Wenigstens die Choreo der Nordkurve war schön!
In vier Tagen von Stimmung 100 auf 0 - so ein Wechselbad erlebt man wahrscheinlich nur als Fan der wahren Borussia. Auf den zu Recht gefeierten Derbysieg im fortgeschrittenen Rose-Stil folgt ausgerechnet beim ersehnten Comeback auf europäischer Bühne direkt eine historische Klatsche; und das auch noch im Heimspiel und gegen den vorab weithin als leichtesten Gegner gewogenen Vertreter aus Österreich.
Die Kärntner haben sich diesen Coup im Borussia Park ohne Zweifel verdient. Mit brutaler Effizienz vor dem Tor und einem cleveren Spiel, in dem sie sich auf das konzentrierten, was sie können: gutes Anlaufen und Stören des gegnerischen Spiels, schnörkelloses Spiel nach vorne und vernünftige Standardsituationen.
All das will auch Marco Rose bei seinem neuen Verein sehen. Aber nichts davon brachten die Fohlen heute Abend auf den Rasen.
Sicher: Die Tore der Gäste kamen alle ein wenig glücklich zustande, weil die Vorlagen entweder abgefälscht wurden oder ihnen der Ball wie beim 0:3 nach guter Abwehr von Yann Sommer nochmal passend auf den Fuß tropfte. Doch die haarsträubenden Fehler, die von VfL-Seite vorausgingen, waren auch wirklich unterirdisch.
Zweimal dürfen die von den Gegenspielern (Neuhaus, Bensebaini) völlig alleingelassenen Gegenspieler frei einnetzen. Einmal springt Benes ein schlampiges Zuspiel von Thuram zu weit vom Fuß und Elvedi hebt beim Pass in die Spitze auch noch das Abseits auf. Und auch beim Führungstor gibt es einiges aufzuarbeiten, weil Bensebaini und Neuhaus außen ziemlich naiv und lasch verteidigen und so die abgefälschte Hereingabe auf den Torschützen erst ermöglichen.
Viel mehr zwingende Aktionen vor dem Tor hatte Wolfsberg nicht und brauchte der WAC auch gar nicht. Denn was Gladbach nach vorne machte, war nur selten zwingend. Wenn es im Strafraum gefährlich wurde, stand entweder jemand im Abseits oder die Chance wurde so kläglich vergeben wie bei Pleas Schüsschen aus acht Metern in die Arme des Torwarts.
Chancen, es besser zu machen, gab es im gesamten Spiel immer wieder. Nur versiegten die Angriffe meist vor dem Strafraum, trotz oft ganz gutem Passspiel aus der eigenen Hälfte heraus. Denn im letzten Drittel des Spielfelds wurden meist die falschen Entscheidungen getroffen - Dribbling statt Doppelpass, Schuss statt Flanke, Flanke ins Nirgendwo. Bezeichnenderweise wurde mit dem klaren Rückstand das Gladbacher Spiel offener und auch besser. In den ersten 30 Minuten erinnerte es eher an das überwunden geglaubte mutlose und ineffektive Ballverwalten vergangener Jahre.
Das alles klingt nach einem gebrauchten Tag, den jede Mannschaft mal haben kann. Dann läuft jedes Bemühen ins Leere und man hätte noch Stunden weiterspielen können, ohne das Tor zu treffen. Man kann auch keinem Spieler wirklich vorwerfen, dass er sich nicht über die gesamte Spielzeit bemüht hätte, selbst wenn er so unglücklich agierte wie Flo Neuhaus heute.
Aber auf dem Niveau, auf dem sich Borussia sieht und bewegen will, darf man es sich trotzdem nicht erlauben. Der Heimsieg gegen Wolfsberg war - wenn man das Programm durchgeht - eine Pflichtübung, wenn man die Gruppenphase überstehen will. Natürlich ist die Mannschaft von Marco Rose damit noch lange nicht ausgeschieden, denn schlagen kann sie zweifellos jeden Gegner in der Gruppe. Doch dazu bedarf es eines anderen Auftretens: Vollgas und Zielstrebigkeit vor dem gegnerischen und Kompromisslosigkeit vor dem eigenen Tor.
Der Trainer hatte vor dem Gegner gewarnt und er hat es oft schon betont. Sein Fußball funktioniert nur, wenn alle voll mitziehen - über das ganze Spielfeld und über die gesamte Spielzeit. Das war heute nüchtern betrachtet nicht so.
Und die Frage nach dem Warum ist nicht so leicht zu beantworten. Denn hier stand keine unerfahrene Startelf auf dem Platz, die sich von einem österreichischen Bundesligisten überraschen lassen dürfte: aufgestellt waren sieben aktuelle Nationalspieler, zwei U21-Nationalspieler (Neuhaus, Thuram) und zwei mit Länderspielerfahrung (Kramer, Plea).
Auch wenn die zum Teil noch Abstimmungsbedarf haben und sich besser finden müssen: Das erklärt nicht diese Blamage.
Es liegt nahe, die Gründe in der Einstellung zu suchen, oder dass man den Gegner eben doch auf die leichte Schulter genommen hat. Das wäre angesichts des "festlichen" Europapokal-Anlasses sehr seltsam. Aber vielleicht ist es auch ein Teil des Lernprozesses in der Systemumstellung, den man befürchten musste. Es war ein unerwartet herber Rückschritt. Aber ich denke, dass Rose aus diesem Auftritt die richtigen Schlüsse ziehen und intern die treffenden Worte finden wird. Wenn nicht, wird es am Sonntag schwer, gegen Düsseldorf zu bestehen.
Die Mannschaft hat sich dafür heute unnötigerweise selbst unter Druck gesetzt. Es hilft nichts: Jetzt muss endlich wieder ein Heimsieg her.
Europa League
2019/20, Gruppenphase, 1. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Wolfsberger AC 0:4
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