2020-10-31

Das Ende des Brause-Fluchs

Ich weiß, eigentlich gehört es sich nicht, denn der Freude über unserem ersten Sieg gegen das Marketingprojekt aus Leipzsch gebührt normalerweise die uneingeschränkte Aufmerksamkeit in meinem heutigen Text.
Aber da ich mich während des Spiels und noch eine ganze Stunde nach Abpfiff über die wirklich grenzwertige Leistung von Schiedsrichter Siebert in der zweiten Halbzeit aufgeregt habe, muss ich das auch zuerst loswerden. Wer darauf verzichten kann, scrollt bitte einfach schon mal weiter nach unten bis zum Trennstrich - dort wird es gemütlicher, versprochen!

Dabei hatte Daniel Siebert doch in der ersten Halbzeit für mich eine sehr vernünftige Leistung gezeigt. Er ließ sehr viel laufen - auf beiden Seiten -, was in einem Spiel zweier technisch guter Mannschaften völlig okay ist, zumal auch die Zweikämpfe nicht überhart geführt wurden. Zum Ende der ersten Halbzeit hätte er aus meiner Sicht dann aber schon für zwei rustikalere Fouls Gelb gegen Sabitzer und Kampl zeigen müssen.

In Hälfte zwei verlor Siebert von Beginn an diese Linie und ließ den Karton weiterhin stecken, etwa wenn ein Leipziger gegen Breel Embolo wieder zu spät kam und ihn von hinten fällte. Während die Gäste also ohne Karte blieben, kassierte als erstes Wendt bei einer ungeschickten Abwehraktion mit zu hohem Bein eine (korrekte) Verwarnung und dann Florian Neuhaus eine weitere, die nach dem Regelbuch prinzipiell auch in Ordnung wäre. Er stellte sich schließlich bei einem Freistoß des Gegners vor den Ball, um die schnelle Ausführung zu verhindern, wurde aus einem halben Meter angeschossen und daraufhin verwarnt. Alles ok, wenn, ja wenn Siebert nicht im ganzen Spiel vorher bei jedem Gladbacher Freistoß eine schnelle Ausführung selbst verhindert hätte, indem er erst den Ball freigeben wollte - das hätte er also bei diesem Leipziger Freistoß auch machen sollen. Das aktive Verhindern von schnell ausgeführten Freistößen durch den Schiri aber ist etwas, was sich durch inzwischen schon einige Spiele des VfL zieht - dass Kramer und Co mit der schnellen Ausführung von Freistößen im Mittelfeld in der Vergangenheit schon so manches Tor eingeleitet haben, ist ja inzwischen bekannt, genauso wie manche Diskussion darüber, ob der Ball auch wirklich geruht hat, bevor er weitergespielt wurde. Diese Diskussion erspart man sich natürlich als Schiri, wenn man diese Szenen von vornherein unterbindet. Regeltechnisch vorgesehen ist das allerdings nirgends.

Natürlich wird das Ausführen von Freistößen auch oft durch gegnerische Spieler verhindert, die sich vor den Ball stellen. Einmal hat Jonas Hofmann daraufhin auch einen Gegenspieler mal aus kurzer Entfernung angeschossen. Gelb gab es für den damals nicht. Für Neuhaus heute schon. So weit, so ärgerlich. 

Nach diesen beiden Karten für Gladbacher waren dann auch bei Siebert mal die Gäste dran. Hochverdient holte sich Kampl für ein rüdes Foul Gelb ab - er wäre damit normalerweise gleich duschen gegangen. Da er aber in der ersten Hälfte verschont worden war, konnte er stattdessen kurz darauf unbeschadet ausgewechselt werden.
Zum Vergleich: Der vergleichsweise milde Verstoß von Florian Neuhaus führte zur dritten Gelben Karte, die erste Sperre ist also nicht mehr allzuweit weg. Ach ja, Sabitzer bekam später auch Gelb - aber nicht für seine zwei gelbwürdigen Fouls, sondern für Meckern. Ab der 70. Minute hätte RB damit im Normalfall zu neunt weitergespielt. 

Stattdessen kassierte Trainer Rose einen Rüffel (wohl doch keine Gelbe Karte, wie es erst aussah), als er sich lautstark und völlig zurecht darüber beklagte, das vorne im Angriff Hannes Wolf von Upamecano gefoult wurde und das Spiel weiterlief, um wenige Sekunden später wegen einer sehr vergleichbaren Aktion zugunsten von Leipzig unterbrochen zu werden - als sich Gladbach gerade durch die Balleroberung auf den Weg zu einem verheißungsvollen Konter machen wollte. Spätestens da merkte man - dem Schiri ist die Linie abhanden gekommen.

Höhepunkt dieser rapide verschlechterten Leistung in der zweiten Halbzeit war eine Szene in der Nachspielzeit. Wieder war es Sabitzer, der Chris Kramer an der Mittellinie lange und heftig am Trikot zog, sodass der den Konter nicht ungehindert einleiten konnte. Der Schiedsrichter erkannte auf Vorteil, der sich im Anschluss aber als Nachteil herausstellte. Denn Gladbach blieb zwar in Ballbesitz, der direkte Pass in dies Spitze gelang jedoch nicht und als der Angriff schließlich kurz darauf mit einem erneut rüden Einsteigen von Nkunku gestoppt wurde, gab es statt der erwarteten zwei Karten für Sabitzer und Nkunku nur eine (korrekte) für letzteren. 

Hier rebelliert das Gerechtigkeitsempfinden wohl jedes Fußballfreundes. Doch dem Schiedsrichter kommt dabei sogar das neueste Regelwerk zu Hilfe, worauf die Schiri-Expertenseite "Collinas Erben" nach dem Spiel in mancher Twitterdiskussion (auch mit mir) hinwies. Demnach entfällt die Verwarnung, wenn auf Vorteil entschieden wird und mit dem Foul nur ein "aussichtsreicher Angriff" und keine "offensichtliche Torchance" verhindert werden sollte. 

Das bedeutet, dass Sabitzer mit Gelb-Rot vom Platz gegangen wäre, wenn sich Kramer fallenlassen hätte. Dadurch, dass der Gladbacher das Spiel versuchte fortzusetzen, rettete er den Übeltäter paradoxerweise vor dem Platzverweis. Spielleitungstechnisch also zunächst alles im Lot für Herrn Siebert. Aber was diese irrsinnige Regelauslegung für den Fußball bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen. Das taktische Foul wird gestärkt. Der Spieler, der sich beim "taktischen Körperkontakt" sofort fallenlässt, wird dafür belohnt. Der Angreifer, der versucht weiterzulaufen, wird bestraft, wenn aus dem Angriff nicht gerade ein Tor resultiert (dann wäre ich auch einverstanden, dass die Verwanrung steckenbleibt). Aber ganz ehrlich: Wer sich so etwas ausdenkt, der hat den Fußball nie geliebt.

Am Ende lag Siebert dessen ungeachtet aus meiner Sicht aber dennoch mit seiner Entscheidung daneben, Sabitzer zu verschonen. Denn bei dessen Halten am Trikot handelte es sich eben nicht nur um ein kurzes "Hand-auf-die-Schulter-legen", für das jemand wie Patrick Herrmann traditionell seine Verwarnungen kassiert, sondern um ein erhebliches und über mehrere Meter fortgesetztes Trikotziehen, das man offiziell (laut Collinas Erben) als "respektlos" bezeichnet und das auch in dieser Situation dann eben doch mit Gelb bestraft würde. Aber ihr ahnt es. Auch diese Regel lässt dem Schiedsrichter einen großen Ermessensspielraum. Egal wie er also heute entschieden hat - er kann sich immer darauf zurückziehen, dass er den Regeln recht getan hat. Das hat allerdings nicht damit zu tun, ob er dem Gedanken der Fairness, des Fußballs und der unparteiischen Spielleitung einen Dienst erwiesen hat. 

Soweit dazu. Und ich bin ehrlich. Wahrscheinlich hätte ich mich darüber auch nicht so fürchterlich erregt, wenn es nicht ausgerechnet dieser Gegner gewesen wäre und die Erinnerung an das berühmte Tobias-Stieler-Gedächtnisspiel in Leipzig noch so frisch wäre, als dieser Schiedsrichter - ebenfalls nach einer vernünftigen ersten Hälfte - mit dem Wiederanpfiff unter anderem mit der lächerlichsten Gelb-Rot-Entscheidung dieses Jahrhunderts (gegen Plea) massiv zugunsten des Gegners ins Spiel eingegriffen hatte.

