2022-01-28

Ein Platz im Herzen

"Niemals geht man so ganz
Irgendwas von dir bleibt hier."

(frei nach Trude Herr) 

 

Man soll gehen, wenn es am schönsten ist. Jeder kennt den Spruch, jeder nimmt es sich vor, danach zu handeln. Aber am Ende kommt es ganz oft dann doch anders. Und das lastet dann oft bleischwer auf der Situation und verstellt den Blick auf das Geleistete, auf das gemeinsame Gute.

Das gilt auch für die Nachricht, die gestern sicher allen, die ein Herz für Borussia haben, tief ins Mark traf. Max Eberl will gehen - nein, er muss gehen, sofort, seiner eigenen Gesundheit zuliebe -, nach 23 Jahren in Gladbach und vor allem nach 13 sehr erfolgreichen Jahren als Manager des Vereins, den er aus trüben Gewässern der Liga wieder dauerhaft ins Licht der ersten Tabellenhälfte geführt hat. 

Natürlich hat er das nicht alleine geschafft, aber doch federführend, intern als starker Mann und nach außen als das Gesicht des Vereins. Ein Ehrenmann, dem man vertrauen und auf den man sich verlassen kann. Ganz besonders galt und gilt das, wenn man sich als Trainer oder Spieler dem Verein anschließen wollte oder von ihm umworben wurde. 

Max Eberl steht wie kein anderer für den richtigen Riecher, für den Aufstieg des Vereins zu einem der großen Clubs der Bundesliga - einer, der für die Erfolge über den früheren Dauerrivalen FC Bayern steht, für tolle Euro-League- und Champions-League-Abende, für tolle Auswärtsfahrten, an deren Ende man nicht mehr immer fatalistisch singen musste: "Wir fahren weit, wir fahren viel - und wir verlieren jedes Spiel". Dass Borussia sich im Konzert der Großen, mit denen man auf Dauer nicht mithalten kann, immer wieder einen guten Platz ergattern konnte - ohne Max Eberl wäre dies mit ganz großer Wahrscheinlichkeit nicht passiert.

Allein aus diesem Grund ist es Zeit, traurig zu sein, und ja, auch Befürchtungen zu haben. Unsicher zu sein, wie es jetzt weiter geht. Ob zur prekären sportlichen Situation inklusive vieler personeller (Transfer-)Hängepartien jetzt auch noch eine Führungskrise dazukommt? Eine möglicherweise längere Findungsphase, bis jemand das Ruder übernimmt, der in Max' Fußstapfen passt?
Intern könnte es da durchaus Kandidaten geben - ob dies auch eine kurzfristig sinnvolle Lösung wäre, muss sich zeigen. Genausogut kann es gut sein, neuen Schwung und Input von außen zu bekommen. Doch das - und die Frage, ob das alles von jetzt auf gleich funktionieren kann - ist im Moment pure Spekulation.

Was Fakt ist: Es endet jetzt eine Ära, die noch nicht auf ihr Ende vorbereitet war. Es ist eine sehr unglückliche Situation, die zu Max Eberls Rücktritt in dieser schwierigen sportlichen und finanziellen Situation geführt hat. Es hat eine Zeit der Ungewissheit begonnen, und heute vermag niemand zu sagen, wie und wann sie endet.  

Anders als Lucien Favres Flucht aus Gladbach hat mich die gestrige Nachricht emotional nicht ganz so heftig umgeworfen. Damals, nach den zarten Erfolgen, der tollen Entwicklung der Mannschaft, brach mit Favres Verlust zunächst für mich eine Welt zusammen. Doch die Jahre danach zeigten das, was auch Max immer wieder betont hat. Niemand steht über dem Verein. Jeder ist zu ersetzen, und das sogar gut. Das gilt natürlich auch für ihn selbst, und das hat er sicher dabei stets mitgedacht.

Die Aussagen auf der Pressekonferenz haben nun verdeutlicht, was der tiefere Grund war und wie dringend Max die Reißlinie ziehen musste, und dass er - gar nicht seine Art - keine Rücksicht mehr darauf nehmen konnte, wie das den Verein trifft, der offenbar manche Zeichen selbst nicht erkannt hat oder, wie es Eberl ausdrückte, auch nicht sehen konnte, weil er im Job nach wie vor funktioniert hat wie bisher.
Das wiederum hat mich ziemlich mitgenommen. Es ist erschreckend, aber auch so wichtig, dass er das "ich kann nicht mehr mehr, mir fehlt die Kraft" so offen angesprochen hat - als Erklärung für sein Handeln, aber mehr noch für viele andere, die ganz ähnlich leiden und für die sich nicht so viele Menschen interessieren wie für den Manager von Borussia Mönchengladbach.

Ja, es war greifbar, dass seit einiger Zeit etwas schief lief am Borussia Park, nicht nur auf dem Fußballplatz. Auch für Beobachter von weit außen - wie ich einer bin, war das zu spüren, wenn auch nicht genau einzuordnen.
Da waren die Entscheidungen
, die nicht wie erhofft griffen, seien es die Trainerpersonalien oder die Weiterentwicklung der Jugendabteilung zu einem Fohlenstall, der eigene Toptalente entwickelt und wie erhofft verstärkt in die erste Mannschaft bringt.
Hier scheiterte Borussia in gewissem Maß auch am eigenen Erfolg - die Durchlässigkeit aus der Jugend in ein Team der Spitzengruppe der Liga ist zum Beispiel komplizierter als in einem Team der unteren Tabellenhälfte, die Erwartungshaltung allerorten steigt und damit der Druck. Die Konkurrenz nimmt einen anders wahr und damit ernster, und echte Verstärkungen für einen starken Kader erfordern mehr Geld und/oder mehr Geschick - und oft auch mehr Risiko.

Da war Corona und die daraus folgenden zwei Jahre im permanenten Ausnahmezustand. Da waren einige sichtbare und dann auch die nicht erwartbaren Entwicklungen, die - in Kombination - die Mannschaft aktuell in Abstiegsgefahr gebracht und den Verein um einen Teil der zuvor erarbeiteten Aufbau- und Entwicklungszeit zurückgeworfen haben.

Dass das so ist, daran hat natürlich Max Eberl als Verantwortlicher für den sportlichen Bereich seinen Anteil. So, wie man ihn kennt, würde er dies auch nie zurückweisen. Doch er hat auch zurecht darauf hingewiesen, dass jede Entscheidung, die getroffen wurde - die guten wie die nicht so guten - bitte im Licht der Zeit beurteilt werden müssen, in der sie getroffen wurden. Besserwissen kann man es nachher immer.
Und ohne in Details gehen zu müssen: Jeder der Entscheidungen - für Rose, für Hütter, für oder gegen Transfers, waren für sich gesehen nachvollziehbar und im besten Wissen getroffen - ich würde auch sagen, das gilt selbst im Rückblick, auch wenn es legitim ist, die Entwicklung danach kritisch und die Bilanz zum heutigen Tag ernüchternder zu ziehen. 

Gladbach war an einem Punkt, an dem man den Schritt von der Überraschung, vom gut aufgestellten Underdog zum dauerhaften Spitzenclub der Liga schaffen wollte - und auch musste, um Anschluss zu halten. Das ist vorerst nicht gelungen.

Daran haben sich auch schon viele andere Vereine verhoben. Borussia ging aus guten Gründen daher auch nicht ganz in die Vollen, sondern ins gebremste Risiko, zeigte mit der Verpflichtung der damals heißesten Traineraktie aus Salzburg an, dass man es ernst meinte.
Der Rest ist Geschichte, und sicherlich war dies auch der Ausgangspunkt für die Trennung - selbst wenn es sehr viele, teilweise kaum beeinflussbare Faktoren gab und gibt, die dazu geführt haben, dass der Sportdirektor einräumt, dass er im Moment einfach nicht mehr kann. Max Eberl nimmt sich aus gutem Grund nun selbst aus dem Spiel - das ist ihm nicht leicht gefallen, das war auch heute offensichtlich. Aber er nimmt damit zugleich im Idealfall kurzfristig auch Dampf aus dem Kessel, damit bei Borussia wieder ruhiger gearbeitet werden kann. Das das gelingt, ist aber nicht sicher.

