2018-11-26

Süßer Sieg, bitterer Beigeschmack

Vier Punkte noch, dann sollte der Klassenerhalt im Kasten sein. Nein, im Ernst: VfL-Fan zu sein, macht gerade richtig viel Spaß. Ein weiterer ungefährdeter Sieg, trotz des Ein-Tore-Vorsprungs, den Elvedi und Co den Gästen mit auf den Weg gaben. Die ersten zehn Minuten waren dann aber auch die einzigen, in denen einer unserer Lieblingsgegner der Hecking-Elf gefährlich werden konnte. Doch dazu später mehr.

Denn bei aller Freude über die souveräne Leistung - dieser Sieg wurde teuer erkauft, mit der schweren Verletzung von Matthias Ginter. Der Horror-Crash mit dem Hannoveraner Sarenren Bazee wurde wohl ausgelöst durch leichte Schubser im Mittelfeld gegen den Gästeakteur im Zweikampf mit Florian Neuhaus und Jonas Hofmann, wobei letzterer den Gegner wohl so verhängnisvoll ins Straucheln brachte, dass er voll mit dem Schädel in Ginters Gesicht krachte. 
Die lange Behandlungsdauer noch im Stadion lässt Schlimmes befürchten, auf jeden Fall eine lange Pause für den so wichtigen Aufbauspieler und Abräumer in der Abwehr. 
Und by the way: Dass Hannovers Ärzte ihren sichtlich angeknockten Spieler nochmal aufs Spielfeld ließen, fand ich unverantwortlich. Wie gefährlich das für die Gesundheit der Spieler sein kann, davor wird immer wieder gewarnt (zum Beispiel hier: Kopfverletzungen: Die unterschätzte Gefahr, Deutsche Welle). Falscher Ehrgeiz des Spielers müsste hier durch die Vernunft der Fachleute eigentlich gebremst werden können.

Die Verletzung Ginters, über die natürlich bisher noch nichts näheres bekannt ist, wirft nicht nur einen unserer Dauerbrenner auf dem Feld aus der Bahn. Der Ausfall des unumstrittenen Stammspielers könnte Borussia als Team empfindlich treffen. Denn der heutige Ersatz Tony Jantschke machte zwar seine Sache gewohnt gut, allerdings auch gegen ziemlich harmlose Gäste. In manchen Spielen, etwa nächste Woche in Leipzig, sind auf dieser Position aber viel stärker als heute Spieleröffnungs-Qualitäten gefragt und vor allem auch das kühle und geschickte Verhalten bei extrem aggressivem gegnerischen Angriffs-Pressing. 
Da andere Innenverteidiger-Alternativen im Moment fehlen - Doucouré erneut verletzt, Florian Mayer in der U23 offenbar auch nicht nachhaltig aufgefallen - wäre es natürlich möglich, dass Dieter Hecking Tobi Strobl nach hinten zieht, wobei dies angesichts des auch heute wieder bärenstarken Auftritts Strobls als Sechser keine Ideallösung wäre, vor allem, falls Christoph Kramer noch nicht wieder fit sein sollte. Aber denken wir nicht zu weit in die Zukunft, hoffen erstmal, dass es Matze Ginter nicht so schlimm erwischt hat, wie es aussah. Und wünschen alles Gute und schnelle Genesung für die Nummer 28.

Ansonsten gibt es heute wirklich nichts zu meckern. Das Premierentor von Michael Lang nach einer mustergültig ausgespielten Vorteilssituation des sehr guten (!) Schiedsrichters Siebert. Und überhaupt vier sehr schön herausgespielte Treffer. 
Klar, die Schlafmützigkeit vor dem 0:1 erinnerte an Freiburg, aber die Reaktion der Mannschaft war großartig. Unbeeindruckt zog sie ihr Spiel auf, geduldig, bisweilen noch einmal zu viel mit dem zirkulierenden Ball hintenrum. Aber wie es dann plötzlich blitzschnell und blitzgescheit nach vorne geht, egal ob über die Außen oder durch die Mitte, das ist ganz großes Kino. 

