2019-09-29

Cleverer in Sinsheim

Nein, heute gibt es nichts zu meckern: 3:0 beim Hopp-Club, dritter Auswärtssieg und dritter Bundesligasieg in Folge, in der Tabelle nur einen Punkt hinter dem Ersten - da kann man hochzufrieden ins Wochenende gehen.

Borussias Erfolg war am Ende in der Höhe verdient, auch wenn die Gastgeber über die gesamte Spielzeit gesehen sicher genauso viele gute Torchancen hatten, die sie aber im Gegensatz zum VfL nicht nutzen konnten. Was Gladbach diesmal besonders auszeichnete, war die Cleverness bei den Toren, die auch jeweils zum richtigen Zeitpunkt fielen. 
Einmal kurz vor der Halbzeit, nachdem die fahrlässige Chancenverwertung der TSG schon drei, viermal für erleichtertes Durchpusten auf Gladbacher Seite gesorgt hatte. 
Dann, nach einer guten Stunde, als den Fohlen gegen stürmischere Hoffenheimer für ein paar Minuten das Spiel zu entgleiten drohte. Doch so abgezockt, wie Marcus Thuram das 2:0 erzielte (nachdem er schon das erste Tor sehenswert eingeleitet hatte), war das schon ein Indiz dafür, dass heute nichts mehr anbrennen würde. 
Mit dem 3:0 durch Neuhaus, der diese Saison schon so oft im Abschluss unglücklich agiert hatte, war das Spiel durch.

Das einzige Manko war dann noch, dass die Konter nicht vernünftig ausgespielt oder die daraus resultierenden Chancen leichtfertig ausgelassen wurden (heute vor allem durch Embolo).
Doch insgesamt war das ein sehr anständiges Spiel, indem effektiver gepresst wurde als gegen Düsseldorf und die Defensive die Angriffe des Gegners ziemlich souverän erstickte, vor allem mit der Führung im Rücken. Hoffenheim kam über Konter und Standards in gute Abschlusspositionen, nur ganz selten dagegen über einen durchdachten Spielaufbau, vor allem weil Elvedi, Kramer, Zakaria und Ginter stets aufmerksam blieben. 
Stefan Lainer stand zwar auch heute wieder mit richtig guten Aktionen an der Basis der ersten beiden Tore. Doch sein bedenklich schwaches Zweikampfverhalten zu Beginn des Spiels, als er wiederholt auf seiner Abwehrseite den Gegenspieler nicht stoppen konnte, hätte auch ins Auge gehen können. Einmal musste er da sogar die frühe gelbe Karte in Kauf nehmen, weil er einfach nicht schnell genug war. Gerade was die Abwehrarbeit angeht, scheint er noch nicht immer auf absolutem Bundesliganiveau zu sein. Das machte er im Verlaufe des Spiels und im Spiel nach vorne allerdings wieder mehr als wett.

Bleibt der Unparteiische. Ich will eigentlich nicht jede Woche wieder über die Schirileistung jammern. Aber Harm Osmers unterbot selbst meine geringen Erwartungen an ihn auch heute. Es gab eine Reihe von merkwürdigen Entscheidungen - zum Beispiel wenn Gladbacher Stürmer von hinten umgestoßen oder getreten wurden, Osmers aber kein Foul darin sah. Oder als er Denis Zakaria für ein harmloses Foul in der Hoffenheimer Hälfte die unverdiente Gelbe Karte zeigte. Es war die bereits die vierte, sodass die Gefahr besteht, dass er gegen Dortmund gesperrt sein wird. Das ist schon ärgerlich genug. Es waren aber vor allem die beiden vom Videoassistenten überprüften Szenen, die mich zunehmend ratlos zurücklassen.

