2019-04-28

Nicht mehr konkurrenzfähig

Schluss, Aus, es reicht. Die Saison ist für mich abgehakt. Der VfL wird sich vielleicht doch noch irgendwie und mit fremder Hilfe auf einem Euro-League-Platz ins Ziel retten. Doch verdient hat er es längst nicht mehr. Alle Mannschaften um Gladbach herum spielen Fußball, erzwingen Tore, Siege - und sie zeigen Mentalität und wenn nötig, ihre Zähne. Die Hecking-Truppe dagegen spielt vor sich hin, als gelte es die Zeit bis zum Saisonende irgendwo im Nirgendwo der Tabelle rumzubringen.

Es war jedem klar, dass heute ausschließlich ein Sieg zählt - aufgrund der Ergebnisse der Konkurrenten, aber auch, weil es eins der beiden vermeintlich leichteren Spiele des Restprogramms war. Was geliefert wurde - war trotz teils gemeingefährlicher Foulkultur des Gegners - unterirdisch. Das heute erinnerte fatal an den letzten Spieltag der vergangenen Saison, als sich Borussia mit einer blutleeren und auffällig gleichgültigen Leistung beim abgestiegenen HSV blamierte. 

So zweikampf- und abschlussschwach wie heute gewinnt die Mannschaft keinen einzigen Punkt mehr in dieser Saison. Und das 0:1 von Stuttgart war ja nur der Tiefpunkt einer Entwicklung in den letzten Wochen, die zwischenzeitlich nur durch ganz gute kämpferische Einlagen kaschiert wurde (von denen heute nur im Ansatz noch etwas übrig war). Der Kredit ist, zumindest bei mir, leider schon wieder aufgebraucht.

Natürlich kann man keinem Spieler den Einsatz absprechen. Sie waren stets bemüht, wie es wenig schmeichelhaft im Arbeitszeugnis heißen würde.
Doch was sie gemeinsam auf die Beine stellen, wird von Woche zu Woche weniger. Man kann auch mal gegen eine Trümmertruppe wie Stuttgart verlieren, zumal nach einem Trainerwechsel, der vor dem Spiel dort einige Karten neu mischte. Aber: Nicht so. 
Eine Mannschaft, die in der Hinrunde (fast) die gesamte Liga verzückt und teils zauberhaft an die wand und ausgespielt hat, darf nicht auf eine so hilflose und uninspierende Weise verlieren, so dass man den noch immer sehr fehlerhaft agierenden Schwaben am Ende unverblümt bestätigen muss, dass sie verdient gewonnen haben. Weil sie offensichtlich kapiert hatten, worum es in diesem Spiel für beide ging - und Gladbach, wo unter der Woche immer noch Spieler vom Ziel Champions League sprachen, eben nicht.

Ich werde heute nur kurz feststellen, dass Schiedsrichter Bastian Dankert sich zwar heute richtig Mühe gegeben hat, zum schlechtesten Mann auf dem Platz zu avancieren. Es ist ihm aber nicht gelungen, auch weil die harmlose zweite Hälfte von Borussia jegliches Argument nimmt, dem Schiedsrichter irgendeine Rolle bei der Niederlage zuweisen zu können - selbst wenn man wollte.

Nein, heute geht es um anderes, ganz Grundsätzliches. Eine Mannschaft, die - bis auf den unermüdlichen Denis Zakaria und mit Abstrichen Christoph Kramer und Patrick Herrmann - zu keiner Zeit den Eindruck vermittelte, die verunsicherten Gastgeber mit Macht in ihre Schranken zu verweisen, war der ideale Aufbaugegner für ein Team, das sich vergangene Woche in Augsburg mit 0:6 hat abschießen lassen. Das ist nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahren so gewesen. Und das macht mich auch so sauer. Das ganze Theater um die schlechte Rückrunde in der vergangenen Saison wiederholt sich auffällig, und das, obwohl diesmal das Verletzungspech nicht mehr als Grund herhalten kann.

Nachdem sich die Unzulänglichkeiten bei den Spielern wiederholen, kann ich mich da eher kurzhalten. Insgesamt zu langsam, zu behäbig, von pressenden Gegenspielern zu leicht zum Rückpass zu zwingen, bei den Pässen zu wenig präzise und mit zu wenig Druck, um schnelle Läufe nach vorne überhaupt zu ermöglichen. 
Die Chancenverwertung ist ein reines Desaster, wenn selbst eine 3-gegen-den Torwart-Situation so jämmerlich verschenkt wird wie bei Pleas frühem Alleingang. Freistöße und Ecken können auch direkt zum Gegner gespielt werden, so harmlos sind sie, auch die Flanken und flachen Hereingaben in den Strafraum sind erbarmungswürdig schlecht. Ganz ehrlich, darüber, wie Borussia im letzten Drittel des Spielfeld spielt, können sich selbst die dürftigsten Bundesliga-Abwehren scheckig lachen.

Dazu kam heute noch ein ganz schwaches Zweikampfverhalten. Besonders Elvedi und Ginter ragten hier im Negativen heraus. Natürlich unterläuft Donis vor dem entscheidenden Tor Elvedi und verschafft sich so einen Vorteil. Den muss ich auch nicht zwingend abpfeifen. Aber wenn ich doch im Spiel merke, dass da ein Schiedsrichter ist, der Schwierigkeiten hat, Fouls zu bewerten, dann darf ich mich doch erst recht nicht so billig abkochen lassen wie Elvedi in dieser Szene. Abgesehen davon hatten die Stuttgarter unter dem Strich ja deutlich mehr gute Schusschancen, die sie im Prinzip genauso nutzten, wie es ein Abstiegskandidat traditionell tut - nämlich gar nicht.
Besonders ärgerlich: In der ersten halben Stunde zeigten die Borussen sogar mehrfach, wie es gehen könnte. Gegen den zwar gut gestaffelt stehenden Gegner gelang es Neuhaus, Zakaria und Co mit Pässen in die Tiefe an den Strafraum immer wieder mit einem Pass, die erste Abwehrkette zu überwinden. Allein, es kam nichts Zählbares dabei heraus. Mit zunehmender Spielzeit schloss Stuttgart diese Lücken immer besser, auch weil vom VfL zu wenig überraschende und schnelle Aktionen kamen. 

Soweit meine Mannschaftsschelte. Noch sprachloser macht mich aber die Leistung des Trainerteams. Ich habe Verständnis gezeigt über die Enttäuschung von Dieter Hecking über seine Ausbootung. Ich hätte es auch verstanden, wenn er sofort die Brocken hingeworfen hätte. Doch was er seitdem gecoacht hat, lässt eine sehr merkwürdige Einstellung durchscheinen - oder Hilflosigkeit. Oder ein bisschen von beidem. Seit der Bekanntgabe des Trainerwechsels zum Saisonende wagt Hecking plötzlich Experimente. Erst die unerwartete Umstellung auf Dreierkette, die kurzzeitig für Belebung sorgte, aber ein Problem beseitigen sollte, das es eigentlich nicht gab. Denn mit vernünftigen Außenverteidigern kann man vielleicht sogar besser Druck über die gesamte Breite des Feldes erzeugen als mit einer noch zentraleren Ausrichtung gegen ohnehin eng stehende Gegner. Mit der negativen Begleiterscheinung, dass die einsamen Flügelläufer Herrmann und Hazard zwischen Defensive und Offensive aufgerieben wurden und so einen großen Teil ihrer Stärken nach vorne einbüßten. 

Ich will nichts gegen ihren Einsatz sagen, beide haben sich für die Mannschaft geopfert und ihre Rolle sehr gut ausgefüllt. Aber solche Offensivwaffen so weit weg vom gegnerischen Tor zu binden, ist ein Luxus, den man sich auch erlauben können muss. Angesichts der personellen Alternativen, die sich auch heute als wenig hilfreich erwiesen haben und vor allem mit Blick auf die jämmerliche Torausbeute der letzten Spiele, kann man daran seine Zweifel haben. 
Als diese ziemlich auf der Hand liegende Frage über die Rolle Hazards von (Fan-)Medien vorgebracht wurde, zusammen mit der Frage, ob man nach dem Ausfall von Stindl und Raffael nicht vielleicht Hazard neben Plea in den Sturm beordern sollte, wies Hecking die Kritik sehr brüsk zurück: "Da maßen sich die Leute an, wie ein Trainer zu denken, obwohl man null Ahnung von dem Ganzen hat und nicht nachvollziehen kann, warum man irgendwelche Dinge macht, weil man nicht nah genug dran ist", sagte er laut "Fohlen hautnah". Das klingt dünnhäutig, das ist dünnhäutig. Doch der Misserfolg hinterlässt Spuren.

Das Ergebnis seiner Aufstellung war, wie wir heute gesehen haben, ein anderes. Sagen wir ruhig, ein merkwürdiges. Und das lässt mich ernsthaft zweifeln, ob Dieter Hecking noch ein wirkliches Interesse an dem maximalen Erfolg mit der Mannschaft zum Saisonende hat. Oder ob es im Team oder zwischen Mannschaft und Trainer Probleme gibt, die der Umsetzung seiner Taktik im Wege stehen.



Ich bin über die Jahre mit den meisten taktischen Veränderungen des Trainers einverstanden gewesen. Und wenn sie nicht erfolgreich waren, konnte ich sie zumindest nachvollziehen. Seit der Winterpause häufen sich allerdings Veränderungen und Einwechslungen, die sich mir nicht mehr so ganz erschließen. Wie die heute. 
Ich bin ein großer Freund der Spielweise von Jonas Hofmann. Aber ihn neben Plea in den Angriff zu stellen, war für mich völlig unverständlich. Das konnte nicht funktionieren.