---------------------------------------------------------

So, Schwamm drüber! Und damit jetzt endlich zum wirklich Erfreulichen! Denn am Ende des Samstagabendspiels stand trotz aller Widrigkeiten ja keine erneute Enttäuschung, sondern die Genugtuung über den ersten Bundesliga-Sieg gegen die Red-Bull-Firmenmannschaft und: über das erste Zu-Null in der Liga in dieser Saison. Das kostet mich beides ordentlich Geld (siehe unten), aber das ist es natürlich auch wert.

Denn am Ende steht da auf der Anzeigetafel im leeren Borussia Park ein verdienter Sieg in einem Spiel zweier gleichwertiger Mannschaften. Der Unterschied war heute vielleicht genau diese eine Szene, die - man darf die abgedroschenste Phrase aller Sportreporter an dieser Stelle nicht auslassen - AUSGERECHNET Hannes Wolf zum Tor des Tages nutzte. Denn Wolf ist ja bisher nur von Leipzig ausgeliehen (und zudem bisher auch noch nicht so zur Geltung gekommen, wie man sich das vielleicht von ihm erhofft hatte).

Das Außergewöhnliche daran: Dass ehemalige Spieler gegen den alten Verein treffen, kennen wir als Gladbachfans eigentlich nur umgekehrt - nämlich, wenn es gegen uns geht.

In der ersten Halbzeit sah es allerdings noch nicht danach aus, als würde - ausgerechnet - der junge Österreicher heute zum Matchwinner werden. Für die ganze Mannschaft galt da, dass sie nach vorne oft ganz gute Ideen entwickelte, aber die fehlende Präzision bei den Zuspielen große Chancen verhinderte. Auf der anderen Seite spielte und verschob das Team äußerst gefällig, doch hie und da erlaubten kleine Fehler und Unkonzentriertheiten den Leipzigern Überzahlangriffe, die nur unter großem Einsatz wieder entschärft werden konnten. Und wenn doch mal ein Abschluss gelang, war Yann Sommer heute wieder in all seiner Souveränität zur Stelle.

Der in die Startelf rotierte Hannes Wolf war zwar sehr bemüht, kam in den ersten 45 Minuten aber selten in eine Position, wo er seine Stärken hätte ausnutzen können. Es kam ihm aber zugute, dass beide Teams - nach der taktisch geprägten ersten Halbzeit - mit dem Wiederanpfiff deutlich mehr Zug in Richtung gegnerisches Tor zeigten und damit signalisierten, dass beide auf Sieg gehen wollten. Es war vielleicht nicht absolut zwingend, dass gerade Borussia nach einer Stunde in Führung ging, aber unverdient war es auch nicht. Denn mit zunehmender Spielzeit gelang es Hofmann, Neuhaus und ihren Teamkollegen immer besser, durch das Leipziger Mittelfeld zu kommen. Und wie erwähnt mussten die Leipziger häufig zu Fouls greifen, um Borussias Angriffe zu stoppen. 

Diese Stoßrichtung änderte sich naturgemäß nach dem 1:0 wieder etwas, denn Nagelsmann brachte mit Forsberg, Hwang und Haidara, später noch mit Nkunku, weitere hochkarätige frische Leute von der Bank. Gladbach ließ sich zunehmend zurückdrängen, bekam aber in der Defensive immer noch guten Zugriff und klärte die meisten Bälle relativ sicher.

Dennoch blieb es angesichts der knappen Führung bis zum Schluss ein Zitterspiel. Auch weil bei Pleas Schuss nach Lainer-Flanke und einem bildhübschen Spielzug, der mit einem weiten Schlag von Yann Sommer begann, dem 2:0 mal wieder die Latte im Weg stand. Und natürlich, weil die Rose-Elf auch diesmal nicht in der Lage schien, in dieser letzten halben Stunde auch nur einen einzigen klitzekleinen Angriff mal eiskalt zu Ende zu fahren und mit einem zweiten Tor den Deckel auf dieses Spiel drauf zu machen.
Ein kleiner Makel, den alle Beteiligten aber mit aufopferungsvollem Einsatz in der Defensive wettmachten. Ob es der emsig wühlende "Flaco" Herrmann war, der wie aufgezogen wirkende Stefan Lainer oder das Bollwerk in der Innenverteidigung, in der nach Elvedis Ausscheiden zur Halbzeit Ramy Bensebaini über sich hinaus wuchs. Krönung seiner Leistung war sicher die Einleitung des Siegtores, als er beherzt aus der Abwehr nach vorne stieß und mit einem Klasse-Pass Alassane Plea einsetzte. Das war wirklich sehenswert. 

Aber auch dieses Spiel hat, trotz leichter Rotation, viel Kraft gekostet. Umso besser, dass am Ende das Erfolgserlebnis und das Ende des Brause-Fluchs stand. Ich bin jedenfalls sehr angetan von der Entwicklung und der Widerstandsfähigkeit der Mannschaft in den vergangenen zwei Wochen.
So langsam läuft der Motor warm und die Zahnrädchen greifen immer besser ineinander. Das zeigte sich heute nicht nur an Hannes Wolf, sondern auch daran, dass Oscar Wendt nach seiner Einwechslung auf der linken Seite gut zurechtkam. Und der Saison-Debütant Valentino Lazaro führte sich ebenfalls in den ihm verbleibenden knapp 15 Minuten gut in das Mannschaftsgefüge ein.

Es bleiben also heute kaum Wünsche offen. Drei "Bigpoints", der Prestigesieg über das RB-Konstrukt, eine weitere bestandene Nagel(smann)-Probe, aufsteigende Form bei allen Beteiligten. Und ein Tabellenplatz, wie er uns gefällt. Es ist nach stotterigem Saisonstart ein deutliches Signal an die Konkurrenz - "Seht her: Der VfL ist wieder da!" (und er kann eine Führung sogar auch mal wieder ins Ziel retten).

Bundesliga 2020/21, 6. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - Brauseprodukt Leipzig 1:0. Tor für Borussia: 1:0 Hannes Wolf.

Saisonspende: Ein Tor, das erste "Zu-Null" in der Liga und der erste Sieg in der Historie der glorreichen Borussia gegen die Traditionslosen aus Leipzig, da kommen gleich 11,50 Euro in den Topf. Damit klettert der Spendenbetrag von 17 auf 28,50 Euro. Weiter so, Jungs!

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

2020-10-28

Das fast perfekte Spiel

Oh Mann! Borussia gegen Real - es hätte ein Spiel für die Ewigkeit werden können. Bis zur 93. Minute war es das auch. Doch dann wurde es doch nur wieder das, was man als erfahrener Gladbach-Fan in solchen Situationen stets befürchtet: Ein "Das-hab-ich-kommen-sehen"-Ergebnis. Viel Lob, aber nicht die verdiente Belohnung für einen außergewöhnlichen Auftritt. Der Stich im Magen, jedes Mal, wenn man über das "Was wäre gewesen, wenn..." nachdenkt.

So, damit hake ich die schlechten Gedanken, die sich in der Schlussphase in die Partie gemischt haben, für heute allerdings auch mit Nachdruck ab. Ich drücke die Enttäuschung darüber beiseite, dass der VfL innerhalb von einer nicht einmal einer Woche zwei Weltklasseteams an den Rand einer Niederlage gebracht hat und am Ende dann doch nur mit je einem Punkt dastand.
Ich pfeife darauf, dass diese beiden ehrenwerten Ergebnisse es zugleich etwas wahrscheinlicher machen, dass wir am Ende in dieser Hammergruppe hauchdünn das Weiterkommen verpassen könnten, und dies dann möglicherweise an diesen heutigen paar Sekunden Nachspielzeit zu viel gelegen haben könnte. 

Denn bei mir überwiegt klar die Freude über diese Leistung. Ich möchte mein Team feiern. Denn so jämmerlich der Rahmen eines leeren Stadions war: Es war, was das Geschehen auf dem Rasen anging, mal wieder ein echter, ein großer Europacup-Abend. Und es war nicht der haushohe Favorit aus Madrid, der ihn bestimmt hat, sondern unsere kleine Borussia. Es war der VfL, der nach fordernden 15 Minuten, in denen Flo Neuhaus und Co. keinen rechten Zugriff aufs Spiel bekamen, nach und nach aufdrehte. Es war, taktisch und ergebnistechnisch, ein "fast perfektes Spiel".