Neben dem umsichtigen Strobl, der auch immer wieder perfekt getimte lange Bälle in den Angriff spielen kann wie zum 4:1, haben mich heute wieder einmal Florian Neuhaus und der emsige Jonas Hofmann überzeugt. Hofmann spielt nicht mehr ganz so auffällig wie vor ein paar Wochen, aber er ist enorm wichtig mit seinen Laufwegen. Und er schafft damit auch Räume für die Spielmacherqualitäten von Neuhaus, der sehr viele Angriffe clever einleitet und tolle Pässe in die Spitze zu spielen vermag und heute beim 1:1 bereits seinen siebten Assist buchte, das bedeutet Liga-Spitze gemeinsam mit Frankfurts Haller und den BVB-Spielern Sancho und Reus. Auch zweikampftechnisch hat er enorm zugelegt, ihm unterlaufen kaum noch blöde Foulspiele oder Stellungsfehler, wie es zu Beginn der Saison noch ab und zu der Fall war. Eine tolle Entwicklung, die es Cuisance, Benes und Zakaria schwer macht, ihn aus der Startelf zu verdrängen.

Mann des Spiels war aber nicht Neuhaus, diesmal auch nicht Alassane Plea, der eher wirkungslos blieb, trotz untadeligem Einsatz. Es war Thorgan Hazard, der wie von einem anderen Stern aufspielte. Er eroberte Bälle in der eigenen Abwehr, leitete Angriffe ein, schloss sie ab, wechselte die Seiten und hatte bei seinen Aktionen - anders als sonst oft - keinerlei "Ausschuss". Alles, was er anpackte, hatte Hand und Fuß. Und auch nach 88 Minuten hatte er noch nicht genug, spielte weiter gnadenlos nach vorne. Nebenbei bereitete er seinem früheren Teamkollegen Julian Korb einen Alptraumabend. Ein ums andere Mal tanzte er den bedauernswerten "Juli" aus - und nahm ihn nach dem Schlusspfiff dafür auch tröstend in den Arm. 
Was der Belgier in dieser Saison zeigt, besonders aber heute, ist die Erfüllung dessen, was man sich bei seiner Verpflichtung vor vier Jahren von ihm versprechen konnte, zumindest wenn man ein wenig Fantasie in ein solches Talent zu stecken vermag. Oft genug hat Thorgan Hazard sein Genie im entscheidenden Moment vor dem Tor etwas verschlampt. Doch in dieser Saison ist er ein Spieler, der den Unterschied macht, auch in engeren Partien als der heute. Das macht ihn natürlich für größere Clubs auch noch interessanter. Aber das muss uns heute noch nicht die Laune verderben.

Oben schrieb ich, dass Hannover in den ersten zehn Minuten durchaus eine Gefahr darstellte. Und das sollte man bei Borussia auch ganz genau analysieren. Denn diese Phase zeigte, dass die Gegner natürlich genau beobachten, wo Gladbach am verwundbarsten ist. Diese Stelle liegt eindeutig auf der linken Abwehrseite im Rücken von Oscar Wendt. Der Angriff zum 0:1 heute war alles andere als Zufall, er wirkte einstudiert. Und er bewies, wie man mit nur einer geschickten Weiterleitung (hier per Kopf durch Füllkrug) in den Raum zwischen Nico Elvedi und Wendt die Borussen-Defensive gekonnt aushebeln kann. 
Wendt kommt hinter schnellen Außenstürmern dann einfach nicht ganz hinterher, Elvedi wäre zwar schnell genug, er erreicht aber von seiner Position den ballführenden Gegner nicht, zumal er auch einen Querpass in die Mitte im Blick haben muss. Es ist deutlich, dass viele Gegner des VfL immer wieder über die rechte Angriffsseite zum Erfolg zu kommen versuchen. 
Und wenn mich nicht alles täuscht, sind auch die meisten Gegentore über diese Seite eingeleitet worden. Dabei muss man sagen, dass Oscar Wendt nicht mal schlecht spielt, auch sein Stellungsspiel hat sich in den vergangenen Wochen wieder enorm stabilisiert. Dennoch bleibt ein Risiko. Und wer weiß, ob der schnelle Saranren Bazee nicht noch ein größeres Problem geworden wäre, hätte er nicht doch noch ausgewechselt werden müssen.

Daran sieht man: Borussia ist zwar - Stand jetzt - ein Spitzenteam mit einer bewundernswerten Abgeklärtheit auf dem Platz, aber es ist nicht vor Rückschlägen oder Fehlern gefeit. Gegen Freiburg hat sich ein solch früher Nackenschlag nicht mehr reparieren lassen. Heute war es letztlich keine Frage, wer den Platz als Sieger verlassen würde. Aber das war eben auch nur einer der schwächeren Gegner in dieser Liga, zumindest an diesem Tag.