Für mich spielt es keine Rolle, wie es im einzelnen zu dieser Entscheidung gekommen ist. Dafür habe ich zu viel Respekt und Sympathie vor der Person Max Eberl und vor den anderen verantwortlich handelnden Personen im Verein. Die Einzelheiten, was war und was schief lief und warum, sind für mich nebensächlich. Die Entscheidung ist gefallen, und sie ist, wie sich gezeigt hat, unabhängig von allen sportlichen Widrigkeiten vor allem für die Person Max Eberl unaufschiebbar gewesen. Die Lehren müssen gleichwohl intern - ehrlich - gezogen werden. Mein Vertrauen ist groß genug, dass der Verein das im Sportlichen schnell und gut hinbekommt.  

Ich werde deshalb auch nicht bewerten, was nun und in den kommenden Tagen und Wochen womöglich noch an Gründen und vermeintlichen Interna in Gerüchte-Medien, Fanforen und manchen Blogs ausgebreitet werden wird. Was stimmt und was nicht, was relevant ist, was nicht - dazu fehlt mir fehlt der Einblick in die Details und in die Abläufe im Verein. Also halte ich mich zurück. Es wäre schön, wenn dies auch die scheinheiligen Zeitungen mit den großen Buchstaben ähnlich halten würden. Setzen würde ich nicht darauf.

Nun ist es, wie es ist. Und egal, wie die weiteren Lebens- und Karriereplanungen von Max aussehen: Sie sind zu respektieren, und es ist erst recht selbstverständlich, dies angesichts der offenen und ehrlichen Worte in der Pressekonferenz zu tun. Auch ohne diese Informationen hätte aber niemand das Recht gehabt, Max Eberls Rücktrittsentscheidung in Frage zu stellen - und außer den üblichen Social-Media-Krakeelern wird das auch niemand ernsthaft tun. 

Ich hoffe, dass Max nun seine Auszeit nutzen kann und wieder lebensfroh mit vollen Akkus zurückkehrt. Ich werde natürlich weinen, wenn ich ihn irgendwann einen anderen, am Ende auch sicher unsympathischen Konkurrenten managen sehen muss. Aber wenn es so weit ist, wünsche ich ihm dafür dennoch Erfolg. Er hat es sich verdient, auch selbst den nächsten Schritt machen zu können. Er hat schließlich bis jetzt vor allem vielen anderen "nächste Schritte" ermöglicht, die nebenbei auch Borussia zu dem Verein gemacht haben, der er heute ist. Das gilt es zu sichern, und das ist ganz sicher auch das, was in Max' Interesse ist. 

Ich bin jetzt einfach dankbar. Dankbar, dass er den Mut hatte, die Reißleine zu ziehen, bevor Schlimmeres passiert. Dankbar, dass wir die vergangenen 10 märchenhaften Jahre mit ihm hatten. Dass uns vor allem durch Max Eberl sportliche Sternstunden geboten wurden, dass wir kurzzeitig immer mal wieder an das Fußballmärchen glauben durften. Daran, dass ein kleiner "gallischer" Verein mit ehrlicher und aufrichtiger Arbeit es am langen Ende doch noch schaffen kann, sich dauerhaft unter den ganzen Großkopferten mit ihren Gelddruckmaschinen zu etablieren.
Ihnen vielleicht wirklich mal wieder Paroli bieten zu können, gar einen Titel zu gewinnen. Dies alles - und die Vorstellung davon - hat uns über die Jahre elektrisiert - zumindest ging mir das immer so, trotz der ganzen verabscheuenswürdigen Entwicklungen im Business Profifußball, die mich seit langem beschäftigen und abstoßen.

Mit dem, was Max Eberl auch sonst an menschlichen Werten in diesem Geschäft repräsentiert hat, wie er sich in gesellschaftspolitischen Fragen klar positioniert hat, mit seiner Art, mit Menschen umzugehen, hat er mich noch ein bisschen stolzer gemacht, dass ich als Kind ausgerechnet Fan dieses Vereins geworden bin und ihm auch in den finsteren Zeiten immer treu geblieben bin. Auch die Art, wie er heute aufgetreten ist, hat mich in dieser Meinung nochmals bestärkt.
Ich hoffe, dass auch diese Werte und diese Außenwirkung bei Borussia erhalten bleiben. Unabhängig davon ist es aber auch das, was mir immer meine Hochachtung und meinen Respekt ihm gegenüber erhalten wird.

Alles Gute und danke für alles, Max! Danke! Danke! Und nochmal: Danke! Vor allem aber: Werde schnell wieder gesund und fit, erhol dich von den letzten Monaten, von den letzten Jahren. Mach was Gutes draus und lass die letzten Monate bloß nie die guten Zeiten bei Borussia überdecken. Du bist Borusse, du bleibst Borusse. Es war mir eine Ehre, es war uns eine Ehre!
Und noch was: Obwohl ich dich bisher nie persönlich getroffen habe: Du hast immer einen Platz in meinem Herzen und einen Stein bei mir im Brett!
Lott jonn!

2022-01-22

Ein Lebenszeichen

Schon wieder ein 1:2 im Heimspiel, schon wieder mit leeren Händen vom Platz gegangen. Und die Situation in der Tabelle wird damit logischerweise nicht weniger prekär. Doch im Gegensatz zum Auftritt gegen Leverkusen und vor allem zu dem am Mittwoch im Pokal bei Hannover 96 war diese Niederlage heute himmelschreiend unverdient. Vielleicht aber auch nur folgerichtig. Denn wenn es im Fußball immer widerkehrende Gesetzmäßigkeiten gibt, dann sind das zum Beispiel diese: 

- Nicht immer gewinnt die (an diesem Tag) deutlich bessere Mannschaft.

- Wer vorne seine Chancen nicht nutzt, wird am Ende hinten kalt erwischt.

- Wer unten steht, auf dem wird noch rumgetrampelt - und sei es "nur" durch knifflige Entscheidungen, die überdurchschnittlich häufig gegen das tabellarisch unterlegene Team fallen. 

Letzteres haben wir aus beiden Sichtweisen schon zur Genüge erfahren. Als Borussia jahrelang Spitzenteam war, fiel so manche Entscheidung auch glücklich für uns aus. Im Moment (wie über die vielen dunklen Jahre in der Vereinsgeschichte) schwingt das Pendel überdurchschnittlich oft gegen den VfL aus. Das ist etwas, was nicht sein dürfte. Und doch ist es so.

Natürlich war das Spiel heute keine perfekte Vorstellung, bei weitem nicht. Gerade in der Anfangsphase war die Verunsicherung im Spiel greifbar, es setzte wieder das behäbige Quer- und Zurückspielen ein, mit dem man sich immer wieder in Sicherheit wiegen möchte. Dass der Gegner es heute ebenfalls etwas ruhiger angehen ließ als erwartet, war da ganz gut. Dennoch konnte es nicht wirklich überraschen, dass Borussia einmal mehr ins Hintertreffen geriet, zu wenig Selbstvertrauen strahlte die Mannschaft in dieser Phase aus.

Wie das 1:0 fiel, und dass Union in Führung gehen konnte, ohne vorher aufs Tor geschossen zu haben, dazu später mehr. Doch mit dem Rückstand wurde Borussia nicht nur aktiver gegen nun wieder sehr defensive Gäste, sie fanden auch von Minute zu Minute besser ins Passspiel. Flo Neuhaus gab nach feiner Finte den ersten, noch zu hoch angesetzten  Warnschuss ab. Das 1:1 dann war dann ganz stark herausgespielt. Klar, wieder vor allem durch eine tolle Einzelleistung von Embolo, der den Ball behauptete, sich geschickt um den Gegenspieler herumwand und dann einen - endlich mal - perfekt getimten Steilpass auf Jonas Hofmann spielte. Der bediente am Ende Manu Koné, der auch cool blieb und überlegt und unhaltbar für Rönnow ins Eck traf. Spätestens mit diesem Moment war dann auch das Publikum ein Faktor. Die 750 Zuschauer im Stadion machten dankenswerterweise ordentlich Stimmung, und das tat den Spielern sicher auch gut.

Das 1:1, so ehrlich muss man sein, war kein Ausgleich, der durch Dauerdruck erzwungen war. Er war für den Moment auch durchaus noch etwas überraschend. Aber die Gladbacher Elf hatte sich langsam an diesen Treffer herangepirscht. Fortan aber war sie gegen eher passive Unioner in allen Belangen besser, ließ plötzlich den Ball auch endlich wieder schnell und direkt laufen, war deutlich zielstrebiger nach vorne und nutzte die Flügel erheblich häufiger als in den Spielen zuvor.