Ja, Hofmann ist wendig, trickreich, laufstark und geschickt mit dem Ball. Er ist aber ein Spieler, der es  - mittels seiner Technik und dem rechtzeitigen Abspielen des Balles - gerade besonders versteht, sich Zweikämpfen möglichst zu entziehen. In vorderster Reihe kann er zwar den Gegner gut anlaufen, aber er muss auch in harte Zweikämpfe mit den Innenverteidigern gehen, was ihm überhaupt nicht schmeckt und ihm viel von seiner Leichtigkeit und Spielidee nimmt. Mit langen, hohen Bällen, die ein Stürmer oft sichern oder per Kopf weiterleiten muss, kann er überhaupt nichts anfangen. Und als derjenige, der Stürmern Bälle in den Lauf legt, ist er in der vorgezogenen Position auch nicht mehr so stark, weil er das Spiel vor sich braucht, um wirklich effektiv zu sein. 
Was war der Erfolg? Hofmann zog sich im Spiel immer wieder auf seine alte Position zurück, holte Bälle, verteilte aus dem Mittelfeld, während Plea im Angriff den Alleinunterhalter spielte oder mal Flo Neuhaus ganz vorn auftauchte, der sich in der Spitze aber ebensowenig wohl fühlt wie Hofmann.

Doch auch die Auswechslungen heute machten nicht den Eindruck eines zu allem entschlossenen Trainerteams. Das 0:1 ist gerade gefallen, da wechselt Hecking in Strobl den einzigen Innenverteidiger in Normalform aus, um Wendt zu bringen. In der Folge musste das Team seine neue Struktur erstmal wiederfinden. Zehn Minuten später kam dann Traoré für Hofmann und kurz darauf noch Cuisance für Kramer. Keiner der drei wusste das Spiel umzubiegen, im Gegenteil. Wendt und Traoré spielten sich zwar teilweise gut über die Außen durch, doch die Flanken und Zuspiele blieben ungefährlich. 

Und warum der junge Franzose derzeit noch eingewechselt wird, ist mir ein Rätsel. Er spielt nach wie vor sehr arrogant und versucht mit meist unangebrachten Einlagen, auf sich aufmerksam zu machen. Auffälligste Szene war ein Freistoß, vor dem er sich konzentrierte wie ein Ronaldo, nur um ihn dann in die Mauer zu schießen.

Und das, wo in Josip Drmic ein Stürmer auf der Bank saß, der seine Jokerfähigkeit genau vor einem Jahr in mehreren Spielen schon bewiesen hat. Einer, der Plea gut hätte unterstützen können. Der über den Flügel kommen könnte. Aber selbst in so einem Spiel wird er ignoriert, während Cuisance eingesetzt wird, obwohl er offensichtlich noch immer nicht kapiert hat, dass in der derzeitigen Situation sich das Spiel nicht um ihn dreht, sondern er sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen hat.

Nein, so wird das nichts mehr. Und auch wenn ich heute den Trainer ein wenig in den Mittelpunkt der Niederlage gestellt habe, bleibt festzuhalten, dass er nur einen Teil der Verantwortung dafür trägt. 
Die Mannschaft ist keine Einheit und fällt gegenüber den Konkurrenten deutlich ab, was Einsatz, Einstellung und Spielwitz angeht. Dass sie viel zu langsam kombinieren, zu oft den sicheren Ball statt den schnellen Weg nach vorn suchen, über kein Einschüchterungspotenzial verfügen, um einen angeschlagenen Gegner mal über mehr als 5 Minuten so zusetzen zu können, dass er Fehler macht - über das alles entscheiden vor allem die Spieler auf dem Platz. Darauf hat der Mann an der Seitenlinie während der 90 Minuten nur noch einen sehr eingeschränkten Einfluss. 

Es scheint aber auch nicht so, als könnten sich Team und Trainer - oder jeder für sich - noch einmal so zusammenraufen, dass sie sich in den restlichen Spielen wenigstens nicht vorwerfen lassen müssten, nicht alles versucht zu haben. Das ist ein beunruhigender Befund. Denn auch wenn sich zur neuen Saison einiges ändern wird - ein großer Teil der Mannschaft bleibt. Ihr eine andere Mentalität zu verpassen, wird Marco Roses wichtigste Aufgabe sein. Ob es Sinn ergeben würde, wenn nach dem 0:1 von Stuttgart nun Hecking doch seinen Platz räumt, lasse ich mal dahingestellt. Denn ein neuer Impuls für den Liga.Endspurt müsste dann ja von dem Interimstrainer kommen. Der würde sicher nicht Bremser oder Geideck heißen und aus Heckings Stab kommen. Bliebe Arie van Lent. Doch ehrlich gesagt: Womit sollte er die Profis aufrütteln, wenn ihnen die gute Aussicht auf einen europäischen Startplatz bis jetzt keine Flügel verliehen hat?



Bundesliga 2018/19, 31. Spieltag: VfB Stuttgart - Borussia Mönchengladbach 1:0

2019-04-25

The times they are a changing (II): Kader im Umbruch?

Wären die vergangenen Wochen nicht sportlich und abseits des Rasens so seltsam verlaufen, hätte ich sicher schon früher mal einen Blick auf die absehbaren und wünschenswerten Veränderungen im Kader zur neuen Saison werfen wollen.

Einfacher ist das nicht geworden, wo neben einem neuen Trainer offenbar auch im Management und den anderen sportlichen Bereichen des Vereins Veränderungen anstehen.

Immerhin haben wir nun die längst erwartete Gewissheit, dass Thorgan Hazard den nächsten Schritt bei Borussia nicht mitmachen will, zumindest nicht bei der richtigen Borussia. Es nervt mich zwar, dass wir nach Reus und Dahoud wohl einen weiteren Leistungsträger direkt an die Schwarz-Gelben abgeben werden. Andererseits habe ich bei Toto in den ersten Monaten des Jahres wenig gesehen, weswegen ich nun todtraurig über seinen Abgang sein müsste. Ohne dass er sich merklich hängengelassen hätte, ist er in den vergangenen Wochen mit der gesamten Team unter seinen Möglichkeiten geblieben und entgegen seinem sportlichen Stellenwert für die Mannschaft in kritischen Spielphasen genauso abgetaucht wie andere angebliche Führungsspieler. Dass er in seinen Leistungen über eine gesamte Saison traditionell schwankt, hat auch diese Rückrunde bisher gezeigt. Insofern ist sein Weggang natürlich eine Schwächung für den VfL. Aber vielleicht eben auch keine sofort unausfüllbare Lücke, wie sie Marco Reus oder Dante damals gerissen hatten.

Das Theater um seine angebliche Bereitschaft, den Vertrag notfalls auszusitzen, damit Dortmund nicht die angemessenen 40 Millionen Euro Ablöse zahlen muss, halte ich für das übliche Pokerspiel. Klar, er könnte nächstes Jahr dann selbst mehr (Hand-)Geld einstecken. Aber wenn es ihm ums Verdienen ginge, würde er sicher nicht zum BVB, sondern nach England zu den ganz großen Geldtöpfen gehen. Natürlich wäre es sein gutes Recht, seinen Vertrag zu erfüllen und dann ablösefrei zu gehen. Aber da er weiß, wie Borussia arbeitet und wirtschaften muss und dass dazu auch die Toptransfers wie seiner gehören, wäre dies ein großer Affront, den ich ihm eigentlich nicht zutraue. 
Glücklich würde er mit dieser Entscheidung aber ohnehin sicher nicht. Es wäre zwar töricht, ihn - wie manche fordern - dann ein Jahr nur auf die Tribüne zu setzen. Schließlich bezahlt man ihn teuer und kann auch sein Können dringend gebrauchen. Doch für den Fall, dass Thorgan dann mal nicht so gut spielen sollte, würden ihm die Fans das sicher übel auslegen. Es wäre schade, wenn die Zusammenarbeit mit Gladbach am Ende einen solchen dunklen Schatten bekäme. Schließlich haben bisher alle erheblich voneinander profitiert.Und der Eindruck, den man hinter seinem zurückhaltenden Wesen als Außenstehender von ihm bekommen konnte, war der eines ehrlichen und aufrichtigen Menschen und nicht der eines Abzocker.

Denkbar ist, dass ein neuer Trainer weitere Spieler aus dem aktuellen Kader aussortieren könnte, selbst bei noch laufenden Verträgen. Das deutet sich zumindest an, wenn die taktische Neuausrichtung wie zu erwarten auch eine noch stärker auf Pressing, Physis, direktes Spiel und Schnelligkeit ausgerichtet sein wird. Da könnte es für manche verdienten (und/oder verletzungsanfälligen) Spieler schwierig werden, noch die gewohnten Einsatzzeiten zu bekommen. Das ist allerdings bislang noch Kaffeesatzleserei, deshalb verzichte ich darauf, Spieler vorzeitig abzuschreiben. Schließlich hätte sich durch den Trainerwechsel im Prinzip sogar für Josip Drmic noch einmal eine Türe öffnen können. Doch das Kapitel scheint sich nun endgültig zu schließen, was ich persönlich immer noch bedaure, weil er ein feiner Charakter ist, dem absolut nichts vorzuwerfen ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Marco Rose bei den zentralen Säulen der Mannschaft (leistungstechnisch sowie vom Standing im Verein her) rasiert - Sommer, Ginter, Elvedi, Kramer, Strobl, Zakaria, Neuhaus, Stindl, Plea und auch Herrmann halte ich daher für sicher. Raffael wohl auch. Wie wichtig er noch sein kann, hat er in Hannover gerade wieder bewiesen. Doch ob er im lauf- und sprintintensiven System von Marco Rose eine nachhaltige Rolle spielen kann, darf bezweifelt werden. Der Vertrag mit Jonas Hofmann wurde gerade bis 2023 verlängert, das ist ebenfalls ein klares Zeichen.
Bei Oscar Wendt kommt es sehr stark darauf an, wie er von Rose eingeschätzt wird. Technisch und taktisch hat er das Rose-Spiel sicher drauf. Aber ob der sich da nicht einen offensiv effektiveren und vor allem schnelleren Außenspieler wünscht? Wahrscheinlich schon, genau wie auf der anderen Abwehrseite.