Punkt eins war der "Hand"-Elfmeter, den Osmers anzeigte, nachdem Christoph Kramer einen Flankenball ins Gesicht bekommen und abgefälscht hatte. Natürlich kann man einen Wahrnehmungsfehler haben und die Richtungsänderung des Balles als Abpraller von der Hand interpretieren. Aber dann deutet doch auch einiges darauf hin, dass er es nicht genau gesehen, sondern nur vermutet hat. Denn Kramer war vom Schiri abgewendet, der Ball traf ihn im Gesicht, der Arm befand sich deutlich tiefer als der Kopf. Das war eine so klare Sache für den VAR, dass man nicht mal erwähnen müsste, dass so etwas richtiggestellt wurde. Doch warum Osmers dazu dann selbst nochmal an den Monitor rausging, weiß wohl nur er selbst.

Die zweite merkwürige Situation war natürlich der Elfmeter, den Gladbach zugesprochen bekommen musste. Hier ist die Frage, warum Osmers seine erste spontane (richtige Elfmeter-)Entscheidung wieder korrigierte. Das Foulspiel ist so deutlich, dass der VAR erstens gar nicht hätte eingreifen müssen (keine klare Fehlentscheidung). Zweitens hätte die Entscheidung Bestand haben müssen, weil auch in der x-ten Wiederholung ganz klar zu sehen ist, dass der Hoffenheimer Flo Neuhaus in die Beine grätscht und eher zufällig einen Tick vorher auch noch den Ball berührt. Von (bewusst) den Ball spielen kann da keine Rede sein, die Richtung der Grätsche ist eindeutig - sie geht direkt in Neuhaus Laufweg und nicht zum Ball. 
Überall anders auf dem Spielfeld wäre das ganz selbstverständlich ein Freistoß für Neuhaus gewesen. Warum man das bei einem einschussbereiten (!) Stürmer im Strafraum dann plötzlich wieder anders bewerten kann, bleibt Osmers Geheimnis. Natürlich wäre dies dann auch noch die gelb-rote Karte für Grillitsch gewesen. 

Egal - weder Gegner noch Schiedsrichter konnten die Rose-Elf heute aufhalten. Aber es gibt bei aller Freude schon noch einiges zu tun. Mit 13 Punkten auf der Habenseite lässt sich an den Schwächen, die sich auch heute wieder zeigten, allerdings deutlich ruhiger arbeiten, als wenn man ergebnistechnisch schon unter Druck stände. Und das ist für mich das Wichtigste nach dem Spiel. Denn die nächsten Wochen werden hart, zumal leider schon jetzt wieder mehr Spieler verletzungsbedingt ausfallen als der Mannschaft gut tut.
  
Bundesliga 2019/20, 6. Spieltag: TSG Hoffenheim - Borussia Mönchengladbach 0:3 (Tore für Borussia: 0:1 Plea, 0:2 Thuram, 0:3 Neuhaus)

2019-09-22

Zwei Thurams später

Der Fußball ist schnelllebig - für diese Binsenweisheit müsste ich eigentlich ein paar Euro ins Phrasenschwein werfen. Aber wenn eins den Verlauf dies Spieltags 5 von Borussia widerspiegelt, dann dieser Satz. Denn bis zur 70. Minute war der Auftritt der Rose-Elf weder inspirierend noch hatte es in irgendeiner Weise mit der angekündigten Wiedergutmachung für das 0:4 am Donnerstag zu tun. 

Es war ein Spiel zum Verzweifeln, bei dem der VfL die trotz höchst mittelmäßigem Spiel doch immer mal wieder herauskombinierten guten Chancen ausließ - diesmal vor allem in Person von Patrick Herrmann.
Das Gegentor war erneut einer Reihe von amateurhaften Defensivzweikämpfen geschuldet. Dann kam noch die üble Szene mit Tony Jantschkes Knockout, der nach einem unglücklichen Zusammenprall mit Breel Embolo nicht nur benommen ausgewechselt werden musste, sondern mit seinem "Einsatz" auch noch Embolos aussichtsreichem Kopfball ungewollt jegliche Torgefahr genommen hatte. Zu der "Video-Show" der Herren Dingert und Brand in Köln in der ersten Hälfte komme ich später noch. 
Kurz gesagt: Es kam wieder einiges zusammen, was mir als Fan den Puls hochtrieb.

