2016-12-22

Heckings Puzzle

Nun also Dieter Hecking. Euphorisch macht mich die Nachricht nicht, zumal der Name ja schon länger durch den Borussia Park geisterte.
Aber dass ich nicht euphorisch werde, hat nicht viel zu sagen. Auch bei Lucien Favres Vorstellung fragte ich mich, und ich war sicher nicht der einzige, was sich der Club und Max Eberl davon versprachen, den bei Hertha nach gutem Beginn gescheiterten Schweizer in dieser Situation zu verpflichten. Wie es weiterging, brauche ich niemandem zu erzählen. Mit André Schubert bewies Eberl ebenfalls ein gutes Händchen, auch wenn dessen Leistungen für Gladbach in den vergangenen Wochen unverdient etwas untergingen.

Also wird sich der Manager auch etwas dabei gedacht haben, jetzt den Ex-Wolfsburger ins Rennen zu schicken. Seine Gladbacher Vergangenheit wird sicher nicht den Ausschlag gegeben haben, dafür war Heckings Auftritt in den 80er Jahren zu wenig prägend.

Heckings Karriere zeigt, dass er Mannschaften, auch Außenseiter, durchaus erfolgreich machen kann. Doch wo ihm das gelang, in Lübeck, Aachen, Nürnberg, blieb er nicht so lange, dass man sein Verhalten bei Rückschlägen hätte beobachten können. Er stieg jeweils vorzeitig, während der Saison aus und auf - zu einem Verein, der ihm noch mehr bieten konnte. Dieses "Söldnerimage" wird ihm weiter nachhängen, genauso wie der Makel, aus den fast unbegrenzten Möglichkeiten in Wolfsburg nicht noch mehr gemacht zu haben. Doch das ist Schnee von gestern.

Wichtig ist, was Hecking aus unserer Mannschaft machen wird. Bislang war er stets ein Freund klarer Abwehr-Strukturen, sprich der Viererkette mit zwei offensiv wie defensiv starken Außenverteidigern. Das Personal dafür kann ihm Gladbach auch bieten. Mit Oscar Wendt und Nico Schulz links; Julian Korb über rechts sowie den rechts wie links einsetzbaren Fabian Johnson und Nico Elvedi stünden ihm Spieler zur Verfügung, die in diese Position reinrücken könnten. Ob sie die defensive Stabilität dazu haben, müsste sich zeigen. Das wird aber der entscheidende Faktor für den weiteren Verlauf dieser Saison sein. Hecking muss den VfL hinten dicht machen.

Vorne spielte Hecking bei den Gölfen gern mit einem Stoßstürmer, einem zentralen Mittelfeldspieler auf der 10 und zwei Flügelspielern. Gäbe es die diversen Verletzungen nicht, könnte ein solches Quartett vor der Doppelsechs (Kandidaten: Dahoud, Kramer, Strobl) so aussehen:

Hahn (Stindl, Drmic)
Johnson (Herrmann)                                                                Traoré (Herrmann)

Raffael (Hazard)



Das könnte vielversprechend sein. Borussias Spieler sind so flexibel, dass auch noch viel mehr Kombinationen denkbar sind. Reine Flügelspieler sind allerdings nur Traoré, Herrmann und Johnson. Alles anderen verlieren einen Teil ihrer Stärke, wenn sie an die Außenlinie gepresst werden. Ganz im Gegenteil übrigens zu Nico Elvedi, der außen in der Viererkette sehr starke Spiele abgeliefert hat. Wenn Hecking aber verstärkt auf Flügelspiel setzen sollte und weniger auf das zentrale Dreieck Raffael, Stindl, Hazard, dann bedeutet das, das viel mehr Flanken und Zuspiele von außen kommen würden, die entsprechend versierte Abnehmer suchen. Eine Chance für Josip Drmic?

Überhaupt darf man gespannt sein, wie sich der Trainerwechsel auf die einzelnen Spieler auswirkt, ob sich zum Beispiel bislang kaum berücksichtigte Akteure wie Schulz und Hofmann empfehlen können oder gar einer der Jungen (Sow, Benes, Ndenge, Simakala) eine Chance erhält. Wird Tony Jantschke wieder eine feste Größe und was passiert mit Josip Drmic - findet Hecking für ihn eine funktionierende Einbindung ins Spiel? Wenn ein Trainer mit anderen Vorstellungen kommt, bietet das ja auch Chancen für andere Spielertypen, die unter Favre oder Schubert nicht hundertprozentig ins Schema passten. Das ist spannend zu sehen, ebenso, auf welchen Positionen der Verein wie versprochen personell nachlegen will. Und wo er auch Spieler spätestens zum Sommer abgeben will.