Allerdings glaube ich auch nicht, dass jetzt reihenweise gerade verlängerte Verträge ausgelöst werden - das wäre nach dem menschlich nicht ganz astreinen Spiel mit Dieter Hecking ein weiteres Signal, das nicht zum bisherigen Gladbach-Stil passen würde. Und es wäre auch teuer, denn der Trainerwechsel ist ja auch nicht umsonst zu haben. Wenn man sein Geld in Transfers stecken möchte, zahlt man nicht so gerne Abfindungen für die, die einem dann nicht mehr zur Verfügung stehen.

Ich hab mir seit der Verpflichtung von Marco Rose ein bisschen was über ihn und RB Salzburg angeschaut. Und ich denke, so weit auseinander liegen die Borussia von heute und der neue Trainer grundsätzlich gar nicht. Ballbesitz und Kombinationsspiel auf engem Raum, oft durchs Zentrum, das eint beide. Was dem VfL in der Rückrunde fehlt, ist das Tempo im Spiel nach vorn und der physische Ansatz mit dem brutalen Pressing. Darauf setzt Salzburg (wie Leipzig) bekanntlich enorm. 

Für das Tempo auf dem Platz hat der VfL vor der Saison unter anderem den jungen Engländer Keanan Bennetts verpflichtet, der aber in seinem ersten Jahr im Gladbacher Profiteam noch überhaupt keine Rolle gespielt hat und auch in der Regionalligamannschaft nicht besonders auffiel. Just in der Woche, in der der neue Trainer bekanntgegeben wird und klar ist, dass Hazard geht, schoss er dort sein erstes Tor. Zufall? Wir werden es sehen - hoffentlich kommt der schnelle Außenstürmer in der kommenden Saison näher ran an ein Bundesliga-Debüt.

Erstaunlich ist, wie viele Tore Salzburg auf ganz simple Art und Weise erzielt, durch einen langen hohen Ball aus der eigenen Hälfte, dem der gekonnte Abschluss des in die Tiefe startenden Mitspielers folgt. Auch das hat Marco Rose nicht erfunden, die Engländer spielten früher fast ausschließlich so und auch in der jüngeren Gladbacher Geschichte gab es immer wieder Akteure, die ihre Stürmer punktgenau durch solche Bälle einsetzen konnten, unter Favre, unter Schubert und vereinzelt auch unter Dieter Hecking. Nordtveit, Xhaka, Vestergaard, auch Stranzl hatten das drauf. 
Im derzeitigen Spielsystem ist der lange Ball auf die Stürmer eine viel zu selten genutzte Waffe, um den Gegner-Riegel aufzubrechen. Spieler dafür sind da: Ginter, Strobl, auch Elvedi haben schon oft gezeigt, dass sie präzise Pässe über 50 Meter spielen können. Und Spieler wie Hazard, Plea oder Herrmann sollten in der Lage sein, daraus etwas zu machen. Da uns mindestens einer von diesen verlässt, ist hier eine Baustelle für die nächste Saison - möglicherweise bringt Rose sogar einen aus seinem alten Verein mit. Wer sich Videos von RB Salzburg anschaut, sieht, wie ballsicher und abschlussstark der Japaner Minamino oder der Norweger Fredrik Gulbrandsen mit solchen Bällen umgehen können - auch auf europäischem Niveau. Gulbrandsen hat zudem einen im Sommer auslaufenden Vertrag. Der Mittelfeldmotor Xaver Schlager, den Rose aus der Jugend mit hochgezogen hat, ist sicher ein ganz interessanter Spieler. Weil er eher den Xhaka-Moment bietet als alle anderen zentralen Mittelfeldspieler, die Borussia im Moment im Kader haben. Allerdings sind dort ja schon sehr viele Spieler mit viel Potenzial (Stindl, Raffael, Hofmann, Neuhaus, Zakaria, Benes, Cuisance...) versammelt.

Hoch veranlagte Offensivspieler, die in der Gerüchteküche bereits als mögliche Neuzugänge auftauchten, sind Maximilian Philipp vom BVB und Luca Waldschmidt vom SC Freiburg. Beide würden in diesem Spiel nach vorne durchaus Sinn ergeben. Philipp ist ein abschlussstarkes Stürmer mit hervorragendem Schuss, Waldschmidt hat sich zu einem beweglichen, guten Kombinationsspieler mit Torriecher entwickelt, der sich in Gladbach nicht verstecken müsste. Auch die Hannoveraner Linton Maina (noch einer der Besten in der Partie gegen Gladbach) und der dieses Jahr lange verletzte Ihlas Bebou wären - vermutlich bezahlbare - Optionen. 
Bei letzterem dürfte Max Eberl wohl schon zugeschlagen haben, auch wenn er den perfekten Transfer, der von Sportbuzzer aus Hannover gemeldet wurde, heute noch weit von sich wies. Damit wäre Geschwindigkeit für den Flügel auf dem Weg, aber das wird nicht alles sein, will man Hazards Wert für die Mannschaft auch in der neuen Saison abbilden und "absichern".
Deutlich teurer und dank hochwertiger Konkurrenz nicht ganz so leicht zu verpflichtende Verstärkungen wären dafür natürlich die Düsseldorfer Dodi Lukebakio und/oder Benito Rahman (der dem VfL beim 1:3 bekanntlich sehr wehgetan hat).

Einer, der in seiner Spielweise Thorgan Hazard recht nah kommt, wäre François Kamano von Girondins Bordeaux. Der 22-Jährige spielt vorwiegend Linksaußen, ist aber wie Hazard  Rechtsfuß. Der Marktwert soll bei 14 Millionen Euro liegen, der Vertrag läuft noch bis 2021. Prinzipiell sollte das im Rahmen des Möglichen liegen. 
Und er hat seine Qualitäten bereits in einer höheren Liga bewiesen. 

Das gilt noch nicht für Alexis Claude-Maurice vom französischen Zweitligisten FC Lorient, der ebenfalls durch die Gerüchteküche geistert und angeblich sogar schon bei einem Spiel mit Max Eberl im Stadion gesehen worden ist. Der 21-Jährige ist wie Stindl und Hofmann ein sehr gut entgegenkommender Stürmer und offensiver Mittelfeldspieler, der sich gern fallenlässt und geschickt darin ist, sich in den Räumen zu bewegen. Er ist allerdings deutlich schneller als Stindl und Hofmann, bislang aber noch etwas verspielt. Das müsste er in der Bundesliga ganz schnell ablegen, soviel Zeit am Ball wie in der zweiten französischen Liga lässt man ihm hier nicht. Was ein weiterer Pluspunkt ist: Er hat einen zwar unspektakulären, aber sehr präzisen und guten Schuss von außerhalb des Strafraums.

Der kleine quirlige Luzerner Ruben Vargas (20) wäre jemand für die linke Angriffsseite. Die Frage wäre nur, ob er in seiner Entwicklung schon weiter ist als ein Bennetts.

Und weas passiert in der Abwehr? Kaan Ayhan von Düsseldorf wird gehandelt, seine Ausstiegsklausel von 2,5 Millionen Euro macht ihn zum Schnäppchen. Zu Ginter, Elvedi noch einen jungen Innenverteidiger dazuzunehmen, ergibt auf den ersten Blick Sinn. Doch wie wir gerade sehen, müssen sich auch Strobl und Tony Jantschke auf dieser Position keineswegs verstecken. Gesetz den Fall, Doucouré bliebe jetzt mal verletzungsfrei, wären das eigentlich genug Innenverteidiger, zumal Marco Rose für sein System schnelle Außenverteidiger auf der Einkaufsliste bevorzugen wird. Die haben wir mit Lang, Johnson und Wendt eher nicht, allein Andreas Poulsen könnte da künftig punkten.
 

Es werden also auf jeden Fall spannende Wochen, zu sehen, wie mit dem neuen Trainerteam nun auch eine neue Mannschaft entsteht - und wer von der jetzigen Mannschaft vielleicht ganz neue Qualitäten zeigen kann. So wie es Jonas Hofmann in dieser Saison gelang.

2019-04-21

Kein gutes Bild

Ich wollte eigentlich nichts zu den Bannern in der Nordkurve schreiben - zu viel Aufmerksamkeit für den weit über das Ziel hinausgeschossenen Umgang mit dem zweifellos kritikwürdigen Kunstprodukt aus Leipzig. Aber mit einem Tag Abstand und den verschiedenen Reaktionen, die ich seitdem mitbekommen habe, mache ich es doch. Denn es geht bei genauerem Hinsehen um deutlich mehr als einige geschmacklose Plakate. Es geht - mal wieder - um den Zusammenhalt bei Borussia im allgemeinen und die Qualität des Protests im besonderen.

Mit sportlichem Erfolg wachsen die Ansprüche - das ist nicht nur bei Gladbach so - und offensichtlich sinkt parallel dazu zugleich die Toleranzschwelle und die Bereitschaft, Dinge hinzunehmen, wenn es mal nicht so läuft oder wenn die Entwicklung nicht so ausfällt, wie man sie gern hätte. Ich habe schon betont, dass ich damit fremdele, einen Trainer vor die Tür zu setzen, wenn die Mannschaft auf Platz fünf der Tabelle steht und noch alle Chancen auf das internationale Geschäft hat. Aber immerhin ging diese Geschichte, soweit bekannt, noch mit dem nötigen Respekt vor der Leistung von Dieter Hecking über die Bühne.

Dieses Gebot gilt für manche Fans offensichtlich weit weniger. Dass der Respekt immer mehr auf der Strecke bleibt, ist gesamtgesellschaftlich schon länger zu beobachten. Es macht logischerweise über kurz oder lang auch vor einer Fanszene und einem Verein nicht halt, der eben auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft ist. 
Die Frage aber ist: Löst man Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten grundsätzlich sportlich fair oder eskaliert man sie auf ungeeignete, verletzende Weise? Ist man selbst bereit, das einzuhalten, was man von anderen fordert? Wenn nicht, setzt man den Zusammenhalt unweigerlich aufs Spiel. Und an diesem Scheideweg sehe ich die Borussia-Familie derzeit - und das nicht zum ersten Mal.