Das kann uns egal sein. Denn ich sage es mit steigender Begeisterung: Wir sind Zweiter und sollten es auch nächste Woche bleiben (können). Wir stehen fünf Punkte vor Bayern München und acht vor Platz sieben. Dass man deshalb noch lange nicht irgendwelche Überlegungen zum Tabellenstand am Ende der Saison anstellen oder gar das Wort in den Mund nehmen sollte, das mit T beginnt und mit itelkandidat endet, versteht sich eigentlich von selbst. 
Doch ich gebe zu: Ich habe mir auch eine Karte für das Heimspiel am 34. Spieltag gesichert. Man kann ja nie wissen, ob die beiden Borussias, von denen nur unsere die einzig wahre ist, nicht da doch den Titel unter sich ausmachen - oder es irgendetwas anderes Tolles zu feiern gibt. Die Wahrscheinlichkeit schätze ich zwar nicht als sehr hoch ein. Aber sicher ist sicher. 
Allen Rauten-Borussen eine wunderschöne Woche - und Kopf hoch unseren Pechvögeln Matze Ginter und Mams Doucouré. Wir können es kaum erwarten, Euch wieder auf dem Rasen zu sehen. Die Seele brennt!


Bundesliga 2018/19, 12. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Hannover 96 4:1 (Tore für Borussia: 1:1 Hazard, 2:1 Lang, 3:1 Stindl, 4:1 Zakaria)

2018-11-10

Reifeprüfung bestanden

Ich muss es gleich noch einmal schreiben. Der VfL ist Zweiter!! Vor den Bayern!!! Und nicht nur eine Woche, sondern die ganze Länderspielpause über. Dass das verdient ist, daran gibt es keinen Zweifel, denn auch in Bremen überzeugte das Team von Dieter Hecking mit einer ausgereiften Leistung, wenn auch in der ersten Halbzeit mit einer sehr risikobewussten, aber sehr souveränen Spielweise. Nicht, dass nicht auch ein anderer Spielverlauf möglich gewesen wäre, vor allem unter dem Druck der Gastgeber in der letzten halben Stunde - aber Borussia hatte heute auf alles eine Antwort, und obwohl Bremen angesichts der zweiten Halbzeit (und der insgesamt größeren Chancendichte) einen Punkt sogar verdient gehabt hätte - es ging alles in Ordnung so. Der VfL hat eine wichtige Reifeprüfung bestanden - auch in einem aufgeputschten Weserstadion, das seine Mannschaft nach der Pause ordentlich nach vorne trieb.

Aber Borussia hielt dagegen: Ein starker Torwart, konzentrierte Feldspieler, klare Abschlüsse - das erlaubte Werder nur ganz selten Kontergelegenheiten, bei denen Gladbach zuletzt ja öfter mal anfällig gewirkt hatte. Und in der defensiven Ordnung ließ die Mannschaft zwar eine Reihe guter Einschussmöglichkeiten zu. Doch meist wurden die Angriffe der Bremer um ihren spielerischen Kopf Max Kruse schon vorher gut verteidigt.

Dass Alassane Plea heute der Spieler des Spiels war, versteht sich von selbst. Drei tolle Tore sind das eine. Aber die Art und Weise, wie er dabei vorging und wie er sich weitere gute Möglichkeiten erspielte, das war beeindruckend. Ballbehandlung, Torriecher, Blick für die Räume und Mitspieler - es zeigt sich immer mehr, dass Max Eberl und sein Team hier einen Unterschiedsspieler gefunden und verpflichtet haben. Einer, der den Gegner zwingt, ihn auch schon außerhalb des Strafraums eng zu verteidigen, weil er es versteht, von draußen hervorragend zu schießen. Einer, der den Ball robust behaupten, sich auf engstem Raum durchsetzen kann und in absolut jeder Spielsituation für Gefahr sorgen kann - im Gegensatz zu ebenfalls wirklich tollen Spielern wie Stindl oder Raffael. 
Der Unterschied, der zwischen diesen Stürmertypen liegt, ist letztlich der zwischen internationaler Klasse und Weltklasse. Plea dieses Label zu früh umzuhängen, wäre nicht gut. Aber seine Aktionen zeigen, dass er phasenweise genau das schon zeigt. In dem Moment, wenn er diese Leistungen kontinuierlich abrufen kann, sehe ich ihn vom Leistungsvermögen und von der Spielweise durchaus in der Tradition eines Thierry Henry.