Nicht zuetzt wird es darum gehen, ob Hecking die gewachsene Mannschaftshierarchie erstmal aufbrechen will und wie ein Hans Meyer gleich mal ein, zwei Spieler nach Gladbach holt, die ihm vertrauen und den einen oder anderen rasiert bzw, degradiert. Oder ob er wie Favre das Personal so nimmt, wie es ist und davon ausgehend seine Spielidee entwickelt. Welcher Typ Hecking ist, weiß ich nicht. Aber wir werden sicher in Kürze erfahren, wie er die Puzzleteilchen zusammenfügen will. Und auch, ob und was sich im Trainerteam tun wird. Bisher hat er ja offenbar immer seinen "Co" Dirk Bremser mitgebracht. Ich bin gespannt, wieviel Kontinuität Borussia unter dem neuen Trainer beibehalten kann und will. Und natürlich ob sich das auch auszahlt.

2016-12-21

Ratlos - Mutlos - Trostlos - Würdelos

Dass ab morgen, spätestens aber zum Trainingsauftakt im neuen Jahr ein anderer Trainer als André Schubert die Geschicke bei Borussia leiten wird, gilt nach dem heutigen Offenbarungseid gegen Wolfsburg als sicher. Und ich bin auch müde zu widersprechen, weil die Mannschaft in den letzten fünf Spielen (Dortmund, Barcelona, Mainz, Augsburg und Wolfsburg) zu viel schuldig geblieben ist, als dass man noch das Gefühl hat, sie könne sich selbst noch aus dem Sumpf befreien, in den sie sich da hineingeritten hat.
Ob ein Trainerwechsel den erhofften Erfolg bringt, weiß man natürlich erst hinterher.

Ich bin dennoch nicht der Meinung, dass es an dieser Personalie allein gekrankt hat. Aber der Profifußball hat keine Zeit und keine Geduld für risikoreiche Experimente, ob ein Übungsleiter doch noch die Wende schaffen kann. Na klar, wer es sich einfach machen wollte, sah die Schuld seit Wochen beim Trainer. Dass sich das plumpe Schubert-raus-Geblöke aus dem Internet schließlich bis in die Fankurve hineinverfestigt hat, war dann wohl ausschlaggebend dafür, dass auch der Verein Schubert nicht mehr weiter stützen will und kann, obwohl er dies bis zum Augsburg-Spiel für mich in vorbildlicher Weise getan hatte. Die Vereinsführung ist deshalb für mich auch der einzige Akteur in diesem Spiel, dem man in dieser Hinsicht nichts vorwerfen kann.

Viele Faktoren haben zum unbefriedigenden Abschneiden in der Bundesliga geführt. Da steht ganz vorn die Verletzungsmisere, die einen erfolgreicheren Spielbetrieb einfach zu einem guten Prozentsatz torpediert hat. Ich maße mir nicht an, darüber zu urteilen, ob die Anfälligkeit mit der Trainingsarbeit von Schuberts Trainerteam oder dem Wechsel bei den Athletiktrainern zu tun hat oder ob es einfach Zufälle sind. Auffällig ist die Häufung allemal. Und das macht auch einen sportlichen Vergleich mit der Ära Favre unseriös, weil dort einfach viel weniger Ausfallzeiten zu beklagen waren. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, die Verletzungen während der 16 Bundesliga-Hinrundenspiele in einer (in diesem Blogformat leider schlecht lesbaren) Tabelle sichtbar zu machen. Es fehlten durchweg mehrere Startelfkandidaten verletzungsbedingt, das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Belastung der übrigen Spieler gehabt, die in allen drei Wettbewerben immerhin 26 Pflichtspiele in etwas mehr als vier Monaten zu absolvieren hatten. Zählt man die drei Länderspielpausen dazu, kommen Borussias Nationalspieler noch auf bis zu 6 Spiele mehr.

Legende: Rot steht für verletzt, grün für Einsatz und weiß für nicht eingesetzt. Grau sind die vier Spieler, die in der Bundesliga gar nicht zum Einsatz kamen (Sippel, Heimeroth, Sow und Benes)