Dass es aber am Ende trotz einer sehr ansprechenden kämpferischen und einer ordentlichen spielerischen Leistung erneut nicht zu einem oder drei Punkten reichte, lag an der fehlenden Effektivität in den eigenen Bemühungen. Der wieder sehr auffällige Luca Netz hatte aus kurzer Entfernung noch die beste Gelegenheit, doch ihm sprang der Ball eher unkontrolliert gegen das Bein, sodass der Ball über das Tor ging. Zuvor war Ginter aussichtsreich an Rönnow gescheitert. Bessere Chancen gab es in der zweiten Hälfte leider trotz spielerischer Überlegenheit und viel Ballbesitz nicht. Auch der physisch bärenstarke Breel Embolo kam erneut nicht zu einem Torschuss. Das ist offensiv dann, trotz der klaren spielerischen Steigerung, einfach noch zu wenig. 

Die Unioner hatten wirklich keinen besonders guten Tag heute. Aber es reichte aus, in der eigenen Hälfte und in den "Eisernen Abwehrketten" robust zu stehen. Vorne fielen letztlich aus einer Chance zwei Tore. Denn die Elfmeterszene an sich war ja nicht einmal gefährlich für das Tor von Yann Sommer, der heute im Gegensatz zu den arbeitsreichen Wochen zuvor fast überhaupt nichts zu tun hatte.

Typisch für Borussia der Saison 2021/22 dagegen die Art, wie das 1:2 fiel. Ein etwas nachlässig verteidigter Angriff der Berliner, ein unkonzentrierter Querschläger von Denis Zakaria, und schon war es für Gießelmann und Kruse ganz einfach, die ansonsten inzwischen recht sichere Gladbacher Abwehr einmal entscheidend auszuhebeln.

Es gab also nach erkennbaren Verunsicherung zu Beginn des Spiels und einer erheblichen Leistungssteigerung einiges Positives zu beobachten. Das hatte unzweifelhaft mit der Rückkehr von Jonas Hofmann in die Startelf zu tun, der Räume einfach gut besetzt, Gegner clever anläuft, und für Borussia ein wichtiger Unterschiedsspieler ist, neben dem dann auch ein Breel Embolo, ein Flo Neuhaus und ein Manu Koné mehr Luft und mehr Unterstützung bekommen.

Weiterhin beängstigend ist es allerdings, dass von der Bank derzeit absolut niemand kommt, der in der Schlussphase noch einen Mehrwert bietet. Das ist für diesen Kader bei allen verletzungsbedingten Problemen, die es über die Saison hinweg gegeben hat, eine absolut beschämende Bilanz. Dass der Trainer offenbar so wenig Vertrauen in Plea, Thuram und Herrmann hat, dass er sie erst in der 87. Minute oder gar nicht auf den Platz bringt, ist alarmierend. 

Es ist nach den letzten Auftritten der beiden Franzosen aber auch nicht verwunderlich. Und das ist eine ganz schlimme Diagnose. Denn wo steht Borussia denn jetzt personell, vor der vielleicht wichtigsten Herausforderung der vergangenen zehn Jahre, nämlich sich erfolgreich gegen den Abstieg zu stemmen? 

Bensebaini wird nach der länderspiellosen Länderspielpause in zwei Wochen vermutlich wieder zur Verfügung stehen - alles andere als in Topform, wie zu befürchten ist. Chris Kramer sollte wieder mit von der Partie sein. Auch Laszlo Benes wird wohl bis zum nächsten Spiel wieder fit sein, doch auch unter Hütter hat er sich bisher nicht nachhaltig durchgesetzt.

Der verletzte Lars Stindl wird wohl länger fehlen. Sein von Adi Hütter zuletzt sogar als sein möglicher Nachfolger bezeichneter Ersatz Torben Müsel ist ausgeliehen, ebenso Hannes Wolf. Damit sind derzeit schon zwei Kaderplätze unbesetzt.

Und was in Sachen Zakaria, Ginter und Plea passiert, ist offen. Allein für Zakaria scheint es schon konkrete Abgangsszenarien zu geben. Ein Ersatz, der gleich voll einschlägt, wäre in diesem Fall aber auch noch nicht gefunden. Bei Thuram und Plea könnte sich auch erst kurz vor Transferschluss etwas tun, ob dann noch angemessen reagiert werden könnte? Fraglich.

Nachdem die Baustelle Abwehr bisher gerade notdürftig geflickt worden ist - wie sicher man in der neuen Konstellation mit Friedrich stehen wird, muss sich erst noch zeigen - kann es dann auf den Offensivpositionen schnell dünn werden, vor allem, wenn potenzielle Stammspieler wie Plea und Thuram weiter dermaßen unter ihren Möglichkeiten bleiben.

Der bevorstehenden spielfreien Phase bis zur Partie in Bielefeld am 5. Februar kommt also nicht nur in der Trainingsarbeit enorme Bedeutung zu. Im Extremfall gibt man im Winter bis zu sechs Spieler ab, "ersetzt" ist bislang durch Marvin Friedrich ausgerechnet der, der noch gar nicht weg ist - Matthias Ginter. Gut, Müsel und Wolf kehren im Sommer wieder zurück, aber bis dahin nur mit Bennetts, Herrmann und Noß und zwei unmotivierten Franzosen in der Hinterhand agieren zu wollen, das könnte gerade in einem Abnutzungskampf, wie er im Ringen um den Klassenerhalt bevorzustehen scheint, sehr riskant sein. 

Umso ärgerlicher ist es, dass zu den gewaltigen Problemen, die diese Mannschaft ohnehin schon mit sich selber hat, jetzt auch wieder verstärkt der Unsicherheitsfaktor Schiedsrichter hinzukommt. Einmal mehr: Nein, auch Felix Brych hinderte die Spieler heute nicht am Toreschießen. Aber er griff häufig zum Nachteil der Borussia ins Spiel ein. Und das spielt durchaus eine Rolle dabei, wie ein Spiel am Ende ausgeht.

Nehmen wir den klarsten Eingriff, den Elfmeter. Es war der vierte im dritten Spiel innerhalb einer Woche. Und kein einziger davon war glasklar, ich sage sogar: keiner davon war gerechtfertigt. Der erste Foulelfmeter gegen Leverkusen war mit einer leichten Streifberührung am Schuh genau die Art Elfmeter, über die man vor der Saison von den Schiedsrichtern gesagt hatte, dass man sie nicht mehr haben will.
Der zweite Elfmeter war im Strafraum zwar ein klares Foul, dem aber ein ebenso klares an Elvedi vor dem Strafraum voraus ging.
Beim Handelfmeter in Hannover wurde Friedrich aus einem Meter Entfernung getroffen und dreht sich in komplett natürlicher Körperbewegung/Haltung zur Seite, um von dem Schuss nicht voll getroffen zu werden. Hier nach VAR-Eingriff Strafstoß zu geben, war genauso unberechtigt wie beim heutigen Elfmeter - zumindest, wenn man das für bare Münze nimmt, was vor der Saison an Regeländerungen verbindlich festgelegt worden ist.

Dort heißt es: 

"Alte Handspiel Regel: Vergrößern oder Position von Hand/Arm

Gemäß der alten Fußballregeln galt es als strafbares Handspiel, wenn der Spieler seinen Körper mit seiner Hand oder seinem Arm unnatürlich vergrößert hat. Hierzu gab es keine wirklich genauere Definition. Die sonstige Bewegung oder Dynamik des Spielers wurde dabei nicht berücksichtigt. Außerdem galt es auch als strafbares Handspiel, wenn die Hand oder der Arm über Schulterhöhe war, wobei es hier die folgende Ausnahme gab: Es ist nicht strafbar, wenn das Handspiel durch ein absichtliches Spielen des Balls durch den Spieler (per Kopf, Körper oder Fuß) und ein darauf folgendes Prallen des Ball gegen die Hand kommt. Diese Handspiel Regeln gelten jetzt nicht mehr und werden durch die folgende neue Handspiel Regel in den neuen Fußballregeln ersetzt.
Neue Handspiel Regel: Unnatürliches Vergrößern der Körperfläche?

Die neuen Fußballregeln verzichten komplett auf Sonderregelungen bei Abprallern vom eigenen oder gegnerischen Körper. Stattdessen wird neben dem offensichtlichen Handspiel nur noch darauf geachtet, ob es sich um ein unnatürliches Vergrößern der Körperfläche handelt. Unnatürlich bedeutet hier, dass keine der beiden folgenden Aussagen zutrifft: 1. Die Position der Hand oder des Arm ist die Folge einer Körperbewegung des Spielers in der Situation, 2. Die Haltung der Hand oder des Arms kann durch die Körperbewegung des Spielers gerechtfertigt werden.

