2020-10-24

Erfolgsrezept Rückwärts-Rotation

Zwischen zwei Topspielen in der Champions League ein Auswärtssieg in Mainz, ein gutes Debüt für ein echtes Eigengewächs, dazu noch einige Stammspieler, die zumindest ein wenig geschont werden konnten: Am Ende stimmt Borussias Bilanz in der ersten von mehreren englischen Wochen.

In der Tat: Die drei Punkte sind für das Kerngeschäft Bundesliga gerade in dieser frühen Saisonphase äußerst wichtig, auch wenn die Strahlkraft des mittleren "Ma" in der "Ma"-"Ma"-"Ma"- Woche (Mailand, Mainz, Madrid) sicher nicht die größte ist.
Im Gegenteil: Bei einem punktlosen Schlusslicht hat eine Mannschaft wie Gladbach mehr zu verlieren als zu gewinnen
(schön, dass wir das sagen können)

Also gilt auch diesmal der ausgelutschte Spruch vom wichtigen Arbeitssieg, über dessen Zustandekommen in drei Wochen ohnehin keiner mehr sprechen wird. So einfach mache ich es mir natürlich nicht. Und auch das Trainerteam wird gesehen haben, was heute nicht so lief wie erhofft.

Eins wird Marco Rose und den Spielern auf jeden Fall klar geworden sein: Jeden Tag und gegen jeden Gegner wird es in der Liga nicht gelingen, einen Halbzeitrückstand so zu reparieren.
Denn heute kamen die entscheidenden Impulse glücklicherweise von der Bank - durch die nominellen Stammspieler Hofmann, Neuhaus, Thuram und Plea. Da profitiert ein Trainer natürlich enorm von den derzeit fünf Wechselmöglichkeiten.
Letzte Woche war das noch anders, da verpufften beim 1:1 gegen Wolfsburg die Wechsel fast ohne Wirkung.

Das zeigt: So ganz ausgewogen ist der Kader noch nicht besetzt, oder sagen wir besser - so ganz ausgewogen ist der Leistungsstand noch nicht. Bei Thuram, Plea, aber auch Embolo merkt man, wie sie von jeder Spielminute profitieren, und zugleich auch, dass es ihnen kräftemäßig hilft, wenn sie noch nicht immer über 90 Minuten gehen müssen.
Kurz gesagt: Heute ist es gut gegangen. Aber das wäre es vermutlich gegen viele andere Teams in der Liga nicht.

Damit zu etwas sehr Positivem: Herzlichen Glückwunsch zum Debüt, Rocco Reitz! Das war eine couragierte und abgeklärte Leistung des 18-Jährigen, dem man nicht anmerkte, dass er zum ersten Mal in der Bundesliga auflief. Nach hinten fleißig und geschickt im Zweikampf, nach vorne fehlerlos, mit guten Pässen und dem Selbstvertrauen, nicht nur immer die sicherste Lösung zu suchen. Fast hätte es sogar mit dem ersten Assist geklappt, als Patrick Herrmann seinen tollen langen Ball in die Spitze hervorragend verarbeitete, mit seinem Schuss aber an der Latte scheiterte. Dazu kommt das gute Gefühl, dass Borussia mit Reitz endlich mal wieder einen Spieler von ganz unten aus der eigenen Jugend bis in die Bundesliga gebracht hat.

Dass man angesichts von seiner Leistung nun aber nicht gleich mit Superlativen um sich werfen muss, versteht sich bei abgeklärten Fans von selbst. Es lag aber auch ein bisschen daran, dass die Abstimmung im zentralen Mittelfeld trotz aller Bemühungen von Chris Kramer und Rocco Reitz nicht immer die effektivste war. Das legte  - etwas unverdient - einen kleinen Schatten auf die ersten 60 Bundesliga-Minuten des jungen Mittelfeldspielers, der seit der U9 im Borussia-Trikot aufläuft und den dennoch vor der Saison keiner der Außenstehenden auf dem Zettel gehabt haben dürfte - mich eingeschlossen.

Jedenfalls ließ die Mannschaft es nach der frühen Führung fortan einmal mehr - mit mehr Ballbesitz und wenig Raumgewinn - etwas ruhiger angehen. Und das hat schon viele zunächst unterlegene Mannschaft gegen Gladbach wieder "aufgebaut". Auch die Mainzer heute, denen bis dahin die Verunsicherung durchaus anzumerken war.
Diesmal war das besonders ärgerlich, weil die Gastgeber in der ersten Hälfte immer wieder viel zu leicht durch die Gladbacher Hälfte kamen und so auch beide Tore einleiteten. Mit einfachen langen Bällen, die meist per Kopf in die Räume zwischen Abwehr und Mittelfeld verlängert wurden, stellte Mainz den VfL vor Probleme, und die Rose-Elf konnte froh sein, dass der Gegner oft den vorletzten Pass vor dem Strafraum noch versemmelte. Dass es irgendwann plötzlich 1:2 stand, war daher zur Halbzeit auch nicht so ganz unverdient.

