2018-08-26

Eine Stunde Verheißung

Borussia, das war stark. Ein Start in die neue Saison, wie man ihn sich besser fast nicht wünschen kann. Nach dem lockeren Sieg beim BSC Hastedt folgte erwartungsgemäß eine deutlich härtere Nuss, die ebenfalls geknackt wurde. Und mit Ausnahme der ersten halben Stunde, mit der die Mannschaft noch einmal an all die Fehler der vergangenen Saison erinnerte, war das eine richtig saubere Leistung.
Heute war es wieder zu spüren, dass da eine Mannschaft auf dem Platz steht, die für einander einsteht und in der jeder für den anderen läuft und kämpft. Das ist Grundstein des Auftakterfolgs gewesen, dann erst kommen die spielerischen Finessen, die die Mannschaft nach und nach auf den Rasen des Borussia Parks gebracht hat.


Natürlich: Zu der Geschichte gehört auch, dass die Gäste das Spiel in der ersten Halbzeit in eine andere Richtung hätten drehen können. Da war Leverkusen die etwas zwingendere Mannschaft mit den deutlich besseren Torchancen. Doch ausgerechnet der verschossene Handelfmeter von Hazard erwies sich als Kick für den VfL. Danach übernahm die Hecking-Elf vollends die Initiative, griff mutiger an, spielte schneller nach vorn und gewann die nötigen Zweikämpfe, die die schnellen Konterversuche der Pillen unterbanden. Das war der neu sortierten Elf um den Sechser Tobi Strobl in den ersten 30 Minuten zu wenig gelungen. Diverse leichte Ballverluste am gegnerischen Strafraum führten da noch zu gefährlichen Gegenangriffen.


Zwei Dinge waren aus meiner Sicht ausschlaggebend, dass es vor allem nach der Halbzeit erheblich besser lief für Borussia. Zum einen, dass Thorgan Hazard wieder über die angestammte linke Seite kam, weil Fabian Johnson mit ihm die Seite tauschte. Und dass die Achter Jonas Hofmann und Florian Neuhaus das Spiel an sich zogen und mit irrem Laufaufwand den Leverkusenern im Zentrum die Luft nahmen, brillant assistiert vom abgeklärten Strobl, der seine Aufstellung nachhaltig rechtfertigte.


Um den Titel des Spielers des Spiels bewarben sich heute gleich mehrere Rautenträger. Luis Jordan Beyer etwa, der bei seinem Bundesliga-Debüt eine unglaublich abgezockte Partie auf rechts (meist) gegen Leon Bailey ablieferte. Beyer war dabei ballsicher, mit dem guten Auge für den richtigen Pass und im Zweikampf nahezu immer so früh am Gegner, dass Bailey seine Schnelligkeit kaum ausspielen konnte. Und nicht zu vergessen, die Rettungstat mit der Brust auf der Linie in der ersten Halbzeit. Da hat einer heute mit Schmackes seinen Hut in den Ring geworfen für den Stammplatz auf dieser Position.

Tony Jantschke machte in der Innenverteidigung für mich eins seiner besten Spiele in den vergangenen Jahren. Er war stets da, wo er sein musste, wenn nötig auch mit der Härte eines Fußballgottes. Dass Leverkusen im Gladbacher Strafraum trotzdem einige Male gefährlich wurde, zeigt, dass es auch beim Defensiv-Quartett Beyer, Ginter, Jantschke, Wendt noch Steigerungpotenzial gibt. Aber heute blieb der Kasten sauber, und unter dem Strich zählt genau das.

Dass am Ende ein Zu Null stand, hatte auch wieder mit einem glänzend aufgelegten Yann Sommer zu tun. Einige Wackler hatte er drin, vor allem beim Fausten, aber ansonsten stand er hervorragend und machte selbst Alarios Kopfball in der Schlussphase noch mit einem Weltklasse-Reflex zunichte. Es scheint, als hätte ihm die Kicker-Krone als bester Buli-Keeper der Rückrunde mental nochmal ein paar Extra-Prozente verschafft.

Tobi Strobls Rolle in der Mannschaft heute habe ich schon hervorgehoben, mit 12,4 Kilometern war er zudem einer der fleißigsten auf dem Rasen. Florian Neuhaus lieferte ebenfalls eine blitzsaubere Partie ab, er holte reaktionsschnell den zweiten Elfmeter heraus und glänzte durch gute Balleroberungen, clevere Läufe in die Tiefe und feine Pässe. Thorgan Hazard sprühte vor Spielfreude, vergass aber ab und an den richtigen Zeitpunkt für den Pass. Dass mal ein Elfer nicht sitzt, muss man auch bei einem Spieler seiner Klasse einkalkulieren. Trotzdem eine Augenweide, ihn weiter bei uns spielen zu sehen. 
Auch Raffaels Maschine lief mit zunehmender Spieldauer merklich warm, mit der Krönung des "Borussia-Barcelona-Gedächtnistors" zum 2:0 durch den agilen Johnson. 