Nein, es war kein rauschendes Fest mit einer spielerisch entfesselten Mannschaft, die einen Favoriten dann förmlich überrollt, wie es vor über 30 Jahren beim 5:1 im Rheinstadion gelang. Dafür war es über 70 Minuten eine wahnsinnig disziplinierte taktische (Meister-)Leistung der Mannen um Chris Kramer, die gegen den Ball in einer 4-2-4-Ordnung äußerst präzise verschoben und dem Gegner damit fast keine Räume ließen, um sich in gefährliche Situationen zu kombinieren.
Real hatte zwar in der ersten Halbzeit zehn Abschlüsse in der Statistik, doch nur einer wurde wirklich zur Gefahr für das Tor von Yann Sommer. Der Rest war viel Ratlosigkeit und Frust bei den Königlichen. Das war natürlich nicht immer besonders attraktiv anzuschauen - aber es war beeindruckend und vor allem: sehr effektiv. 

Veredelt wurde diese bärenstarke erste Halbzeit durch  den wunderschönen Spielzug zum 1:0. Wieder einmal durch cleveres Pressing von Hofmann, Plea und Stindl erzwungen, durch einen tollen Pass von Neuhaus eingeleitet, dann durch Hofmann und Plea so serviert, dass Marcus Thuram nur noch danke sagen musste. Ein weiteres Tor der Extraklasse in diesem Wettbewerb. Und ein Zeichen an die Konkurrenz.
Denn mit diesem Tor löste sich auch das letzte Stückchen Ehrfurcht vor dem Gegner.
Stand in der ersten halben Stunde noch das konzentrierte Verschieben und zerstören gegen den Ball im Vordergrund, befreiten sich die Borussen im Anschluss immer öfter und besser und erkämpften sich ihrerseits längere Ballbesitzphasen, was wichtige Entlastung und Zeit zum Durchatmen brachte. 

Das bereitete Real zunehmend Kopfzerbrechen, deren Passfolgen wurden zwar immer länger, aber ohne, dass sie die Gladbacher Hintermannschaft wirklich hätten aushebeln können. Und wenn doch Bälle in den Strafraum flogen, wurden die konzentriert und robust wegverteidigt. Auch der gefürchtete Sergio Ramos fand bei Standards immer wieder seinen Meister. Erst in der Schlussphase, als die Innenverteidigung der Gäste komplett in den Sturm wechselte und so Überzahl schaffen konnte, setzte sich dann auch Ramos - wie beim 2:2 - in Szene. 

Wie positiv sich diese reife erste Halbzeit auf das Selbstvertrauen ausgewirkt hatte, konnte man auch nach der Pause fast staunend beobachten. Gladbach wurde frecher und kam zu weiteren Chancen, nutzte gar den zweiten Torschuss zum 2:0. Und hätte man dann einen der folgenden aussichtsreichen Angriffe genauso eiskalt genutzt, wären die Madrilenen heute sicher nicht mehr zurückgekommen.

Die Kräfteverhältnisse änderten sich erst in der Schlussviertelstunde wieder. Mit der Einwechslung von Luka Modric und Eden Hazard wurde das Spiel von Real variabler und mit schwindenden Kräften fiel es den Schützlingen von Marco Rose immer schwerer, noch alle Lücken zuzulaufen. Entlastung gab es kaum noch, obwohl die Räume nach vorne dagewesen wären.
Viele schwer zu verteidigende Freistöße aus dem Halbfeld kosteten zusätzlich Körner und Konzentration und schließlich reichte Madrid ein guter Laufweg und eine nicht verhinderte lange Flanke aus, um Gladbach anzuknocken und sich durch Benzema wieder ins Spiel zu bringen. Besonders ärgerlich, dass der späte Ausgleich auf ganz ähnliche Weise fiel. Andererseits war das größere Versäumnis der Mannschaft gewesen, nicht vorher eine der vorhandenen guten Konterchancen (Stindl, Plea) vernünftig ausgespielt zu haben. Oder gar noch nach dem Ausgleich zurückzuschlagen. Doch auch der aussichtsreiche letzte Angriff versandete mit einem ärgerlich leichten und überhasteten Fehlpass im Strafraum. Das 3:2 in allerletzter Sekunde wäre wahrlich ein Statement gewesen.

Nun ist es anders gekommen. Statt vier oder sechs durchaus greifbaren Punkten steht Borussia bei nur zweien. Das sagt aber immer noch nicht viel über die Chancen aus, im dritten Anlauf in der Champions League vielleicht das erste Mal die Gruppenphase auch überstehen zu können. 

Andererseits nimmt das Team auch aus diesem Spiel wieder so unglaublich viel Erfahrung mit. Und wenn man die Entwicklung vom Wolfsburg-Spiel über Inter und Mainz bis heute ansieht, ist Borussia innerhalb von zwei Wochen ein ganzes Stück weiter gekommen, sowohl was die Fitness und Form der Schlüsselspieler angeht, als auch was den Umgang mit schwierigen Situationen im Spiel angeht.
Das 2:2 heute wie das von Mailand waren trotz der Enttäuschung am Ende viel mehr wert, als es an der Tabelle ablesbar ist.

Denn ich habe den Eindruck, dass die Jungs schnell dazulernen und dass ihnen dafür gerade die Duelle auf diesem Niveau guttun. Und wenn Plea und Thuram erst fit für volle 90 Minuten sind, dann machen sie in so einem Spiel dann irgendwann einfach früher den Deckel drauf. Hoffentlich. Davon träume ich jetzt einfach. Basta.

Champions League 2020/21, Gruppenphase, 2. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - Real Madrid 2:2. Tore für Borussia: 1:0 Thuram, 2:0 Thuram.

Saisonspende: Zwei Tore von Marcus Thuram bedeuten einen weiteren Euro, das Spendenkonto steigt auf 17 Euro.

Reminder: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2020-10-24

Erfolgsrezept Rückwärts-Rotation

Zwischen zwei Topspielen in der Champions League ein Auswärtssieg in Mainz, ein gutes Debüt für ein echtes Eigengewächs, dazu noch einige Stammspieler, die zumindest ein wenig geschont werden konnten: Am Ende stimmt Borussias Bilanz in der ersten von mehreren englischen Wochen.

In der Tat: Die drei Punkte sind für das Kerngeschäft Bundesliga gerade in dieser frühen Saisonphase äußerst wichtig, auch wenn die Strahlkraft des mittleren "Ma" in der "Ma"-"Ma"-"Ma"- Woche (Mailand, Mainz, Madrid) sicher nicht die größte ist.
Im Gegenteil: Bei einem punktlosen Schlusslicht hat eine Mannschaft wie Gladbach mehr zu verlieren als zu gewinnen
(schön, dass wir das sagen können)

Also gilt auch diesmal der ausgelutschte Spruch vom wichtigen Arbeitssieg, über dessen Zustandekommen in drei Wochen ohnehin keiner mehr sprechen wird. So einfach mache ich es mir natürlich nicht. Und auch das Trainerteam wird gesehen haben, was heute nicht so lief wie erhofft.

Eins wird Marco Rose und den Spielern auf jeden Fall klar geworden sein: Jeden Tag und gegen jeden Gegner wird es in der Liga nicht gelingen, einen Halbzeitrückstand so zu reparieren.
Denn heute kamen die entscheidenden Impulse glücklicherweise von der Bank - durch die nominellen Stammspieler Hofmann, Neuhaus, Thuram und Plea. Da profitiert ein Trainer natürlich enorm von den derzeit fünf Wechselmöglichkeiten.
Letzte Woche war das noch anders, da verpufften beim 1:1 gegen Wolfsburg die Wechsel fast ohne Wirkung.

Das zeigt: So ganz ausgewogen ist der Kader noch nicht besetzt, oder sagen wir besser - so ganz ausgewogen ist der Leistungsstand noch nicht. Bei Thuram, Plea, aber auch Embolo merkt man, wie sie von jeder Spielminute profitieren, und zugleich auch, dass es ihnen kräftemäßig hilft, wenn sie noch nicht immer über 90 Minuten gehen müssen.
Kurz gesagt: Heute ist es gut gegangen. Aber das wäre es vermutlich gegen viele andere Teams in der Liga nicht.

Damit zu etwas sehr Positivem: Herzlichen Glückwunsch zum Debüt, Rocco Reitz! Das war eine couragierte und abgeklärte Leistung des 18-Jährigen, dem man nicht anmerkte, dass er zum ersten Mal in der Bundesliga auflief. Nach hinten fleißig und geschickt im Zweikampf, nach vorne fehlerlos, mit guten Pässen und dem Selbstvertrauen, nicht nur immer die sicherste Lösung zu suchen. Fast hätte es sogar mit dem ersten Assist geklappt, als Patrick Herrmann seinen tollen langen Ball in die Spitze hervorragend verarbeitete, mit seinem Schuss aber an der Latte scheiterte. Dazu kommt das gute Gefühl, dass Borussia mit Reitz endlich mal wieder einen Spieler von ganz unten aus der eigenen Jugend bis in die Bundesliga gebracht hat.