Für mich steht vor allem in den vergangenen drei Wochen in allererster Linie die Mannschaft in der Kritik. Wenn ich sehe, wie sich das Team heute (und teilweise auch schon gegen Augsburg und Mainz) präsentiert hat, dann fehlen mir, der während der "Scheiße-am-Schuh-Phase" bis zum Hoffenheim-Spiel mit Vorwürfen sehr zurückhaltend war, schon ein bisschen die Worte.
Das Verteidigungsverhalten bei den Gegentoren heute war unterirdisch, schon peinlich. Dazu wurde den doch ähnlich schwachen Wolfsburgern nicht nur der Sieg geschenkt, nein, es wurden auch mit unerklärlichen Slapstickeinlagen noch mehrere 100-prozentige Torchancen auf dem Silbertablett serviert. Ich habe Verständnis für Druck und Unsicherheit in dieser Phase, aber hier spielen Profifußballer, es sind durch die Bank gute Techniker, denen einfachste Ballbehauptungen und Pässe nicht mehr gelingen wollen? Die keine Flanke zum eigenen Mann bringen, die Torchancen leichtfertig verdaddeln. Ich habe viel Verständnis für Fehler, aber das heute war zu viel des Schlechten. Das war zum wiederholten Mal nicht bundesligareif. Und es war auch von der Körpersprache, von der Zweikampfführung und der Willenskraft, sich der Negativserie entgegenzustemmen, zu wenig. Ich halte nichts von der These, dass Mannschaften aktiv gegen einen Trainer spielen. Aber ein wenig hatte dieses Spiel heute davon.

Und dann gelingt mit viel Mühe der Ausgleich - zwischen all dem Gerumpel auch noch schön herausgespielt -, und der Torschütze Thorgan Hazard hat im Anschluss nichts besseres zu tun, als sich mit dem Statuen-Torjubel seines Kumpels Ibo Traoré selbst zu feiern, als hätter er den VfL gerade ins Pokalfinale geschossen - anstatt kurz die Faust zu ballen, vielleicht das Publikum nochmal zum mitmachen zu animieren und sich hochkonzentriert dem nächsten Spielzug zu widmen. Dass kurz darauf das 1:2 fällt, bei dem die Borussen ähnlich schwach verteidigten wie beim 0:1, passt genau zu dieser Torjubelszene. Die Jungs, so scheint es, haben den Ernst der Lage noch nicht verinnerlicht.
Diese Szenen waren typisch für das Auftreten einer Mannschaft, die auch heute wieder alles mit Hacke, Spitze, eins, zwei, drei lösen wollte, anstatt den Abstiegskampf anzunehmen und aus einer sicheren Deckung heraus mit schnellen knackigen Spielzügen nach vorne zu kommen und konsequent und ohne Schleifchen auf dem Ball abzuschließen.
Ist daran André Schubert Schuld? Vielleicht auch, weil er die Mannschaft in ihrem System gewähren ließ, auch als die Balance schon verloren gegangen war. Weil auch das eine oder andere Mal ein Wechsel oder eine taktische Änderung nach hinten losging, obwohl sie in der Sache richtig war (wie gegen Schalke). Aber die Tore kann er trotzdem nicht selbst schießen. Und auch heute gab es wieder genug gute Gelegenheiten, um die Torarmut zu beenden.

Die Hauptverantwortung haben also die auf dem Platz. Die, die sich festdribbeln, Fehlpässe spielen, Bälle verlieren oder nicht festhalten oder die aus besten Chancen keine Tore machen, wo es ihnen in der vergangenen Saison unter dem gleichen Trainer keine Probleme bereitete, in abgezockter Art und Weise zuzuschlagen.

Natürlich fehlt auch die Erfahrung von Stranzl, Brouwers, Nordtveit und der Antreiber Xhaka. Ihre Rollen, das zeigt sich auch immer erst im Misserfolg, hat noch keiner richtig angenommen. Das dem Management anzulasten wäre unfair, da im vergangenen Sommer der Transfermarkt zu heiß war, als dass Borussia um richtige Verstärkungen hätte mitbieten können. Dass die Baustelle für den Winter erkannt wurde, ehrt die Vereinsführung, doch es nützt André Schubert genausowenig wie damals Michael Frontzeck in seiner Restlaufzeit nicht mehr von den Wintereinkäufen Nordtveit, Stranzl und Hanke und der Rückkehr mehrerer lange verletzter Spieler profitieren konnte, sondern sein Nachfolger Lucien Favre.

Vielleicht kehrt mit dem erwarteten neuen Mann am Spielfeldrand bald der Erfolg und das Glück zurück, was Schubert und dem VfL jetzt seit September abging. Aber: Diese Hinrunde hat auch deutlich gemacht, dass Borussia zu vielem nur fähig ist, wenn alle zusammenhalten. Genauso gilt, dass der von den Fans so gern strapazierte Satz vom "geilsten Club der Welt" nur gilt, solange die Mannschaft erfolgreich spielt. In schlechten Tagen ist ein großer Teil von Gladbachs Anhang eben auch nicht besser als der von beliebigen anderen Clubs. Das hat sich in den Onlinekommentaren gezeigt und es hat sich zuletzt im Stadion fortgesetzt.
Was sich heute im Borussia Park auf den Rängen abgespielt bzw. eben nicht abgespielt hat, passte sich der armseligen Leistung auf dem Platz traurigerweise hervorragend an. "Ein einig Volk von Brüdern" ist aber vor allem dann bitter nötig, wenn es eng wird. Eine Verweigerungshaltung, wie sie heute von weiten Teilen der Stadionbesucher an den Tag gelegt wurde, führt sicher nicht dazu, dass die Mannschaft sicherer wird. Und auch nicht, dass sich Spieler, die vor kurzem noch von den Fans so umworben wurden, sich im Zweifel für Borussia entscheiden wollen, weil der VfL ein so besonderer Club ist.

