2019-06-05

The times they are a changing (III): Alles neu dank neuem Trainer?

Es hat ein bisschen gedauert mit dem dritten Teil meiner kleinen "Veränderungs-Serie". Ich habe mir bewusst die Zeit gelassen und auch noch die offizielle Präsentation von Marco Rose abgewartet, bevor ich mich der Trainerposition widmen wollte.

Normalerweise ist es so, dass sich ein gut geführter Verein ein Konzept gibt, das eine Spielidee, taktische Schwerpunkte und eine Philosophie im Umgang mit dem Markt umfasst, das von der Jugend bis zu den Profis vermittelt und vorgelebt wird und das natürlich zu dem Verein und seinen (finanziellen) Möglichkeiten passen soll. Innerhalb dieser Vorgaben muss sich dann ein Trainer bewegen. Denn auch wenn dieser mit einer noch so guten Idee zu einem Verein kommt, wäre es fahrlässig, daraufhin alles im Verein auszurichten. Schließlich kann niemand garantieren, ob dieser Trainer auf Dauer im Verein tätig sein wird. Er muss ersetzbar sein, daher muss immer die Philosophie des Vereins vor der des Trainerteams stehen. Es mag Ausnahmen geben, aber Gladbach gehört bislang sicher nicht dazu.

Angesichts der doch abrupten Kurskorrektur ist denkbar, dass das neue Trainerteam künftig eine etwas stärkere Rolle und mehr Einfluss auf die Entscheidungen im Club bekommt als die Trainer zuvor. Das ist nicht ganz ungefährlich, kann aber mittel- bis langfristig auch ein Erfolgsfaktor sein.

Nun hat die Verpflichtung von Marco Rose unter der VfL-Anhängerschaft große Erwartungen und Hoffnungen geweckt, nicht zuletzt aufgrund der eher uninspirierten Rückrunde der Fohlenelf. Darüber ist die Arbeit von Dieter Hecking und seinem Team sicher ein wenig zu negativ bewertet worden. Aber darum geht es mir heute nicht.

Es geht mir darum, klarzumachen, dass eine zu hohe Erwartungshaltung eine gefährliche Entwicklung in Gang setzen könnte, wenn es nicht gleich in der nächsten Runde deutlich besser läuft als unter Hecking.
Auch wenn Rose und seinem Team der Ruf vorauseilt, eine Mannschaft hervorragend einstellen zu können und sie bislang tolle Arbeit in Salzburg abgeliefert haben: Der neue Trainer hat hier mehr Arbeit, als man wahrscheinlich in einer einzigen Sommervorbereitung erledigen kann. Und im Herbst kommt dann wieder die Phase, wo wir uns endlich wieder auf Spiele im Drei-oder-vier-Tage-Takt freuen können. Das bedeutet zugleich, dass kaum Feinarbeit im Training stattfinden kann. Wir kennen das ja noch aus der Favre- und Schubert-Zeit. Und das kann schnell zum Nachteil werden - wenn noch nicht alles rund läuft.

Ich nehme die kommende Saison deshalb als Übergangsjahr, als ersten Teil eines Neuaufbaus, der wahrscheinlich erst abgeschlossen ist, wenn ein Großteil der heutigen Spieler nicht mehr im Kader stehen werden. Ein fachkundiger guter Bekannter, Fan der falschen Borussia, ist überzeugt, dass Marco Rose ein Glücksfall für uns ist. Er hat die Verpflichtung Roses mit der Phase in Dortmund verglichen, als Jürgen Klopp zum BVB kam und eine am Boden liegende Mannschaft erst stabilisiert und dann völlig neu ausgerichtet hat (und dies in Liverpool auf anderem Niveau wiederholt hat).

Der Unterschied von Dortmund damals zu Gladbach heute: Aufgrund der schnell in Unzufriedenheit umschlagenden Stimmung in den letzten Wochen hoffe ich, dass die Fans dem neuen Trainer auch bei uns die nötige Zeit einräumen, die Mannschaft neu aufzubauen. Das bedeutet auch, die Erwartungshaltung ohne Murren herunterzuschrauben, wenn nicht gleich alles glatt läuft - und vielleicht nicht gleich wieder einen Europapokalplatz zu erwarten. Klar, vielleicht läuft es auch gleich besser. Aber möglicherweise auch nicht. Und dann ist die "Einstelligkeit", die von der Vereinsführung immer wieder hervorgehoben wird, diesmal als Ziel wohl auch absolut angemessen.

Aber was kann man vom Team Rose nun denn genau erwarten? Vor allem das, was wir zuletzt vermisst haben: Die Gier, den Ball zu erobern - den Siegeswillen, der sich schon in der Körpersprache ausdrückt. Schnelles Spiel, mehr Stress für den Gegner im Aufbau, selbst deutlich zielstrebigeres Spiel nach vorn. Also im Prinzip das fehlende Puzzlestück im gewohnten ballbesitzbetonten, aber oft zu wenig "tödlichen" Spiel nach vorn. Das zusammenzubringen ist eine große Aufgabe. Doch erstens hat Borussia unter Favre, Schubert und auch unter Hecking in der Vorrunde vieles von dem schon mal gezeigt. 
Und zweitens: So fokussiert und gewinnend, wie sich Marco Rose vergangene Woche in Gladbach vorgestellt hat, kann man ihm auch zutrauen, dass er sein Team genau so formt - selbst wenn man sich das bei dem einen oder anderen, der jetzt im Kader steht, noch nicht immer vorstellen kann.

Ich jedenfalls bin schon etwas beruhigter, seit ich Rose bei der Pressekonferenz gesehen habe. Dass er fähige Leute mitbringt, ist unstrittig: den begabten Taktiker René Maric, den Stürmercoach Alexander Zickler (der bei mir aber eigentlich immer noch eher als Chancentod abgespeichert ist, er wurde ja wohl erst in der schwachen Ösi-Liga zum "Tormonster"), aber auch den Fitness-Coach Patrick Eibenberger. Ich gehe davon aus, dass der jetzige Kader auch in dieser Hinsicht lernfähig und anpassungsfähig erweisen wird. Besonders für die wendigen Hofmann, Zakaria, Benes, Neuhaus, aber auch für Cuisance (wenn er seine Spielmacherallüren zügelt), sehe ich in aktiven Pressingpositionen im Mittelfeld und als Ausgangspunkt für wendige Umschaltmomente gute Chancen unter Rose. 
Inwiefern von außen Spieler dazu kommen, die in dieses System noch besser passen könnten, kann man erst sagen, wenn auch beim VfL der Transfermarkt ins Rollen gekommen ist. Sicher ist, dass auf den Außenpositionen noch Bedarf ist, wohl auch für einen weiteren Stürmer. Wir werden sehen. Aber vertrauen wir in dieser Hinsicht erstmal auf Max Eberl und Marco Rose. Und fahren die Vorfreude auf die neue Saison langsam wieder hoch.