Ich bin so froh, dass wir so einen Spieler in unseren Reihen haben. Das gilt aber auch für die anderen Jungs: Yann Sommer - einfach nur bärenstark und souverän. Michael Lang - eine Bereicherung auf der rechten Seite, offensiv derzeit noch etwas mehr als defensiv. Ginter und Elvedi - guter Spielaufbau, immer anspielbereit, eine sichere Bank in direkten Zweikämpfen. Oscar Wendt - heute mit deutlich mehr Licht als Schatten, aber dennoch nach dem 1:3-Anschlusstreffer mit gleich zwei Fehlpass-Böcken hintereinander. Insgesamt aber klar verbessert und natürlich mit der Torvorlage zum 3:0.
Tobi Strobl - Neben Plea für mich der Mann des Spiels. Saugte alles weg, was im Mittelfeld um ihn rum auftauchte. Geschickt im Zweikampf, auch wenn er nicht jeden für sich entscheidet. Oft auch effektiv darin, nur zu stören. Hätte zudem fast noch in der Anfangsphase beim Gestochere im Strafraum selbst getroffen. Neuhaus - unermüdlich, zweikampfgeschickt, nur im Abschluss noch unglücklich. Hofmann - nicht so auffällig wie zuletzt, aber wieder mit so wichtigen Balleroberungen und klasse Pässen, etwa vor dem 3:0 auf Wendt. Thorgan Hazard - ein unermüdlicher Wühler auf den Seiten, steter Gefahrenherd, der auch Platz für die Mitspieler schafft. Nur im Abschluss heute wieder etwas zu überhastet. Lars Stindl - Auch ohne die ganz großen Szenen und noch nicht wieder auf 100-Prozent-Level ein unverzichtbarer Baustein dieser Mannschaft. Seine "Nadelstiche" im Pressing stehen oft am Anfang von Balleroberungen und guten Gladbacher Chancen.

Und zu dieser Elf bringst du dann von der Bank Johnson, Zakaria und Traoré, die sich nahtlos einfügen. Und auf der Bank bleiben Raffael und Kramer; von Herrmann, Benes, Drmic und Ciusance ganz zu schweigen, die heute gar nicht auf dem Spielberichtsbogen standen. Wahnsinn!

Jetzt lässt sich das erstmal prima für ein paar Tage genießen. Und so wie ich das bis jetzt beobachtet habe, wird die Mannschaft auch zum nächsten Spiel nicht mit einer lässigen Einstellung antreten, sondern wissen, dass das Spiel auch gegen Hannover wieder bei Null beginnt. Man spürt, dass das Team mit allen, die spielen und auch denen, die draußen stehen, sich diese Ausgangslage nicht so schnell wieder nehmen lassen will. Und das ist die beste Ausgangsbasis für den Erfolg. Borussia-Fans gefällt das!



Bundesliga 2018/19, 11. Spieltag: Werder Bremen - Borussia Mönchengladbach 1:3 (Tore für Borussia: 0:1 Plea, 0:2 Plea, 0:3 Plea)

2018-11-05

Fürs erste gut erholt

Wieder Zweiter, wieder vor den Bayern. Das ist ein Spieltagsabschluss, wie man ihn sich nur wünschen kann. Bravo, Borussia! Berufsbedingt konnte ich das Spiel heute nicht so aufmerksam verfolgen wie sonst. Das macht aber nichts, denn es gibt heute nicht so viele Worte zu machen, Anlass für Kritik besteht nur in Kleinigkeiten. Der Sieg war auch in der Höhe verdient, hätte auch noch höher ausfallen können und dürfen. 

Aber: Damit Borussia auf die Siegerstraße kam, brauchte es erst einen Elfmeter, den ich nie und nimmer gepfiffen hätte. Da der VfL ja auch schon oft Leidtragender von solchen Entscheidungen war, will ich mich darüber nicht beklagen. Aber ich verstehe den Ärger der Gäste vollkommen, vor allem, weil es der Führungstreffer war, dem sich die Fortunen  zuvor tapfer (und nicht so unfair, wie ich befürchtet hatte), entgegen gestellt hatten. 