Dass man angesichts von seiner Leistung nun aber nicht gleich mit Superlativen um sich werfen muss, versteht sich bei abgeklärten Fans von selbst. Es lag aber auch ein bisschen daran, dass die Abstimmung im zentralen Mittelfeld trotz aller Bemühungen von Chris Kramer und Rocco Reitz nicht immer die effektivste war. Das legte  - etwas unverdient - einen kleinen Schatten auf die ersten 60 Bundesliga-Minuten des jungen Mittelfeldspielers, der seit der U9 im Borussia-Trikot aufläuft und den dennoch vor der Saison keiner der Außenstehenden auf dem Zettel gehabt haben dürfte - mich eingeschlossen.

Jedenfalls ließ die Mannschaft es nach der frühen Führung fortan einmal mehr - mit mehr Ballbesitz und wenig Raumgewinn - etwas ruhiger angehen. Und das hat schon viele zunächst unterlegene Mannschaft gegen Gladbach wieder "aufgebaut". Auch die Mainzer heute, denen bis dahin die Verunsicherung durchaus anzumerken war.
Diesmal war das besonders ärgerlich, weil die Gastgeber in der ersten Hälfte immer wieder viel zu leicht durch die Gladbacher Hälfte kamen und so auch beide Tore einleiteten. Mit einfachen langen Bällen, die meist per Kopf in die Räume zwischen Abwehr und Mittelfeld verlängert wurden, stellte Mainz den VfL vor Probleme, und die Rose-Elf konnte froh sein, dass der Gegner oft den vorletzten Pass vor dem Strafraum noch versemmelte. Dass es irgendwann plötzlich 1:2 stand, war daher zur Halbzeit auch nicht so ganz unverdient.

Das lag natürlich nicht daran, dass heute Rocco Reitz in einer etwas anderen taktischen Aufstellung neben Kramer auf dem Platz stand. Aber es zeigt, dass die vielen personellen Umstellungen zur Vorwoche die defensive Stabilität mehr beeinträchtigten als zu erwarten war. Rotation ist eben nicht ohne Risiko. Und in dieser Defensive beackerte eben auch der 18-Jährige die entscheidenden Räume. Doch selbst wenn Reitz heute einen groben Fehler gemacht hätte, würde ihm das keiner übelnehmen. Denn nur wenn er auf dem höchsten Niveau spielen darf, kann er daran wachsen und wird besser. 

Einen gebrauchten Tag erlebte dagegen ausgerechnet ein absoluter Routinier. Ich bin ein großer Fan von Tony Jantschke, auch weil man ihn nachts wecken und jederzeit ins Spiel bringen kann, weil man sich auf ihn absolut verlassen kann. Eigentlich.

Deshalb war ich heute geradezu erschrocken über sein Verhalten beim 1:1. Dass Quaison mit einem einfachen Zuspiel am Strafraum den Ball erhielt, war natürlich nicht sein Fehler. Doch auch Jantschke antizipierte die Situation zu spät und ging dann eher ungeschickt in den Zweikampf, sodass Quaison relativ unbedrängt abschließen konnte. Das kann passieren. Doch dass er dann kurz stehenblieb und erst weiterlief, als der Ball vom Pfosten zurücksprang, kenne ich so von Tony nicht. Das war sein zweiter Fehler in dieser Szene, denn wäre er gleich weitergelaufen, hätte er Matetas nicht besonders platzierten Nachschuss vor der Linie wahrscheinlich gut abwehren können.

Mit dem Wissen um den 3:2-Sieg kann man das natürlich lockerer sehen. Doch wir wissen auch, dass es genau solche Unaufmerksamkeiten sind, die sich gegen die Topmannschaften meist rächen. 

Entspannter als im Spiel lässt sich nun auch die merkwürdige Linie des Unparteiischen Frank Willenborg betrachten, der vor allem in der ersten Halbzeit mehrfach sekundenlanges heftiges Trikotzerren (selbst im Strafraum) durch Mainzer ignorierte und weder die fälligen Freistöße noch Gelbe Karten verhängte. Selbstredend kamen so die später wegen anderer Delikte zurecht verwarnten Herren Niakhaté und Kilian ohne Platzverweis davon. Auf der anderen Seite gab es den gelben Karton für Embolo, Neuhaus und Thuram. Drei lachhafte Entscheidungen, denn zwei davon hatten überhaupt nicht gefoult, und Embolos Foul war eins der normalen Kategorie, eine Verwarnung damit überzogen.
Das machte heute nichts aus. Aber wir wissen alle, dass sich Karten addieren und möglicherweise später in der Saison ausgerechnet dann eine Sperre droht, wenn es personell doch eine Rolle spielt. Äußerst ärgerlich also, vor allem, weil es zu häufig passiert.  

So wie das Spiel einen guten Ausgang nahm, will ich meinen Text auch mit etwas Positivem beenden. Denn wenn der zwischenzeitliche Rückstand für etwas gut war, dann für die Reife der Mannschaft, die sich aus dieser schwierigen Situation gut befreite und sich von dem Rückstand auch nicht merklich aus der Ruhe bringen oder nervös machen ließ.
Anders als gegen Wolfsburg, wo am Ende die Ideen fehlten, um dem Spiel noch eine Wendung zu geben, spielte sich Borussia mit Hofmann und Neuhaus im Mittelfeld zunehmend frei und kam zu den Gelegenheiten, die am Ende den Unterschied machten: Thuram mit seiner vierten Elfmeter-"Vorarbeit" in Folge, dazu die Standardsituation, mit der Matthias Ginter per Kopf die Entscheidung erzwang.
Das war schon ein reifes Finish - und an dem hat natürlich einer einen ganz großen Anteil, der vor nicht allzulanger Zeit noch ein rotes Tuch für viele "Fans" war: Jonas Hofmann. Dass er neben Laufwunder, Pass-Künstler und hervorragendem Forechecker derzeit auch noch ein erstklassiger Scorer ist, ist bemerkenswert. Hofmann übernimmt Verantwortung und zieht sich damit selbst auch irgendwie in eine ungeahnte Leistungsklasse. Und Spieler dieses Formats braucht Borussia. Nicht nur gegen Mainz 05.  

Bundesliga 2020/21, 5. Spieltag: FSV Mainz 05 - Borussia  Mönchengladbach 2:3. Tore für Borussia: 0:1 Stindl, 2:2 Hofmann (Foulelfmeter, Thuram), 2:3 Ginter.

Saisonspende: Drei Tore in Mainz, da kommen 1,50 Euro in den Topf. Damit steht das Spendenkonto aktuell bei 16 Euro.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

2020-10-22

Steile Lernkurve und ein Tor zum Einrahmen

Whoo-hoo! Was für ein packendes Spiel! Welch schöner Erfolg! Das 2:2 von Borussia Mönchengladbach im San Siro ist bemerkenswert. Man wächst ja bekanntlich mit seinen Aufgaben. Doch der Reihe nach. 

Ein Punkt ist ein Punkt ist ein Punkt. Was er für Borussia in der Champions League in der Endabrechnung wert sein wird, muss man am ersten Gruppenspieltag sicher noch nicht diskutieren. Aber er kann sehr wichtig sein. Dass dies gegen eine ungleich höher einzuschätzenden Gegner und in dessen Stadion ein gewonnener und verdienter Punkt war, steht außer Frage. Und deshalb gehe ich heute sehr gelöst und sehr zufrieden an meinen Text zum Spiel - nachdem ich gefühlt zwei Stunden gebraucht habe, um wieder zu meinem Ruhepuls zurückzukehren.

Auch während des Spiels war es mit Gelassenheit natürlich nicht weit her. Es war eine aufreibende Partie, und nichts anderes war ja auch zu erwarten gewesen. Der VfL mit seiner in den bisherigen Spielen gezeigten seltsamen Mischung aus Genialität, Schludrigkeit und Phlegma gegen den übermächtig scheinenden Brocken aus Mailand - den Euro-League-Finalisten und italienischen Vizemeister, einen Verein mit ganz anderen finanziellen Möglichkeiten, als es der Herausforderer vom Niederrhein je sein wird.