Nach gut 160 Minuten Rückschritt, gerechnet vom Derbysieg in Köln, stand Gladbach also mit einem Bein schon sehr tief in der ersten handfesten Krise der jungen Amtszeit von Marco Rose. Die Unsicherheit und Ratlosigkeit auf dem Feld nahm zu, lange Bälle ins Leere häuften sich, Zuschauer pfiffen, der Schiedsrichter trug seinen Teil zum Ganzen bei und alles lief darauf zu, dass Borussia auch diesmal bis zum Schluss erfolglos das gegnerische Tor berennen würde. Die Negativ-Schlagzeilen formulierten sich bereits, im Netz wetzten die sogenannten Fans schon ihre Kommentarmesser.

Wenige Minuten und "zwei Thurams später" sah das allerdings schon wieder anders aus. Der VfL erzwang mit einer imposanten Kraftübung in der Schlussphase den ersten Heimsieg seit Januar, er brachte die Führung am Ende sogar souverän über die Zeit. Und mit dem Sieg und jetzt 10 Punkten hält Gladbach in der Tabelle sogar Tuchfühlung zu den Plätzen 1 und 2 in der Tabelle.
Alles in Ordnung also für den Moment - die Mannschaft liegt, was die harten Ergebnisse angeht, voll im Soll. Das lässt einen nach dieser wechselvollen Woche ein wenig beruhigter durchatmen, finde ich.

Doch natürlich darf man sich nicht blenden lassen. Der Sieg war aufgrund des Spielverlaufs und der Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit natürlich mehr verdient als glücklich. Aber diese 90 Minuten hatten relativ wenig mit dem zu tun, was Zakaria und Co. noch vor einer Woche in der verbotenen Stadt abgeliefert hatten. 
Die dort gesehenen Fortschritte in Sachen aktiver und Gegner-stressendem Rose-Fußball waren wie weggeblasen. Das Angriffspressing fand nicht statt, die Laufwege waren über lange Zeit wenig konsequent. Die Zweikampfführung blieb damit häufig ineffizient, sodass Düsseldorf nicht nur immer wieder leicht das Mittelfeld überwinden, sondern das 1:0 auch lange relativ ungefährdet verwalten konnte.

Bei Borussia war erst gegen Ende der Biss und der unbedingte Siegeswillen zu sehen, den man von Beginn an eigentlich nach der Klatsche gegen Wolfsberg erwartet hatte und erwarten konnte. Und bezeichnend dafür war, dass die Matchwinner heute eingewechselt wurden. Marcus Thuram zeigte sich treffsicher, und vor allem Raffael gehörte ein wichtiger Teil des Sieges. Er fügte sich nicht nur gut in das Team ein, er bereitete den Siegtreffer auch mit eigentlich Raffael-untypischem Power-Wühlen vor dem Tor vor, indem er den Ball mehrfach am Boden liegend behauptete und mit Wucht an die Latte donnerte. 
Ihm gebührt der Löwenanteil dieses Treffers, der nicht nur so schön war, weil er Erlösung in diesem schwierigen Spiel versprach. Er war auch auf der Igor-de-Camargo-Helden-Skala fast eine Kopie des Relegations-Tores gegen Bochum. 
Und die Jubeltraube im Anschluss (nach der erneuten VAR-Überprüfungsverzögerung) zeigte, wie schwer die Steine waren, die damit allen von der Seele plumpsten. Das versöhnte mich schon wieder zu einem großen Teil mit dieser nervenaufreibenden Fußball-Woche. Und dabei will ich es mit meiner Kritik am Spiel auch für heute belassen. 