Mein Problem mit dieser Art Elfmeter ist die fehlende Einheitlichkeit bei der Beurteilung solcher Szenen. Vergrößerung der Körperfläche? Ja, minimal. Sähe das jeder Schiri so? Ich glaube nicht. Andererseits versucht der Spieler ja gerade, den Arm - bewegungsuntypisch - hinter den Körper zu bekommen. Und der Ball wird ihm aus einem Meter an den Arm geschossen. Es gibt also viel, was dagegen oder auch dafür sprechen könnte. Und das ist das Problem. Denn letztlich hängt die endgültige Entscheidung für oder gegen den Elfmeter daran, ob der Schiedsrichter in dieser Szene pfeift oder ob er weiterlaufen lässt, und somit dem Kölner Keller die Überprüfung überlässt. 
Das Ergebnis ist grundsätzlich verschieden. Denn: Es soll ja nur bei klaren Fehlentscheidungen aus Köln korrigiert werden. Das war bei Brychs Pfiff nicht der Fall, denn man KANN den Elfer geben. Hätte er es nicht so gesehen oder wäre sich nicht sicher gewesen, wäre das Veto aus Köln aber ebenfalls zwingend ausgeblieben. Denn man MUSS den Elfer ja nicht pfeifen. Das bedeutet: Es ist eine genauso willkürliche Entscheidung wie vor der Einführung des VAR, als Schiris noch keine Möglichkeit zur Korrektur einer einmal getroffenen Entscheidung hatten. 
Ich weiß zwar nicht, wie man das ehrlicher und gerechter lösen soll. Aber es wird immer deutlicher, dass der VAR bei knappen Ermessensentscheidungen wie Handspiel keinen Nutzen bringt, sondern eher für mehr Verdruss sorgt.

Aber zurück zum Spiel. Es war eine aus meiner Sicht sehr konzentrierte Leistung aller Spieler. Der Defensivabteilung gebührt dabei das Lob, die nicht ungefährlichen Angreifer des Gegners relativ sicher im Griff gehabt zu haben. Düsseldorf kam nur ganz selten in wirklich gute Abschlusspositionen. Das war eine Verbesserung zu den vergangenen beiden Spielen, allerdings auch gegen einen deutlich schwächeren Gegner.

Schade war heute, dass Florian Neuhaus gegen die alten Kollegen heute sein erneut hervorragendes Spiel nicht mit einem Tor krönen konnte. Verdient hätte er es gehabt, aber er stellte sich dabei, obwohl mehrfach hervorragend freigespielt, heute etwas ungeschickt an. Dafür hatte Thorgan Hazard einen herausragenden Tag erwischt. So viele Läufe in die Tiefe, so viele Spielankurbelungen und Torabschlüsse wie heute hat der Belgier zwar häufiger. Aber heute nutzte er seine Chancen endlich wieder besser. Schade, dass ihm das am Mittwoch so gar nicht gelungen war. In dieser Form ist Hazard auf jeden Fall wieder etwas für die Notizbücher der großen Clubs, das ist die Kehrseite der Medaille.

Welchen Mehrwert Alassane Plea für Borussias Angriff (und die Verteidigung) bietet, sollte inzwischen jeder verstanden haben, nicht zuletzt, nachdem er zuletzt eineinhalb Halbzeiten schmerzlich vermisst wurde. Auch heute brachte er nicht nur seine Physis und hervorragende Ballbehauptung ein, sondern auch Torgefahr außerhalb des Strafraums, auf die sich Borussias Gegner jahrelang nicht einstellen mussten, weil vernünftige Schüsse von außerhalb nahezu nicht vorkamen. Überdeutlich wurde sein Wert aber auch in dre Szene zum 3:0, als Plea durch geschicktes Kreuzen seinen Gegenspieler mit aus dem Zentrum zog und Thorgan Hazard so im Sturmzentrum den direkten Weg zum Tor öffnete. Es sind solche Kleinigkeiten, die auch in engen Spielen und auf höherem Niveau als heute den Unterschied machen können. Und deshalb bin ich so unendlich froh, dass uns dieser Stürmer zur Verfügung steht. 
Das gilt nicht zuletzt auch, weil Raffael heute an dem schnellen Passkreisel, den Hazard, Hofmann, Neuhaus und Plea mitunter aufziehen, nicht immer so ganz teilnahm - weil er selbst den Ball gern länger am Fuß in die gewünschte Position trägt. Bis uns der Maestro wieder in alter (Kombinations-)Stärke zur Verfügung steht, dauert es wohl noch ein bisschen. Das war zumindest heute mein Eindruck.

Natürlich hatte Düsseldorf bis zum Rückstand auch einige gute Angriffe, die die Defensive um den umsichtigen Tobi Strobl heute gemeinsam mit Yann Sommer aber ganz gut beherrschen konnte. Auffällig war allerdings, wie schon in den Spielen zuvor, dass fast alle Angriffe der Gegner über Oscar Wendts Abwehrseite laufen - offenbar gezielt. Denn dort sieht der Routinier gegen schnelle Spieler wie Lukebakio oder Bellarabi leider manchmal ganz schon alt und langsam aus. Wo er gegen die Bayern noch sehr aufmerksam, bissig und nah dran an den Gegnern war, fehlte ihm zuletzt doch einiges zu dieser Topform. Es scheint, als ob die Worte von Dieter Hecking, dass sein Konkurrent Andreas Poulsen im Training noch oft mit großen Augen zuschaue, bei Oscar einen schlechten Widerhall gefunden haben. 
Wie früher auch schon mal, scheint er immer dann fahrig zu werden, wenn ihm keiner im Nacken sitzt.