Nun kann man lange darüber diskutieren, ob es denn verzeihlich ist, dass die Rose-Elf auch diesmal eine späte Führung nicht noch die paar wenigen Minuten über die Zeit bringen konnte. Natürlich war das ärgerlich, ganz klar. So kurz vor dem Ziel dann doch wieder diese eine Unaufmerksamkeit, die eine erfahrene und abgezockte Mannschaft wie Inter in Person des eiskalten Torjägers Romelu Lukaku sich einfach nicht entgehen lässt.

Andererseits wäre es ungerecht, die Leistung der Mannschaft damit "am langen Ende" und "ein Stück weit" zu entwerten. Denn erstens war der VfL heute, was das Ausnutzen von Torchancen anging, noch deutlich effektiver als der Gegner. Und zweitens war dieses Spiel über die gesamten 97 Minuten weit mehr als nur der kleine Nackenschlag zum Schluss. Es gab heute eine erstaunliche Entwicklung zu sehen, an der sich das Team zurecht hochziehen kann und aus dem es sehr viel für die nächsten Aufgaben mitnehmen kann. Und wir Fans auch.

Denn nach einem forschen Beginn, der Inter in den ersten Minuten erfolgreich weit weg vom Tor von Yann Sommer hielt, mussten Chris Kramer und seine Nebenleute in der Folge immer mehr Raum abgeben. Die Gastgeber kamen besser ins Spiel, erstickten das Gladbacher Aufbauspiel mehr und mehr und zwangen den Gegner zum häufigen Quer- und Zurückspielen. Zwar waren immer wieder Räume auch für etwas riskantere Steilpässe nach vorn dagewesen. Doch da der Respekt gegenüber den robusten Inter-Akteuren von Minute zu Minute zu wachsen schien, wurde ein ums andere Mal der sicherere Rückwärtsgang eingelegt. Das sah nach einer Weile dann schon wieder phasenweise aus wie gegen Union oder gegen Wolfsburg - nur gegen einen wirklich starken Gegner.

So schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, wann Mailand in Führung gehen würde. Perisic konnte zu oft über links frei flanken, und in der Mitte näherte sich Inters Superstürmer Lukaku diesen Flankenbällen immer mehr an. Hätte Nico Elvedi nicht so einen absoluten Sahnetag erwischt, dann hätte es wohl schon in der ersten Halbzeit in Sommers Tor geklingelt. 

Dass selbst eine defensive Klasseleistung des Schweizers nicht ausreichen würde, den äußerst geschickten Zweikämpfer im Inter-Trikot ganz aus dem Spiel zu nehmen, war zwar absehbar. Umso bitterer, dass es dem belgischen Stürmer ausreichte, Elvedi im ganzen Spiel dreimal zu entwischen, um zweimal ins und einmal haarscharf neben das Tor zu zielen.

Dennoch schafften es die Schützlinge von Marco Rose, sich in Richtung Halbzeitpause wieder besser zu befreien und ein paar Nadelstiche nach vorne zu setzen. Irgendwann setzte zwar stets ein unpräzises Zuspiel dem Entstehen einer echten Torchance ein Ende. Doch es war deutlich zu sehen, wie sich das Team als Team Stück für Stück freikämpfte und freispielte - und sich so buchstäblich auf dem höheren Niveau der Champions League zu akklimatisieren begann.
Somit war das torlose Ergebnis zur Halbzeit dem Spiel auch durchaus angemessen - auch wenn einige Unsicherheiten zu sehen waren, die auch schon in den Spielen vorher zu beobachten gewesen waren.

Mit dem Anpfiff der zweiten 45 Minuten war von der mutigeren Borussia allerdings kaum noch etwas zu sehen. Inter drückte nun stärker nach vorn und kam durch die Einwechslung von Lautaro Martinez zu mehr Bewegung im Angriffsdrittel und damit auch leider viel zu schnell zum Führungstreffer. Ab da war klar, dass es sehr schwer werden würde, hier wieder zurückzukommen.

Doch der VfL war nicht bereit, schon die Segel zu streichen. Das hatte auch etwas mit dem vielleicht größten Lerneffekt aus der ersten Hälfte zu tun. Da hatte die Rose-Elf schmerzhaft erfahren müssen, was ein niederländischer Fifa-Spitzenschiedsrichter alles so nicht pfeift. Und die Spieler begriffen schnell und nahmen das an. Zum Glück blieb Björn Kuipers seiner großzügigen Linie treu, sodass auch der VfL nun öfter mit der nötigen Zweikampfhärte zu Werke ging und gehen konnte. In der Folge bekam die Mannschaft mehr Zugriff und lief bis auf Ausnahmen, die dann auch gleich wieder zu gefährlichen Szenen führten, auch die Räume wieder besser zu.

Dass die Mannschaft sich auch bei einem Rückstand nicht frühzeitig aufgibt, wissen wir schon aus der letzten Saison. Was wie schon beim Wolfsburg-Spiel dazukam: Es gelingt den Spielern derzeit auch mal etwas, wenn man es gerade nicht unbedingt erwartet. So fielen beide Tore nicht aus heiterem Himmel, aber doch auch nicht so, dass man sie sekündlich erwarten konnte.
Klasse, wie sich Marcus Thuram in der Elfmeterszene im Strafraum durchsetzte, sodass Vidal nur der Fußangler blieb. Es war übrigens schon der dritte Elfmeter, den der Franzose in dieser Saison rausgeholt hat. Bei dem heutigen regte mich aber richtig auf, wieso man für dieses klare Foul erst einen Videoreferee brauchte. Selbst wenn Kuipers es nicht genau gesehen hatte - es war an Thurams Fallen klar abzulesen, dass er da nicht absichtlich so hatte hinfallen können. Aber egal, nach einer Minute Rumbrüllen meinerseits hatte es ja dann auch der Schiri eingesehen.
Gut, wenn man in einer so wichtigen Phase des Spiels einen guten Elfmeterschützen zur Hand hat. Wie Bensebaini da wiederholt aus elf Metern den Ball links wie rechts hart und präzise neben den Pfosten platzieren kann, ist schon beeindruckend. Ein wirklich eiskalter Hund! Allerdings war er ja auch auf der Filip-Daems-Gedächtnisposition unterwegs, das färbt ja vielleicht ab ;-)

Höhepunkt des Spiels war für mich dann aber der unverhoffte und auch gar nicht so ganz hochverdiente Führungstreffer durch einen bemerkenswert abgebrühten Beinschuss von Jonas Hofmann gegen Routinier Handanovic im Inter-Tor. Dieser feine Ball durch die Beine war die gerechte Strafe dafür, dass der Keeper kurz zuvor bei einer Harakiri-Aktion weit außerhalb des Strafraums Plea rüpelhaft angesprungen hatte und heilfroh sein musste, dass er dafür nur mit Gelb davonkam.

Aber klar, dieses Tor ist nicht nur deshalb so sehenswert. Ohne den Sensationspass von Flo Neuhaus,der scharf durch alle Mailänder Abwehrketten schnitt, wäre das nicht zustande gekommen. Und natürlich wäre dieser Spielzug nicht so hinreißend schön geworden, dass man ihn sich ausschneiden und an die Wand hängen möchte. Das. War. Ein. Weltklassetor! Und ganz ehrlich: Wenn uns das nach fünf Minuten Hin- und Herspulen in der Videokabine wegen eines Hauchs von Abseits wieder aberkannt worden wäre, dann hätte das schon fast Büchsenwurf-Dimensionen gehabt.
Zum Glück triumphierte in dieser Szene nicht die schnöde Technik über die Genialität des fußballerischen Moments. Das lässt mein Fanherz dann im humorlosen Fußballbusiness auch einmal wieder ganz besonders frohlocken.

Gut, es fiel dann doch noch auf der falschen Seite einer rein. Zwar nach einer für die Verteidiger eklig hereingespielten Ecke, doch diese wiederum resultierte aus einer weiteren leichten Flanke von der linken Abwehrseite. Das sind Dinge, die vermeidbar wären. Andererseits konnte sich so auch Yann Sommer beim Kopfball von Darmian noch mit einer Klasseparade auszeichnen. Vielleicht war das diese eine weit überdurchschnittliche Szene, die er braucht, um wieder zurück auf sein absolutes Top-Niveau zu kommen. So wie sich die Spieler heute vom Torwart bis zum letzten Einwechselspieler in die Königsklasse reingebissen, sich gegenseitig in jeder Szene gepusht und damit auch viel Selbstbewusstsein getankt haben dürften. 