Mir ist es relativ egal, ob den RB-Fans einer abgeht, wenn sie es auf dem Fußballplatz wieder mal einem "Traditionsverein" gezeigt haben, der sie so nachhaltig ablehnt wie wir als Borussia-Fans. Geschenkt, dass sich die Brause-Kunden als Opfer stilisieren und als einziges Argument den Neid der anderen vorschieben können - was durchaus zutrifft, da wir alle gern die finanziellen Möglichkeiten von RB hätten und das, was sie drumherum daraus gemacht haben.

Aber Red Bull und sein Konstrukt von miteinander verwobenen Vereinen und Farmteams ist nur ein Symptom der Fehlentwicklungen im Profisport. Es ist auch längst nicht die einzige Schieflage im Fußball. Heute habe ich gerade gelesen, dass sich Man City einen angeblichen neuen Messi aus Argentinien leisten möchte. Für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass sie wegen Fehlverhaltens eine Transfersperre bekommen, soll dann der verpartnerte spanische Verein aus Girona den Spieler verpflichten und später weiterreichen. 
Dass das Wettbewerbsverzerrung ist und die zuständigen Fußballverbände trotzdem nicht willens oder in der Lage sind, das Aushebeln von Regeln zu unterbinden (wie bei Leipzig die Posse um den Vereinsnamen, die Vereinsstruktur sowie die nur oberflächlich gekappten Verflechtungen zwischen den RB-Clubs), das ist doch offensichtlich.

Dagegen kann man protestieren und auf den Rängen Spruchbänder zeigen. Doch man muss sich nicht einbilden, dass man damit etwas verändert. Schon gar nicht, solange die Vertreter der anderen "Traditions"-Vereine, darunter auch die des VfL, das alles in den Ligagremien am Ende mittragen. Es wäre also weit sympathischer, herauszustellen, was unseren Verein positiv ausmacht, was ihn damit abhebt von durchgestylten Reißbrett-Profisportprojekten à la Mateschitz und Hopp.

Vielleicht braucht es Zeit, neue Ideen für Proteste zu entwickeln und sich auch in der Kurve von den martialischen Gesten zu verabschieden. Kann ja sein. Aber auch wenn wir wissen, dass es beim Spiel gegen Leipzig darum geht, die Wut und die Ablehnung gegenüber dem Vereinsimitat namens "Rasenball" zu transportieren und hochzuhalten, ist das kein Freibrief für Attacken unter der Gürtellinie. Oder sollte es nicht sein. 
Deshalb kann man es sich aus meiner Sicht komplett sparen, mit solchen Bannern in der Kurve persönlich beleidigend zu werden. Man kann an Ralf Rangnick vieles bescheuert finden - allen voran seinen arroganten Umgang mit der berechtigten Kritik an den von ihm wesentlich mitgestalteten Retorten-Projekten Hoffenheim und Salzburg/Leipzig, die er ohne nahezu unbegrenzten Zugang zu Geld nie hätte erfolgreich gestalten können. Das kann man ihm so auch an den Kopf werfen. 
Aber warum der dämliche Hinweis auf den damaligen "Burnout" Rangnicks? Wo doch inzwischen selbst der tumbeste Fußballfan die Gefährlichkeit der Krankheit kennen müsste, die volkstümlich als "Burnout" oder Depression beschrieben wird und eine der heimtückischten Krankheiten ist, die für das Umfeld des Betroffenen oft nicht mal erkennbar ist.

Robert Enke, Andreas Biermann - zwei Profifußballer, die sich selbst töteten. Schiedsrichter Babak Rafati - kam knapp mit dem Leben davon. Sebastian Deisler - für ihn war die Krankheit der Karrierekiller. Wer weiß, wie er heute damit lebt. Es gibt genug weitere prominente Beispiele und unzählige Menschen, die abseits des Rampenlichts ihren Kampf mit sich selbst kämpfen und oft genug verlieren. 

Ralf Rangnick hat sich, soweit man das von außen beurteilen kann, erfolgreich aus diesem Tief herausgekämpft - das ist nichts, für das man ihn beschimpfen sollte - im Gegenteil. Sich an so etwas hochzuziehen, ist unter aller Kanone. 

Das gleiche gilt für Sprüche, die "... verrecke" oder "Tod den..." enthalten. Das ist einfältig und wirft, auch wenn es nur von einzelnen kommt, ein ebenso schlechtes Licht auf die gesamte Fanszene. Das ist Teil des Problems auch in Gladbach - nicht erst seit gestern (ich schrieb schon letztes Jahr darüber).

Ich glaube, so wie es der Mannschaft in der aktuellen Phase gut täte, sich nicht ständig nach außen zu erklären, sondern voll auf sich allein zu konzentrieren, stünde es auch den VfL-Fans insgesamt gut an, sich weniger mit anderen zu beschäftigen und dafür mehr mit sich selbst und dem Verhalten nach innen und außen. Wenn wir ein außergewöhnlicher Verein sein wollen, muss das vor allem durch die sichtbare Fanszene im Stadion vorgelebt werden. Davon sind wir aber - von außen betrachtet, ich bin ja kein unmittelbarer Teil der Kurve - meilenweit entfernt. 

Wer gemeinsam einen Haufen größtenteils derbe bis beleidigende Banner malt und das als kreative Form des Protests einer demokratischen Fangemeinschaft ansieht und dazu zum xten Mal zur Trillerpfeife greift, kann sich doch nicht wirklich darüber wundern, dass andere das wenig originell finden. Und dass Kritik von dieser Seite bei den Aktiven in der Kurve wiederum zu beleidigtem Trotz führt. 
Aber mal ehrlich: Was aus den vergangenen Jahren hängenbleibt und mit dem VfL verbunden wird, sind leider nicht mehr die eindrucksvollen, tollen Choreos der Europapokal-Auftritte. Es sind mehr Fehlleistungen, wie die von gestern, diverse (teure) Pyro-Eskalationen und inakzeptable Vorfälle wie tätliche Angriffe untereinander, Übergriffe auf Fans anderer Teams, auf Unbeteiligte in der Bahn - oder die Vergewaltigung im Fanzug. Das Problem ist, dass immer nur ein ganz kleiner Teil der Fanbase durch so etwas alle Borussia-Anhänger mit in den Dreck zieht.

Wir hätten als "einig Volk von Brüdern" eigentlich gerade eine andere Baustelle, die wir beackern müssten, statt uns selbst zu zerfleischen. Es gilt schließlich, gemeinsam mit dem Team (und ja, auch mit dem Trainer) noch das zu retten, worauf wir uns seit der tollen Hinrunde die ganze Zeit freuen: in der nächsten Saison endlich wieder auf Europa-Tour gehen zu können. Also: Lasst es gemeinsam krachen, Borussen!

Zwei Patzer zu viel

Geht doch! Das könnte man schreiben, wenn der VfL heute den verdienten Lohn für sein Spiel eingefahren hätte. So bleibt nach dem Abpfiff trotz eines kämpferisch überzeugenden und durchaus mitreißenden Spiel einmal mehr ein sehr bitterer Nachgeschmack - wie immer, so scheint es, wenn es gegen die Vereinsimitation aus Leipzig geht und der Ertrag ausbleibt.

Es ist den Borussen heute relativ wenig vorwerfen - abgesehen von den Dingen, die sich durch die gesamte Rückrunde ziehen: Schlampiger letzter Pass, der einen guten Abschluss verhindert, zu behäbige Spielphasen, wo man den Gegner, den man gerade erst richtig ins Schwitzen bekommen hat, sich davon wieder erholen lässt. Und: Sehr naive Verteidigung in den beiden Szenen, die zu den Gegentoren führten.
Da der VfL im Moment nicht in der Lage scheint, mehr als in Tor pro Spiel zu erzielen, bedeutet das dann entsprechend eine weitere unnötige Niederlage gegen einen Gegner, der höher gehandelt wird als er heute im Borussia Park nachzuweisen in der Lage war.

Die Gladbacher Defensive inklusive der zentralen Mittelfeldspieler Chris Kramer und Denis Zakaria (heute ganz hervorragend aufgelegt, geschickt und effektiv in den Zweikämpfen) sowie den fleißigen Außen Herrmann und Hazard meldete die hochgelobte Offensive mit Cunha, Forsberg, Sabitzer und Werner weitgehend ab, auch Poulsen bekam nach seiner Einwechslung keinen Fuß auf die Erde - außer mit Fouls. Die Borussen liefen viele Bälle ab, setzten den Leipzigern mit ihrem aggressiven Pressing ebenso zu wie umgekehrt und waren aus meiner sicht über 90 Minuten die bessere Mannschaft. Aber die Elf von Dieter Hecking war wieder nicht in der Lage, über 90 Minuten die Konzentration aufrecht zu erhalten und die eigene Spielidee durchzudrücken. Das hatte sicher mit dem eingespielten und taktisch cleveren Gegner zu tun. Aber nicht nur.

Das erste Gegentor war ein Geschenk, weil Ginter den gerade eroberten Ball schlampig und zu kurz in Richtung Herrmann spielte, der gegen den dazwischen sprintenden Halstenberg nur noch den Fuß reinstellen konnte und diesem das Alibi zu einem spektakulären Faller lieferte. Den Ball hätte der Leipziger nie und nimmer mehr rechtzeitig vor der Auslinie erreichen können, es bestand also null Torgefahr. Das interessiert aber natürlich für die Elferentscheidung nicht. Es interessiert hinterher auch nicht, dass man die - wenn überhaupt - hauchzarte Berührung am Fuß auch durchaus hätte weiterlaufen lassen können, wobei die Bewegung Herrmanns natürlich sichtlich in den Laufweg des Gegners ging und der Schiedsrichter in Echtzeit daher von einem Foul ausgehen konnte. Damit wäre der Kölner Keller gefragt gewesen, doch dort beließ man es beim "Kann-Elfmeter", bei dem man den Mann auf dem Rasen offensichtlich nicht zu korrigieren hat.