Und so haben heute alle verloren - nicht nur André Schubert, der ohne Zweifel viel für Borussia geleistet hat und sich seit seiner Amtsübernahme aus meiner Sicht stets tadellos verhalten hat. Und der doch von so vielen Seiten dermaßen verletzend angegiftet wurde, dass man sich als Borussia-Fan durchaus auch für manche Anhänger schämen muss.
Und deshalb bin ich traurig, dass das Fußballjahr 2016 uns alle nicht nur ratlos über die zuletzt mutlosen und trostlosen Auftritte zurücklässt, sondern auch noch auf eine sehr spezielle Weise würdelos endet. Hoffen wir, dass 2017 uns diese bittere Zeit schnell vergessen lässt und neue Erfolge schnell die entstandenen Wunden im Verein schließen können.

Bundesliga 2016/17, 16. Spieltag (20.12.16): Borussia Mönchengladbach - VfL Wolfsburg 1:2 (Tor für Borussia: 1:1 Hazard)

2016-12-17

Dejavu in der Puppenkiste

Das war endlich wieder die Mannschaft, wie man sie kennt. Leider gilt dieser Satz heute nicht für Borussia, sondern für den Gegner FC Augsburg. Kratzen, beißen und vor allem treten, fußballerisch unterlegen sein und doch am Ende irgendwie siegreich gegen den VfL - das prägt die Geschichte dieser beiden Teams in der Bundesliga eigentlich seit Jahren.

Und es kotzt mich langsam an. Weil beide Teams fußballerisch deutliches Besseres drauf haben als sie heute in der prekären Tabellensituation boten. Und weil - wie um uns Gladbach-Fans noch zu verhöhnen - ausgerechnet dem Ex-Gladbacher Hinteregger das glückliche Siegtor gelingt. Immerhin, diesmal nach einem klaren Abwehrfehler und nicht wie vor einigen Jahren durch einen abgefälschten Freistoß. Damals hieß der Schütze Callsen-Bracker. Und ja, auch der einst zukünftige Neuzugang André Hahn hat der Borussia schon Tore eingeschenkt. Umgekehrt bekommt er das leider nicht hin, so wie ihm derzeit überhaupt wenig gelingen will.

Die Lage bleibt also weiterhin ernst. Die Auswärtsschwäche auf Prä-2010-Niveau, das Tabellenende in Sicht, eine Niederlage gegen eien unmittelbaren Konkurrenten, erneut kein Tor und kaum nenenswerte Torchancen: Borussia, das ist zu wenig!

Die solide Defensivleistung verdient dennoch ein Lob, das Zweikampfverhalten war in Ordnung, das Gegentor der einzige gravierende Fehler in der Defensive. Borussia war über 90 Minuten die bestimmende Mannschaft und die Spieler wirkte bei weitem nicht so verunsichert wie gegen Mainz - das zugegebenermaßen auch viel aggressiveres Forechecking betrieben hat als Augsburg.

Aber dafür war der Sturm erneut ein laues Lüftchen, die erspielten "Chancen" und auch die Ausführung der Standardsituationen einfach nicht bundesligareif. Die defensive Sicherheit wird, wie übrigens phasenweise auch unter Favre, mit Harmlosigkeit vorne erkauft. Und da überdies Verletzungen und Krankheiten ein großes Loch in den Kader gerissen haben (und zum Beispiel kein echter Flügelspieler mehr übrig ist), spielt auch das eine Rolle. Hazard und Hahn haben die Außenpositionen zwar auch früher schon gespielt, richtig effektiv waren sie aber nur, wenn sie durch die Mitte kamen oder im Wechselspiel mit Raffael und Stindl viele Freiräume auf dem Platz hatten. Das hat in der Hinrunde nur selten geklappt, angesichts der Ergebniskrise hat Schubert offensichtlich auf ein starreres Korsett umgestellt, um die Ballance nach hinten besser hinzubekommen.
Dasfunktioniert, seitdem stockt es dafür im kreativen Spiel nach vorne, die Überraschungsmomente bleiben aus. Die Folge: der Ball zirkuliert eher seitwärts oder rückwärts, der steile Pass nach vorn kommt nicht, oder es wird zu langsam gespielt, um die gegnerischen Abwehrketten zu durchdringen.