Das lag natürlich nicht daran, dass heute Rocco Reitz in einer etwas anderen taktischen Aufstellung neben Kramer auf dem Platz stand. Aber es zeigt, dass die vielen personellen Umstellungen zur Vorwoche die defensive Stabilität mehr beeinträchtigten als zu erwarten war. Rotation ist eben nicht ohne Risiko. Und in dieser Defensive beackerte eben auch der 18-Jährige die entscheidenden Räume. Doch selbst wenn Reitz heute einen groben Fehler gemacht hätte, würde ihm das keiner übelnehmen. Denn nur wenn er auf dem höchsten Niveau spielen darf, kann er daran wachsen und wird besser. 

Einen gebrauchten Tag erlebte dagegen ausgerechnet ein absoluter Routinier. Ich bin ein großer Fan von Tony Jantschke, auch weil man ihn nachts wecken und jederzeit ins Spiel bringen kann, weil man sich auf ihn absolut verlassen kann. Eigentlich.

Deshalb war ich heute geradezu erschrocken über sein Verhalten beim 1:1. Dass Quaison mit einem einfachen Zuspiel am Strafraum den Ball erhielt, war natürlich nicht sein Fehler. Doch auch Jantschke antizipierte die Situation zu spät und ging dann eher ungeschickt in den Zweikampf, sodass Quaison relativ unbedrängt abschließen konnte. Das kann passieren. Doch dass er dann kurz stehenblieb und erst weiterlief, als der Ball vom Pfosten zurücksprang, kenne ich so von Tony nicht. Das war sein zweiter Fehler in dieser Szene, denn wäre er gleich weitergelaufen, hätte er Matetas nicht besonders platzierten Nachschuss vor der Linie wahrscheinlich gut abwehren können.

Mit dem Wissen um den 3:2-Sieg kann man das natürlich lockerer sehen. Doch wir wissen auch, dass es genau solche Unaufmerksamkeiten sind, die sich gegen die Topmannschaften meist rächen. 

Entspannter als im Spiel lässt sich nun auch die merkwürdige Linie des Unparteiischen Frank Willenborg betrachten, der vor allem in der ersten Halbzeit mehrfach sekundenlanges heftiges Trikotzerren (selbst im Strafraum) durch Mainzer ignorierte und weder die fälligen Freistöße noch Gelbe Karten verhängte. Selbstredend kamen so die später wegen anderer Delikte zurecht verwarnten Herren Niakhaté und Kilian ohne Platzverweis davon. Auf der anderen Seite gab es den gelben Karton für Embolo, Neuhaus und Thuram. Drei lachhafte Entscheidungen, denn zwei davon hatten überhaupt nicht gefoult, und Embolos Foul war eins der normalen Kategorie, eine Verwarnung damit überzogen.
Das machte heute nichts aus. Aber wir wissen alle, dass sich Karten addieren und möglicherweise später in der Saison ausgerechnet dann eine Sperre droht, wenn es personell doch eine Rolle spielt. Äußerst ärgerlich also, vor allem, weil es zu häufig passiert.  

So wie das Spiel einen guten Ausgang nahm, will ich meinen Text auch mit etwas Positivem beenden. Denn wenn der zwischenzeitliche Rückstand für etwas gut war, dann für die Reife der Mannschaft, die sich aus dieser schwierigen Situation gut befreite und sich von dem Rückstand auch nicht merklich aus der Ruhe bringen oder nervös machen ließ.
Anders als gegen Wolfsburg, wo am Ende die Ideen fehlten, um dem Spiel noch eine Wendung zu geben, spielte sich Borussia mit Hofmann und Neuhaus im Mittelfeld zunehmend frei und kam zu den Gelegenheiten, die am Ende den Unterschied machten: Thuram mit seiner vierten Elfmeter-"Vorarbeit" in Folge, dazu die Standardsituation, mit der Matthias Ginter per Kopf die Entscheidung erzwang.
Das war schon ein reifes Finish - und an dem hat natürlich einer einen ganz großen Anteil, der vor nicht allzulanger Zeit noch ein rotes Tuch für viele "Fans" war: Jonas Hofmann. Dass er neben Laufwunder, Pass-Künstler und hervorragendem Forechecker derzeit auch noch ein erstklassiger Scorer ist, ist bemerkenswert. Hofmann übernimmt Verantwortung und zieht sich damit selbst auch irgendwie in eine ungeahnte Leistungsklasse. Und Spieler dieses Formats braucht Borussia. Nicht nur gegen Mainz 05.  

Bundesliga 2020/21, 5. Spieltag: FSV Mainz 05 - Borussia  Mönchengladbach 2:3. Tore für Borussia: 0:1 Stindl, 2:2 Hofmann (Foulelfmeter, Thuram), 2:3 Ginter.

Saisonspende: Drei Tore in Mainz, da kommen 1,50 Euro in den Topf. Damit steht das Spendenkonto aktuell bei 16 Euro.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

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