Das ermutigte die Gäste, sich fürderhin möglichst oft und bei dem leichtesten Windhauch zu Boden zu werfen und zu lamentieren, während sie ihrerseits die Gegner mit allen Mitteln und viel "Handarbeit" über die Maßen bearbeiteten, da allerdings zu oft ungestraft.
Kurz vor Schluss hätte es einen Elfmeter auch für Borussia geben können, als im Strafraum ein Gladbacher zu Boden gezogen wurde. Da blieb die Pfeife stumm, auch im Kölner Keller beließ man es dabei. Mit etwas Abstand betrachtet kann ich damit leben, es war jedenfalls keine klare Fehlentscheidung.

Das war heute auch nicht der ausschlaggebende Grund für die Niederlage. Der lag in der Naivität, wie Borussia dann auch beim zweiten Gegentor zu Werke ging. Der heute wieder sehr fleißige und defensiv starke Kramer ließ sich von Forsberg leicht auswackeln, Strobl ging gegen Halstenberg gar nicht in den Zweikampf und auch Yann Sommer sah nicht ganz so gut aus, als der Ball an ihm vorbeirutschte. Das war definitiv ein zu billiges Tor.

Damit schien die Geschichte durch zu sein. Bis zum 1:2, nach dem noch eine knappe halbe Stunde Zeit blieb, das Spiel zu drehen. Der Anschlusstreffer durch Plea war sehr schön herausgespielt, fiel aber zu einem eher glücklichen Zeitpunkt, als ich schon dabei war, die Hoffnung aufzugeben. Das Tor leitete noch einmal eine gute Druckphase (inklusive einiger schlecht ausgespielter Konter der Gäste) ein, die aber irgendwann versandete. Letztlich standen sich die Borussen in den letzten 20 Minuten eher selbst im Weg, indem sie gegen die aggressiven Leipziger zu viele Bälle verloren oder zu ungenau spielten. Und wenn sie die Chance zum Torschuss hatten, vergaben sie überhastet. Trotz aller Bemühungen muss man nüchtern betrachtet sagen: Das reicht dann eben nicht für höhere Ziele.

Und so gehen wir in die letzten vier Spiele und sind so schlau wie vorher. Wir schauen auf die vielen Gesichter von Borussia und wundern uns immer wieder, was seit Februar passiert ist. Nach der sagenhaften Heimsieg-Serie sind wir nun im direkten Anschluss bei sechs sieglosen Heimspielen hintereinander angekommen. Das ist definitiv zu wenig, um in der absoluten Spitzengruppe bleiben zu können. Demgegenüber stehen dann hervorragende 13 von 18 möglichen Punkten auf fremden Plätzen in der Rückrunde - eine für Gladbacher Verhältnisse außergewöhnlich gute Bilanz. Die kam allerdings mit Ausnahme des Sieges in Leverkusen und des 1:1 in Frankfurt nur gegen Teams aus den unteren Gefilden zustande. Gegen alle anderen Teams, die dem VfL im Kampf um Europa gefährlich werden können oder die inzwischen vor Borussia stehen, blieb die Mannschaft in der Rückrunde sieglos - und mit Hoffenheim und Dortmund kommen ja noch zwei nach Mönchengladbach.

War die Abwehr in der Hinrunde noch das Prunkstück, stabilisierte sich die VfL-Defensive erst in den vergangenen Spielen wieder merklich. Und vorne stehen den 36 geschossenen Toren der Hinrunde (damals die zweitbeste Offensive) nun nur noch magere 13 Tore aus 13 Spielen gegenüber. Nur Hannover, Nürnberg und Schalke haben in der Rückrunde noch weniger Tore geschossen. 
All das zeigt, warum Borussia nicht mehr auf Platz drei oder vier steht und mit seit heute nur noch drei Punkten Vorsprung auch mehr denn je um einen Euro-League-Platz bangen muss. Denn auch wenn die Leistung heute in Ordnung war und der Wille und der Kampf dazu führte, dass der Funke auch auf die Ränge übersprang: Das berühmte Momentum ist nicht auf Seiten der Hecking-Truppe.

Bundesliga 2018/19, 30. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Rote Brause Leipzig 1:2 (Tor für Borussia: 1:2 Plea)


P.S. Ich muss sagen, die diversen Fanproteste gegen das "Brause-Konstrukt" der vergangenen Jahre haben mich schon nicht überzeugen können. Und durch Wiederholung von nervigen Pfeifkonzerten, diesmal nur bei Leipziger Ballbesitz, werden sie auch nicht origineller geschweige denn wirkungsvoller. Ob das auf dem Platz jemanden durcheinander bringt und eher hilft als schadet, will ich gar nicht beurteilen. Beim DFB oder in der Brause-Zentrale juckt das jedenfalls niemanden.

Die Entscheidung, wohin der Fußball steuert, wenn man für Konzerne wie RedBull die Türe öffnet, ist lange gefallen, die Abwehrschlachten längst geschlagen und verloren. Es kotzt mich auch an, dass diese Reißbrettvereine Erfolg haben - mit ihren Investitionen, die frei sind von den Zwängen anderer Vereine, die das einzusetzende Geld erst erwirtschaften müssen. Aber wir werden sie nicht mehr los, und jede ohnmächtige Wut, mit der gegen sie angepfiffen wird, prallt folgenlos dort ab. 
Der einzige Weg, ein richtiges Argument und die richtige Antwort, RB wehzutun, wäre, sie endlich mal auf dem Rasen zu besiegen. Solange das nicht geschieht, nutzen weder Trillerpfeifen noch derbe Plakate. Höchstens, um immer wieder unserer Ohnmacht und Wut Ausdruck zu geben. Nach außen sehen wir aber nur wie schlechte Verlierer aus.

2019-04-19

The times they are a changing (I): Jung und erfolgreich

Es ist viel in Bewegung bei Borussia, und das war nicht unbedingt in diesem Ausmaß zu erwarten. In loser Folge will ich mich deshalb unter dem Motto des alten Bob-Dylan-Songs "The times they are a changing" den Herausforderungen widmen, die die Verabschiedung von Dieter Hecking zum Saisonende, die Verpflichtung des gefragten Trainerteams um Marco Rose aus Salzburg und die Veränderungen an anderen Stellen im Verein mit sich bringen könnte - und wohin das möglicherweise führt. 

Beginnen will ich mit der Jugendarbeit im weiteren Sinne, weil ich erwarte, dass dies eine wichtiger werdende Säule sein wird, auf die die neuen Trainer ihre Arbeit aufsetzen wollen. Denn die Investitionen, die der Verein in das erweiterte Internat und die Professionalisierung des Unterbaus investiert, müssen mittelfristig auch in der Profimannschaft ankommen und zu sehen sein. 

 
Dass im Verein gerade einiges umgedreht wird, um das eingesetzte Kapital möglichst sinnvoll in Leistungsträger-Beine zu investieren und die Beine des Nachwuchses so zu trainieren, dass sie später Ertrag für den Verein bringen können, liegt also auf der Hand. Das Nachwuchsleistungszentrum mit dem erweiterten Internat ist teuer, und es muss auf Sicht mehr Erstligaprofis hervorbringen als in den vergangenen Jahren, will es nicht zu einer Alibi-Jugendarbeit werden.

Denn eins ist nicht wegzudiskutieren: Mit dem sportlichen Erfolg wurde es in Gladbach für talentierte Spieler immer schwieriger, sich in der Bundesligamannschaft zu etablieren. Herrmann, Jantschke, Marin, Jansen, ter Stegen etc. fiel das als Teil einer gegen den Abstieg spielenden Mannschaft und eines finanziell nicht auf Rosen gebetteten Vereins deutlich leichter. Heute, wo die Zielsetzungen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen andere sind und Max Eberl deutlich mehr Geld für Neuzugänge zur Verfügung hat als früher, ist die Konkurrenz für die Jungen natürlich entsprechend größer - so wie das Gerangel um die wirklich besten Talente heftiger.

Und das birgt eine ernste Gefahr für Vereine mit einem begrenzten Etat wie Borussia. Schon jetzt sind international für vielversprechende Fußball-Teenager erstaunliche Millionenbeträge fällig, teils bevor diese überhaupt volljährig geworden sind. Dieser Trend wird sich fortsetzen, weil immer mehr große und zahlungskräftige Teams dort mitmischen. 
Nur ein Beispiel ist der FC Bayern, der in seinem Runderneuerungswahn auch bereit ist, Jungprofis ohne Profieinsätze so mit Geld zuzuschmeißen, dass sie selbst in England alle Preise verderben (siehe Hudson-Odoi). Aber auch Gladbach spielt das Spiel auf geringerem Niveau schon mit, wenn man an die 2,25 Millionen Euro denkt, die Borussia für den U23-Spieler von Tottenham auf den Tisch gelegt hat. Solche Summen werden aber möglicherweise nicht mehr lange ausreichen, um "ungeschliffene Diamanten" zu verpflichten.

Die Ablösesummen von "fertigen" Spielern steigen ebenfalls von Jahr zu Jahr. Also ist es folgerichtig, dass Vereine wie Gladbach auch weiterhin den Schritt voraus sind und das Potenzial von Spielern so frühzeitig erkennen, dass diese noch bezahlbar bleiben. 
Der nächste logische Entwicklungsschritt wäre dann - natürlich auf einem bescheidenerem Level als es die englischen Spitzenklubs machen - über den sofortigen Bedarf hinaus junge Spieler zu verpflichten, um sie dann gleich wieder in die zweite Liga, nach Holland oder Belgien zu verleihen und sich dort entwickeln zu lassen. 
Auch Borussia hat von solchen Deals in den vergangenen Jahren schon als annehmender "Entwicklungsverein" profitiert, wenn man zum Beispiel an Havard Nordtveit oder Thorgan Hazard denkt. Die Ausleihe von Florian Neuhaus und jetzt die von Laszlo Benes deutet bereits an, wie es künftig auch in die andere Richtung gehen könnte. Das wäre allemal besser, als einem Spieler wie Julio Villalba nur alle paar Monate mal ein Freundschaftsspiel anbieten zu können, weil er in der U23 nicht spielberechtigt ist und es in den Spieltagskader in der Bundesliga (noch) nicht schafft.