Nun noch zur Szene, die mich in der ersten Hälfte nahezu zum Wahnsinn getrieben hat. Es ging um Abseits oder nicht und um Elfmeter oder nicht. Was Benjamin Brand als VAR und Christian Dingert auf dem Feld daraus machten, war geeignet, das gute Instrument des Videoassistenten völlig ohne Not zu diskreditieren. 
Was war passiert? Embolo war steil geschickt worden und es sah für mich beim ersten Blick klar nach Abseits aus. Der Linienrichter ließ aber wie erhofft die Fahne unten, um die Szene weiterlaufen zu lassen, sodass im weiteren Verlauf der Düsseldorfer Embolo im Strafraum relativ klar ins Bein ging und einen Elfmeter verschuldete. 
Jeder im Stadion und am Fernseher hätte aber wohl akzeptiert, wenn das Ganze als Abseits gewertet worden wäre. Doch dann schaltete sich Köln ein. Bei den Fernsehbildern sah die Abseitsstellung dann schon viel knapper aus als bei der ersten Wahrnehmung. 
Und Dingert entschied plötzlich, sich die Szene selbst anzuschauen. Logische Schlussfolgerung: Köln hat Abseits geprüft, war ok, also entscheidet der Schiri jetzt über das Foul. Dingert schaute sich die Szene auch mehrfach an, dann plötzlich wieder die vorhergehende Abseitssituation. Und am Ende entscheidet er auf Abseits. 
Eine für Außenstehende rätselhafte Entscheidung, denn das hätte nicht er am Bildschirm entscheiden müssen. Er hätte in Ruhe abwarten können, bis Köln seine Linie gezogen hat und ihm sagt, ob Abseits vorlag oder nicht. So musste jeder davon ausgehen, dass es um das Foul ging. 
Offen bleibt, ob Dingert selbst auf Abseits entschied, ob es in Köln technische Probleme gab, die Linie zu ziehen oder ob man einfach drei Minuten brauchte, um eine Entscheidung zu treffen. Letzteres wäre für mich ein Grund, auf "kein Abseits" zu entscheiden, denn wenn man so lange brauchte, könnte es ja nur um eine ganz knifflige Zentimeterentscheidung gehen, bei denen jeder Sportler wohl das ungeschriebene Gesetz "Im Zweifel für den Stürmer" anwenden wollen würde.
Da wir aber für all das keine Begründung bekommen haben, schadet eine solche seltsame und undurchsichtige Aufarbeitung dem Instrument VAR und seiner Akzeptanz im Stadion aus meiner Sicht ganz erheblich. Ich würde es begrüßen, wenn man wenigstens nach dem Spieltag nochmal die fehlenden Infos oder Erklärungen erhalten würde, darüber, was da im Detail wirklich entschieden wurde und warum so und nicht anders.


Bundesliga 2019/20, 5. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Fortuna Düsseldorf 2:1 (Tore für Borussia: 1:1 Thuram, 2:1 Thuram)

2019-09-20

Abgewatscht

Wenigstens die Choreo der Nordkurve war schön!

In vier Tagen von Stimmung 100 auf 0 - so ein Wechselbad erlebt man wahrscheinlich nur als Fan der wahren Borussia. Auf den zu Recht gefeierten Derbysieg im fortgeschrittenen Rose-Stil folgt ausgerechnet beim ersehnten Comeback auf europäischer Bühne direkt eine historische Klatsche; und das auch noch im Heimspiel und gegen den vorab weithin als leichtesten Gegner gewogenen Vertreter aus Österreich.

Die Kärntner haben sich diesen Coup im Borussia Park ohne Zweifel verdient. Mit brutaler Effizienz vor dem Tor und einem cleveren Spiel, in dem sie sich auf das konzentrierten, was sie können: gutes Anlaufen und Stören des gegnerischen Spiels, schnörkelloses Spiel nach vorne und vernünftige Standardsituationen.
All das will auch Marco Rose bei seinem neuen Verein sehen. Aber nichts davon brachten die Fohlen heute Abend auf den Rasen.

