2020-10-18

Zunehmend aufgerieben

Tja, das war kein besonders guter Start in die erste harte Saisonphase mit sechs Spielen innerhalb von 17 Tagen. Das Unentschieden gegen Wolfsburg ist am Ende verdient für beide Teams, aber es lässt in keiner Weise zufrieden in die nähere Zukunft blicken.

Wieder war Borussia eine Halbzeit lang dem Gegner klar überlegen, stand defensiv sicher und erspielte sich vorne einige sehr gute Chancen. Doch wieder reichte es in den ersten 45 Minuten nicht zu einer Führung, die einer Mannschaft das Spielen dann auch mal etwas leichter machen kann. Nach der Pause war von der Entschlossenheit der ersten 45 Minuten nur noch wenig zu sehen. Torchancen gab es gar keine mehr, die Fehlpässe und Ballverluste im Spiel nach vorn häuften sich, die engen Zweikämpfe mit ständiger Verletzungsgefahr gegen die gewohnt rücksichtslosen Wolfsburger ebenfalls. 

Die Gäste kamen mit dem wilder werdenden Hin und Her besser zurecht, konnten sich zunehmend befreien und kamen ihrerseits zu häufig gefährlich vor das Tor von Yann Sommer. Gut, wie sich die Mannschaft von Marco Rose wehrte, auch wenn sie den Zugriff in den Zweikämpfen mehr und mehr verlor. Sie warfen sich vor dem eigenen Tor mehrfach erfolgreich ins Getümmel und verhinderten damit - wie auch Sommer selbst - einige Male den Führungstreffer der Wölfe.

Und dafür schien Gladbach belohnt zu werden, als Marcus Thuram aus einem eigentlich aussichtslosen Laufduell in Klassemanier noch einen Foulelfmeter erzwang, den Jonas Hofmann zur Führung verwandelte. So weit, so gut. An manchen Tagen muss man eben nehmen, was gerade drin ist. Doch es war fast absehbar, dass Kramer und Co. diesen knappen Vorsprung nicht über die Schlussviertelstunde ins Ziel retten würden. Sie rieben sich auf und arbeiteten sich am Gegner ab, ohne aber selbst noch den wichtigen Lucky Punch setzen zu können.

Genau das unterscheidet Borussia derzeit von einem Team mit Spitzenambitionen. Trotz aller Bemühungen, sich nicht zu sehr zurückdrängen zu lassen, gelangen der Borussia kaum noch Entlastungsangriffe. Das Tor der Gäste war in der Entstehung vielleicht etwas glücklich, aber blitzsauber herausgespielt - begünstigt durch eine misslungene Befreiungsaktion und der schnellen Reaktion von Baku und Weghorst, die eine für den Moment unsortierte Abwehr dadurch sehr schlecht aussehen ließen. 

Ab diesem Zeitpunkt - sämtliche durchsetzungsfähigen Stürmer waren zu diesem Zeitpunkt bereits vom Feld gegangen, blieb fast nur noch die Hoffnung darauf, wenigstens diesen einen Punkt festzuhalten. Das gelang, aber es ist dennoch zu wenig, wenn man sich in den kommenden Wochen mit einigen der größten Mannschaften messen will. 

Was heute deutlich wurde: Es steht zwar ein sehr ausgeglichener Kader auf dem Papier, aber Marco Rose hat ihn derzeit noch nicht zur Verfügung. Das liegt einfach daran, dass zu viele Spieler nicht oder noch nicht in Höchstform sind. Heute mussten Stevie Lainer und Marcus Thuram mit Blessuren vom Platz, wir können nur hoffen, dass es nichts Schlimmeres ist.
Das, was Stindl, Neuhaus und Kramer heute zeigten, war solide. Sehr viel Einsatz und einige gute Szenen, aber dabei auch viel Stückwerk. Eine Leistung, an der sich andere Spieler in schwierigen Phasen hochziehen können, war es nicht. Oscar Wendt und nach ihrer Einwechslung Patrick Herrmann, Ramy Bensebaini und Tony Jantschke blieben eher blass. Hannes Wolf fand auch diesmal keine Bindung ins Spiel. 

