Ein Tag zum Vergessen, ein Sieg zum schnell abhaken. Die Horrorverletzung von Kapitän Stindl nach 40 Sekunden, darauf folgend 47 der fehlerhaftesten Minuten, die ich in einem Erstliga-Spiel von zwei Mannschaften gesehen habe. Man kann auch sagen, eine erbärmlich schlechte erste Halbzeit in der Fußball-Bundesliga.
Dann ein paar gute Minuten von Borussia, wenigstens bis zum bezeichnenderweise auch sehr glücklich zustandegekommenen Führungstreffer durch Raffael. Und danach? 30 Minuten versuchte Ergebnisverwaltung, viel zu wenig Geilheit, auf das zweite entscheidende Tor (und möglicherweise noch auf weitere, zum Zwecke einer besseren Tordifferenz) zu gehen. Mit der Folge, dass die in allen Belangen unterlegene gegnerische Mannschaft bis zuletzt noch auf einen Punktgewinn hoffen konnte.
Wenn das die finale Phase der Saison einläuten und ein möglichst furchterregendes Signal an die Konkurrenz senden sollte, dann ist das gründlich daneben gegangen.
Immerhin, es war ein Sieg - der erste seit dem fast genauso freudlosen 1:0 in Mainz vor mehr als einem Monat. Aber das tröstet mich nur begrenzt über das maue Gesamtbild hinweg, das heute von der Mannschaft zu sehen war.
Denn obwohl der VfL mit der Dreierkette Ginter, Strobl, Elvedi sicher stand und die Außen Herrmann und Hazard defensiv tadellos und effektiv mitarbeiteten, kam Hannover unnötigerweise zu drei bis vier sehr guten Einschussmöglichkeiten, die das Spiel hätten auf den Kopf stellen können.
Und obwohl es jede Menge eigene gute Angriffe und beste Chancen gab, und sich Hannover mit einfachen Mitteln oft genug willig ausspielen ließ, steht am Ende das kleinstmögliche Sieg-Ergebnis auf der Anzeigetafel. Offenbar ist mehr im Moment nicht drin, egal ob man sich beherzt reinwirft wie gegen Bremen oder ob man das Spiel nach Belieben bestimmen kann wie heute gegen ein fast wehrloses Tabellenschlusslicht.
Und das macht mir Sorgen. Denn neben den Auswärtsspielen bei den beiden Abstiegsaspiranten Nürnberg und Stuttgart kommen zum Schluss der Saison noch drei bärenstarke Teams in den Borussia Park, die sich über eine solche Leistung wie heute wohl totlachen und die Hecking-Elf mit Freuden abschießen würden.
Und das liegt aus meiner Sicht auch an individuellen Leistungen, die höhere Ansprüche nicht rechtfertigen. Thorgan Hazard, über Jahre einer der absoluten Unterschiedsspieler in der Mannschaft, verspielt bei mir inzwischen Woche für Woche mehr Sympathie. Der Auftritt gegen Düsseldorf war schon grenzwertig. Der gegen Bremen war engagiert, aber nach vorne harmlos. Heute wirkte es für mich wie ein aufreizender "Dienst nach Vorschrift".
Nach hinten arbeitete er so, dass ihm absolut nichts vorzuwerfen ist. Nach vorne aber war es eine lustlose, uninspirierte Vorstellung, die ich mir als Trainer nicht bis zum Ende angeschaut hätte. Ungefährliche Standards, erbärmlich schwache Torabschlüsse, kein Mut und keine Geschwindigkeit über den Flügel, keine der von ihm gewohnten Tempoläufe, die ihn schließlich auch bei anderen Teams so begehrt gemacht haben. Von Torgefahr ganz zu schweigen.
Natürlich kostet die Defensivarbeit Kraft. Und es ist eine (in dieser Phase gewollte oder in Kauf genommene) Verschwendung von Offensiv-Ressourcen, ihn in dieser taktischen Konstellation vor allem defensiv zu binden. Ich kann dem auch nichts abgewinnen, wenn Thorgan fünf Meter vor der eigenen Torauslinie Einwürfe machen muss und die Wege nach vorne und damit seine Stärken ein gutes Stück erstickt werden.
Gegen Bremen hat ihn der Abnutzungskampf an der Seitenlinie sichtlich Körner gekostet, die ihm nach vorne dann fehlten. Aber heute hatte ich den Eindruck, er wollte auch gar nicht viel mehr. Ich will nicht hoffen oder glauben, dass er so vielleicht seine Transfersumme drücken will. Aber er ist in dieser Verfassung keine Verstärkung, schon gar nicht für die Aufgaben, die noch vor dem VfL liegen.