Sicher: Die Tore der Gäste kamen alle ein wenig glücklich zustande, weil die Vorlagen entweder abgefälscht wurden oder ihnen der Ball wie beim 0:3 nach guter Abwehr von Yann Sommer nochmal passend auf den Fuß tropfte. Doch die haarsträubenden Fehler, die von VfL-Seite vorausgingen, waren auch wirklich unterirdisch.
Zweimal dürfen die von den Gegenspielern (Neuhaus, Bensebaini) völlig alleingelassenen Gegenspieler frei einnetzen. Einmal springt Benes ein schlampiges Zuspiel von Thuram zu weit vom Fuß und Elvedi hebt beim Pass in die Spitze auch noch das Abseits auf. Und auch beim Führungstor gibt es einiges aufzuarbeiten, weil Bensebaini und Neuhaus außen ziemlich naiv und lasch verteidigen und so die abgefälschte Hereingabe auf den Torschützen erst ermöglichen.

Viel mehr zwingende Aktionen vor dem Tor hatte Wolfsberg nicht und brauchte der WAC auch gar nicht. Denn was Gladbach nach vorne machte, war nur selten zwingend. Wenn es im Strafraum gefährlich wurde, stand entweder jemand im Abseits oder die Chance wurde so kläglich vergeben wie bei Pleas Schüsschen aus acht Metern in die Arme des Torwarts. 
Chancen, es besser zu machen, gab es im gesamten Spiel immer wieder. Nur versiegten die Angriffe meist vor dem Strafraum, trotz oft ganz gutem Passspiel aus der eigenen Hälfte heraus. Denn im letzten Drittel des Spielfelds wurden meist die falschen Entscheidungen getroffen - Dribbling statt Doppelpass, Schuss statt Flanke, Flanke ins Nirgendwo. Bezeichnenderweise wurde mit dem klaren Rückstand das Gladbacher Spiel offener und auch besser. In den ersten 30 Minuten erinnerte es eher an das überwunden geglaubte mutlose und ineffektive Ballverwalten vergangener Jahre.

Das alles klingt nach einem gebrauchten Tag, den jede Mannschaft mal haben kann. Dann läuft jedes Bemühen ins Leere und man hätte noch Stunden weiterspielen können, ohne das Tor zu treffen. Man kann auch keinem Spieler wirklich vorwerfen, dass er sich nicht über die gesamte Spielzeit bemüht hätte, selbst wenn er so unglücklich agierte wie Flo Neuhaus heute.

Aber auf dem Niveau, auf dem sich Borussia sieht und bewegen will, darf man es sich trotzdem nicht erlauben. Der Heimsieg gegen Wolfsberg war - wenn man das Programm durchgeht - eine Pflichtübung, wenn man die Gruppenphase überstehen will. Natürlich ist die Mannschaft von Marco Rose damit noch lange nicht ausgeschieden, denn schlagen kann sie zweifellos jeden Gegner in der Gruppe. Doch dazu bedarf es eines anderen Auftretens: Vollgas und Zielstrebigkeit vor dem gegnerischen und Kompromisslosigkeit vor dem eigenen Tor. 

Der Trainer hatte vor dem Gegner gewarnt und er hat es oft schon betont. Sein Fußball funktioniert nur, wenn alle voll mitziehen - über das ganze Spielfeld und über die gesamte Spielzeit. Das war heute nüchtern betrachtet nicht so. 
Und die Frage nach dem Warum ist nicht so leicht zu beantworten. Denn hier stand keine unerfahrene Startelf auf dem Platz, die sich von einem österreichischen Bundesligisten überraschen lassen dürfte: aufgestellt waren sieben aktuelle Nationalspieler, zwei U21-Nationalspieler (Neuhaus, Thuram) und zwei mit Länderspielerfahrung (Kramer, Plea). 
Auch wenn die zum Teil noch Abstimmungsbedarf haben und sich besser finden müssen: Das erklärt nicht diese Blamage. 
Es liegt nahe, die Gründe in der Einstellung zu suchen, oder dass man den Gegner eben doch auf die leichte Schulter genommen hat. Das wäre angesichts des "festlichen" Europapokal-Anlasses sehr seltsam. Aber vielleicht ist es auch ein Teil des Lernprozesses in der Systemumstellung, den man befürchten musste. Es war ein unerwartet herber Rückschritt.  Aber ich denke, dass Rose aus diesem Auftritt die richtigen Schlüsse ziehen und intern die treffenden Worte finden wird. Wenn nicht, wird es am Sonntag schwer, gegen Düsseldorf zu bestehen.