Sie haben gezeigt: Wir sind ein Team. Wir sind Borussia! Und wir lassen uns auch von großen Namen und Ausnahmespielern nicht bange machen. Auf diese Jungs und ihren heutigen Auftritt bin ich wirklich stolz, auch wenn er natürlich nicht frei von Fehlern war. Aber mit dem Ergebnis und der Art und Weise, wie er zustande kam, lässt es sich heute gut einschlafen.
Es scheint, als finde der VfL so langsam seinen Flow und wird warm mit der Corona-Saison. Hoffen wir, dass sich dieser Eindruck verfestigt und nicht gegen Mainz wieder alte Unsicherheiten aufbrechen.  

Champions League 2020/21, Gruppenphase, 1. Spieltag: Inter Mailand - Borussia  Mönchengladbach 2:2. Tore für Borussia: 1:1 Bensebaini (Foulelfmeter, Thuram), 1:2 Hofmann.

Saisonspende: Zwei Tore alias 1 Euro kommen durch Ramy und Jonas heute dazu, damit steht das Spendenkonto aktuell bei 14,50 Euro.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2020-10-18

Zunehmend aufgerieben

Tja, das war kein besonders guter Start in die erste harte Saisonphase mit sechs Spielen innerhalb von 17 Tagen. Das Unentschieden gegen Wolfsburg ist am Ende verdient für beide Teams, aber es lässt in keiner Weise zufrieden in die nähere Zukunft blicken.

Wieder war Borussia eine Halbzeit lang dem Gegner klar überlegen, stand defensiv sicher und erspielte sich vorne einige sehr gute Chancen. Doch wieder reichte es in den ersten 45 Minuten nicht zu einer Führung, die einer Mannschaft das Spielen dann auch mal etwas leichter machen kann. Nach der Pause war von der Entschlossenheit der ersten 45 Minuten nur noch wenig zu sehen. Torchancen gab es gar keine mehr, die Fehlpässe und Ballverluste im Spiel nach vorn häuften sich, die engen Zweikämpfe mit ständiger Verletzungsgefahr gegen die gewohnt rücksichtslosen Wolfsburger ebenfalls. 

Die Gäste kamen mit dem wilder werdenden Hin und Her besser zurecht, konnten sich zunehmend befreien und kamen ihrerseits zu häufig gefährlich vor das Tor von Yann Sommer. Gut, wie sich die Mannschaft von Marco Rose wehrte, auch wenn sie den Zugriff in den Zweikämpfen mehr und mehr verlor. Sie warfen sich vor dem eigenen Tor mehrfach erfolgreich ins Getümmel und verhinderten damit - wie auch Sommer selbst - einige Male den Führungstreffer der Wölfe.

Und dafür schien Gladbach belohnt zu werden, als Marcus Thuram aus einem eigentlich aussichtslosen Laufduell in Klassemanier noch einen Foulelfmeter erzwang, den Jonas Hofmann zur Führung verwandelte. So weit, so gut. An manchen Tagen muss man eben nehmen, was gerade drin ist. Doch es war fast absehbar, dass Kramer und Co. diesen knappen Vorsprung nicht über die Schlussviertelstunde ins Ziel retten würden. Sie rieben sich auf und arbeiteten sich am Gegner ab, ohne aber selbst noch den wichtigen Lucky Punch setzen zu können.

Genau das unterscheidet Borussia derzeit von einem Team mit Spitzenambitionen. Trotz aller Bemühungen, sich nicht zu sehr zurückdrängen zu lassen, gelangen der Borussia kaum noch Entlastungsangriffe. Das Tor der Gäste war in der Entstehung vielleicht etwas glücklich, aber blitzsauber herausgespielt - begünstigt durch eine misslungene Befreiungsaktion und der schnellen Reaktion von Baku und Weghorst, die eine für den Moment unsortierte Abwehr dadurch sehr schlecht aussehen ließen. 

Ab diesem Zeitpunkt - sämtliche durchsetzungsfähigen Stürmer waren zu diesem Zeitpunkt bereits vom Feld gegangen, blieb fast nur noch die Hoffnung darauf, wenigstens diesen einen Punkt festzuhalten. Das gelang, aber es ist dennoch zu wenig, wenn man sich in den kommenden Wochen mit einigen der größten Mannschaften messen will. 

Was heute deutlich wurde: Es steht zwar ein sehr ausgeglichener Kader auf dem Papier, aber Marco Rose hat ihn derzeit noch nicht zur Verfügung. Das liegt einfach daran, dass zu viele Spieler nicht oder noch nicht in Höchstform sind. Heute mussten Stevie Lainer und Marcus Thuram mit Blessuren vom Platz, wir können nur hoffen, dass es nichts Schlimmeres ist.
Das, was Stindl, Neuhaus und Kramer heute zeigten, war solide. Sehr viel Einsatz und einige gute Szenen, aber dabei auch viel Stückwerk. Eine Leistung, an der sich andere Spieler in schwierigen Phasen hochziehen können, war es nicht. Oscar Wendt und nach ihrer Einwechslung Patrick Herrmann, Ramy Bensebaini und Tony Jantschke blieben eher blass. Hannes Wolf fand auch diesmal keine Bindung ins Spiel. 

Das bedeutete, dass trotz fünf Wechselmöglichkeiten heute von der Bank keine wirksamen Impulse gesetzt werden konnten. Für die kommenden Wochen, wo es ohne personelle Rotationen nicht gehen wird, ist das keine gute Nachricht. Denn auch wenn Plea heute aus anderen Gründen fehlte und er im nächsten Spiel wieder zur Verfügung steht: Allein kann er es auch nicht rausreißen. Denn auch seine Sturmkollegen Thuram und Embolo sind noch nicht so lange wieder aus ihren Verletzungspausen zurück, dass sie schon wieder die Sterne vom Himmel schießen könnten. Wobei man sagen muss, dass sie heute ihre Stärken druchaus zu zeigen wussten.

Die Euphoriebremse ist jedenfalls spätestens nach diesem Spiel eingelegt. Tabellarisch sind fünf Punkte in der Liga nicht toll, aber immer noch annehmbar. Doch wenn es ganz schlecht läuft, kommen bis Anfang November auch nicht mehr allzuviele Punkte dazu. In der Champions League warten schließlich mit Inter, Real und dem mit Sicherheit sehr unangenehm zu spielenden Schachtjor Donezk absolut harte Nüsse. In der Bundesliga sind die Punkte gegen Mainz schon fast Pflicht, da Borussia es anschließend gegen Leipzig und Leverkusen sicher ungleich schwerer haben wird, zwei Siege einzufahren.

Ihr seht, ich habe meine Erwartungen schon um einiges zurückgeschraubt. Denn es geht in dieser Saison nicht darum, die Champions League zu gewinnen, sondern darum, auf der Ultra-Langstrecke am Ende noch möglichst gut durchs Ziel zu gehen. Deshalb ist es völlig in Ordnung, im Herbst noch im Niemandsland der Tabelle herumzukrebsen - zumindest, solange der Kontakt zu den wichtigen Plätzen nicht abreißt. Aber wer weiß, vielleicht überrascht mich die Mannschaft ja auch positiv. Ich hätte nichts dagegen, aber überzeugt bin ich davon noch nicht.

Damit kurz zum Unparteiischen. Ich habe selten einen Schiedsrichter gesehen, der in einem Spiel eine so schlechte Zweikampf- und Foulbewertung an den Tag gelegt hat und dennoch das Spiel dabei nicht merklich beeinflusste. Die viel zu großzügige Linie, die Daniel Schlager auf beiden Seiten fuhr, führte logischerweise zu besonders vielen unnötigen (und ungeahndeten) Zusammenstößen mit Verletzungspotential - leider ein wiederkehrendes Ärgernis gerade in Partien gegen Wolfsburg.
Mehrmals schaute Schlager bei Luftzweikämpfen sogar zu früh weg und sah dadurch Fouls überhaupt nicht. Er wurde aber auch von seinen Assistenten nicht darauf aufmerksam gemacht. Ob er dem Spiel mit dieser laxen Linie einen Dienst erwies, darf man doch stark in Frage stellen.
Dazu muss ich natürlich die Witz-Verwarnung gegen Flo Neuhaus monieren, der von drei Wolfsburgern geschubst wurde, selbst aber aktiv überhaupt nichts gemacht hatte. Wenn da doch Videobilder aus Köln bei der Sortierung der Vergehen helfen könnten, weiß ich nicht, warum man den Schiedsrichter, der davon nichts gesehen hat, damit allein lässt, sodass der dann zur Standardreaktion "Gelb für je einen Spieler beider Teams" greift, ungeachtet des Verlaufs der Provokation. 