Ein Wort muss ich leider auch heute wieder über den Schiedsrichter verlieren. Wenn ich sehe, wie rücksichtslos Christoph Kramer an der Außenlinie mit Anlauf aus dem Spiel gegrätscht wird, und der Übeltäter Usami bekommt nicht einmal eine gelbe Karte, dann verstehe ich das einfach nicht mehr. Auch Raffael hat heute mehrfach ganz üble Tritte einstecken müssen, teilweise ohne dass Tobias Stieler das überhaupt als foulwürdig ansah. Ich finde es ok, wenn ein Schiri möglichst ohne Verwarnungen auskommen will.  Doch das gelingt nur in seltenen Fällen.
Das Spiel heute war auch nicht besonders giftig, aber es wurde viel gefoult und das muss wenigstens konsequent geahndet werden.
Kramer wird uns nach dieser Aktion voraussichtlich eine ganze Weile fehlen, auch bei Raffael bin ich noch nicht sicher, ob er am Dienstag wieder fit sein wird, nachdem er heute gegen seine Gewohnheit mehrfach auf dem Platz liegenblieb.

Na klar, Gladbach hat sich selbst in den Tabellen-Schlamassel reinmanövriert. Aber vom Unparteiischen muss man erwarten, dass er wenigstens die Akteure vor solch rohem Spiel schützt. Dass die Augsburger in dieser Hinsicht immer forscher zu Werke gingen, als sie merkten, dass Stieler nicht einschritt und sie selbst bis dahin nur wenig Zugriff auf ihre Gegner bekamen, das war schon in der ersten Halbzeit zu sehen. Dass es dann in einer solchen Verletzung gipfelt, ist umso bitterer.  

Das alles lässt wenig positiv nach vorne blicken und macht einen Sieg gegen Wolfsburg am Dienstag schon zum Muss. Doch mit welchem Personal? Dass die Ersatzbank keine richtigen Alternativen bietet, ist nun schon seit einigen Wochen zu beobachten. Ich persönlich hätte heute gern mal Djibril Sow statt Hofmann gesehen. Ein schneller, im Zweikampf durchaus geschickter Mittelfeldspieler, der mir in Vorbereitungsspielen immer sehr gut gefallen hat. Er müsste jetzt knapp zwei Jahre bei Borussia sein. Wäre vielleicht mal einen Versuch wert, einen jungen unbekümmerten Spieler ins kalte Wasser zu werfen.
Und irgendein Reiz muss ja mal gesetzt werden - vor allem für die Spieler, die für die Startelf bisher keine Rolle spielen.

Bundesliga 2016/17, 15. Spieltag (17.12.16): FC Augsburg - Borussia Mönchengladbach 1:0

2016-12-11

Gewonnen

Ich habe ein paar Minuten gebraucht, um mich von diesem Sieg zu erholen. Der erste Bundesliga-Dreier seit September! Durchatmen, kurz Luft holen: Gewonnen!
Nicht schön, aber ein schon irgendwie verdientes 1:0. Ein Sieg in einem Spiel, das zum schnellen Vergessen einlädt. Und so kam zurück, was über den Versuch, immer mit gepflegtem Fußball spielerisch zum Ziel kommen zu wollen, in Gladbach lange nur noch ein seltener Gast war: der "dreckige Sieg", die optimale Ausbeute aus einer der schlechtesten Gladbacher Saisonleistungen. Und der war dringend nötig.

Fakt ist, der Sieg hätte eigentlich ein Unentschieden hätte sein müssen, weil der Schiedsrichter de Blasis' Tor kurz vor Schluss nicht anerkannte. Das war nachvollziehbar - aus seiner Perspektive war er sich offenbar sicher und zögerte nicht mit dem Pfiff - aber letztlich war die Entscheidung falsch, weil Yann Sommer die Hand noch nicht auf dem Ball hatte, als der Stürmer einschoss. So fair muss man sein. Nach vielen mit Borussia erlittenen Fehlentscheidungen und nach zuletzt auch einigen unverdient verlorenen Spielen, nehme ich diese unbeabsichtigte freundliche Unterstützung des Unparteiischen aber auch ohne schlechtes Gewissen an.
Vor allem in der Situation, in der der Verein derzeit steckt. Denn es lief auch am dritten Advent wieder viel auf einen späten Nackenschlag für Borussia hinaus.
Die Spieler im Aufbau oft fahrig, unpräzise, oft zu bedacht darauf, sich bloß keine Blöße zu geben. Und wenn es erfolgversprechend nach vorne ging, gänzlich ohne Esprit unterwegs.
Eben so unsicher, wie man angesichts der jüngsten Misserfolge und des Theaters im Umfeld, in den Medien und Teilen der Anhängerschaft auch sein kann. Bisweilen wirkten die Spieler des VfL diesmal wirklich angeknockt. Das war anders als noch vor ein, zwei Wochen, als alle Rautenträger noch sichtbar an ihre Fähigkeiten glaubten. Das heute war eine Mannschaft, die ins Grübeln gekommen ist und das nicht so einfach aus den Füßen schütteln konnte.
Ausgerechnet der spätere Held Andreas Christensen machte in der ersten Hälfte mehrere gravierende Fehler, die er nur mit Mühe selbst wieder ausbügeln konnte. Raffael und Stindl waren erneut wenig effektiv, insgesamt gingen viele Pässe ins Nichts und Torchancen waren Mangelware, weil jeder gute Angriffsversuch irgendwie vorher versandete. Und so schwangen sich heute der von mir schon oft kritisierte Oscar Wendt, Jannik Vestergaard, Nico Elvedi und mit Abstrichen Tobias Strobl und Tony Jantschke - allesamt Defensivkräfte - zu "besten Spielern" auf. Vielleicht hat der Ruf nach Führungspersönlichkeiten in dieser Woche ja auch den einen oder anderen Anwärter aufgeweckt, wenn andere die ihnen zugedachte Funktion im Moment einfach nicht ausfüllen können.