Wenn also keiner der beiden genannten Punkte zutrifft, dann handelt es sich unabhängig von der Höhe der Hände und Arme um ein strafbares Handspiel. Wenn ein Spieler sich zum Beispiel im Fallen mit dem Arm abstützt, trifft ganz klar die 2. Aussage zu, dass die Armhaltung durch die Körperbewegung gerechtfertigt werden kann. Auch wenn dieses Beispiel nicht mehr explizit in den Regeln steht, handelt es sich weiterhin nicht um ein strafbares Handspiel. In den Regeln steht über das unnatürliche Vergrößern: “Mit einer solchen Hand-/ Armhaltung geht der Spieler das Risiko ein, dass der Ball an seine Hand/ seinen Arm springt und er dafür bestraft wird”

Der Ball heute sprang Zakaria sichtbar an die weit oben befindliche Hand, allerdings im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Abwehrbewegung, einem langen Bein in Richtung des vor ihm im Tiefflug heranstürmenden Gegenspielers. In dieser Situation kann kein Mensch den Arm oder die Hand unten belassen. Diese erhobene Armhaltung ist notwendig, um das Gleichgewicht halten zu können.
Zakarias Bewegung ist natürlich und eindeutig dem Abwehrversuch im Zweikampf geschuldet. Er versucht weder den vom Gegner per Kopf abgefälscht weitergeleiteten Ball aktiv mit der Hand zu spielen, er kann ihm aber auch nicht ausweichen. Es ist nach diesen Regeln sowohl Punkt 1 als auch Punkt 2 erfüllt - ergo: kein Elfmeter. (
der Link zum Nachlesen der aktuellen Handspielauslegung: Regeländerungen Handspiel 21/22)

Warum der VAR sich dennoch einschaltet, wenn der Schiri hier objektiv gesehen keine eindeutig fehlerhafte Tatsachenentscheidung getroffen hat, deutet auf das zweite Problem in diesem Konstrukt. Und hier kommt - aus meiner Sicht - wieder das entscheidende Dilemma des VAR-Designs in Deutschland durch: Der VAR will sich nicht nachsagen lassen, einmal zu wenig interveniert zu haben. Der SR auf dem Feld hat nicht den Mumm, dann doch bei seiner Entscheidung zu bleiben, denn es könnte ja nachträglich von der Schiedsrichterleitung anders ausgelegt werden. Problem: Beide Schiris sind keine Kollegen in einem Team mit einem gemeinsamen Ziel, sondern sie konkurrieren am Ende - um ihre Einsätze in der Bundesliga. Und so kommen solche Grützenentscheidungen dann möglicherweise zustande.

Leider war dies nicht das einzige, was an Brychs Leistung heute zu bemängeln war. Seine beste Aktion hatte er vielleicht schon in der 3. Minute, als er Prömel für einen übertriebenen Einsatz an der Außenlinie sofort verwarnte. Das war vielleicht nicht mal zwingend nötig, ist als Zeichen an die Spieler aber auch sehr früh mal ganz gut. Leider blieb Brych anschließend nicht mal ansatzweise dieser Linie treu. Er ahndete einen etwas ungestümen Einsatz von Friedrich nach knapp einer halben Stunde mit Gelb, sodass der Innenverteidiger über 60 Minuten etwas vorsichtiger in die Zweikämpfe gehen musste. Brych drückte dann aber zum Beispiel bei allem, was Breel Embolo über die 90 Minuten von hinten in Rücken, Nacken und Beine bekam, alle Augen zu.
Dann die Nachspielzeiten: eine Minute in Halbzeit eins nach zwei Toren mit einem Elfmeter und VAR-Einsatz plus dem Schiri am Außenmonitor waren bestenfalls ein schlechter Witz. Die drei Minuten am Schluss ebenfalls, wobei Brych da auch noch pünktlichst abpfiff - natürlich nicht, als der Ball irgendwo geklärt war, sondern just in dem Moment, als Gladbach einen letzten Ball in den gegnerischen Strafraum schlagen wollte.

All das wird begleitet von erstaunlichen Fehlwahrnehmungen. Als Flo Neuhaus sich in der Mitte der Gladbacher Hälfte den Ball mit der Brust am Gegenspieler vorbeilegte, der ihn daraufhin foulte, entschied Brych auf Handspiel gegen den VfL-Akteur. Statt einen schnell ausführbaren Freistoß für die Gastgeber bekam Union Berlin dadurch plötzlich die Möglichkeit, einen gefährlichen Standard in den Strafraum der Borussen zu schlagen - und gewann natürlich Zeit.
Umgekehrt auf der anderen Seite, als Luca Netz zwei Gegner am Strafraum von Union ins Leere laufen ließ und klar den Fuß weggezogen bekam. Da ließ Brych weiterlaufen, Union konnte kontern, wo Borussia doch eigentlich einen Freistoß an der Strafraumgrenze hätte haben sollen. 

Ich habe es schon mal geschrieben, die meisten Schiedsrichter haben einen wirklich guten Blick für solche Zweikampfbewertungen. Brych, das zeigte sich nicht erst heute wieder, gehört seltsamerweise nicht dazu. Natürlich sind das alles für sich genommen Kleinigkeiten. Bis auf den Elfmeter wirkte sich das heute auch nicht in Zählbarem aus. Doch wenn in einem Spiel immer wieder die Messlatte unterschiedlich angelegt wird, bleibt das nicht ohne Wirkung auf die Spieler. 

Aber um es auch noch mal deutlich zu sagen: Die Niederlage hat - den Elfmeter ausgenommen - natürlich in erster Linie Gründe, die in der Gesamtleistung der Mannschaft zu suchen sind, nicht in der des Schiedsrichters. Angesprochen werden darf es dennoch, finde ich.

So, Schwamm drüber, Deckel auf eine unerfreuliche Woche mit drei sehr unterschiedlichen, aber durchweg ärgerlichen Pleiten. 

Ich bin heute wieder sehr ernüchtert über die erneut verschenkten Punkte. Aber nicht mehr ganz so entsetzt wie vor dem Spiel, weil das Team heute gezeigt hat, dass es nicht alles verlernt hat. Jetzt bin ich aber genauso gespannt, welche Antworten Borussia in den spielfreien Tagen für die aktuelle Lage finden wird und wie sie in die 14 verbleibenden Spiele der Saison gehen will. Der Auftritt heute macht Mut, auch wenn er nicht nachhaltig beruhigen konnte. Nicht Fisch, nicht Fleisch also. Aber immerhin: Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Hoffentlich verlieren Embolo und Co. den Kompass jetzt nicht gleich wieder.

Bundesliga, 20. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Union Berlin 1:2. Tor für Borussia: 1:1 Koné.

Saisonspende: Ein Euro für ein Tor, mehr blieb leider nicht. Der Spendenstand: 96 Euro.

Folgendes gilt für die Saison 2021/22: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal: 1 Euro. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 121 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2022-01-19

Sang- und ratlos ausgeschieden

Prolog

Es wurde im Vorfeld geunkt, was das Zeug hält, unter uns Gladbach-Fans. Die Chance, endlich wirklich mal wieder weit kommen zu können im Pokal, bei machbaren Gegnern, die noch im Wettbewerb waren. Die Bayern hatte der VfL ja selbst legendär rausgefidelt, am Vorabend das Spiels in Hannover dann auch noch das Ausscheiden des BVB und des ungeliebten rheinischen Erzrivalen. Ich habe mir auf die Zunge gebissen, mich zurückgehalten mit Häme gegenüber der Kölner und Dortmunder Konkurrenz. Weil auch ich meine Borussia kenne und die vielen "ausgerechnet..."-Geschichten, mit denen es sich dieser Herzensverein immer wieder selbst schwer gemacht hat und macht. Wo Tragik ist, ist der VfL Borussia Mönchengladbach bekanntlich selten weit.

Dennoch habe ich bei Twitter mit einem provokant positiven Eintrag dagegengehalten, gegen die vielen Stimmen, die schon vorher wussten, dass der Ausflug nach Niedersachsen der letzte Pokalauftritt der Saison werden würde. "Wir schaffen das!" - das war meine Losung, weil es doch verdammt noch mal klappen müsste, gegen einen Zweitligisten, der selbst seine Probleme in diesem Spieljahr hat.
Weil die Mannschaft doch jetzt und vor allem nach dem Pokaldienstag endgültig wissen würde, worauf es ankommen würde: konzentriertes Spiel, Fighting Spirit, klare Aktionen und Zusammenspiel. Aber natürlich habe ich insgeheim selbst genau das andere Szenario befürchtet und im Kopf gehabt, dies aber mit Macht wegdrücken wollen. Als ob das etwas daran ändern könnte, wenn auf dem Rasen in Hannover nicht jeder das tun würde, was nötig war.