Egal, nun gilt es, das Spiel schnell abzuhaken und das Gute daraus mitzunehmen - etwa die Zähigkeit, mit der Borussia sich heute in diesem Abnutzungskampf gewehrt hat. Und wer weiß, vielleicht verleiht die Freude daran, endlich auf höchstem Niveau in der Champions League antreten zu können, ja manchem im Team auch unverhofft Flügel. Eins ist klar: Wir brauchen dazu jedenfalls keine Koffeinzuckerlösung.  

Bundesliga 2020/21, 4. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - VfL Wolfsburg 1:1. Tor für Borussia: 1:0 Hofmann (Foulelfmeter, Thuram).

Saisonspende: So mau wie das Ergebnis heute fällt auch die Spieltagsbilanz bei meiner Saisonspende aus. Nur 50 Cent kommen durch Jonas Hofmanns Elfmetertor dazu, damit stehen wir nun bei 13,50 Euro.

2020-10-13

Jetzt geht's so richtig los

Es ist Mitte Oktober, und so langsam sortiert und normalisiert sich alles rund um Borussia und den Spitzenfußball etwas. Was könnten das für aufregende Tage gewesen sein, mit der Champions League-Auslosung, dem Derby, den ungewöhnlichen Länderspielnominierungen für gleich drei VfL-Spieler auf einmal - und natürlich mit dem ungewöhnlich späten Transfer-Endspurt. 

Doch irgendwie fühlt sich das nicht nur alles etwas matter an als sonst, es ist es wohl auch. Das kann man gerade aus Gladbacher Sicht allerdings auch positiv sehen. Es war angenehm langweilig, weil der qualitativ gute Kader des Rose-Teams schon sehr lange stand, weil nicht in letzter Minute noch mit einem unmoralischen Angebot für Ginter, Zakaria, Plea oder sonstwen zu rechnen war. Weil es keinen Grund gab, noch schnell irgendwelche Panikverpflichtungen zu tätigen.

Und weil Borussia mit dem standesgemäßen Derbysieg auch tabellarisch rechtzeitig wieder in die richtige Richtung gestartet ist, um unnötige Diskussionen während der Länderspielpause zu vermeiden.

Der Start ist nicht berauschend, aber in Ordnung. Und es ist nicht so, dass man nicht vor der Saison wissen konnte, dass das Anfangsprogramm kein Neun-Punkte-Selbstläufer sein würde. Jetzt sind es vier, nach dem Spielverlauf wären 5 oder 6 drin gewesen. Also kein Grund zur Aufregung. Die zweite DFB-Pokalrunde ist locker erreicht, auch wenn wir noch länger darauf warten müssen, gegen wen es dann kurz vor Weihnachten in Runde zwei geht.

Und die Champions-League-Gruppe ist – nun, wie soll man sagen – toll und doch unglücklich zugleich. Toll, weil es richtige sportliche Kaliber sind, mit denen sich die Mannschaft messen darf und aufgrund der doch noch nicht ganz so überzeugenden Frühform auch "muss". Aber die Freude zumindest über die Lose Real und Inter werden natürlich durch die Umstände in diesem und wohl auch noch dem nächsten Jahr sehr getrübt. Wie toll wäre es, Auswärtsfahrten ins San Siro oder ins Estadio Santiago Bernabéu zu begleiten. Alles ein Opfer der aktuellen Pandemielage.

Dazu kommt die Frage, unter welchen Umständen und mit welchen Wettbewerbsverzerrungen diese Spiele über die Bühne gehen werden. Coronafälle in den Vereinen können die sportlichen Verhältnisse schnell ad absurdum führen, wenn dann plötzlich eine Reihe von Spielern nicht auf den Platz dürften oder Spiele gar am grünen Tisch entschieden werden könnten. Das muss natürlich nicht unbedingt zum Schaden Borussias sein, aber wer will schon dank Corona Spiele gewinnen?

Wir werden es abwarten müssen und eine erhoffte Revanche für erlittenes Leid durch lange zurückliegende seltsame Niederlagen gegen Inter Mailand und Real Madrid wohl fast ausschließlich vor dem Fernseher verfolgen. Es gäbe wirklich schönere Vorstellungen, aber ändern können wir es ja ohnehin nicht.

Damit zur Nationalmannschaft. Der Ausflug der drei Borussen zu Jogi Löw hat sich sportlich gesehen gelohnt. Matthias Ginter hat sich – trotz nicht fehlerloser Leistung gegen die Ukraine und nicht nur wegen seines wichtigen Führungstors – jedenfalls eher in eine Stammspielerrolle gespielt als seine wenig souveränen und im Spielaufbau sehr limitierten Nebenleute Rüdiger oder Süle. Auch vor Koch und Can muss sich der Gladbacher sicher nicht verstecken.

Für Florian Neuhaus und Jonas Hofmann war es sicher eine gute Erfahrung, mehr aber nicht. Wenn die arrivierten Spieler von den Großclubs wieder alle berücksichtigt werden, wird für sie kein Platz sein. Und selbst gegen die Schweiz reizte Löw nach den mutlosen Einwechslungen von Halstenberg, Can und Draxler nicht einmal sein ganzes Auswechselkontingent aus, um wenigstens einen Gladbacher Siegtorschützen einzuwechseln – in Köln!!!! Na ja, so hat er wenigstens nochmal alle Vorurteile bestätigt.
Natürlich: Die Zeit von Florian Neuhaus wird sicher noch kommen - aber wohl nicht unter diesem Trainer und möglicherweise erst dann, wenn er zu einem anderen Verein gewechselt ist. Das schöne Debüttor als Gladbacher aber kann ihm und uns keiner mehr nehmen.

Was Löw angeht, konnte ich in diesen Spielen beim besten Willen kein Konzept erkennen, was diese Mannschaft nun eigentlich spielen soll. Und das merkte man in jeder Besetzung deutlich. Mit modernem Fußball hatte das jedenfalls nichts zu tun, egal ob das der berühmte „Winner“-Block von den Bayern auf dem Platz stand oder die zusammengewürfelte Türkei-Besetzung. Letztlich habe ich die Spiele geschaut, um unsere Spieler zu beobachten, allerdings war das Ganze doch eher verschwendete Lebenszeit. Wenn man sieht, welche Qualität im deutschen Team grundsätzlich zur Verfügung steht, waren alle drei Spiele weit unter Wert gespielt.

Leider hat sich auch die kleine Schweizer Fraktion kaum zusätzliches Selbstvertrauen holen können. Yann Sommer war gegen Spanien am Gegentor mitschuldig und zeigte auch heute gegen Deutschland einmal mehr, dass er in dieser Saison noch nicht hundertprozentig angekommen zu sein scheint. Mal sehen, ob er und Nico Elvedi dennoch in den nächsten Wochen ihre Leistung stabiler abrufen können. Denn beide haben zwar durchweg nicht schlecht gespielt. Doch in manchen Szenen war zu sehen, dass zur absoluten Topform noch ein bisschen fehlt, gerade in den Szenen, in denen man sagen würde: Das haben sich auch schon mal besser gelöst. Oder: Den hätte Yann an anderen Tagen vielleicht noch gehabt.

Egal, die Länderspielpause ist, so scheint es, für Borussias Internationale ohne große Blessuren überstanden. Und das heißt auch: Jetzt beginnt die Saison so richtig. Es wird knackig und fordernd. Machen wir alle das Beste draus!

Saisonspende: Borussia hat kein Pflichtspiel gehabt, aber dafür hat sich sogar die Länderspielpause diesmal gelohnt. Ich hatte es ja so ausgelobt, deshalb kommen für die Tore von Flo Neuhaus gegen die Türkei und Matthias Ginter gegen die Ukraine zwei weitere Euro auf die Rechnung. Das Schweiz-Spiel war trotz der größten Gladbach-Dichte dagegen ein Rohrkrepierer. Sei's drum. Der Gesamtstand meiner Saisonspende steigt jedenfalls von 11 auf 13 Euro. Und sollten Spieler des VfL weiterhin in Länderspielen des DFB berücksichtigt werden, werde ich natürlich auch hier die Wette aufrechterhalten.

2020-10-03

Zu gnädig

Kann man nach einem souveränen Auftritt beim Erzrivalen und einem sicheren Sieg dennoch mit einer Portion Unzufriedenheit aus dem Derby gehen? Ich finde ja, aber dazu später.