Dafür, dass nach vorne wenig Sinnvolles zusammenlief und auch das goldene Tor eher dem Zufall geschuldet war, ließen Sommer und Co. in der Defensive mit konsequentem Spiel vergleichsweise wenig zu. Gut, Mainz ist nicht Dortmund und nicht Barca, doch auch gegen Malli und Onisiwo muss man auf der Hut sein. Nun ging Mainz nie voll ins Risiko, spielte ebenfalls äußerst unterdurchschnittlich und schien von Beginn an mit einem Remis zu liebäugeln. Aber die Null stand, die Hintermannschaft auch, und das ist die Grundvoraussetzung, um sich aus dem Tabellenkeller wieder heraus - zu  - arbeiten. Dieses Arbeiten, das war heute vorbildlich zu sehen und es war ein Schlüssel zum Erfolg.

Darauf darf und wird man sich nichts einbilden, aus dem Schneider ist man mit diesem einen Erfolgserlebnis noch lange nicht. Aber es ist vielleicht der erhoffte Drucklöser für die verfahrene Situation. Die Schubert-Schützlinge betätigten sich heute mit Glück und Geschick als Schubert-Schützer. Und das finde ich gut so. Ob die Diskussionen um den Trainer wieder durch Erfolge und gute Leistungen zu ersticken sind, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Bewerten muss man heute auf jeden Fall zu 99 Prozent das Ergebnis, und weniger die Art und Weise, wie es zustande kam. Würdigen sollte man den Einsatz der Mannschaft, um diesen Erfolg zu erzwingen und festzuhalten. Alles weitere ist tägliche harte Arbeit, die das Team ganz offensichtlich mit dem derzeitigen Trainerstab zusammen weiter machen will. Und wohl auch die Mehrzahl der Fans, wie das heute überwiegend sehr fein reagierende Publikum nahelegte, das auch in kritischen Situationen die Spieler gut unterstützte.

Bundesliga 2016/17, 14. Spieltag (11.12.16): Borussia Mönchengladbach - FSV Mainz 05 1:0 (Tor für Borussia: 1:0 Christensen)

2016-12-07

Stets bemüht

Die Champions-League-Gruppenphase endet für Borussia so ernüchternd, wie sie begann: Ein 0:4 gegen einen in allen Belangen besseren Gegner und die bittere Erkenntnis, dass der VfL auf diesem Niveau nicht mithalten kann. "Sie waren stets bemüht", diese Formel trifft die Leistung ganz gut. Und wohl jeder weiß, dass diese Wertung in der Zeugnissprache keine gute Bewertung ist. Man war vielleicht fleißig, hat etwas versucht, aber es kam nichts dabei raus. Dass auch die Spieler das wussten, sah man förmlich am Frustlevel schon auf dem Feld.
Wenn man 90 Minuten hinterherläuft, im Mittelfeld kaum in Zweikämpfe kommt, dementsprechend dem Gegner auch nicht wirklich (im wahrsten Sinn des Wortes) wehtun oder ihn am sicheren Spielaufbau hindern kann, dann hat man viel falsch gemacht. Dass es besser geht, haben die Borussen schon gegen den gleichen Gegner bewiesen. Mildernde Umstände gibt es, weil sich Messi und Co. auch besseren Gegnern immer wieder auf diese unnachahmliche Art und Weise entziehen können und des öfteren so selbstverständlich herausgespielte Tore erzielen wie heute Abend. Das hilft uns gegen den nächsten Gegner in der Bundesliga allerdings - nichts. Und gegen die Verunsicherung wohl noch weniger.