Die Mannschaft hat sich dafür heute unnötigerweise selbst unter Druck gesetzt. Es hilft nichts: Jetzt muss endlich wieder ein Heimsieg her.


Europa League 2019/20, Gruppenphase, 1. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Wolfsberger AC 0:4

2019-09-14

Rosige Züge

Es wird! Borussia nimmt sichtbar rosige Züge an.

Der vierte Spieltag hielt im Prestigeduell mit dem ungeliebten Nachbarn aus meiner Sicht das insgesamt beste Spiel unter dem neuen Trainer bereit. Eine ganz starke und dominante erste Hälfte und eine schwächere, aber bis auf eine kurze Phase nach der Pause ebenfalls recht ungefährdete zweite Halbzeit. Am Ende steht aber nicht nur der ersehnte Derbysieg in der Stadt, in der man im eigenen Stadion Buttersäure ausschüttet. 
Es stehen unter dem Strich angesichts der Tabellenkonstellation drei ganz wichtige Punkte auf der Habenseite, durch einen Sieg, der zwar deutlich zu niedrig ausfällt, aber immerhin einer war. Denn dominante Spiele lieferte der VfL in den vergangenen Jahren gegen Köln schon öfter ab, allerdings nicht immer mit dem gewünschten Ertrag. 

Natürlich hätte uns auch heute so ein später Tiefschlag ereilen können. Doch erstens steht in Gladbach für solche Fälle ein aufmerksamer Yann Sommer im Tor und zweitens war der Gegner da schon zu K.o., um Borussia wirklich ärgern zu können. Heute war aus meiner Sicht zum ersten Mal zu sehen, wie die Rose-Elf einen Gegner mürbe und müde gespielt hat. Viele Spielzüge aus der eigenen Hälfte heraus richtig Klasse und setzten dme Gegner ziemlich zu. Das Gleiche gilt auch für das hohe Pressing, das die Abwehrkette des FC immer wieder in Schwierigkeiten brachte. Borussia lief mehr als der Gegner (keine Selbstverständlichkeit, auch noch nicht unter Marco Rose) und lag in den Zweikämpfen klar vorn, trotz der vor allem in der ersten Halbzeit schon auffälligen Einseitigkeit von Deniz Aytekins Pfiffen.

Sein zu früh winkender Assistent kostete zudem einen wohl regulären Treffer von Embolo. Auch in einer anderen Situation winkte der Assistent den Konter viel zu früh ab und Aytekin pfiff sofort ab. Etwas, was eigentlich nicht vorkommen sollte, nun aber schon im zweiten Spiel gegen den VfL zu beobachten war. Wie gesagt, zurücknehmen kann man ein Abseitstor, nachträglich schießen nicht.

Kritisieren muss man beim eigenen Team natürlich die schwache Chancenverwertung, die uns einen deutlich ruhigeren Nachmittag gekostet hat. Es wäre den Spielern durch die Bank auch zu gönnen gewesen - vor allem Marcus Thuram und dem heute in vielen aussichtsreichen Situationen und bei Standardsituationen sehr fahrigen Florian Neuhaus. Natürlich hätten es auch die überragenden Denis Zakaria und Breel Embolo verdient gehabt, sich mit einem Tor für eine tolle Leistung zu belohnen.