Sie alle hätten zum Spieler des Spiels werden können. Wenn, ja wenn ihnen nicht Jonas Hofmann heute den Rang abgelaufen hätte. Nach der eher drögen ersten halben Stunde mit viel Verzögerung und Hinten-herum-Spielerei im VfL-Spiel blühte der so oft gescholtene Mittelfeld-Künstler heute richtig auf und bestätigte die überwiegend starken Eindrücke aus den Vorbereitungsspielen. 
Mit Zuckerpässen in die Schnittstellen schnitt er durch die Gäste-Defensive, eroberte Bälle, lief Gegenangriffe ab, tauchte überall und nirgendwo auf und verzeichnete nach den 93 Minuten sagenhafte 13,44 Kilometer auf dem Tacho. Er übernahm die Verantwortung bei der zweiten Elfmeterchance, verwandelte sicher und kam so auch endlich zu seinem ersten Ligatreffer für Gladbach. 
Kurz gesagt, Hofmann war vor allem in Halbzeit zwei Dreh- und Angelpunkt im Spiel und zeigte, dass ihm diese Position im offensiven Mittelfeld viel mehr liegt als die auf dem Flügel (ich glaube, ich mutmaßte das auch schon mal - vor längerer Zeit). 
Für ihn freut es mich im übrigen deshalb ganz besonders, weil er seine enormen Spielmacherqualitäten bisher so selten abrufen konnte und immer noch bei vielen Fans als Fehleinkauf gilt, obwohl er einer der talentiertesten im Kader ist. Doch das hilft natürlich nicht weiter, wenn man immer nur das Versprechen eines Topspielers ist und es nie einlöst. Heute hat er gezeigt, dass er in der neuen Borussia eine tragende Rolle spielen könnte, wenn man ihn lässt und ihm nicht wieder eine Verletzung in die Quere kommt.




Zwei Pflichtspiele, zwei Siege - das kann sich sehen lassen. Aber ich werde nicht den Fehler machen, jetzt alles für gut zu erklären und die Mannschaft mit Erwartungen zu überfrachten. Natürlich hätte auch heute wieder der eine oder andere besser ausgespielte Konter für noch klarere Verhältnisse sorgen müssen. Und an der langen Aufwärmphase in Halbzeit eins ist selbstredend noch zu arbeiten.
Das im Auge zu behalten, den Blick immer nur auf das nächste Spiel zu richten und am Ende zu schauen, wozu das reicht, ist eine wiederentdeckte Erkenntnis, die Borussia im neuen Spieljahr bislang gut ansteht. Wie der ehrliche Blick darauf, dass das Spiel natürlich auch in eine schlechtere Richtung hätte laufen können. 

Doch heute können wir mit dem guten Gefühl an eine Stunde tollen Offensivfußball ins Bett gehen und von mehr träumen - solange wir nicht vergessen, dass das nur gelingen kann, wenn die Mannschaft auch in den nächsten Spielen eine Einstellung wie heute zeigt und ihre Geschlossenheit und ihren Willen auf den Platz bringen muss. Es scheint, als hätte sie das verstanden. Und das wurde, sofern ich das aus der Ferne beurteilen konnte, auch im Stadion wohlwollend wahrgenommen und stimmungstechnisch belohnt. Die Saison läuft und sie macht Spaß. Gladbach-Fans gefällt das.   

Bundesliga 2018/19, 1. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Bayer Leverkusen 2:0. (Tore für Borussia: 1:0 Hofmann FEM, 2:0 Johnson)

2018-08-23

Für den Ernstfall gerüstet

Zwei Tage noch, dann geht es wieder um Punkte in der Bundesliga. Und so langsam steigt auch mein Puls wieder an, die Vorfreude auf die Saison steigt. 
Wie jedes Jahr hoffe ich natürlich darauf, dass die in der Sommerpause sinnvoll ergänzte Mannschaft am Ende auch etwas reißen kann. Und das ist nach allen Eindrücken, die man bisher in der Vorbereitung sammeln konnte, auch nicht unbegründet. Mit der Einschränkung, dass man die Stärke der anderen Teams auch erst mit der Zeit einschätzen kann.