Demgegenüber gibt es aber eine Reihe Spieler, die vielfach an sich selbst scheitern, die aber sichtlich mehr bewegen wollen. Heute einmal mehr der emsige Flo Neuhaus. Er machte viel, er machte viel gut, aber wenn es ernst wurde vor dem Tor, stand er sich selbst im Weg. Der lässig in Richtung Tor gechipte Ball bei seiner Großchance war das beste Beispiel dafür. Da muss er auch im Interesse der Mannschaft einfach weniger verspielt auftreten.
Auch der stark verbesserte Alassane Plea und der unermüdliche Kämpfer Patrick Herrmann rackern sich ab, aber weitgehend ohne Erfolg. Dass der Franzose seit einigen Spielen überhaupt keine Freistöße mehr für sich gepfiffen bekommt, sorgt sicher auch nicht dafür, dass Borussias bester Torschütze wieder zur alten Torgefährlichkeit zurückfindet.
Richtig gut haben mir heute eigentlich nur Yann Sommer (mit Ausnahme seiner zwei drei Leichtsinnigkeiten in der Anfangsphase) und die drei Innenverteidiger gefallen. Dazu noch der in den vergangenen Wochen clever auftretende Denis Zakaria - und Christoph Kramer, der als einziger so etwas wie ein Anführer im Team ist, der mit Aggressivität und Emotion gegen Bremen und heute den Unterschied in einer sonst eher blassen Mannschaft machte.
Das allein wird aber nicht reichen, um die Punkteausbeute der Rückrunde noch erheblich zu steigern. Die Laufleistung stimmte zwar heute seit langem wieder mal (gut 123 Kilometer gleichauf mit Hannover), doch 12 Ecken ohne jede Torgefahr und das immer noch sehr behäbige, wenig druckvolle Spiel deuten nicht darauf hin, als könnte sich Gladbach in dieser Saison noch mit einem "Hurra" selbst aus dem Ergebnis-Sumpf schießen.
Ich jedenfalls schaue trotz des noch erreichbaren vierten Platzes in der Tabelle nur noch nach unten. Da ist im Moment die Gladbacher Leistungs-Wirklichkeit, und die Teams drumherum scheinen auch weiterhin besser in der Spur zu sein als der VfL. Es wird allein schon ein harter Kampf, die derzeitige Position zu sichern.
Denn bei allem Respekt für den heutigen Gegner: Der hätte heute mit drei oder vier Toren Unterschied Richtung zweite Liga geschickt werden müssen. Das Problem: In den letzten zehn Spielen ist das fast allen Gegnern von 96 gelungen (nur gegen Nürnberg gewann Hannover in dieser Zeit). Leipzig, Hoffenheim, Frankfurt, Leverkusen, Augsburg und Wolfsburg schenkten dem Doll-Team jeweils drei Tore ein, Stuttgart gar 5. Nur Schalke und der VfL wurschtelten sich mit einem mageren 1:0 zum Sieg.
Das bestätigt leider den Trend, und es wirft einen dunklen Schatten auf die Gesamtbilanz in der Rückrunde. Erschreckend ist vor allem die Entwicklung bei der Tordifferenz - von 36:18 in den ersten 17 Spielen zu jetzt 12:17 nach 12 Rückrundenpartien.
Nach Punkten sieht es dagegen - zumindest durch den heutigen Sieg - nicht ganz so
negativ aus, wie es einem durch die Auftritte der vergangenen Wochen
erscheinen mag. 18 Punkte holten Tobi Strobl und seine Mitspieler in diesem Jahr, in der Vorrunde waren es 33. Um diese nochmals zu erreichen, müssten alle fünf ausstehenden Spiele gewonnen werden, worauf im Moment wohl niemand wetten würde. Aber auch drei Siege aus fünf Spielen würden die Saison von einer guten auf eine sehr gute Saison "upgraden". Mit großer Wahrscheinlichkeit würde das auch einen Europa-Startplatz bedeuten. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob der VfL stark genug ist, sich nochmal freizuspielen und die Negativ-Erlebnisse abzuschütteln, die die Rückrunde begleiten.
Bundesliga 2018/19, 29. Spieltag: Hannover 96 - Borussia Mönchengladbach 0:1 (Tor für Borussia: 0:1 Raffael)
Stimmt leider alles...
AntwortenLöschen