Das Drama

0:3. Das ganze Spiel über einfach nur ein chancenloser, peinlicher Auftritt - obwohl Borussia sogar genug gute Torchancen hatte, um das Ergebnis zumindest ausgleichen zu können. Wer diese Gladbacher Mannschaft in den vergangenen Jahren kontinuierlich beobachtet hat, weiß um die unerklärliche Spreizung der gezeigten Leistungen zwischen Weltklasse und unterirdisch. Das Spiel heute war aber noch einmal eine Schippe drauf: auf eine Beerdigung erster Klasse. Und auf der anderen Seite: Natürlich ehrliche Glückwünsche an den Gegner, der hochverdient weitergekommen ist.

Ich kann es nicht erklären, deshalb versuche ich es auch gar nicht erst. Aber warum diese Mannschaft es nicht schafft - nach sensationell guten und erst recht nach sensationell schlechten Spielen -, von der ersten Minute an einen Gegner so anzunehmen, wie er kommt, ist ein Rätsel, das offenbar auch im Moment keiner im Verein lösen kann. Köln, Augsburg, Union, heute Hannover - jede Mannschaft, die spielerisch vermeintlich der Hütter-Elf unterlegen ist, weiß, dass sie sich über den Einsatz, die Zweikämpfe, die Laufbereitschaft Sicherheit und Spielkontrolle erarbeiten kann. 

All das gilt aber auch umgekehrt - etwa, wenn man die Leichtigkeit und die Selbstverständlichkeit im eigenen Spiel verloren hat, und schon viel zu viel auf den Deckel bekommen hat in dieser Saison, um die Gegner als "Borussia Barcelona" mit feinen Pässchen und Hacke, Spitze, eins, zwei, drei chirurgisch in seine Einzelteile zu zerlegen. 

Dann kann der Kampf, das füreinander fighten und der unbedingte Wille, jeden Zweikampf zu suchen und zu gewinnen, der Anfang einer Wiederaufstehung sein. Doch bei Borussia 2021 und 2022 funktioniert dieser Schalter, den es umzulegen gilt, offenbar nur gegen die Bayern und gegen den BVB.

In Spielen wie dieser Alles-oder-nichts-Aufgabe heute kannst du viel gewinnen, viel gutmachen, Serien starten - den Bock umstoßen. Wenn das nicht gelingt, und es so aussieht, als hätten es nicht alle wirklich mit vollem Herzen versucht (was ich damit aber nicht behaupten will), dann ist es einfach eine Bankrotterklärung, sofern man die Niederlage nicht wenigstens mit abwegigen Schirientscheidungen oder Verletzungs- oder grobem Schusspech erklären kann.

Ja, auch heute lief nicht alles so glücklich, wie es vielleicht hätte sein können. Über den Elfmeter (zu einem blöden Zeitpunkt und von Yann Sommer ja sogar fast noch gehalten) und seine Berechtigung könnte man lange berechtigt diskutieren, und ich bin ja bekannt dafür, dies auch immer gern als einen Teil der Erklärung von Spielverläufen heranzuziehen. Aber heute tue ich das nicht, auch wenn ich die Entscheidung nach Videobeweis für höchst diskutabel halte.

Heute wäre es grundfalsch, mit diesem Elfmeter zu argumentieren und damit noch von dem eigentlichen Problem abzulenken, das die Mannschaft von Adi Hütter einmal mehr in dieser Saison in aller Brutalität offenbart hat.
Sie ist hilflos gegen gut im Raum agierende, läuferisch fleißige Gegner. Sie kann sich aus unangenehmen Situationen im Spiel nicht befreien, sie kann einem Gegner, der einen Weg gefunden hat, den VfL unter Druck zu setzen (und das haben inzwischen eigentlich alle), nichts entgegensetzen, um das Spiel wieder in die eigene Hand zu bekommen, um ein Spiel zu kippen, wie es so schön heißt. Sie hat derzeit keine Mittel, gegen einen Gegner zu bestehen, der sich nicht gerade die Tore selbst einschenkt oder sie dem Gegner vorlegt (so wie wir zum wiederholten Mal heute, etwa beim 0:1).

Ich gebe zu, ich bin ratlos, woran das in erster Linie liegt und was man am schnellsten und effektivsten verbessern muss und kann, um eine Stabilität wiederzuerlangen, die einen mit vielen überdurchschnittlich talentierten Spielern gesegneten Kader für den Abstiegskampf ausrüstet - um "mehr" geht es in dieser Saison wirklich nicht mehr.

Viel erschreckender aber finde ich, dass offenbar gerade auch sonst keiner der Verantwortlichen Antworten auf dieses Desaster hat. Jeder Woche eine neue Aufstellung - sicher, das liegt auch an Verletzungen - immer wieder neue taktische Ausrichtungen und Experimente auf den Positionen. Und wenig souveräne Erklärungsversuche, woran es denn liegt - wenn nicht doch bei manchem Spieler zu viel der Fokus auf die unmittelbar anstehenden Aufgaben nicht (mehr) ausreichend da zu sein scheint.

Die verzweifelten und ehrlichen Worte von Kapitän Stindl, der uns vor der Sky-Kamera nach dem Spiel fast mit Tränen in den Augen an seiner Fassungslosgkeit über diesen Auftritt teilhaben ließ, tat schon fast körperlich weh. Stindl lief und ackerte wieder 90 Minuten lang wie ein Verrückter, blieb dabei aber genauso wirkungslos wie seine Mitspieler. Das alles sah oft genauso aus wie in der Geschichte vom Hasen und dem Igel.
Kaum vernünftige Angriffe, Pässe ins Nichts, keine verwertbaren Flanken oder Eckbälle (wieder kein guter Standardschütze in der Startelf), überhaupt wenig Präsenz im gegnerischen Strafraum. Behäbiger, unsicherer Spielaufbau, immer wieder vorzeitiges Abbrechen von Spielzügen, Verzweiflung und Leere in den Gesichtern. Was versucht wird, verläuft im Sande.

Wie heute die Einwechslung eines zwar irre schnellen und zweikampfstarken Stürmers, der aber gefühlt seit mehreren Spielen nicht mehr aufs Tor geschossen hat (auch heute nicht) und der auch in keiner Weise mehr dazu kommt, seine Stärken im Spiel nach vorn auf den Platz zu bekommen, weil er nur lange Bälle aus der eigenen Abwehr zum behaupten bekommt und dabei meist auf sich allein gestellt bleibt. Thuram und Plea, die letzte Saison die Champions League mit ihren Toren gerockt haben - Totalausfälle. Koné, Scally, Lainer bissig und willig, aber überfordert, weil sich ihnen unmittelbar immer mehr Gegner gegenüberstehen als ihnen Mitspieler zu Hilfe eilen.

Überhaupt scheint in dieser Mannschaft nur Flo Neuhaus noch zu Torchancen zu kommen, und das auch erst, seit Jonas Hofmann fehlt. Die Unberechenbarkeit dank einer kontinuierlichen Torgefahr aller Offensivspieler, die nahezu die gleiche Mannschaft in den vergangenen zweieinhalb Jahren immer wieder auch gegen Top-Gegner ausgezeichnet hat, sie ist weg. Es stimmt nichts mehr im Spiel. Und die Reaktionen von der Bank auf Rückstände und verlorene Spielkontrolle wirken wenig überzeugend. Zumindest zahlen sie sich derzeit auch nicht aus.

Epilog

Es gibt nichts schönzureden. Diese Mannschaft sollte auch in der Aufstellung von heute in der Lage sein, gegen jeden Gegner der Liga zu bestehen. Sie ist es aber nicht. Ob das in den Köpfen überall angekommen ist? Ich weiß es nicht. Wenn sich Borussia nicht bis Ende Januar sichtbar fängt, sich notfalls mit drastischen personellen Umstellungen schnell erstens in der Defensive stabilisiert, ohne zweitens die Offensivbemühungen damit quasi einzustellen, wie es gegen die Bayern, Leverkusen und heute gegen Hannover zu beobachten war, dann wird es wirklich zappenduster.