In der Vorbereitung war einiges Gutes zu beobachten, manches war nicht so gut. Doch das Pokalspiel hat mich nochmal positiver gestimmt. Nicht, weil es ein ansehnlicher Sieg gegen einen überforderten Gegner war und ich das überbewerten wollte. 
Nein, weil die Einstellung eine andere war als zu weiten Teilen der Vorjahre. Da ging Borussia oft in Führung, auch gegen unterklassige Teams im Pokal. Aber die Mannschaft schien sich gern darauf auszuruhen, in ihren "Sicherheitspass-Modus" umzuschalten und geriet dadurch häufig noch in Gefahr, weil sie so den Gegner ohne Not wieder aufbaute, indem sie ihm zunehmend die Initiative überließ. 
Das war gegen Hastedt anders, da blieben Raffael und Co auch nach dem schnellen 3:0 noch hungrig und spielten die Partie gnadenlos und unnachgiebig zu Ende. Das war schade für den Gegner, aber gut für meine Vorfreude auf den VfL 2018/19.

Zwar ist die Skepsis gegenüber Trainer Dieter Hecking bei vielen Fans noch immer zu spüren. Doch die Art, wie der Kader aufgestellt ist, zerstreut den einen oder anderen Zweifel. Die Breite ist da, die Klasse ist da und hoffentlich bekommt Borussia nun auch die mit einem erneuerten Team angegangene Baustelle "Verletzungsmisere" in den Griff. Und die Abgänge Vestergaard, Grifo, Bobadilla, Oxford und Simakala scheinen bei aller Wertschätzung doch verschmerzbar und kompensiert zu sein.

Der Kader und die Neuzugänge gefallen mir: Alassane Plea ist die Art Stürmer, die im Kader gefehlt hat. Raffael, Hazard und die anderen Offensivkräfte profitieren davon, zum einen, weil sie sich strecken müssen, um im Team zu bleiben. Denn neben dem Franzosen stehen endlich Josip Drmic, Fabian Johnson und Patrick Herrmann wieder in einer konkurrenzfähigen Verfassung zur Verfügung. Dazu kommen Florian Neuhaus und der auf der neuen Position deutlich effektivere Jonas Hofmann, von Juwel Cuisance ganz zu schweigen. Später auch noch Ibo Traoré und mit etwas Anpassungszeit sicher auch Keanan Bennetts, der viel Geschwindigkeit über links verspricht. Die Mannschaft stellt sich also nicht mehr von selbst auf und man muss nicht einmal dem neuen Rekordstürmer den schweren Rucksack aufsetzen, dass er gleich alles in Grund und Boden schießen muss.

Da in der Mittelfeldzentrale ebenfalls genug Qualität zur Verfügung steht und auch Yann Sommer als sicherer Rückhalt gilt, bleibt das einzige Fragezeichen in der Abwehr. Stabilisiert sich die Viererkette, zumal nur mit einem Sechser davor als Absicherung? Hält Borussia den Laden hinten dicht? Das haben die bisherigen Spiele nicht sicher bewiesen. 
Es wird Leverkusen vorbehalten sein, das als erste Mannschaft auf Herz und Nieren zu testen. Bailey, Volland, Alario, Bellarabi, Havertz, Brandt, dazu die beiden offensivstarken Außenverteidiger Weiser und Wendell - da kommt etwas anderes auf die VfL-Defensive zu als in den Testspielen und beim DFB-Pokal-Spaziergang. Daher wissen wir auch dann erst etwas sicherer, was das alles bis hierhin wert war.

Und darin liegt auch das Risiko: Ein schlechter Start in die Saison und es könnte schnell wieder ungemütlich werden rund um den Borussia Park. Die gute Laune bei den Fans könnte schnell vergehen und dann wird es auch eng für den Trainer. Ich hoffe das ausdrücklich nicht, denn Kontinuität in der Arbeit mit der Mannschaft ist etwas, was sich in der Regel auszahlt. Und so, wie sich Borussia im Moment präsentiert, ergibt das alles Sinn, was seit dem enttäuschenden Saisonende passiert ist. 

Und wie sieht die Startelf am Samstag aus? Ich glaube, ganz ähnlich wie in Bremen. Vor Sommer ist die Sache ziemlich klar: Wendt hat Poulsen noch einiges voraus, innen sind Ginter und Jantschke gesetzt, rechts spricht alles für Jordan Beyer. Knapp wird die Entscheidung zwischen Strobl und Kramer auf der Sechs, wobei ich persönlich denke, dass der Weltmeister gegen den Ex-Club den Vorzug erhalten wird. Andererseits ist Strobl der bessere Kopfballspieler, was defensiv bei Standardsituationen eine zusätzliche Sicherheit sein könnte - da war Borussia teilweise schon sehr anfällig. 
Auf den Achterpositionen sehe ich Neuhaus und Hofmann vor Zakaria und Cuisance. Im Dreiersturm denke ich, dass Hazard und Raffael gesetzt sind. Vielleicht schickt Hecking den "Bayer-Schreck" Patrick Herrmann über rechts für mehr Geschwindigkeit. Denn Leverkusen ist eine der wenigen Mannschaften in der Liga, die Gladbach das Spiel nicht allein überlassen wird. Das bedeutet, dass man so auch selbst mehr in Umschaltsituationen und Konter kommen kann. Aber es spricht genausoviel dafür, mit dem Neun-Tore-Sturm Hazard, Raffael und Plea zu beginnen.