Das ist etwas, was sich die Mannschaft aber nicht leisten kann, wenn sie wirklich in den Sphären bleiben will, in denen sie derzeit unterwegs ist.
Denn Platz 2 nach 10 Spieltagen sagt zwar für die Saison noch nichts aus. Es ist dennoch ein beeindruckender Zwischenstand, zumal endlich mal wieder auch die Zahl der geschossenen Tore zu einem breiten Grinsen einlädt: Borussia ist auch da zweitbester hinter Dortmund. Das kann sich sehen lassen. Und es lässt mich der nächsten Aufgabe etwas gelassener entgegensehen. Natürlich kann man auch in Bremen verlieren. Aber sofern sich keiner verletzt, sollte die Mannschaft in der Lage sein, an der Weser zu bestehen.


Bundesliga 2018/19, 10. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Fortuna Düsseldorf 3:0 (Tore für Borussia: 1:0 Hazard HEM, 2:0 Hofmann, 3:0 Hazard)

2018-11-01

Die Unwucht ist zurück - aber nicht irreparabel

Wenigstens hat sich keiner verletzt. Das ist das Positivste, was ich von meinem Ausflug gestern aus dem Borussia Park (und das erstmals in der Nordkurve) berichten kann. Und ich hoffe, wenigstens das stimmt, und es kommt nicht noch irgendeine Hiobsbotschaft dazu.

Willkommen zurück in der Wirklichkeit. Vor zwei Wochen schon als Spitzenmannschaft und "Meisterschaftskandidat" ins Gespräch gebracht (zugegebenermaßen nur von Außenstehenden), heute die Lachnummer im Pokal. Der VfL hat es innerhalb von nur einer Woche geschafft, sich seine mühsam erworbene Selbstsicherheit und Brillanz im Spiel wieder wegpusten zu lassen - von zwei Teams, denen es gereicht hat, Borussia 90 Minuten anlaufen zu lassen, ihnen die Räume zuzustellen und sie dann erbarmungslos auszukontern. Auch weil Gladbach, das doch in den ersten Spielen immer wieder so viele gute spielerische Lösungen gefunden hatte, um vor das gegnerische Tor zu kommen, das Spiel der Gegner zu brav mitspielte.
 
Und so sah die erste Halbzeit gestern - wie die zweite in Freiburg - zeitweise wie eine Kopie aus Spielen der verkorksten vergangenen Saison aus. Zu statisches, zu zaghaftes Spiel nach vorne, verbunden mit einer unausgewogenenen Defensivleistung inklusive individueller Fehler vor jedem Gegentor, die an die schlimmen Klatschen gegen Dortmund (1:6), Bayern 1:5) und - ach ja - Leverkusen (1:5) in der Vorsaison erinnerten. 

Das einzige, was in diesem Spiel besser lief, war, dass uns Leverkusen vor einem Jahr die fünf Tore in nur einer Halbzeit eingeschenkt hatte. Doch der Lerneffekt aus diesem Spiel und wohl auch aus dem Bayer-Spiel am Sonntag in Bremen war, zumindest, was das Abwehrverhalten nach Ballverlusten anging, nicht erkennbar. Und vielleicht täuschte auch das zu-Null am ersten Spieltag gegen die Pillen ein wenig darüber hinweg, dass auch da in der ersten Halbzeit das Spiel eine andere Wendung hätte nehmen können. Der Unterschied ist nicht zu übersehen: Damals nutzte Gladbach seine Chancen, gestern Leverkusen, und das in einer schon unverschämt effektiven Art und Weise. Denn von den in der Statistik geführten zehn Torschüssen gingen höchstens sieben auch wirklich aufs Tor.

Nun gibt es nichts daran zu rütteln, dass der Sieg der Gäste zu hoch, aber verdient war, auch wenn die - wie Schalke in der vergangenen Saison - rein gar nichts zum Spiel beitrugen. Dass die Herrlich-Truppe am Ende überhaupt auf 38 Prozent Ballbesitz kam, hatte sie den Ballbesitzphasen zu verdanken, als das Spiel entschieden war. Vorher überließ Leverkusen den Gladbachern das Spiel völlig. Dass ihnen das frühe Tor dafür in die Karten spielte, ist klar.