First of all: Das war eine saubere Leistung von Borussia, die die Weichen in der Saison nach zwei sieglosen Spielen in die richtige Richtung stellen könnte. Eine Woche nach dem eher matten 1:1 gegen Union zeigte das Team von Marco Rose heute - mit der gleichen Startelf - die richtige Reaktion, setzte die Kölner von Beginn an unter Druck und stellte damit vor allem die so nicht bundesligataugliche Defensive der Gastgeber vor erhebliche Probleme.
Das frühe 2:0 nahm den Borussen früh den größten Druck eines drohenden Fehlstarts in der Bundesliga. Die Führung fiel durch zwei gute und gewitzte Aktionen, die aber dennoch weniger zwingend nach Tor rochen als zwei, drei Szenen zuvor, als etwa Jonas Hofmann allein vor Timo Horn an selbigem scheiterte. 

Aber egal, die Tore fielen ja, und gerade war man als Fan dabei, sich angesichts des Spielstands ein wenig zurückzulehnen, um das Spiel zu genießen, da entglitt dem VfL die Spielkontrolle wieder - und zwar völlig unnötig - für mehrere Minuten. Das geschah leider nicht zum ersten Mal nach klaren Führungen in den vergangenen Jahren.
Auslöser waren diesmal vor allem zwei Szenen. Gleich nach dem 2:0 war es der riskante Rückpass-Chip von Christoph Kramer, den Yann Sommer nicht richtig kontrollieren konnte und dem Kölner Stürmer Andersson am Fünfmeter-Raum genau vor die Füße legte. Der zirkelte den Ball zwar nur an den Pfosten des leeren Tores - doch das war ein Weckruf für den bis dahin völlig überforderten Gegner.

Der FC begann, höher anzugreifen und zu pressen, während der VfL sich mehr darauf verlegte, den Ball in den eigenen Reihen tief zirkulieren zu lassen, oft im eigenen Abwehrdrittel mit Yann Sommer, der in den vergangenen Monaten gefühlt nie so viele Ballkontakte hatte wie heute.

Die zweite Szene, die eher Köln als Gladbach nutzte, war die überflüssige Auseinandersetzung zwischen Ramy Bensebaini und dem Kölner Ehizibue an der Seitenlinie. Der Schubser des Gegners musste nicht sein, aber genausowenig die Kopf-an-Kopf-Einlage von Bensebaini, die die erste kleine Rudelbildung im Spiel auslöste und daraus folgend eine härtere Gangart vor allem von Seiten der Gastgeber, die Kramer und Co. für ein paar Minuten etwas aus dem Konzept brachte.

Der Rest des Spiels war überschaubar. Das lag daran, dass Köln zu schwach war, um neben dem Anschlusstreffer, dem eher zufälligen Pfostentreffer und einem späten Andersson-Kopfball in die Arme von Yann Sommer große Torgefahr zu entwickeln.
Es lag aber auch daran, dass Kapitän Lars Stindl und seine Kollegen trotz aller Emsigkeit und Dominanz auf dem Platz viel zu viele Chancen liegenließen, im Stadion des Gegners mal ein richtiges Schützenfest zu feiern. Mal kam der letzte Pass nicht durch, mal war ein Abwehrbein oder ein Körperteil von Keeper Timo Horn dazwischen, mal wurden die Konterchancen einfach zu kompliziert angelegt und verdaddelt. Auch das ist nichts Neues, es ist auch deshalb so, dass man sich als VfL-Fan nie so ganz sicher fühlen kann - nicht einmal, wenn es 3:0 steht, für das früh in der zweiten Hälfte ein Elfmeter herhalten musste.

Mit den Einwechslungen und der im Prinzip schon feststehenden Niederlage kam bei Köln nochmal ein bisschen frischer Wind. Und eine doppelt schlecht gelöste Situation des ansonsten (im Vergleich zur Vorwoche) wieder gewohnt stabilen und gut aufgelegten Flo Neuhaus brachte die Architektur des Spiels ein zweites Mal ins Wanken. Erst spielte Neuhaus in der eigenen Hälfte einen risikoreichen Fehlpass, dann grätschte er beim folgenden Steilpass auf Rexhbecaj ins Leere, sodass der mutterseelenallein auf Sommers Tor zulaufen und mit einem satten Schuss ins Eck zum 1:3 treffen konnte. Gut, der Schuss sah auch nicht ganz unhaltbar aus, aber das war nicht der Fehler in dieser Szene.

Danach geriet der Auswärtssieg vor der traurigen Kulisse von 300 Heimfans zwar nicht wirklich in Gefahr, doch ein krummes Ding - vielleicht nach einem Freistoß oder einer Ecke - hätte ja gereicht, um die Nummer nochmal ganz heiß zu machen. Das wäre allerdings ein Hohn gewesen, angesichts der gebotenen Leistungen beider Teams. 

Und so bin ich dann doch etwas gespalten in der Bewertung. Natürlich bin ich hochzufrieden über einen sicheren Auswärts-Derbysieg, zumal diese Partien in den letzten Jahren zwar auch meist deutlich bessere Gladbacher gezeigt hatten, aber unter dem Strich jeweils nur sehr knappe Ergebnisse standen.

Andererseits muss man kritisieren, dass Borussia es auch unter Marco Rose nicht schafft, einen klar dominierten Gegner auch mal mit fünf oder mehr Toren abzuschießen. Das war heute nicht nur möglich, sondern angesichts der doch sehr bescheidenen Gegenwehr der Domstädter eigentlich Pflicht. Allzuoft bekommt man diese Gelegenheit in der Liga einfach nicht, und auch Köln wird im Rückspiel voraussichtlich nicht noch einmal so einfach zu bespielen sein. Gerade wenn man an das 0:3 zum Auftakt gegen den BVB denkt, wäre es schon schön gewesen, wenn man in diesem Spiel wenigstens mal eine positive Tordifferenz rausgeschossen hätte. Da ist unsere Mannschaft manchmal einfach zu gnädig.

Unter dem Strich hat das Spiel aber gezeigt, dass die aus der Verletzung zurückgekommenen Spieler Thuram, Plea und Embolo auch mit diesem Spiel ein Stück weiter auf dem Weg zur alten Form sind. Vor allem "Lasso" zog heute viele gute Angriffe auf. Die Schwächen des Union-Spiels waren heute weitgehend wettgemacht, in der Defensive zeigten alle Beteiligten richtig starke Zweikämpfe, und auch wenn es nicht mit noch mehr Toren belohnt wurde - das Spiel war heute auch wieder ein Stück variabler als zuletzt.

Bleibt noch der Blick auf die Leistung des Schiedsrichters. Nach Brych und Stieler kam am dritten Spieltag mit Marco Fritz der dritte im Bunde der Selbstdarsteller zum Einsatz. Ich sage es mal so: Er passte sich eher der Leistung der Kölner an. Wenn der Spieler Ehizibue nach 66 Minuten mit einer Gelben Karte ausgewechselt werden kann, obwohl er sich verwarnungswürdige Aktionen für drei Gelb-Rote Karten geleistet hat; wenn auf Kölner Seite klarste taktische Fouls und Tritte auf Gladbacher Knöchel nicht mit Verwarnungen geahndet werden; aber dafür einmal mehr Marco Rose belehrt wird, wenn er sich darüber beschwert; und am Ende die Karten-Bilanz dann 3:3 steht - dann weiß man genug über die Leistung des Unparteiischen. Zum Glück hatte diese auch heute keine spiellenkenden Auswirkungen.  

Bundesliga 2020/21, 3. Spieltag: 1. FC K*** - Borussia  Mönchengladbach 1:3. Tore für Borussia: 0:1 Plea, 0:2 Lainer, 0:3 Stindl (Foulelfmeter, Thuram).

Saisonspende: Die drei Tore bringen heute 1,50 Euro. Das Zu-Null wurde fahrlässig hergeschenkt, also leider dort keine weitere Erhöhung der Spendensumme. Für den Derbysieg habe ich gar keine Summe ausgerufen, aber natürlich gehört sich das so. Aber weil es ja schon Standard ist, den Ölnern die Grenzen aufzuzeigen, gibt es dafür "nur" 5 Euro extra. Der Gesamtstand damit derzeit: 11,00 Euro.
Damit geht es in die Länderspielpause. Sollte sich Jogi Löw aber herablassen, den nun eingeladenen drei Gladbachern auch noch ausreichend Spielzeit zu geben, damit die ein Tor erzielen oder vorbereiten können, würde ich dies auch mit jeweils einem Euro vergelten. Also
Jonas, Flo und Matze: Geht's raus und spuit's Fußball!