Was kann man also an Mutmachendem aus dem Nou Camp mitnehmen? Dass Christensen und Co. trotz aller Unterlegenheit doch auch sehr viele Torchancen und "tödliche" Pässe entschärfen konnten. Dass Yann Sommer sich mal wieder auszeichnen konnte. Dass ein paar ganz brauchbare Konter angesetzt wurden, die zu etwas hätten führen können - wenn sie nicht durch fehlende Passgenauigkeit steckengeblieben, von dem völlig neben sich stehenden Hazard oder dem eingewechselten Johnson verbaselt oder durch auch mal durch grenzwertigen Körpereinsatz der Gegner (gegen Hahn) verhindert worden wären. Und so wurde es dann doch mehr als das Bonusspiel, mit dem man sich von dem Bundesligafrust ein wenig ablenken wollte. Im negativen Sinne.

Doch das war es ja noch nicht mit den schlechten Nachrichten an diesem Abend. Viel mehr als der Ausgang dieses eigentlich von uns allen herbeigesehnten, aber letzlich wertlosen Ausnahmespiels bewegt mich, dass Alvaro Dominguez verletzungsbedingt seine Karriere beenden muss. Es muss ein Loch in das Herz eines jeden Borussen reißen - nicht nur, weil er ein netter Kerl und ein wichtiger Teil des Aufschwungs auf dem Rasen und ein Hoffnungsträger für die Abwehr war - sondern auch, weil er sich mit dem Verein und den Fans zu 100 Prozent identifiziert hat. Wieviele ausländische Profis haben so schnell und so gut deutsch gelernt wie er? Welcher Profi sonst hätte "Die Elf vom Niederrhein" so nett vor der Webcam seines Computers eingesungen, wie er es tat? Sein verzweifeltes, aber vergebliches Bemühen um ein Comeback steht auch ein bisschen für die Entwicklung der Borussia in diesem Jahr. Für Alvaro gibt es offenbar kein Happyend auf dem Rasen. Hoffen wir, dass sich nun wenigstens die Mannschaft schüttelt, den Frust abwirft, die Ärmel aufkrempelt und bedingungslos um die Wende zum Positiven kämpft.

Champions League, Gruppenphase, 6. Spieltag (6.12.16): FC Barcelona - Borussia Mönchengladbach 4:0

2016-12-04

Zähne zusammenbeißen

Was soll man nach so einem Spiel noch sagen? Deutlich verloren, phasenweise die Übersicht verloren, sodass es auch noch höher hätte ausgehen können - trotz früher und gleich wieder hergeschenkter Führung. Das befürchtete Ergebnis in einem Spiel, von dem man keine Trendwende erwarten musste?
So blöd es klingt, in diesem Spiel war mehr drin als in vielen anderen Spielen gegen die schwarz-gelbe Namenskusine. Weil die Schubert-Elf trotz der beiden Gegentore in der ersten Halbzeit defensiv viel besser stand als zum Beispiel beim 0:4 vergangene Saison noch unter Favre. Und weil die wahre Borussia zu Beginn der zweiten Hälfte fast 20 Minuten lang genau das Spiel aufzuziehen begann, mit dem man den Dortmundern weh tun kann. Während die Mannschaft in der ersten Halbzeit den Dortmundern viel Ballbesitz überließ und sich in einer massiven Deckung versuchte, spielten Kramer und Co. zu Beginn der zweiten Hälfte konsequenter nach vorn und setzten die Gastgeber früher unter Druck. Das drückte sich in einigen guten Angriffen aus, die auch Schwächen und Unsicherheiten der BVB-Defensive aufzeigten.
Doch das riskantere Spiel führte auch zu gefährlichen Kontern der Tuchel-Elf, sodass das in der Entstehung unglückliche dritte Gegentor über kurz oder lang zu befürchten war. Es sei denn, der VfL hätte mal ein wenig von dem Matchglück gehabt wie es so viele seiner Gegner in dieser Saison schon hatten. Zu nennen wären da beim Stand von 1:2 Raffaels feine Hereingabe, die Sokratis fast zu einem hübschen Eigentor verwandelt hätte. Oder Christensens Kopfball nach einer Ecke (!) und natürlich die Fehlentscheidung des Tages durch den einmal mehr im Spiel häufig mit zweierlei Maß messenden Schiedsrichter Marco Fritz. Der ignorierte komplett, dass Sokratis Thorgan Hazard an der Strafraumgrenze umriss, als Raffael diesem gerade einen tollen Pass in den freien Raum servierte. Man kann darüber streiten, ob das nun Elfmeter oder Freistoß gewesen wäre (Gelb wäre es in jedem Fall gewesen) - aber weiterspielen zu lassen war einfach ein krasser Fehler. Und dass im Gegenzug fast ein Tor gefallen wäre, passt dazu.