Ich kann es kaum erwarten, zu sehen, ob und wie die Pläne von Dieter Hecking und Max Eberl in dieser Saison aufgehen. In diesem Sinne: Auf eine tolle Saison 18/19! Lassen wir uns durch nichts auseinanderdividieren und stehen wir zusammen - für unseren Verein. Für den Namen, den die Welt so glorreich kennt.

2018-08-19

Gierige Generalprobe

Das war doch mal ein Start in die Saison! Elf Tore im DFB-Pokal, eine sehenswerte Partie ohne Ausscheidens-Ängste gegen einen krassen Außenseiter und, soweit ich sehen konnte, keine neuen Verletzungen. Am 11:1 beim sympathischen BSC Hastedt gibt es wirklich nichts zu meckern, nicht mal die noch ausbaufähige Effizienz vor dem Tor. Das war Spektakel genug - und seit sehr langer Zeit mal eine Gladbacher Mannschaft, die die Gier auf Tore bis zum Schluss konservieren konnte und nicht schon nach dem zweiten Tor auf spielerische Sparflamme schaltete.

Klar, der Spielverlauf in der Generalprobe für den Bundesliga-Auftakt wurde sehr deutlich von der interessanten Taktik des Gegners begünstigt, der erstaunlicherweise die Abwehr sehr hoch agieren ließ und den VfL förmlich dazu einlud, lange Bälle hinter die Abwehr zu spielen. So fiel das beruhigend schnelle 1:0, als der in die Tiefe gestartete Florian Neuhaus vom Torwart im Strafraum nur noch abgeräumt werden konnte und Hazard den fälligen Elfmeter sicher verwandelte.

Und auf diese einfache Art kam Borussia immer wieder in gute Positionen und zu schönen Abschlüssen, selbst wenn man ein paarmal zu häufig ins Abseits lief. Man muss kein Klugscheißer sein, um festzustellen, dass sich Hastedt mit einer fiesen Einigel-Taktik heute den größeren Gefallen getan hätte, vor allem weil das leidenschaftliche Verteidigen eines Underdogs das eigene Publikum vielleicht auch noch mehr mitgerissen und zum Faktor hätte werden lassen (so wie Drochtersen/Assel es gegen die Bayern gelang). Allerdings war der Käse auf Platz 11 nach den drei Treffern in der ersten Viertelstunde ohnehin früh gegessen.

Dass diese einfache Waffe im Spiel nach vorn so gut funktionierte, ersparte Strobl und Co. das Schicksal, sich - wie in vielen Spielen in der Bundesliga - gegen eine massierte Deckung auf engstem Raum erst mühsam Lösungen erarbeiten zu müssen. Insofern war es für das Spiel heute ein guter Schlüssel, den einfachen Ball in die Spitze spielen zu können - als Gradmesser und als gute Vorbereitung für die nächsten Spiele in der Liga taugte diese Partie aber nicht.

Wenn Dieter Hecking die mutige Verteidigungstaktik des Bremer Oberligisten vorher gekannt hätte, hätte er möglicherweise auch von Anfang an eher auf Johnson und Herrmann als schnelle Flügelzange gesetzt, die in der Vorbereitung schon sehr positiv aufgefallen waren. Aber der variable Dreiersturm Hazard, Raffael und Plea machte es auch so sehr gut, zumal er von den agilen Hofmann und Neuhaus, die ebenfalls gekonnt in Lücken stießen, sehr gut unterstützt wurde. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das Quintett teilte die Tore unter sich auf und machte eindrucksvoll Werbung für sich in Hinblick auf einen Startelfplatz am Samstag gegen die Pillen aus Leverkusen.

Blenden lassen wir uns allerdings besser nicht von dieser Galavorstellung gegen einen Fünftligisten. Wie sattelfest die Abwehr ist, lässt sich Stand heute nicht seriös beantworten. In der Vorbereitung zeigte sie in verschiedenen Konstellationen Schwächen bei Kontern und Standards, davon war mangels Hastedter Angriffe heute nicht viel zu notieren. Das Gegentor schien vermeidbar, wobei kurz vor Schluss bei dem Spielstand vielleicht auch mal die Konzentration kurz nachlassen kann und es fast schien, als gönnten auch die Spieler des VfL inklusive Torwart Sippel den Gastgebern dieses kleine Erfolgserlebnis. Ich jedenfalls habe es dem BSC gegönnt, der trotz der Klatsche (bis auf zwei, drei etwas härtere Fouls) sehr fair spielte.

