schlager ohne spielentscheidende Wirkung, und das ist doch auch schon mal was. Also: Schwamm drüber. Und ob Julian Nagelsmann noch lernt, in den richtigen Momenten sportliche Größe zu zeigen - ist mir eigentlich auch egal.
Denn ich freue mich auf die weitere Saison mit meiner Borussia - und auf eine Mannschaft, die mit Herz und Verstand unsere Raute verteidigt! Egal, wer sich ihr entgegenstellt. Die Seele brennt!
Saison 2022/23, Bundesliga, 4. Spieltag: Bayern München - Borussia Mönchengladbach 1:1. Tor für Borussia: 0:1 Thuram.
Ein
Tor reicht fast zum erneuten Sieg in München. Yann Sommer hätte heute allerdings wirklich ein Zu-Null verdient gehabt. Damit bleibt es bei nur einem Euro für ein fesselndes Spiel - aber so sind die Regeln. Der neue Stand: 27 Euro.
Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.