Es darf jetzt nur noch der ehrliche Blick auf Platz 16 zählen und zwar, um den Abstand dorthin zu halten und möglichst schnell auszubauen. Am Samstag kommt Union Berlin, auch ein Gegner von der Sorte, die Borussia überhaupt nicht liegen. Auch das wird ein Charakter- und Willenstest. Und ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich die Nerven habe, darauf zu hoffen, dass sich jeder Spieler im Team für den anderen zerreißt, die Abwehr dicht bekommt und dazu noch den Weg aus der spielerischen und (Tor-)Armut findet. Denn sonst wird das der nächste ganz üble Samstagnachmittag für den VfL. 

Auch wenn der berühmte Spruch von Max Eberl gerade in den letzten erfolgreichen Jahren öfter belächelt oder ins Lächerliche gezogen wurde. Es war klar, dass er mit dem "wir wissen, wo wir herkommen" recht hatte und es war auch klar, dass auch zehn gute Jahre einen Verein wie Borussia nicht immun dagegen machen, ins Trudeln zu kommen oder dümmstenfalls gar abzusteigen. Die Schalker, HSVer, Bremer haben es als Warnung vorgemacht. Auch der heutige Gegner Hannover, der auch mal ein paar Schritte vor Borussia unterwegs war, wie wir wissen.

Wir wissen nach wie vor, wo wir herkommen. Aber wir wissen auch, wann wir wieder da sind, wo wir herkamen. Und im Moment sind wir da leider ganz nah dran. Und keiner im Verein sollte sich mehr den Sand von der "zu hohen Qualität im Kader" in die Augen streuen, von dem "wir müssen nur eine Serie starten" oder "wir hatten ja auch ein schweres Auftaktprogramm". Das Beschwichtigen, wie es auch Adi Hütter zeitweise öffentlich praktiziert hat, hilft jetzt keinem mehr. Und wir wissen ja auch, wie es sich mit der Benachteilung durch strittigen oder von Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern verhält, wenn man unten oder eben oben steht. Ein Vorgeschmack waren sicher die jüngsten beiden Spiele - aber auch das taugt nicht zur Erklärung fortgesetzt schwacher Auftritte.

Was bleibt? Außer der diffusen Hoffnung, dass am Ende doch nur ein paar korrigierter, gut gesetzter Puzzleteile - Transfermarkt, Taktik, Formfaktor, Trainer - ausreichen könnten, um wieder in die Spur zu finden? Nicht viel. Und das liegt mir schwer im Magen. Ich habe mir seit langem nicht mehr so große Sorgen um Borussia gemacht. Wie auch sonst, nach allem, was diese Saison schon passiert war - und dann noch nach diesem Spiel heute, das als große Chance begann und einen am Ende nur noch ratlos zurücklässt.     

DFB-Pokal, Endstation Achtelfinale: Hannover 96 - Borussia Mönchengladbach 3:0.

Saisonspende: Nichts. Leere. Es bleibt bei 95 Euro. Und ich lobe jetzt offiziell die schon einmal angedeutete Nichtabstiegsprämie über 20 Euro aus. Es ist Zeit, der Wahrheit ins Auge zu blicken.

Folgendes gilt für die Saison 2021/22: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal: 1 Euro. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 121 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

2022-01-15

Der Elferkiller allein reicht nicht

1:2 verloren, und trotz bester Chancen des Gegners in der Schlussphase bis zuletzt im Spiel geblieben. Zwei Elfmeter abgewehrt und noch eine Reihe anderer Weltklasseparaden gezeigt und trotzdem nicht belohnt: Der Ausgang des Spiels ist heute nicht nur für den allerallerbesten auf dem Platz - Yann Sommer - wirklich richtig ärgerlich.
Ja, natürlich haben wir heute einen Gegner gesehen, der verdient im Borussia Park gewonnen hat. Der die bessere Spielanlage, die zwingenderen Angriffe und in der Defensive den besseren Zugriff hatte - leider einmal mehr auch deshalb, weil der unparteiische Spielleiter Schwierigkeiten hatte, erlaubte Härte von nicht erlaubter Härte zu unterscheiden. Aber dazu später.

Denn hätte Borussia sich am Ende noch einen Punkt (oder mehr) gesichert, hätte sich Bayer Leverkusen darüber genausowenig beschweren können. Auch wenn es nicht in die Märchenwelt von Sky-Loddar und Co. passte - so abwegig war das gar nicht. Die Sky-Plauderer allerdings hatten heute nur einen Blick und ein Ziel: Gladbach schlechter zu reden als es war, weil Adi Hütter es gewagt hatte, Matthias Ginter für den Neuzugang Marvin Friedrich (by the way guter Transfer, Max!) auf die Bank zu setzen und man nach der Niederlage so ganz genüsslich darauf zeigen und behaupten konnte, dass vermeintlich nicht die beste Elf auf dem Platz gestanden habe und man sich das als abstiegsgefährdete Mannschaft nicht erlauben dürfte. Boulevardjournalismus pur, aber sportliche Expertise wird bei Sky ja leider inzwischen immer häufiger durch solche jämmerlichen Show-Experten ersetzt. Egal.

Dass es mit Ginter besser gelaufen wäre, kann man angesichts des Saisonverlaufs nicht seriös behaupten (ebensowenig natürlich wie das Gegenteil). Und zweitens ist es eine Randdiskussion, die den Blick vom Wesentlichen ablenken würde: Der Arbeit, die weiterhin auf die Mannschaft und das Trainerteam wartet, egal, wer gerade auf dem Platz steht und wer auf der Bank sitzt.
Es ist gut, dass Hütter personell wieder mehr Alternativen hat, auf die er zugreifen kann. Es ist gut, dass einige Spieler sich langsam wieder einer akzeptablen Form nähern. Es ist sogar fantastisch (und gleichzeitig schmerzhaft, so etwas betonen zu müssen), dass jeder offenbar jetzt verstanden hat, worum es im Moment IN ERSTER LINIE auf dem Platz geht: nicht um europäische Plätze oder hübsche Hacke-Spitze-eins-zwei-drei-Szenen für das nächste Bewerbungsvideo. 

Es geht darum, (füreinander) zu kämpfen, Lücken zu schließen, Fehler auszubügeln und mit allem, was zur Verfügung steht, erfolgreich zu sein, Punkte zu sammeln, egal, wie es nach außen aussieht. Bis auf letzteres war davon heute sehr viel zu sehen. Das ist gut.

Denn es geht um Stabilität im Gesamtgefüge, um defensive Griffigkeit, um Tore verhindern und erst in zweiter Linie darum, die Durchschlagskraft vergangener Monate nach vorne zurückzugewinnen. Da war das Spiel in Hoffenheim ein erster Schritt. Das Spiel gegen die Bayern trotz spielerischer Armut ein größerer zweiter. Und da war das Spiel heute ein dritter guter Schritt, auch wenn man am Ende mit leeren Händen dasteht und die Gegentore ärgerlich leicht durch individuelle Fehler bei Standardsituationen hergegeben hatte.

Das ist leicht zu analysieren, aber schwer zu trainieren und kann vor allem durch Erfolgserlebnisse und daraus folgend aus der Selbstverständlichkeit, besser in Zweikämpfe gehen zu können, minimiert werden. So kompliziert ist das manchmal im Fußball. Und deshalb muss man auch immer berücksichtigen, dass der VfL im Januar 2022 nicht wie selbstverständlich auf Augenhöhe mit dem gegnerischen Team sein kann.
Das hat eine Ursache sicher auch im Hinspiel, als der Gegner in skandalöser Weise ungestraft um sich treten durfte und zwei der wichtigsten Spieler Borussias für die nächsten Monate ganz aus dem Spiel nahm. Es ist müßig, aufzuzählen, warum es kein Wunder war, dass Bayer mit seiner beängstigend schnellen und talentierten Offensivabteilung auch heute die Gladbacher Hintermannschaft immer wieder in arge Schwierigkeiten bringen konnte. Denn der Kader ist nicht so besetzt, dass man die Speedy Gonzaleze aus der Bayer-Betriebsmannschaft ebenfalls mit Schnelligkeit aus dem Spiel nehmen könnte. Dazu bedarf es anderer Mittel, und die griffen überwiegend heute schon wieder ganz ordentlich - trotz oder wegen Friedrich oder Jantschke oder wem auch immer, ist erstmal wumpe.

Die Geschwindigkeit war unbestritten in Halbzeit eins des öfteren vor allem für Luca Netz und Tony Jantschke zu schnell. Aber was zählt, war die Gesamtverteidigung. Und die war effektiv. Und da zeigten gerade diese beiden wie schon in München, dass auf sie Verlass ist, auch wenn ihnen Fehler unterlaufen.