Das bedeutete, dass trotz fünf Wechselmöglichkeiten heute von der Bank keine wirksamen Impulse gesetzt werden konnten. Für die kommenden Wochen, wo es ohne personelle Rotationen nicht gehen wird, ist das keine gute Nachricht. Denn auch wenn Plea heute aus anderen Gründen fehlte und er im nächsten Spiel wieder zur Verfügung steht: Allein kann er es auch nicht rausreißen. Denn auch seine Sturmkollegen Thuram und Embolo sind noch nicht so lange wieder aus ihren Verletzungspausen zurück, dass sie schon wieder die Sterne vom Himmel schießen könnten. Wobei man sagen muss, dass sie heute ihre Stärken druchaus zu zeigen wussten.

Die Euphoriebremse ist jedenfalls spätestens nach diesem Spiel eingelegt. Tabellarisch sind fünf Punkte in der Liga nicht toll, aber immer noch annehmbar. Doch wenn es ganz schlecht läuft, kommen bis Anfang November auch nicht mehr allzuviele Punkte dazu. In der Champions League warten schließlich mit Inter, Real und dem mit Sicherheit sehr unangenehm zu spielenden Schachtjor Donezk absolut harte Nüsse. In der Bundesliga sind die Punkte gegen Mainz schon fast Pflicht, da Borussia es anschließend gegen Leipzig und Leverkusen sicher ungleich schwerer haben wird, zwei Siege einzufahren.

Ihr seht, ich habe meine Erwartungen schon um einiges zurückgeschraubt. Denn es geht in dieser Saison nicht darum, die Champions League zu gewinnen, sondern darum, auf der Ultra-Langstrecke am Ende noch möglichst gut durchs Ziel zu gehen. Deshalb ist es völlig in Ordnung, im Herbst noch im Niemandsland der Tabelle herumzukrebsen - zumindest, solange der Kontakt zu den wichtigen Plätzen nicht abreißt. Aber wer weiß, vielleicht überrascht mich die Mannschaft ja auch positiv. Ich hätte nichts dagegen, aber überzeugt bin ich davon noch nicht.

Damit kurz zum Unparteiischen. Ich habe selten einen Schiedsrichter gesehen, der in einem Spiel eine so schlechte Zweikampf- und Foulbewertung an den Tag gelegt hat und dennoch das Spiel dabei nicht merklich beeinflusste. Die viel zu großzügige Linie, die Daniel Schlager auf beiden Seiten fuhr, führte logischerweise zu besonders vielen unnötigen (und ungeahndeten) Zusammenstößen mit Verletzungspotential - leider ein wiederkehrendes Ärgernis gerade in Partien gegen Wolfsburg.
Mehrmals schaute Schlager bei Luftzweikämpfen sogar zu früh weg und sah dadurch Fouls überhaupt nicht. Er wurde aber auch von seinen Assistenten nicht darauf aufmerksam gemacht. Ob er dem Spiel mit dieser laxen Linie einen Dienst erwies, darf man doch stark in Frage stellen.
Dazu muss ich natürlich die Witz-Verwarnung gegen Flo Neuhaus monieren, der von drei Wolfsburgern geschubst wurde, selbst aber aktiv überhaupt nichts gemacht hatte. Wenn da doch Videobilder aus Köln bei der Sortierung der Vergehen helfen könnten, weiß ich nicht, warum man den Schiedsrichter, der davon nichts gesehen hat, damit allein lässt, sodass der dann zur Standardreaktion "Gelb für je einen Spieler beider Teams" greift, ungeachtet des Verlaufs der Provokation. 

Egal, nun gilt es, das Spiel schnell abzuhaken und das Gute daraus mitzunehmen - etwa die Zähigkeit, mit der Borussia sich heute in diesem Abnutzungskampf gewehrt hat. Und wer weiß, vielleicht verleiht die Freude daran, endlich auf höchstem Niveau in der Champions League antreten zu können, ja manchem im Team auch unverhofft Flügel. Eins ist klar: Wir brauchen dazu jedenfalls keine Koffeinzuckerlösung.  

Bundesliga 2020/21, 4. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - VfL Wolfsburg 1:1. Tor für Borussia: 1:0 Hofmann (Foulelfmeter, Thuram).

Saisonspende: So mau wie das Ergebnis heute fällt auch die Spieltagsbilanz bei meiner Saisonspende aus. Nur 50 Cent kommen durch Jonas Hofmanns Elfmetertor dazu, damit stehen wir nun bei 13,50 Euro.

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