Doch hätte, wenn und aber: Gladbach hat heute nicht wegen des fehlenden Glücks verloren, sondern weil sie gute Leistungen nicht über 90 Minuten abrufen können und - einmal mehr - die entscheidenden Szenen nicht gut genug verteidigt wurden. Und da zeigt sich eine bedenkliche Entwicklung. Dass mal eine Ballannahme missglücken kann wie  Elvedi beim 1:3 - geschenkt. Aber dass das nach einem harmlosen Befrieiungsschlag aus der BVB-Abwehr geschieht und dann sowohl Elvedis grätschender Rettungsversuch ins Leere geht als auch drei andere Gladbacher Verteidiger nicht in der Lage sind, Dembelé am Schuss zu hindern, das sind die entscheidenden Dinge. Oder das: Kurz vor Schluss läuft Dortmunds Pulisic über das halbe Feld vier oder fünf Gladbachern weg. Alle stören ihn ein bisschen, aber keiner stoppt ihn. Erst Yann Sommer pariert den Schuss.
Diese heiklen Szenen sehen wir in unserer Hälfte derzeit zu oft, genauso wie die gerade noch haarscharf geklärten Bälle wie heute gegen die durchgebrochenen Aubameyang, Reus oder Schmelzer. Souverän ist anders. Das gleiche Manko zeigt sich beim 1:4, wo Dahoud einen von Stindl erlaufenen Ball mit einem schlampigen Fehlpass in der eigenen Hälfte wieder abgibt und danach die Szene abhakt und nicht mehr aktiv am Spiel teilnimmt, sondern gehend zuschaut, wie das Unheil seinen Lauf nimmt. Dass bei der feinen Kombination zwischen Reus und Aubameyang dann Christensen noch ausrutscht, ist bezeichnend für die momentane Situation.

Aber aus der kommt man nur raus, wenn man um jeden Ball kämpft, wie es die knackig in die Zweikämpfen gehenden Dortmunder heute gemacht haben. Ja, Dortmund hatte heute die Bissigkeit und die Schnelligkeit in den Zweikämpfen, die letztlich den Unterschied machten. Beide Teams hatten vor dem Spiel Druck, aber beim BVB hat man heute gesehen, dass sie mit aller Macht das Spiel in ihre Richtung biegen wollten.
Das letzte Mal, dass ich unsere Mannschaft so kompromisslos in den Zweikämpfen gesehen habe, war gegen Ingolstadt - und das war der letzte Sieg in der Bundesliga. Es war kein schöner Sieg, aber es war einer.
Es ist jetzt an der Zeit, die Situation so anzunehmen, wie sie ist: Es ist bis auf Weiteres Abstiegskampf. Bislang haben Raffael und Co immer den spielerischen Weg gesucht, um aus der Krise zu kommen. Doch die nötige Leichtigkeit dafür ist abhanden gekommen. Jetzt muss dementsprechend der Erfolg über die Konzentration auf die einfachen Dinge zurückerkämpft werden. Standardsituationen als Torchance begreifen (und üben). Kompromisslos verteidigen, klar, einfach und ohne Schnörkel nach vorne spielen. Nicht in Schönheit sterben, sondern klar machen, wer auf dem Platz das Sagen hat. Und vielleicht einfach mal draufhalten, statt im Strafraum noch zwei Doppelpässe ansetzen zu wollen. Dass die Fans diesen steinigen Pfad mitgehen, haben sie heute eindrucksvoll bewiesen. Tolle Anfeuerung während des Spiels und Trost und Anerkennung nach der Partie. Das ist wieder das Gladbacher Publikum, das ich liebe. Danke dafür!

Ein schwacher Trost ist bei all den Nackenschlägen, dass wenigstens die größte Narrenkappe heute nicht ein Gladbacher war, sondern der Sky-Schwätzer Tom Bayer. Drei Minuten lang feierte er ein Tor von Marco Reus, das wegen Abseitsstellung zurückgepfiffen worden war. Es ließ ihn weder stutzen, dass das Spiel mit Freistoß für Gladbach fortgesetzt wurde, noch, dass weder Stadiontafel noch sein eigener Sender das vermeintliche 3:1 anzeigten. Da er auch ansonsten fast ausschließlich dummes Gesülze absonderte, hat er sich für die Nachfolge von Fritz von Dumm und Dämlich, der ja am Ende der Saison aufhört, schon mal eindrucksvoll in Stellung gebracht. Bringt uns natürlich trotzdem nicht weiter.



Bundesliga 2016/17, 13. Spieltag (3.12.16): Borussia Dortmund - Borussia Mönchengladbach 4:1 (Tor für Borussia: 0:1 Raffael)