Es gelang nämlich immer wieder, die Angriffe im Strafraum zu stoppen, sodass Bayer eben nicht so viele klare Torchancen hatte, wie es nach den überfallartigen und oft aussichtsreichen Angriffen hätte sein müssen. Insofern war auch der Halbzeitstand von 0:0 völlig in Ordnung, zumal auch Gladbach ein paar wenige, aber gute Abschlüsse zu verzeichnen hatte.

Dass das Spiel in der zweiten Hälfte in die Richtung des Favoriten kippte, lag nicht nur, aber durchaus auch am Schiedsrichtergespann um Sascha Stegemann und seinem Kompagnon Tobias Stieler im Kölner Keller. Um das aber gleich nochmal deutlich zu sagen - auch weil sich nicht jeder vorstellen kann, dass man das durchaus trennen kann - ich rege mich sehr über solche unterirdischen Schiedsrichterleistungen auf. Ich verliere aber nicht aus dem Blick, dass das nicht (oder nur selten) der Hauptgrund dafür ist, wie ein Spiel ausgeht. Man kann aber Stegemann hier deutlich und aus meiner Sicht auch zu Recht kritisieren und zugleich wissen, wo die Unzulänglichkeiten im Gladbacher Spiel lagen, die am Ende zum 1:2 geführt haben.

Dass Yann Sommer heute gleich zwei Elfmeter auf exzellente Weise halten und damit auch der Mannschaft insgesamt ein bisschen zusätzliche positive Energie verleihen konnte, war insofern zwar schön. Doch beide Strafstöße hätte es absolut nicht geben dürfen. Der erste Elfmeter war ein ganz schlechter Witz, nicht zuletzt weil ja vor der Saison noch ausdrücklich betont wurde, dass genau solche leichten Berührungen eben nicht mehr gepfiffen werden sollten.
Doch Stegemann zögerte nicht (trotz sicher nicht idealem Blickwinkel) einen Moment, diesen Elfmeter zu pfeifen. VAR Stieler hinderte ihn auch nicht daran, obwohl ihm die Bilder ja noch viel deutlicher vor Augen geführt haben mussten, dass es sich hier um ein Musterbeispiel für das "Commitment" handelte, was die Schiris sich vor der Saison gegeben hatten: ein leichter Kontakt, der nicht einmal ausschlaggebend für das Straucheln war.
Aber mit diesen Commitments ist es ja sowieso immer so eine Sache, wie sich an Stielers einmaligem Disziplinierungsanfall gegen Plea damals gezeigt hat. Hätte er das noch im Blick gehabt, hätte allein Demirbay heute in einer Szene gelb und gleich rot gesehen, weil er nach der Verwarnung wegen Ballwegkloppens sich auch noch im Rücken des Schiedsrichters wie ein Rumpelstilzchen aufführte.

Egal, Sommer hielt den Elfmeter genauso wie den zweiten, der zwar in der Sache grundsätzlich berechtigt gewesen wäre, bei der der VAR allerdings zwingend hätte eingreifen müssen, weil in der Szene zuvor Elvedi klar ersichtlich gefoult wurde und ja nur durch diesen Treffer am Bein letztlich der Ball in den Strafraum zum dann gefoulten Leverkusener Spieler kam.
Zwei krasse Fehlentscheidungen, die dank Sommers Klasse glimpflich ausgingen. Auch wenn nach dem ersten Elfer der Führungstreffer nach der folgenden Ecke fiel, die es logischerweise nicht hätte geben dürfen: das kann man natürlich nicht dem Schiedsrichter ankreiden, hier hatte Borussia ja die Möglichkeit, besser zu verteidigen.

Doch natürlich beeinflussen solche Szenen ein Spiel und die (Aufmerksamkeit der) Spieler, genauso wie unberechtigte Verwarnungen auf der einen und viel zu wenige berechtigte auf der anderen, die zum Teil auch noch nur deshalb nicht zustande kamen, weil ein nicht gerechtfertigter weil nahezu nicht vorhandener Vorteil nach taktischem Foul gegeben wurde. Ständige ungeahndete Fouls zermürben auch so einen Schrank wie Embolo mit der Zeit, und so ließe sich der unbefriedigende Auftritt Stegemanns noch fortsetzen. Aber letztlich bringt es auch nichts, den halben Text damit zu füllen, denn in der kommenden Woche warten andere Gegner und andere Schiedsrichter, Und da heißt es aufs Neue, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, sich der eigenen Fehler bewusst zu sein und an ihnen zu arbeiten. Das ist der Teil, den man als Borussia Mönchengladbach beeinflussen kann, den Rest (leider) nicht.

Und abgesehen von der verheißungsvollen Gelegenheit, am Mittwoch in Hannover eine Pokalrunde weiterkommen zu können, wartet am nächsten Wochenende ohnehin ein ganz andere knifflige Aufgabe auf Stindl und Co. Union Berlin wird dem VfL - im Gegensatz zu Hoppelheim, Bayern und Bayer - nicht den Gefallen tun, selbst das Spiel zu machen. Da scheint eine taktische Anpassung und mehr Schärfe in den eigenen Angriffsbemühungen nötig.
Denn wie auch in München und heute deutlich zu sehen war: Gladbach hat sich zwar - mit Ausnahmen - in der eigenen Hälfte gegen den Ball inzwischen wieder stabiler und besser präsentiert. Doch die Verbindung zu und die Unterstützung der drei Offensivsten - Embolo, Stindl und Neuhaus - klappt auch aus diesem Grund oft nicht schnell und präzise genug. Die bessere Defensivleistung geht eindeutig zu Lasten der eigenen Chancenfabrik. Beides ist aber wichtig, um Spiele zu gewinnen. 

Es wartet also wie gesagt weiterhin eine Menge Arbeit aufs Team und das bedeutet wohl auch: eine lange nicht mehr benötigte Leidensfähigkeit für uns Fans. Aber was tut man nicht alles für den Herzensverein. In diesem Sinne: Mund abputzen und nach vorne schauen!    

Bundesliga, 19. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Bayer Leverkusen 1:2. Tor für Borussia: 1:1 Elvedi.

Saisonspende: Ein Euro für ein Tor, aber gleich 5 für Yann Sommers gehaltene Elfmeter. Weil das so selten vorkommt und die Elfmeter zudem noch richtig stark gehalten wurden, verdoppele ich die Yann-Sommer-Summe diesmal auf 10 Euro. Der Spendenstand erreicht damit 95 Euro (+11).

Folgendes gilt für die Saison 2021/22: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal: 1 Euro. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 121 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

2022-01-08

Ein Frühstart nach Maß

Das konnte sich doch sehen lassen. Ergebnistechnisch. Und aufgrund mancher in der Hinrunde nicht mehr so ganz präsenter Tugenden, die zum Rückrundenstart in der Münchner Kältekammer im Team des VfL zurück und gut zu beobachten waren.

Unter dem Strich stehen drei nicht einkalkulierte Punkte gegen den Rekordmeister, über deren Zustandekommen (zum Glück) bald niemand mehr reden wird, für die man sich aber auch nicht zu schämen braucht.

Denn dass dieses Spiel von zwei - in der allgemeinen Wahrnehmung - Spitzenteams in dieser Verfassung und Personalkonstellation als Werbung für die deutsche Bundesliga in alle Welt ausgestrahlt wurde, war schon ein bisschen, ähm... peinlich. Ich weiß nicht, ob ich schon mal ein Erstligaspiel gesehen habe, wo so viele Kerzen in den Himmel und Befreiungsschläge ins Nichts geschossen wurden. Wo Spielfluss und spielerische Finesse höchstens mal aufblitzte. Wo Ballverluste Standard und Spielkontrolle bei beiden Teams nur selten vorhanden war. Vor allem in der Anfangsphase flipperte der Ball im Sekundentakt von der einen zur anderen Mannschaft, mehr als fünf Sekunden Ballbesitz waren die Ausnahme.

Sicher lag das nicht nur an der Aufstellung der Bayern, die zwar namhaft war, aber wo mancher eben auch auf einer ungewohnten Position agieren musste. Es lag auch nicht nur am angekratzten Selbstbewusstsein der Borussen, die sich - ebenfalls nicht in Bestbesetzung - auch in diesem Spiel nur mühsam aus der eigenen Verunsicherung befreien konnten. Nein, es lag auch an den winterlichen Witterungsbedingungen, einem etwas seifigen Untergrund und der Tatsache, dass beide Teams irgendwie nicht wussten, wo sie nach der kurzen Weihnachtspause gerade stehen und wie sie schnell wieder ins Spiel finden könnten. Auch die guten Torchancen und die Tore auf beiden Seiten entsprangen dabei dann weniger spielerischen Geistesblitzen, sondern trugen einen großen Faktor Zufall in sich.

