Sechs
Wochen ist es her, dass Borussia im ersten Geisterspiel der Bundesliga-Geschichte
den obligatorischen Derbysieg gegen den FC einfuhr. Und als ich kurz danach
meinen vorerst letzten Blogeintrag schrieb, war weder mir noch wohl sonst irgendjemandem klar, dass wir auch am 21.
April noch keine Klarheit haben würden, wie es mit dem Fußball weitergeht.
Wir
leben in Ausnahmezeiten, und wenn ich ehrlich bin, habe ich mich seitdem
herzlich wenig mit Fußball beschäftigt.
Die
ganzen Sendungen mit längst abgelaufenen Fußballkonserven haben mich kaum
interessiert. Wenn etwas über Gladbach kam, habe ich wohl mal hingeschaut, aber
die richtige Freude darüber fehlte mir doch. Und weil ich beruflich in dieser
Zeit auch weiterhin so eingespannt war wie sonst auch, ist mir die Zeit ganz gut
vergangen, ohne dass ich ständig über fehlende Fußballspiele nachdenken musste.
Ich
habe mich nicht einmal näher damit beschäftigt, ob ich den Kartenpreis für zwei
Heimspiele der Rückrunde zurückfordern werde, die ich gekauft habe oder ob ich ihn
dem Verein (vielleicht auch teilweise) schenke. Ich bin, so gesagt, für einige
Wochen „weg vom Stoff“ gewesen - viel mehr als in den Wochen zwischen zwei
Saisons, wo es ja immer noch kribbelt, weil man sich fragt, wie es wohl weitergeht.
Ich
habe aber durchaus mit viel Sympathie und Freude im Rautenherzen gesehen, wie sensibel
und gut sich Gladbacher Spieler und Verantwortliche in vielen Fragen rund um
Corona und Fußball geäußert haben. Wie sie sich mit ihrem Geld für andere
eingesetzt haben, wie sie als erste einen Gehaltsverzicht anboten, um den
Verein und andere „einfache“ Angestellte von Borussia zu stützen.Ich
finde auch die Pappkameraden-Aktion witzig und klasse, weil sie unter anderem auch dem
Fanprojekt hilft und ich habe mich selbstverständlich auch daran beteiligt.
Und
natürlich bin ich daran interessiert, wie es jetzt weitergeht mit der Saison,
die für Gladbach ja sogar noch die beste seit Jahrzehnten werden könnte.
Da gibt
es gerade Bewegung. Es sieht im Moment ganz nach einer Fortsetzung ab dem 9. Mai
aus, natürlich mit Geisterspielen. Soll ich euch etwas sagen? Ich weiß nicht,
was ich davon halten soll. Einerseits warte ich natürlich darauf, wieder einmal
Bundesliga-Fußball zu sehen, mich auf Spiele meiner Mannschaft freuen zu können
und die Spannung des nahenden Saisonendes zu fühlen, mit der Ungewissheit, was
am Ende für den VfL herausspringen wird.
Auf
der anderen Seite hat die Saison durch die äußeren Einflüsse einen Knick
bekommen, der nicht mehr auszubügeln ist. Selbst wenn es weitergeht - ohne
Zuschauer, was wir vor sechs Wochen noch für völlig inakzeptabel gehalten
hätten und inzwischen längst als einzige Option begreifen – und selbst wenn
Gladbach am Ende ganz oben stehen würde: Es bliebe immer ein Erfolg mit Makel.
Es ist ja völlig unklar, wer nach diesen eingeschränkten Trainingsmöglichkeiten über viele Wochen im Saisonendspurt die meisten Reserven herauskitzeln kann und wie und warum. Egal, wer den Titel holt – er wird immer ein Meister von Coronas Gnaden sein.
Und wenn das bisher Erreichte in diesen Wochen noch durch die Finger glitte? Es wäre ein zu
verschmerzendes Übel angesichts der Probleme, die wir im Moment an der
Corona-Front bei uns und in vielen anderen Ländern haben.