Wie auch immer. An der Schnittstelle zwischen Jugend und Profis tut sich bei Borussia schon einiges. Für den U19-Trainer Thomas Flath kommt ein wohl ebenso erfahrener Trainer - Sascha Eickel aus Braunschweig. Früher war er bereits auf ähnlich hohem Niveau beim BVB tätig. Und in Braunschweig assistierte er zeitweise auch dem uns wohlbekannten Trainer André Schubert. Das klingt insgesamt nach guten Referenzen.
Als Übergangscoach für die Talente verlässt Otto Addo den VfL, er wechselt nach Dortmund. Möglicherweise ist mit Eugen Polanski, der derzeit bei der U23 hospitiert, sogar schon einer im Verein, der diese Ausgabe mit abdecken könnte; wahrscheinlich aber noch nicht allein. Ich kann nicht beurteilen, was die Gründe sind, warum Addo und Flath gehen oder gehen müssen - und ob Eickel die älteste Jugend einen Schritt nach vorne bringen kann, damit wieder mehr Spieler den Weg in den Profikader schaffen. Aber es scheint, als stelle der Verein neue Weichen für einen Weg, von dem er überzeugt ist.

Die Verpflichtung des neuen Trainers spricht dafür, dass ein Weg sein wird, die Durchlässigkeit von der Jugend zu den Profis wieder zu erhöhen. Marco Rose ist bei Salzburg als U16-, U18- und U19-Trainer praktisch mit einer Jugendmannschaft mitgewachsen ist und betreut einen Teil dieser Spieler nun auch in seinem Profikader (Hannes Wolf, Xaver Schlager, Patson Daka). Er weiß also ziemlich genau, worauf es ankommt beim Übergang vom Jugend- in den Erwachsenenfußball.

Fazit: Wer wie Borussia bei der Gewinnung von talentierten Spielern schon immer etwas findiger war als manch zahlungskräftigerer Konkurrent, muss die Entwicklung bei den Spielertransfers mit Entsetzen sehen und: reagieren. Auf Dauer kann ein Verein wie unserer nicht mehr mithalten, wenn er nicht in der Lage ist, Talente noch früher zu finden und länger an sich zu binden. Das Risiko, dass am Ende bei einem überragenden 16-Jährigen dann doch "nur" ein guter Drittligaspieler herauskommt, ist nicht klein. Aber immer noch eine bessere (und günstigere) Alternative, als sich allein vom allgemeinen Transferkarussell abhängig zu machen. Die Verpflichtung von Rose und seinen Co's sowie von Sascha Eickel und den weiteren Umstrukturierungen im Nachwuchbereich - das alles deutet auf eine klare Strategie für den Fokus auf die Nachwuchsentwicklung auf höchstem Niveau. Das ergibt Sinn - hoffen wir, dass der Plan auch aufgeht.

2019-04-13

Zu wenig für Begeisterung

Ein Tag zum Vergessen, ein Sieg zum schnell abhaken. Die Horrorverletzung von Kapitän Stindl nach 40 Sekunden, darauf folgend 47 der fehlerhaftesten Minuten, die ich in einem Erstliga-Spiel von zwei Mannschaften gesehen habe. Man kann auch sagen, eine erbärmlich schlechte erste Halbzeit in der Fußball-Bundesliga. 
Dann ein paar gute Minuten von Borussia, wenigstens bis zum bezeichnenderweise auch sehr glücklich zustandegekommenen Führungstreffer durch Raffael. Und danach? 30 Minuten versuchte Ergebnisverwaltung, viel zu wenig Geilheit, auf das zweite entscheidende Tor (und möglicherweise noch auf weitere, zum Zwecke einer besseren Tordifferenz) zu gehen. Mit der Folge, dass die in allen Belangen unterlegene gegnerische Mannschaft bis zuletzt noch auf einen Punktgewinn hoffen konnte. 
Wenn das die finale Phase der Saison einläuten und ein möglichst furchterregendes Signal an die Konkurrenz senden sollte, dann ist das gründlich daneben gegangen.

Immerhin, es war ein Sieg - der erste seit dem fast genauso freudlosen 1:0 in Mainz vor mehr als einem Monat. Aber das tröstet mich nur begrenzt über das maue Gesamtbild hinweg, das heute von der Mannschaft zu sehen war. 

Denn obwohl der VfL mit der Dreierkette Ginter, Strobl, Elvedi sicher stand und die Außen Herrmann und Hazard defensiv tadellos und effektiv mitarbeiteten, kam Hannover unnötigerweise zu drei bis vier sehr guten Einschussmöglichkeiten, die das Spiel hätten auf den Kopf stellen können.

Und obwohl es jede Menge eigene gute Angriffe und beste Chancen gab, und sich Hannover mit einfachen Mitteln oft genug willig ausspielen ließ, steht am Ende das kleinstmögliche Sieg-Ergebnis auf der Anzeigetafel. Offenbar ist mehr im Moment nicht drin, egal ob man sich beherzt reinwirft wie gegen Bremen oder ob man das Spiel nach Belieben bestimmen kann wie heute gegen ein fast wehrloses Tabellenschlusslicht.

Und das macht mir Sorgen. Denn neben den Auswärtsspielen bei den beiden Abstiegsaspiranten Nürnberg und Stuttgart kommen zum Schluss der Saison noch drei bärenstarke Teams in den Borussia Park, die sich über eine solche Leistung wie heute wohl totlachen und die Hecking-Elf mit Freuden abschießen würden.

Und das liegt aus meiner Sicht auch an individuellen Leistungen, die höhere Ansprüche nicht rechtfertigen. Thorgan Hazard, über Jahre einer der absoluten Unterschiedsspieler in der Mannschaft, verspielt bei mir inzwischen Woche für Woche mehr Sympathie. Der Auftritt gegen Düsseldorf war schon grenzwertig. Der gegen Bremen war engagiert, aber nach vorne harmlos. Heute wirkte es für mich wie ein aufreizender "Dienst nach Vorschrift". 
Nach hinten arbeitete er so, dass ihm absolut nichts vorzuwerfen ist. Nach vorne aber war es eine lustlose, uninspirierte Vorstellung, die ich mir als Trainer nicht bis zum Ende angeschaut hätte. Ungefährliche Standards, erbärmlich schwache Torabschlüsse, kein Mut und keine Geschwindigkeit über den Flügel, keine der von ihm gewohnten Tempoläufe, die ihn schließlich auch bei anderen Teams so begehrt gemacht haben. Von Torgefahr ganz zu schweigen. 
Natürlich kostet die Defensivarbeit Kraft. Und es ist eine (in dieser Phase gewollte oder in Kauf genommene) Verschwendung von Offensiv-Ressourcen, ihn in dieser taktischen Konstellation vor allem defensiv zu binden. Ich kann dem auch nichts abgewinnen, wenn Thorgan fünf Meter vor der eigenen Torauslinie Einwürfe machen muss und die Wege nach vorne und damit seine Stärken ein gutes Stück erstickt werden.
Gegen Bremen hat ihn der Abnutzungskampf an der Seitenlinie sichtlich Körner gekostet, die ihm nach vorne dann fehlten. Aber heute hatte ich den Eindruck, er wollte auch gar nicht viel mehr. Ich will nicht hoffen oder glauben, dass er so vielleicht seine Transfersumme drücken will. Aber er ist in dieser Verfassung keine Verstärkung, schon gar nicht für die Aufgaben, die noch vor dem VfL liegen.

Demgegenüber gibt es aber eine Reihe Spieler, die vielfach an sich selbst scheitern, die aber sichtlich mehr bewegen wollen. Heute einmal mehr der emsige Flo Neuhaus. Er machte viel, er machte viel gut, aber wenn es ernst wurde vor dem Tor, stand er sich selbst im Weg. Der lässig in Richtung Tor gechipte Ball bei seiner Großchance war das beste Beispiel dafür. Da muss er auch im Interesse der Mannschaft einfach weniger verspielt auftreten.
Auch der stark verbesserte Alassane Plea und der unermüdliche Kämpfer Patrick Herrmann rackern sich ab, aber weitgehend ohne Erfolg. Dass der Franzose seit einigen Spielen überhaupt keine Freistöße mehr für sich gepfiffen bekommt, sorgt sicher auch nicht dafür, dass Borussias bester Torschütze wieder zur alten Torgefährlichkeit zurückfindet. 

Richtig gut haben mir heute eigentlich nur Yann Sommer (mit Ausnahme seiner zwei drei Leichtsinnigkeiten in der Anfangsphase) und die drei Innenverteidiger gefallen. Dazu noch der in den vergangenen Wochen clever auftretende Denis Zakaria - und Christoph Kramer, der als einziger so etwas wie ein Anführer im Team ist, der mit Aggressivität und Emotion gegen Bremen und heute den Unterschied in einer sonst eher blassen Mannschaft machte.

Das allein wird aber nicht reichen, um die Punkteausbeute der Rückrunde noch erheblich zu steigern. Die Laufleistung stimmte zwar heute seit langem wieder mal (gut 123 Kilometer gleichauf mit Hannover), doch 12 Ecken ohne jede Torgefahr und das immer noch sehr behäbige, wenig druckvolle Spiel deuten nicht darauf hin, als könnte sich Gladbach in dieser Saison noch mit einem "Hurra" selbst aus dem Ergebnis-Sumpf schießen. 