Wer hat sich heute - unabhängig von der Qualität des Gegners - in den Vordergrund gespielt? Aus einer konzentrierten, spielfreudigen, laufstarken und hungrigen Mannschaft muss man eigentlich niemanden herausheben. Doch weil es für die noch vakanten Positionen für die Startelf wichtig ist, muss Luis Jordan Beyer genannt werden. Er durfte heute ran und zeigte eine reife Leistung, sowohl im Spiel nach hinten wie in der Vorwärtsbewegung. Besonders auffällig ist, dass er nicht nur die Seite rauf- und runterrennt, sondern auch ein sehr gutes Auge für den Mitspieler und gute und überraschende Pässe in die Halbstürmerpositionen im Repertoire hat.

In der Vorbereitung hat mir auf der Position Manny Egbo zwar noch einen kleinen Tick besser gefallen, weil er auch ein Stück erfahrener ist. doch Egbo ist ein Verlierer des DFB-Pokal-Spieltags. Da in Jantschke, Strobl oder Ginter gleich drei Spieler dabei waren, die Beyer im Fall einer Verletzung auf der Rechtsverteidigerposition hätten vertreten können, bekam der junge Engländer diesmal nicht einmal einen Kaderplatz. Da Michael Lang bis Samstag voraussichtlich nicht fit sein wird, deutet alles auf ein Bundesligadebüt von Beyer hin.

Die zweite Vertretungskraft, die gegen Leverkusen wohl spielen wird, ist der unverwüstliche Tony Jantschke. Er macht es für meine Begriffe sehr gut in der Innenverteidigung neben Ginter. Heute war er extrem oft der erste Aufbauspieler und leitete sogar mit einem feinen Steilpass das zweite Tor von Alassane Plea ein. Dennoch muss man berücksichtigen, dass ihm Leverkusens Stürmer deutlich mehr zusetzen werden und ihn mit Pressing zu schnelleren Abspielen zwingen werden. Das könnte eine Schwachstelle sein. Aber wer weiß, dass Jantschke sich in den ganzen Jahren immer wieder ins Team spielen konnte, weiß auch, dass er sich auch da wieder anpassen kann.

So offensiv wie Tobi Strobl heute den Sechser intepretierte, wird dieser am Samstag zum Bundesligastart sicher nicht agieren, egal ob er Kramer, Strobl oder Zakaria heißt. Es müsste im Normalfall Chris Kramer sein, aber das Rennen zwischen den dreien scheint derzeit ziemlich eng zu sein. Davor spricht einiges für den Dauerläufer Jonas Hofmann und im Moment auch für Florian Neuhaus. Beide waren heute Aktivposten, zeigten in den Testspielen aberauch schon mal schwächere Auftritte. Es wird spannend zu sehen, ob Hecking dort auf die beiden setzt oder ob er Zakaria und/oder Cuisance vorzieht. Solange Stindl noch fehlt, sind es wohl diese vier, die um die beiden Achterplätze konkurrieren.

Gleiches gilt auf den Flügeln für Hazard, Herrmann, Johnson und entweder Raffael oder Plea, wenn der andere das Sturmzentrum besetzt. Dass das in den Positionen nicht so festgemeißelt ist, zeigte sich heute, wo jeder der drei Stürmer mal über die Flügel kam und mal im Zentrum lauerte. Josip Drmics Fehlen heute deute ich einfach mal so, dass nun doch die Zeichen auf Abschied stehen.

Und der Rekordeinkauf? Er kommt langsam ins Rollen. Die Tore waren eines Torjägers würdig, es hätten aber auch gut und gerne noch zwei bis drei mehr sein müssen. Was ihn auszeichnet, ist schon zu sehen, allerdings braucht er sicher noch etwas, um ausreichend handlungsschnell zu werden. Heute funkten ihm die unterklassigen Gegner schon recht häufig dazwischen, in der Bundesliga hat er noch weniger Zeit zum Abschluss. Könnte also gut sein, dass er gegen Leverkusen von der Bank kommt und vielleicht dafür der Bayer-Schreck Patrick Herrmann den Vorzug erhält.

So, eine knappe Woche noch, dann geht es wieder richtig los in der Liga. Es wird Zeit. Und mit dem Spiel von heute im Sack lässt sich ein ganzes Stück besser auf Optimismus schalten. Ich hoffe, dass der neue Geist, die zitierte Gier, die sich die Mannschaft eingeimpft haben will, auch dauerhaft erhalten bleibt. Das Spiel heute hat bewiesen, dass die Mannschaft brennt und dass der Funke auch zu den Fans wieder richtig zünden kann. Am besten gelänge das mit einem Heimsieg am ersten Spieltag. Und auch wenn es vermessen wäre, das Ergebnis von Bremen zu hoch zu hängen: Es lässt sich schon mal gut an. Also, jetzt gilt's: Auf eine tolle neue Saison!