Rausheben muss man aus der geschlossen füreinander kämpfenden Einheit ansonsten eigentlich niemanden. Von der Nummer 1 bis zum letzten Auswechselspieler wollten Roses Schützlinge den Sieg heute eindeutig mehr als die häufig lamentierenden K***ner, die sich sehr oft nur mit Fouls helfen konnten (die dann nichtmal immer gepfiffen wurden). Ganz peinlich fand ich den Tieftaucher Hector, der bei jedem Windhauch Bodennähe suchte. Wenn so ein Jammerlappen dein Kapitän ist, ist es dann vielleicht auch schwer, die richtige Einstellung zum Derby zu finden.

Aber was rede ich über die aus der verbotenen Stadt: Natürlich ist Alassane Plea durch sein goldenes Tor heute der Derbyheld. Aber nicht nur der wache Instinkt, der ihm das Tor ermöglicht hat, ist bemerkenswert. Er reißt unermüdlich Löcher für andere, verschiebt geschickt, hat ein gutes Auge für den richtigen Pass und ist auch außerhalb des Strafraums durch seinen präzisen Schuss immer eine Drohung für den Gegner. 
Heute ging das angesichts des wichtigen Tores etwas unter - nicht aber, dass das Trio Thuram, Plea und Embolo sich auf dem Platz immer besser versteht und die Räume immer effektiver beackert und nutzt. 
Das ist ein Versprechen für die nächsten Monate. Die beiden trickreichen Stürmer Plea und Thuram, die viel auf den Flügeln arbeiten und der wuchtige Embolo, der sich, ähnlich wie Zakaria, kaum ohne Foul vom Ball trennen lässt. Das wächst etwas heran. Hätten die heute ebenfalls gut in die Räume startenden Flo Neuhaus und Chris Kramer auch nur einen Hauch mehr Torgefahr im Fuß, wäre das Spiel heute für die Ziegen wohl übler ausgegangen.

Ramy Bensebainis Debüt fand ich sehr gelungen. auch hier sieht man, dass Max Eberl im Sommer starke Transfers getätigt hat. Der Algerier suchte anfangs noch etwas das Feintuning mit den Mitspielern, das wurde aber schnell souveräner. Er sprintete wohl am meisten von allen Borussen, was gegenüber Oscar Wendt sicher ein Vorteil sein kann. Bensebaini grätschte mir allerdings ein wenig zu oft in gefährlicher Position, aber das tat er wiederum auch mit einer erstaunlichen Präzision und Effizienz. Es wäre allerdings zu früh, den Routinier Wendt abzuschreiben. Wäre er gesund gewesen, denke ich, dass er heute auch gespielt hätte. Aber diese gute Doppelbesetzung lässt uns mit einem guten Gefühl in die nächsten Wochen gehen, zumal sich Keanan Bennetts bei der U23 wohl verletzt hat.

Aber bevor ich zu sehr schwelge: es gibt noch einiges zu verbessern. Gladbach hat es noch in keinem Spiel in dieser Saison geschafft, über die komplette Spielzeit das eigene Spiel durchzubringen. In der zweiten Halbzeit erwehrte sich die Defensive der relativ einfallslosen Versuche der Gastgeber zwar ganz souverän und ließ wenig zu - die Chancen der Kölner waren alle von Sommer gut zu entschärfen. Allerdings agierte der VfL auch zeitweise mit etwas zu wenig Killerinstinkt. Das Spiel nach vorne wurde in dieser Phase zu oft über lange Schläge geführt, statt durch die sich öffenenden Konterräume sauber herauszukombinieren. Das kann selbst eine unterlegene Mannschaft wieder ins Spiel bringen. Hätte heute ein spielerisch stärkerer Gegner auf der anderen Seite gestanden, wäre es vermutlich auch eine nervenaufreibendere Partie geworden. So trieben nur Aytekin, die verpassten Chancen und die Angst vor einem unglücklichen Derby-Gegentor meinen Puls hoch. Umso schöner ist es, den ersten "Meilenstein" in der Saison nun lange genießen zu können.

Bundesliga 2019/20, 4. Spieltag: 1. FC K*** - Borussia Mönchengladbach 0:1 (Tor für Borussia: 0:1 Plea)