Ich jedenfalls schaue trotz des noch erreichbaren vierten Platzes in der Tabelle nur noch nach unten. Da ist im Moment die Gladbacher Leistungs-Wirklichkeit, und die Teams drumherum scheinen auch weiterhin besser in der Spur zu sein als der VfL. Es wird allein schon ein harter Kampf, die derzeitige Position zu sichern. 
Denn bei allem Respekt für den heutigen Gegner: Der hätte heute mit drei oder vier Toren Unterschied Richtung zweite Liga geschickt werden müssen. Das Problem: In den letzten zehn Spielen ist das fast allen Gegnern von 96 gelungen (nur gegen Nürnberg gewann Hannover in dieser Zeit). Leipzig, Hoffenheim, Frankfurt, Leverkusen, Augsburg und Wolfsburg schenkten dem Doll-Team jeweils drei Tore ein, Stuttgart gar 5. Nur Schalke und der VfL wurschtelten sich mit einem mageren 1:0 zum Sieg.

Das bestätigt leider den Trend, und es wirft einen dunklen Schatten auf die Gesamtbilanz in der Rückrunde. Erschreckend ist vor allem die Entwicklung bei der Tordifferenz - von 36:18 in den ersten 17 Spielen zu jetzt 12:17 nach 12 Rückrundenpartien.
Nach Punkten sieht es dagegen - zumindest durch den heutigen Sieg - nicht ganz so negativ aus, wie es einem durch die Auftritte der vergangenen Wochen erscheinen mag. 18 Punkte holten Tobi Strobl und seine Mitspieler in diesem Jahr, in der Vorrunde waren es 33. Um diese nochmals zu erreichen, müssten alle fünf ausstehenden Spiele gewonnen werden, worauf im Moment wohl niemand wetten würde. Aber auch drei Siege aus fünf Spielen würden die Saison von einer guten auf eine sehr gute Saison "upgraden". Mit großer Wahrscheinlichkeit würde das auch einen Europa-Startplatz bedeuten. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob der VfL stark genug ist, sich nochmal freizuspielen und die Negativ-Erlebnisse abzuschütteln, die die Rückrunde begleiten.


Bundesliga 2018/19, 29. Spieltag: Hannover 96 - Borussia Mönchengladbach 0:1 (Tor für Borussia: 0:1 Raffael)

2019-04-08

Rehabilitiert

Gerade zurück von dem Ausflug in den Borussia Park - doch die Enttäuschung sitzt noch tief. Sicher, der erreichte Punkt ist nicht nichts. Und die Art und Weise, wie der VfL heute aufgetreten ist, lässt kaum Grund zur Klage. In dieser Hinsicht hat sich die Mannschaft eindrucksvoll rehabilitiert. Wäre da nicht die erbärmliche Chancenverwertung gewesen, die den Sieg und damit ein wirkliches Zeichen im Kampf um die lukrativen Plätze verhindert hat. 



Während Leipzig stoisch punktet, Frankfurt auch in der 9. Minute der Nachspielzeit eiskalt bleibt, Wolfsburg einen Rückstand gegen Hannover abschüttelt und Hoffenheim Tor um Tor schießt, steht beim Borussia am Ende ein mickriges Törchen und durch den späten Ausgleich der immer noch in diesem Jahr unbesiegten Bremern auch nur ein Punkt, der, so fürchte ich, deutlich anzeigt, wie es um das berühmte "Momentum" bei der Hecking-Elf steht. 

Natürlich, die Gäste werden den Punkt als verdient verbuchen, weil auch sie ihre Chancen hatten und bei einem etwas weniger gut aufgelegten Yann Sommer sogar das Spiel hätten gewinnen können. Dennoch wäre es ein Witz gewesen, wären die Bremer als Sieger nach Hause gefahren. 
Denn das, was die Mannschaft von Florian Kohfeldt bis zum Rückstand geboten hat, konnte auch den spielerisch starken und offensivfreudigen Hanseaten nicht gefallen haben. Die Gäste legten ein enges Verteidigungsnetz aus, verlegten sich von Beginn an auf Zeitschinderei und hofften allein auf ihre gefährlichen Konter. Eine Taktik, die zuletzt schon öfter gegen Gladbach aufgegangen ist - natürlich. Aber eigentlich ist das zu wenig, wenn man selbst die Punkte braucht, um noch in die europäischen Plätze zu rutschen. 


Gladbach wiederum musste sich erst in der neuen Konstellation im 3-5-2 finden und vermied gerade in der Anfangsphase jedes Risiko, das zu einem schnellen Gegenzug hätte führen können. Daraus folgte ein recht unattraktives und zähes Spiel, in dem der VfL durch Raffaels Zufallschance gleich zu Beginn und eine Reihe von leicht vergebenen Halbchancen (Herrmann) allerdings schon in der ersten Hälfte hätte in Führung gehen können. 
Chancen waren also da, obwohl die Borussen erneut viel zu wenig Tempo in ihren Aktionen hatten, zu wenig (frei-)liefen und im Positionsspiel der eine oder andere seine Stärken kaum ausspielen konnte. So war Thorgan Hazard über weite Strecken damit beschäftigt, nach hinten zu arbeiten, auf dem Weg nach vorn bekam er nur selten Gelegenheit, seine Schnelligkeit mit Ball auszuspielen. 
Das galt mit Abstrichen auch für Patrick Herrmann, der auf dem anderen Flügel aber insgesamt besser mit seiner Aufgabe zurecht kam. Bärenstark, wie er seine Seite nach vorne wie hinten bearbeitete, wie er beherzt grätschte und damit den Borussia Park hinter sich und die Mannschaft brachte. Nur im Abschluss fehlt ihm nach wie vor die Fortune.

Über die gesamte Spielzeit gesehen war eine deutliche Entwicklung zu bemerken. Über den Kampf fanden Borussias Spieler diesmal - ohne Ausnahme - ins Spiel, angetrieben von Chris Kramer und Denis Zakaria, die sich für keinen Zweikampf zu schade waren, dabei leider aber auch jeweils Gelb kassierten und in der Endphase des Spiels manches notwendige Foul nicht mehr ziehen konnten. Das machte die Mannschaft nämlich heute auch deutlich besser als zuletzt - bei Ballverlust lieber frühzeitig zu foulen statt hinterherlaufen zu müssen und Kontertore zu schlucken. 
So erlaubte Borussia den Bremern heute nur wenige Situationen, in denen sie wirklich im Konter gefährlich wurden. Das Gegentor fiel aus einer anderen Situation, die aber lange vor Osakos Flanke auf Klaassen hätte besser geklärt werden müssen. In dieser Phase, als Bremen auf den Ausgleich drängte und dafür sehr offensiv gewechselt hatte, ließ sich der VfL zu tief in die eigenen Hälfte drücken und konnte gleichzeitig keine der sich bietenden Gelegenheiten zur Vorentscheidung nutzen. Sehr schade.


Nun gut, wir können es nicht ändern. Am Publikum hat es nicht gelegen, das hat sich das Team heute zurück auf seine Seite geholt. Auf dieser Leistung lässt sich aufbauen. Ob der offensichtlich von den Spielern mit gewünschte Systemwechsel auf die Dreierkette aber Zukunft hat, muss sich zeigen. Gegen einen recht passiven Gegner sah das heute nach hinten schon ganz sicher aus, mit dem im Ballbesitz fast als Libero agierenden Tobi Strobl, der gegen den Ball oft zum Manndecker und Begleiter des (dadurch) nahezu wirkungslosen Rashica wurde. Ginter und Elvedi hatten dadurch mehr Sicherheit für die Räume hinter ihnen und schoben heute häufiger mit in den Angriff vor, so wie in der Hinrunde. 

Allerdings hat das System nicht nur Vorteile, vor allem im Spiel nach vorn fordert es den Spielern noch mehr Laufwege ab, wenn es wirklich effektiv sein soll. Das gelang heute nur bedingt, die Hecking-Elf lief auch erneut 3,5 Kilometer weniger als der Gegner. Das Fehlen der beiden Außenverteidiger band die beiden offensiven Außen Hazard und Herrmann sehr und gab ihnen mitunter zu wenig Unterstützung, schneller über den Flügel zu kombinieren. Das kompensierten zwar Raffael, Plea und Neuhaus, die sich aus der Mitte anboten sowie Ginter und Elvedi als Absicherung nach hinten. Es trug aus meiner Sicht aber auch ein wenig dazu bei, dass das Spiel sehr breit gezogen wurde und es noch mehr Laufarbeit aller bedurft hätte, um mehr Räume in der Bremer Defensive zu eröffnen. 
Egal, Chancen erspielte sich das Team genug, sie wurden nur einmal mehr nicht genutzt, um das Spiel nach Hause zu bringen. 

Und so bleibt für mich am Ende ein blöder Beigeschmack, trotz einer eigentlich beherzten, guten und kämpferisch überzeugenden Leistung. Für die will ich das Team aber eigentlich nicht extra loben. Denn dass man sich in der entscheidenden Phase der Saison so für den Erfolg zerreißt, wie es die "Elf vom Niederrhein" heute getan hat, müsste eigentlich selbstverständlich sein. Genauso selbstverständlich, wie die Fans heute im Stadion lautstark anerkannt haben, wie sich Kramer und Co verkauft haben. Was der Punkt am Ende wert war, werden wir erst in etwas mehr als einem Monat wissen. Von höheren Zielen muss man allerdings weiterhin nicht reden. Es gilt, jetzt Aufgabe für Aufgabe so anzunehmen wie die heute. Dann klappt's auch vielleicht noch mit Europa. 


Bundesliga 2018/19, 28. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Werder Bremen 1:1 (Tor für Borussia: 1:0 Neuhaus)

2019-04-06

Tiefer Schnitt

Wenn man unserer Borussia eins nicht vorwerfen kann, dann, dass sie selbst jahrzehntelange Fans nicht mehr überraschen könnte. Max Eberls Ankündigung, sich am Saisonende von Dieter Hecking trennen zu wollen, ist mal wieder ein Beweis dafür.