Aber dennoch wirft es Fragen zur Gladbacher Taktik auf. Wenn man doch weiß, dass der Gegner mit hervorragenden Konterspielern ausgerüstet ist, die nach Ballgewinn mit zwei Zügen vor dem gegnerischen Tor sind - ist es dann clever, so hoch zu verteidigen, dass man diesen Spielern die Räume geradezu auf dem Silbertablett serviert? 
Wäre es nicht eine Option gewesen, sich selbst auf das Verdichten der Räume in der eigenen Hälfte zu verlegen und den Gegner dazu zu zwingen, dass er aktiv wird? Gerade dieses Verteidigen und schnelle Konter gehörten in dieser Saison doch gerade zu den Stärken des VfL. 
Und gestern? Da wurde die Mannschaft genau mit diesen Mitteln geschlagen. Heiko Herrlich ist sich nicht zu schade, seine Taktik an der des Gegners auszurichten. Damit gewinnt er offenbar Spiel um Spiel gegen Gladbach. Und er kopiert auch, was andere Gegner gegen Borussia gut gemacht haben, etwa Freiburg vergangenen Freitag. Dass solche Mannschaften Schwierigkeiten bekommen können, wenn sie selbst in die Spielmacherrolle gedrängt werden, hat sich gestern auch im Pokal gezeigt: Freiburg flog gegen den Zweitligisten Kiel raus.

Nun kann man als Außenstehender nicht alles besser wissen und durch das frühe 0:1 bekam das Spiel eben auch diese Schlagseite: Leverkusen igelte sich ein und fing nach 5 Minuten damit an, ungeniert auf Zeit zu spielen. Doch die Fehler machten eben auch die Borussen. In der ersten Halbzeit waren nur Florian Neuhaus und Thorgan Hazard in der Lage, das Defensivgebilde der Gäste etwas aufzubrechen. Immer wenn einer der beiden mit dem Ball am Fuß antrat, öffneten sie das Gladbacher Spiel auch. Doch viele Ungenauigkeiten im Zuspiel machten auch gute Angriffsansätze wieder zunichte. 
Ansonsten verharrte das Gladbacher Aufbauspiel in viel Quer- und Hintenrum-Gespiele, mit oft viel zu drucklosem Passspiel und immer wieder gefährlichen Ballverlusten. Interessant in dem Zusammenhang, dass ich diesen Eindruck im Stadion beim Blick auf die Totale noch viel stärker hatte als beim nochmaligen Nachvollziehen der ersten Hälfte am Bildschirm heute. Da sahen die Bemühungen mitunter deutlich zielstrebiger aus als aus dem "Yann-Sommer-Blickwinkel" aus der Nordkurve heraus.
Dass nach vorne zu wenig ging, hatte auch damit zu tun, dass vor allem Herrmann, aber teils auch Hazard in der ersten Hälfte zu eng an der Außenlinie klebten. Während Hazard das mit seiner Stärke in Eins-gegen-Eins-Duellen oft noch halbwegs lösen kann, blieb Herrmann wirkungslos. Kein Wunder, dass durch die Einwechslung des diesmal deutlich verbesserten Traoré die beste Phase im Spiel eingeläutet wurde. Jene Phase bis zum 0:3, wo Stindl und Co. den Anschlusstreffer hätten schaffen müssen, wo auch das Stadion wieder aus der Schockstarre des späten Gegentors vor der Pause erwachte und Team wie Fans die Leverkusener ein paarmal ins Schwimmen brachten.

Klar: Wäre Lars Stindl mit seiner hundertprozentigen Chance in der 64. Minute nicht an Hradecky gescheitert, hätte es nochmal ein ganz anderes Spiel werden können. Doch insgesamt war das Gladbacher Spiel zu fehlerbehaftet. Angefangen von oft unkoordiniertem Pressing - wo der Torwart oft gut angelaufen, aber nicht kollektiv nachgerückt wurde - bis hin zu den individuellen Fehlern, die besonders vor dem 0:2 schwer wogen. Erst der Ballverlust vorn, dann das unnötige Foul von Kramer, das zum Freistoß führte. Und dass daraus nie so ein Tor fallen darf, ist ohnehin klar. Da wurde einfach im entscheidenden Moment gepennt, und selbst die Weltklasseparade des bedauernswerten Yann Sommer reichte nicht aus, um dieses blöde Tor abzuwenden, das der Unsympath Jedvai dann auch noch provokativ vor der Nordkurve feierte. 
Cleverness und Frechheit, das war das, was den VfL auch in anderen Szenen nicht gerade auszeichnete. Paradebeispiele: Jedvai holzt Traoré kurz vor dem Strafraum um und nimmt die gelbe Karte in Kauf (die angesichts des äußerst groben Vorgehens schon leicht hellrot war). Auf der anderen Seite greift Jonas Hoffmann zaghaft nach dem Trikot des enteilenden Brandt, bekommt ihn aber nicht gestoppt. Das wäre die bestinvestierteste gelbe Karte seit langem gewesen, denn Brandts Pass auf Bellarabi führte unmittelbar zum 0:3-Knockout.