Zunächst sah es dennoch so aus, als würde der Meister hier seinen Stiefel besser herunterspielen können als die Mönchengladbacher Gäste. So zerfahren die ersten 20 Minuten auch waren, mehr Struktur und mehr Zug zum Tor hatten eindeutig die Bayern in ihrem Spiel. Insofern war auch die Führung nicht unverdient. Erst nach dem 0:1 stellten sich die Hütter-Schützlinge in en Räumen merklich besser auf und bemühten sich auch mal mit mehr als drei Spielern in die gegnerische Hälfte zu kommen.  

Der Ausgleich fiel aber doch eher überraschend, nach einem guten Ballgewinn zwar, bei dem Borussia die Kugel nicht gleich wieder verlor, sondern über mehrere Stationen in der Münchner Hälfte nach vorne spielen konnte. Doch eigentlich hätte aus der Flanke von Lainer nichts werden können, da nur Lars Stindl im Strafraum gegen eine Überzahl an Roten stand. Doch der Zufall, Kimmichs Querschläger und eine in diesem Moment dann doch gute Box-Besetzung mit nur drei Gladbachern (gegen acht Bayernspieler) sorgten für das 1:1 durch Neuhaus. Auch dass Stevie Lainer kurz darauf nach tollem Eckball von Luca Netz (und offenbar einstudiertem Laufweg) frei zum 2:1 einköpfen durfte, haben sich die Gastgeber vor allem selbst zuzuschreiben. Das war einfach schlecht verteidigt.

In jedem Fall war es genau der Verlauf, der Borussia fortan in die richtige Spur lenkte. Und von da an ließ die Hütter-Elf nicht mehr locker und zeigte genau das, was in dieser Phase wichtig ist: Kampf, Kampf, Bissigkeit und Zähigkeit. Das reichte gegen diese Bayern an diesem Abend, und insofern war auch der Sieg am Ende "verdient erkämpft". 

Ärgerlich unter diesen Umständen war nur, dass auch am Freitag die eigenen Möglichkeiten wieder nicht genutzt wurden, um das Spiel frühzeitig zu entscheiden. Das war schon vor der Pause ein Manko, als Embolo das 3:1 auf dem Fuß hatte und am glänzend parierenden Ulreich scheiterte und zum Glück Lewandowski und Müller quasi im Gegenzug eine Riesendoppelchance (Pfosten und Ginter-Abwehr auf der Linie) zum Ausgleich liegen ließen.

Vielleicht waren das auch schon die Schlüsselminuten für den Ausgang dieses Spiels. Denn in der zweiten Halbzeit verteidigten die Borussen das Ergebnis letztlich gekonnt und mit dem nötigen Portiönchen Glück, wurde aber längst nicht so gefordert wie in manch anderer Partie gegen den Rekordmeister. Und wenn, dann hatten sie sich selbst in Not gebracht, wie etwa bei dem einen oder anderen Harakiri-Pass, den sich etwa Koné bei allem Eifer erlaubte. Schlimmer allerdings war, dass kein Konter erfolgreich zu Ende gefahren werden konnte und die Bälle dann teilweise auch noch peinlichst einfach vertändelt wurden.

Am Ende ist das egal, denn die drei Punkte sind im Sack und die Mannschaft, die auf dem Platz stand, hat bei allen spielerischen Unzulänglichkeiten gezeigt, worauf es in der Rückrunde zu allererst ankommen wird: Über den Kampf und die konsequente Abwehrarbeit zurück ins sichere Spiel zu finden. Das haben fast alle, die gestern im Einsatz waren, auch verstanden. 

Lainer, Netz und natürlich Jantschke überragten meiner Meinung nach in dieser Hinsicht gegen die Bayern, aber auch Stindl, Kramer und der oft vorne auf sich allein gestellte Embolo standen dem kaum nach. Im Gegensatz zu dem erneut phlegmatischen Auftritt von Plea und vor allem zu Marcus Thuram, der kurz vor Schluss dann doch noch ins Spiel kam und nur mit einem aufreizend lässig vertändelten Konter und seinem unbeteiligten Zurücktraben auffiel und damit auch äußerst negativ aus der Mannschaft herausragte.
Mit dieser Einstellung und den dürftigen Auftritten in den vergangenen Wochen scheint es wirklich dann das Beste zu sein, ihn kurzfristig gegen eine vernünftige Ablöse abzugeben. Es wäre ein enttäuschendes Ende einer so verheißungsvoll gestarteten Geschichte, aber: That's life.

Natürlich werden jetzt viele Spielberichte den Gladbacher Sieg vor allem mit Bayerns Ausfällen erklären. Das kann uns recht sein, weil dadurch auch die Gladbacher Leistung nicht unnötig überhöht wird. Ein bisschen Understatement tut den Spielern im Moment sicher besser, um wieder nachhaltig in die richtige Spur zu finden. Aber die fehlenden Bayern-Stars sind ja wie gesagt auch nur ein Teil der Wahrheit, zumal eine noch besser besetzte Startelf im Oktober auch schon 5:0 gegen den VfL die Packung bekommen hat.
Klar: Die seltsame, aber in weiten Teilen selbstverschuldete (kleiner Kader, Nachlässigkeit) personelle Lage der Corona-Bayern lässt sich an einem besonderen Fakt illustrieren. Dass ein 16-Jähriger so nebenbei zum neuen Rekordhalter als jüngster Spieler der Bundesliga wurde - nicht, weil er als herausragendes Talent schon so weit wäre, sondern weil der Rekordmeister keine anderen spielfähigen Kräfte hatte oder einwechseln wollte, das ist schon so. Doch die Ausfälle von Bensebaini, Hofmann, Scally und Zakaria wiegen auf Gladbacher Seite ja kaum weniger schwer.

Am Ende ist es - trotz des erneuten Erfolgs über den größtmöglichen Gegner - erstmal nur ein Schritt aus der Krise (hoffentlich). Aber der ist umso wertvoller, weil er die Verantwortlichen zunächst wieder ein bisschen ruhiger arbeiten lassen kann. Und das ist in dieser Situation das Allerwichtigste. 

Noch ein bisschen was zum Schiedsrichter? Nun, Daniel Siebert hatte einen sehr großzügigen Tag, übersah dabei einige klare Fouls und hatte auch etwas Glück, dass die Spieler das nicht über Gebühr ausreizten. Denn sonst wäre er nicht gut damit durchgekommen. Gerade Lewandowski hätte mindestens nach seinem zweiten groben und völlig unnötigen Foul gegen Keeper Sommer Gelb bekommen müssen, ebenso Roca.
Stattdessen verteilte Siebert die einzige Verwarnung des Spiels wegen Meckerns an Lars Stindl. Dabei hatte der - vielleicht in der falschen Wortwahl, aber in der Sache berechtigt - sich darüber beklagt, dass Siebert zuvor nach einem Einwurf den Gladbacher Wechselwunsch zweier bereitstehender Spieler ignoriert hatte, was in der Folge zu einer großen Bayern-Chance führte und darüber hinaus dann durch die Verwarnung auch noch zu einem Freistoß gegen Gladbach (statt eigenem Abstoß).
Die Gelbarmut in diesem Spiel, die auf Seiten der Gladbacher ansonsten auch durchaus in Ordnung ging, zeigt aber auch - im Positiven -, dass gestern trotz der spielerischen Klasse und der Geschwindigkeit, die die Müncher auch diesmal zeitweise auf den Rasen bringen konnten, kein Gladbacher gezwungen war, in höchster Not taktische Fouls und damit Verwarnungen zu ziehen. Man muss "nur" jetzt darauf und auf den anderen positiven Ansätzen aufbauen. Damit der frühe Start nach Maß veredelt werden kann.

Bundesliga, 18. Spieltag: Bayern München - Borussia Mönchengladbach 1:2. Tore für Borussia: 1:1 Neuhaus, 1:2 Lainer.

Saisonspende: Zwei Euro für zwei Tore, zehn für den Sieg gegen den Lieblingsgegner: Das kann sich zum Rückrundenstart sehen lassen und "katapultiert" den Spendenstand von 72 auf 84 Euro. Prima!

Folgendes gilt für die Saison 2021/22: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal: 1 Euro. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 121 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.