Ich habe mir bewusst etwas Zeit gelassen, bevor ich mich dazu äußere. Vor allem, weil trotz der vielen "Vollzugsmeldungen" in Sachen neuer Trainer und der vielen Spekulationen rund um mögliche weitere Veränderungen bis jetzt noch nichts dergleichen fix ist und wohl vor der Partie am Sonntagabend auch nicht werden wird. 
Was sich also sportlich und im Umfeld verändern wird, werde ich dann kommentieren, wenn wir alle mehr wissen. Ich gebe zu, es juckt mich schon in den Fingern, weil gerade die Personalie Marco Rose sehr spannend und der Blick in eine Zukunft mit einem so hoch gehandelten jungen Trainer reizvoll ist. 

Aber eins nach dem anderen. Noch ist die Ära Hecking nicht vorbei. Und darüber bin ich ganz froh - denn Gladbach sollte aus meiner Sicht auch weiterhin kein Verein sein, der seinen Trainer schasst, obwohl er mit der Mannschaft gerade auf einem Europacup-Platz steht. Das Drumherum der Entscheidung, zum Saisonende den noch gültigen Vertrag mit Dieter Hecking aufzulösen, ist allerdings etwas, das mir schwer im Magen liegt.

Klar, viele Fans frohlocken, weil sie sich mit dem eher stoischen Auftreten von Dieter Hecking seit jeher schwer tun. Gepaart mit der Einschätzung, dass er mit Ausnahme der Hinrunde das wahre Leistungsvermögen der Spieler nie so richtig herauskitzeln konnte, reicht das für viele schon aus, den Daumen zu senken. 
Ich bin da zurückhaltender. Viele urteilen schnell, doch was uns Fans betrifft, sehen wir immer nur einen kleinen Ausschnitt der Wahrheit, natürlich vor allem das, was während der Spiele der Borussia abläuft. Diese öffentlichen 90 Minuten pro Woche sind selbstverständlich auch die entscheidenden für das Abschneiden eines Vereins in der Saison. Doch zur Beurteilung einer Leistung oder Entwicklung, egal ob bei Spielern oder Trainer, genügt das nicht immer. Und so wie Fußball ein Spiel mit vielen Unwägbarkeiten ist, so gibt es Dinge in einem Verein, in einem Trainerleben, die dieser nicht allein beeinflussen kann. Insofern verkneife ich mir ein endgültiges Urteil darüber, ob Dieter Hecking es hätte besser machen können oder nicht, und auch darüber, ob er in Zukunft der richtige Mann für Borussia gewesen wäre. Denn die Entscheidung darüber ist ja ohnehin gefallen. 

Und damit bin ich bei dem Teil, der mich seit Dienstag doch sehr beschäftigt: die Art und Weise der an sich begrüßenswerten Neuausrichtung im Club. Klar, man muss nicht sentimental werden. Auf Teufel komm raus an Spielern oder Trainern festzuhalten, die sich verdient gemacht haben, ist kein Erfolgsrezept. Fußball ist ergebnisabhängig, unterliegt ständigem Wandel - und er ist ein Geschäft. Dem kann und will sich auch Gladbach nicht entziehen. Das weiß ich und das akzeptiere ich.

Dennoch habe ich hier das erste Mal das Gefühl, dass im Umgang miteinander etwas auf der Strecke bleibt. Und das könnte nachwirken.
Ich nehme es Max Eberl ab, dass es ihm schwer fällt, eine solche Entscheidung gegen den aktuellen Trainer zu treffen, mit dem er sich wohl auch gut versteht. Es spricht für ihn als Manager, dass er das trennen kann und die beste Lösung für Gladbach vor vielleicht persönliche Belange stellt. Es kann auch wirklich sein, dass gerade die einmalige Chance darauf besteht, einen wirklich tollen Trainer zu verpflichten, bevor es jemand anderes tut. Die Zeit wird es zeigen.

Dennoch ist es ein für die Borussia-Führung ungewohnter Vertrauensbruch, mit einem Trainer zu verlängern, ihm zu signalisieren, dass er alles richtig macht. Um ihn dann vier Monate später ins Gesicht zu sagen, dass man es jemand anderem eher zutraut, die Mannschaft weiterzuentwickeln als dem, der seit zweieinhalb Jahren ohne erkennbaren Fehl und Tadel mit ihr arbeitet. 
Eine größere Ohrfeige für die Arbeit, für die nachgewiesene Erfahrung als Bundesligatrainer, kann es kaum geben. Dass das den Betroffenen verletzt und tief enttäuscht, ist leicht zu verstehen, zumal er sich ausrechnen kann, wie lange schon hinter seinem Rücken die Weichen für einen anderen Trainer gestellt worden sind. 
Denn wenn Marco Rose nach Gladbach wechseln sollte, dann tut er das sicher nicht aus einem spontanen Einfall oder weil ihm die Angebote aus Schalke oder Wolfsburg nicht gut genug gewesen wären. Bei allem, was man über Max Eberl weiß, ist es sehr wahrscheinlich, dass er den Kontakt mit Rose schon länger hält - länger wahrscheinlich als die Konkurrenten. Der Manager denkt in der Regel deutlich voraus, wie man bei Lucien Favre gesehen hat, den er auch schon im Fokus hatte, als er noch nicht als Trainer für den VfL in Frage kam. 

Dass Max Eberl jetzt zu dem drastischen Mittel greift, Hecking trotz frisch verlängertem Vertrag und sportlichem Erfolg (das darf man ja nicht kleinreden bei der derzeitigen Tabellensituation, trotz der jüngsten Rückschläge) vor die Tür zu setzen, deutet darauf, dass es wirklich kurzfristig die seltene Möglichkeit gab, mit einem anders ausgerichteten Trainer ein neues Kapitel in der Borussia-Historie aufzuschlagen. 
Es lässt aber auch den Schluss zu, dass Eberl nicht wieder den Moment des Handelns verpassen wollte. Bei den letzten Trainerentscheidungen hatte er schließlich nicht immer die Wahl, die Weichen neu zu stellen. So folgte auf das Favre-Drama zunächst der nur als Interimslösung gedachte André Schubert, dessen erste Erfolge Eberl dann quasi dazu zwangen, ihn zum Cheftrainer zu machen. Als Schubert das Spielglück verließ, musste der Manager wieder schnell und ungeplant handeln und griff zur damals wohl besten Lösung namens Dieter Hecking. Der stabilisierte das Team wie gewünscht und war damit ebenfalls nicht einfach wieder vom Hof zu schicken, wenn es denn je geplant war. 
Für Max Eberl bedeutet das einerseits eine gute Bilanz, weil sich seine Entscheidungen - wie bei vielen Spielertransfers - als richtig herausgestellt hatten. Andererseits ist das zugleich sein Problem gewesen, weil er nicht zuletzt aufgrund der öffentlichen Meinung kaum hätte vertreten können, einen gerade durchaus erfolgreichen Trainer abzusetzen.

Mit der rüden Demission von Dieter Hecking nimmt Max Eberl das Heft des Handelns in die Hand und riskiert damit einiges. Nicht nur, dass die Ehrenhaftigkeit und Verlässlichkeit im Umgang, die dem Verein traditionell gutgeschrieben wird, und die auch zwischen Eberl und Hecking immer betont wurde, einen Knacks bekommen hat. Der Manager läuft auch Gefahr, sich dabei zu verzocken. Denn der neue Trainer kann noch so gute, neue Ideen haben - es gibt keine Garantie, dass sie auch zünden oder nachhaltig funktionieren.

Gladbach ist in dieser Hinsicht sogar ein gebranntes Kind. Der VfL hatte schon einmal (zwischen 2004 und 2006) einen Trainer, der nicht so hip war wie andere; der das Team erst nach dem halbjährigen Dick-Advocaat-Desaster gerettet hatte und es schließlich (über seinen Verhältnissen spielend) mit Höhen und Tiefen auf den 10. Tabellenplatz geführt hatte, was damals fast das Nonplusultra für den Verein war. Doch dann musste Horst Köppel trotz laufenden Vertrages einem noch glänzenderen Namen aus der Vereinsgeschichte weichen, der auch in den Augen der Fans mehr versprach, aber wenig einzuhalten imstande war: Jupp Heynckes.

Es besteht keine unmittelbare Gefahr, dass sich dies genau so wiederholt, schließlich ist der VfL nicht mehr die graue Maus von damals und kann einem Trainer einen wirklich konkurrenzfähigen Kader und beste Bedingungen im Umfeld zur Verfügung stellen. 
Dennoch ist es stets ein gewagtes Spiel, den funktionierenden Trainer ohne Not gegen ein Versprechen für die Zukunft einzutauschen. 
Da ich über die Jahre immer wieder gesehen habe, wie gut die Entscheidungen des Gladbacher Managements in personellen Dingen letztendlich waren, sehe ich dem relativ entspannt entgegen, zumal Max Eberl einen solchen Schritt nicht machen würde, wenn er sich nicht wirklich sicher wäre, dass der Neue hält, was er für den Verein verspricht.

Allerdings muss ich dem düpierten Noch-Trainer in dieser Sache das größte Kompliment machen. Dieter Hecking hat die herbe Enttäuschung schlucken müssen, bleibt trotzdem professionell, fokussiert auf Mannschaft und Aufgabe, lässt kein schlechtes Wort fallen, er ist Vorbild und hat sich so einmal mehr gegenüber Borussia tadellos verhalten. Davor ziehe ich meinen Hut und hoffe, dass wir nicht irgendwann mal bedauernd an ihn zurückdenken müssen. Sicher ist: Einen solchen Abgang hat Dieter Hecking sicher nicht verdient. Fans und Mannschaft können aber in den nächsten Wochen noch einiges dafür tun, ihm den Abschied nicht zu bitter werden zu lassen.