Und dann waren da natürlich noch Schiedsrichter Tobias Welz und sein Team. Die trifft nicht die Schuld, dass Borussia verloren hat. Allerdings zeigte diese Spielleitung einmal mehr, wie man ohne ganz große Fehlentscheidungen ein Spiel merklich beeinflussen und die davon betroffene Mannschaft auch ein wenig von ihrem Spiel ablenken kann. Gestern waren da einige krasse handwerkliche Fehler - etwa das Ignorieren zweier überdeutlich im Aus weitergespielter Bälle, nicht gegebene Verwarnungen für taktische bzw. grobe Foulspiele (Bender, Volland) und eine Schwalbe (Volland) sowie einige absurde Foulbewertungen, etwa als Weiser kurz vor dem Strafraum Hazard zu Fall brachte und der dafür ein Stürmerfoul kassierte. 
Nur beim Zurückpfeifen von schnell ausgeführten (ausschließlich Gladbacher) Freistößen zeigte Welz sich konsequent. Dafür war das Schiri-Gespann ein Totalausfall darin, dem Spiel auch eine angemessene aktive Spielzeit zu sichern. Welz unterband in keiner Weise das notorische Zeitspiel von Hradecky und Co. Er ignorierte die langen Unterbrechungen durch echte und eher "taktische" Verletzungen sowie nach den Toren, die alleine in der ersten Halbzeit schon mindestens sechs Minuten ausgemacht hätten. Stattdessen gab es zwei drauf, die pünktlich abgepfiffen wurden, obwohl von dieser Nachspielzeit allein eineinhalb Minuten für den Torjubel und die darauf folgenden Tumulte an der Eckfahne der Nordkurve draufgingen. In der zweiten Halbzeit war es nicht besser, nur dass alle im Stadion froh waren, dass das Spiel pünktlich abgepfiffen wurde. 
Was will ich damit sagen? Wenn ein Schiedsrichter sich darin gefällt, die Spielzeit rumzubringen, indem er möglichst viele Phasen zulässt, in denen der Ball nicht im Spiel ist (und er ergo keine Entscheidungen treffen muss), dann hat er seinen Job verfehlt. Das gestern war jedenfalls keine dem Spielniveau angemessene Spielleitung. Das sage ich ausdrücklich mit dem Zusatz, dass ich ihm keine Schuld für die Niederlage zuweisen will - wohl aber für die Nerven, die er mich im Stadion gekostet hat.  

Nach diesem Frustabbau will ich aber eins heute nicht: negativ schließen. Trotz der Enttäuschung glaube ich nicht, dass der VfL durch diese Klatsche wieder in einen Negativlauf gerät. Die richtige Balance im Spiel herzustellen, - die Unwucht im Spiel nach vorn und nach hinten auszugleichen -, das ist in der heutigen Konstellation und mit den vorhandenen Spielern deutlich einfacher als im Seuchenjahr, was hinter uns liegt. 

 
Die Mannschaft ist vor allem mit dem frühen Rückstand in der ersten Halbzeit sehr gut umgegangen und nicht in Panik verfallen. Das spricht für die Reife der Mannschaft. Zudem fällt dem Gegner auch nicht jedesmal der Ball so genau vor die Füße wie beim 1:0, wo viele kleine glückliche Umstände für die Pillen dafür sorgten, dass Brandt plötzlich vor dem Tor auftauchen konnte.
Das stärkste Pfund ist aber vielleicht der Rückhalt bei den Fans, der letzte Saison nicht immer so da war. Insofern war es gut und angemessen, dass die Nordkurve das Team nach dem Schlusspfiff trotz des Ergebnisses nochmal rief und ihre Unterstützung so untermauerte. Denn eins kann man dem Team nicht vorwerfen: dass es gestern nicht bis zum Schluss gekämpft hätte. Diesen Spirit von Fans und Mannschaft gilt es auch am Sonntag gegen Düsseldorf auf den Platz zu bringen. Denn in der Liga hat sich an der guten Ausgangslage fast nichts verändert - trotz der Niederlage in Freiburg.


DFB-Pokal, 2018/19, 2. Runde: Borussia Mönchengladbach - Bayer Leverkusen 0:5