DFB-Pokal, 1. Runde: BSC Hastedt - Borussia Mönchengladbach 1:11. Tore für Borussia: 0:1 Hazard (FEM), 0:2 Plea, 0:3, 0:4 Raffael, 0:5 Neuhaus,0:6 Hazard, 0:7 Plea, 0:8 Hofmann, 0:9 Raffael, 0:10 Plea, 0:11 Hazard

2018-08-04

Gutes, Schlechtes und noch viele Fragen

Zwei Wochen noch, dann gilt es, im ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal. Zeit also, dass der VfL der Saison 18/19 sich den Feinschliff gibt. Und Zeit, ein etwas aussagekräftigeres Zwischenfazit über die neue Borussia zu ziehen. Denkt man. Doch das Bild, was ich mir in den Testspielen einschließlich des heutigen 3:0 in Southampton gemacht habe, ist kein eindeutiges.
Und auch wenn das in ein paar Wochen wieder ganz anders aussehen kann - vieles, was ich gesehen habe, erinnert mich durchaus beunruhigend an die vergangene Saison. Was bedeutet, dass ich trotz der Neuzugänge - die ich alle für eine gute Wahl halte - derzeit nicht behaupten würde, dass die jetzige Mannschaft schon stärker wäre als die der letzten Saison.

Das hat Gründe, die in der Natur einer Saisonvorbereitung liegen (unterschiedliche Trainingsstände, viele Wechsel in den Testspielen, personelle Experimente, unterschiedlich fitte und leistungsfähige Gegner und so weiter). Es hat aber auch Gründe, die tiefer liegen und offenbar noch nicht überwunden sind (Verletzungen, Rückfall in alte Spielmuster). Und es hat Gründe, die mit der Eingewöhnung neuer Spieler zu tun haben und mit der Umstellung auf neue Spielsysteme.

Bevor ich hier noch mehr Rätselhaftes von mir gebe, fange ich lieber mit konkreten Dingen an: Etwa dem Kader. Noch immer ist nicht ganz klar, wie er zum Saisonstart aussehen wird. Klar ist, dass Max Eberl mit Alassane Plea, Andreas Poulsen, Keanan Bennetts, Michael Lang und Torben Müsel den Kader gut ergänzt hat. Ob er ihn verstärkt hat, muss man sehen.
Um das beurteilen zu können, dazu waren die Testspiele nur bedingt geeignet. Lang war verletzt, bevor man sich ein Bild machen konnte.
Plea zeigt gute Bewegungen, aber noch wenig Bindung zum Spiel. So ganz unbeeindruckt davon, welche Erwartungen ihn in Gladbach begleiten, scheint er nicht zu sein. Jedenfalls wirkte er auf mich noch etwas zurückhaltend, wie mit angezogener Handbremse spielend, was vielleicht auch noch mit leichtem Trainingsrückstand erklärbar ist.
Der junge und flexibel einsetzbare Torben Müsel machte einen guten Eindruck, doch Maßsstab ist hier nicht der Anspruch auf einen Bundesligaplatz, sondern erstmal nur, im Kader zu bleiben, der auf den offensiven Positionen im Normalfall für ihn noch zu stark besetzt ist.
Andreas Poulsen und Keanan Bennetts sieht man im Spiel an, dass sie das Zeug zum Erstligaspieler haben, das nötige Selbstvertrauen sicher auch - aber man sieht in einigen Szenen auch, warum derzeit die Routiniers Wendt und Johnson klar die Nase vorn haben würden, wenn es um die Startaufstellung ginge.

Nicht gleichwertig ersetzt wurde Jannik Vestergaard bis jetzt in der Innenverteidigung. Nico Elvedi ist zwar sein erklärter Nachfolger, aber ob er der Innenverteidigung gleich die Stabilität geben kann wie der abgewanderte Däne, muss sich erst noch weisen. Ich erwarte es schon, aber es kann auch etwas Anlaufzeit benötigen.
In jedem Fall ist Borussia auf dieser Position noch immer nicht für alle Widrigkeiten gerüstet. Denn ohne Vestergaard gibt es keinen Linksfuß in der Innenverteidigung mehr - mit Ausnahme von Mamadou Doucouré, dessen Debüt für Borussia aber weiterhin in den Sternen steht. Da Florian Mayer (auch Rechtsfuß) links innen auf mich in den letzten Testspielen einen eher unsicheren Eindruck gemacht hat, sehe ich schon die Notwendigkeit, dass auf dieser Position noch etwas passiert, möglicherweise auch wieder auf Leihbasis. Dann wäre im besten Fall - Elvedi macht sich und Doucouré kommt auf die Beine - ein Backup auf Zeit da.
Der Portugiese Diogo Leite, der inzwischen bei Porto verlängert hat und aus dem Rennen ist, hätte als Linksfuß insofern für mich mehr Sinn gemacht als eine plötzlich auch wieder denkbare Verpflichtung von Reece Oxford (der heute im Stadion war), zumal beide wohl in der gleichen Preisklasse ausgezeichnet wären (wenn auch mit zweistelligem Millionen-Preisschild doch auch reichlich teuer). Eine sichere Bank wäre Oxford aufgrund seiner Gladbacher Vergangenheit auf jeden Fall - aber eben auch noch kein natürlicher Stammelf-Kandidat. An Erfahrung sollte es der neuformierten Abwehr mit Ginter, Lang und Wendt allerdings auch dann nicht mangeln.