Mit einem schwächeren Saisonfinal könnte
ich daher auch gut umgehen - weil Fußball eben nicht alles ist. Und weil ich die Leistung von
Marco Roses Mannen bis zum Lockdown gesehen habe und allein das Hoffnung darauf
macht, dass der Weg von Borussia Mönchengladbach auf diesem Niveau weitergehen wird.
Doch
dann kommt der Punkt, der mir im Fußball die größten Sorgen macht. Nicht, wie
diese Saison endet. Auch nicht, ob die neue Saison pünktlich beginnen kann und ob
die Absage des Oktoberfestes gleichzeitig schon bedeutet, dass wir auch bis mindestens
dahin keine Bundesligapartien mit Zuschauern erleben werden.
Nein,
ich fürchte die mittelfristige Entwicklung, die völlig unberechenbar scheint.
Können sich alle kleineren Vereine halten, die für den deutschen Profifußball
so wichtige Arbeit leisten, als Ausbilder und Entwickler von Spielern, als sportliches
und wirtschaftliches Gegengewicht zu den Geldsack-Clubs, bei denen die Löcher
im Etat immer wieder und wieder durch nicht im Verein erwirtschaftetes Geld,
sondern von außen gestopft werden?
Wenn ich höre, dass ein Großverein wie Schalke 04 wirtschaftlich
ins Trudeln gerät, wenn sich eine Rate der Fernsehgelder um einen Monat verzögert,
zeigt das, wie wenig solide bei solch horrenden Umsätzen immer noch bei
verschiedenen Vereinen gearbeitet wird. Wie Etats auf Kante genäht werden,
damit an anderer Stelle Konkurrenten etwa bei Spielerverpflichtungen
ausgestochen werden können.
Wer und was also bleibt am Ende übrig? Und wie wirkt sich
das auf Transfers aus? Werden potente Vereine, die von ihren Milliardärs-Besitzern
weiter mit Geld gestopft werden, die Gelegenheit nutzen und sich noch ungenierter bei anderen bedienen und die Aufbauarbeit
kleinerer Vereine noch stärker zunichte machen als im bisherigen Maße schon?
Geht
damit die Schere zwischen Großklubs und Underdogs noch weiter auseinander? Kann es sich
Gladbach leisten, alle Topspieler zu halten? Müssen wir unsererseits bei den
Kleinen zugreifen – und den Letzten beißen dann die Hunde? Und was bedeutet das für die Qualität in den Ligen?
So
wie wir allgemein aus der Corona-Entwicklung unheimlich viel Gutes lernen (und
einige gesellschaftliche und wirtschaftliche Weichen neu stellen und mehr an den
Bedürfnissen der Menschen statt der von Aktionären ausrichten) könnten, so
könnte der Fußball national wie international dringend eine Neuausrichtung vertragen,
die eben nicht mehr die Gewinnmaximierung der Verbände und ihrer Oberen zum Ziel hat
und die im Credo des "immer mehr, immer höher" die dabei umgesetzten Gelder in immer schwindelerregendere Sphären schrauben.
Doch ich befürchte, dass nach der Krise schnell wieder der alte Trott und alte Fehler zurückkommen.
Dass solide wirtschaftende Vereine genau für dieses Verhalten nicht belohnt werden. Dass die Cash-Cow Fußball weiter gemolken wird und all das Gute und Soziale, was vor allem auch die Fangruppierungen und jeder Fan von uns in der Krise vielleicht auf die Beine gestellt hat, vergessen wird. Darauf hätte ich wirklich keine Lust mehr. Aber wer weiß: Vielleicht ist es auch gerade diese Ausnahmesituation, die zu einem Umdenken führt. Wir müssen es abwarten - im Moment ist es nicht klarer als die Frage, wann und wo der Ball wieder rollt.
Und ja, natürlich warten wir darauf von Tag zu Tag ungeduldiger.