Personell hervorragend aufgestellt ist das, was vor der Abwehr agieren soll. Das vergisst man leicht bei diesen Testspielen, weil da kein Stindl und kein Hazard mitwuseln und Cuisance gerade erst wieder ins Training eingestiegen ist. Spätestens wenn diese drei wieder voll an Bord sind, wird Dieter Hecking die Qual der Wahl haben, wem er von Anfang an das Vertrauen schenkt. In der Vorbereitung haben nämlich genau die besonders auf sich aufmerksam gemacht, hinter denen zuletzt die größten Fragezeichen standen. Der oft geschmähte Jonas Hofmann läuft im Mittelfeld alles in Grund und Boden und glänzte in mehreren Spielen mit Torvorlagen, unwiderstehlichen Pässen in die Tiefe und ja: sogar mit einem Tor! Eine Ausnahme war das schwache Spiel gegen Ingolstadt zum Abshcluss des Trainingslagers, bei dem aber fast jeder Borusse einen gebrauchten Tag erwischt hatte.
Fabian Johnson macht wieder einen hervorragenden Eindruck, sowohl von der Fitness und der Spritzigkeit als auch von der Spielfreude her. Torgefahr geht von ihm ebenso aus wie von Patrick Herrmann, der sich gerade von den quälenden Verletzungsjahren freizuspielen scheint.
Höhepunkt war sein Auftritt heute mit zwei Toren. Und das, wo im Borussenkosmos gerade alle davon sprechen, dass er Gladbach verlassen müsse oder solle. Ich hoffe das nicht, weil wir alle das Beispiel Nico Schulz vor Augen haben, der unmittelbar nach seinem ähnlich unnötigen Abgang dann in Hoffenheim voll aufdrehte und gerade vom Kicker zum besten Linksverteidiger der Rückrunde gekürt wurde. So wie Herrmann zuletzt spielte, ist er für mich ein klarer Startelfkandidat als rechter Angreifer im Dreiersturm. Also: Wenn Max Eberl den dann freiwerdenden Kaderplatz nicht mit einer deutlich besseren Alternative besetzen kann: Bitte an Herrmann festhalten!

Ähnlich sehe ich es im Fall Drmic. Josip ist drauf und dran, in die Form zu kommen, die ihn für Gladbach damals interessant gemacht hat. Einen vergleichbaren bezahlbaren Offensiv-Spieler, den man statt ihm verpflichten könnte, seh ich weit und breit nicht. Zudem kann Drmic auch über die Flügel kommen oder eben als Mittelstürmer für Tore sorgen, falls Alassane Plea doch nicht von Anfang an der erhoffte Knipser sein oder verletzt ausfallen sollte. Ohne Drmic wäre dieser Typ Stürmer nicht mehr im Kader, da auch Müsel und Villalba andere Typen sind - ganz abgesehen avon, dass sie keine Bundesligaerfahrung haben. Hecking wäre dann wieder gezwungen, Raffael oder Stindl nach ganz vorn zu schicken, und der Dreiersturm wäre einer seiner Säulen beraubt.

Klar kann man einwenden, dass der VfL auf allen Offensivpositionen gut besetzt ist, weil viele Spieler flexibel einsetzbar sind. Doch die erneuten Muskelverletzungen (!) von Laszlo Benes und Ibo Traoré beweisen einmal mehr, wie schnell die Alternativen schwinden können. Das Verletzungsdrama von letzter Saison habe sicher nicht nur ich gleich wieder vor Augen, wenn man sieht, wie pro Testspiel einer verletzt vom Platz humpelt.
Auf rechts zeigt sich das zerbrechliche Konstrukt ganz gut jetzt schon. Stellt euch vor, Traoré fällt länger aus und Herrmann wechselt. Drmic auch. Dann wäre Hofmann schon der letzte "gelernte" Rechtaußen/rechte Mittelfeldspieler im Kader. Raffael, Johnson und Hazard könnten zwar auch nach rechts ausweichen, waren dort aber nie so effektiv wie über links.
Alle anderen - Cuisance, Neuhaus, Stindl, Benes, Zakaria - sind zentrale Mittelfeldspieler. Dort sollte es das meiste Gerangel um die Plätze geben, weil alle das Zeug zum Stammspieler haben. Kramer dürfte hinten auf der Sechs gesetzt sein, Zakaria und Benes die aussichtsreichsten Backups in der defensiven Zentrale. Um die vermutlich zwei Achterpositionen konkurrieren mit offenem Ausgang Neuhaus, Hofmann, Cuisance, Zakaria und Benes. Sollten Raffael oder Stindl auf diese Position zurückgezogen werden, bleibt den anderne nur eine offene Stelle. Da wird es wirklich spannend, wer sich durchsetzt. Mit keiner dieser Konstellationen hätte ich wirklich Sorgen, dass der VfL nicht genug Durchschlagskraft entwickelt. Nur wenn Herrmann und Drmic ohne Ersatz gingen, fände ich es aus den oben genannten Gründen gewagt.
Gute alternativen hat Heclking aus meiner Sicht auf der Position des verletzten Michael Lang. Sowohl Luis Jordan Beyer als auch Manny Egbo haben sich dort gut verkauft, Beyer für sein Alter besonders gut - unaufgeregt, mit klarem Blick für den Mitspieler und dem Muit,auch mal den Vorwärtsgang einzuschalten. Egbo hat ihm da noch etwas voraus, aber er ist auch schon länger dabei und muss seine Chance langsam auch nutzen, um sich im Profikader festzuspielen. Natürlich stünden auch noch Jantschke oder je nach sonstiger Aufstellung Elvedi oder Johnson bereit, aber ich hätte keine Probleme, zumindest mal im Pokal mit Egbo oder Beyer zu starten.

So. Langer Text, viel erzählt. Und wie weit ist die Mannschaft mit ihrer Neuausrichtung jetzt? Wie gesagt, schwer zu beurteilen. Ich bin mir nicht sicher. Die Offensive zeigte sich bis auf das Spiel gegen Ingolstadt spielfreudig, einfallsreich und bemüht, schnell nach vorne zu spielen und die endlosen Passketten im Niemandsland zu vermeiden, mit denen man nur Zeit gewinnt, aber keine Spiele. Die Tore waren überwiegend überzeugend herausgespielt, immer wiedr zeigte Borussia, wie sie dank der hervorragenden Techniker im Mittelfeld und ihren Ideen den Gegner knacken kann. Negativ ist anzukreiden, dass die Balance zwischen Angriffs- und Abwehrverhalten oft noch fehlt.

Die Defensive war häufig alles andere als sattelfest, wenn sie denn gefordert wurde - und das, egal in welcher Konstellation sie auf dem Platz stand. Dass es gegen Ingolstadt keine Packung gab, war vor allem der Unfähigkeit der gegnerischen Stürmer zu verdanken, die die VfL-Abwehr mehrmals überlaufen konnten, aber nichts Zählbares draus machten. Die Konteranfälligkeit war auch in den Spielen zuvor schon zu sehen. Sie ist mit der etwas offensiveren Ausrichtung mit Doppelacht statt Doppelsechs naturgemäß auch höher. Aber gerade das kollektive Verteidigen bei Ballverlust und Kontern muss bis zum Bundesligastart sitzen. Sonst haben wir schnell ein Problem.

Umgekehrt zeigte die Hecking-Elf heute beim neuen Club von Jannik Vestergaard eine blitzsaubere Leistung mit einem nie gefährdeten Sieg, bei dem man sich sogar noch leisten konnte, in der zweiten Hälfte eine Teenagerabwehr ins Stahlbad zu schicken und sich komplett aufs Verteidigen zu beschränken. Der Haken daran: Der FC Southampton war der bei weitem schlechteste Gegner in dieser Vorbereitung. Es war also ein Muster fast ohne Wert. Mehr als eine Stunde lang kam von den Gastgebern überhaupt nichts, und als sie zum Ende ein bisschen mehr Druck entwickelten und zu Standardsituationen kamen, schwamm auch die Gladbacher Defensive um Egbo, Mayer, Beyer und Poulsen schnell.
Das sind alles Indizien für oder gegen einen guten Start in die neue Saison, darf aber weder in die eine noch in die andere Richtung übertrieben werden. Bei Testspielen spielen einfach zu viele Einflüsse eine Rolle, als dass man daraus belastbare Schlüsse für den Ernstfall ableiten könnte. In diesem Sinne müssen wir uns auch jetzt weiter gedulden, hoffen, dass nicht noch mehr Verletzungen dazu kommen und die Transfermeldungen im Auge behalten. Hoffen wir das Beste. In jeder Hinsicht.