2016-10-28

Spatz statt Taube

Tja, da müssen wir nun wohl durch.

Es war ein wirklich bemühter Auftritt  des VfL - hinten sicher, nach vorne mit vereinzelten erstklassigen Angriffen und einem bisschen Pech, dazwischen viel, viel Leerlauf. Borussia kriecht im Oktober ziemlich auf dem Zahnfleisch. Lars Stindl und André Hahn waren nach weniger als einer Stunde für alle sichtbar platter als platt, es gelang ihnen vorne entsprechend wenig. Dennoch griff André Schubert erst spät zum Auswechselkärtchen und nahm dann doch nicht die beiden Dauerrenner vom Feld, sondern Johnson und den völlig wirkungslosen Mo Dahoud. Er wird dafür Gründe haben, aber ich hätte Stindl und Hahn gern früher erlöst und dafür einen frischen Hofmann oder Sow gesehen. Aber das mag Geschmackssache sein. Spannend fand ich auch die Rolle von Tony Jantschke als zusätzlicher Abfangjäger im defensiven Mittelfeld. Das klappte defensiv sehr gut, aber die erhoffte Wirkung, Mo Dahoud damit für das Spiel nach vorn zu "befreien", blieb aus. Fast schien es, als sei Dahoud dadurch eher in seiner Entfaltung auf dem Platz gehindert.

Ansonsten bestätigte das eher freudlose Spiel gegen die Eintracht wieder mal die kämpferische Seite der Gladbacher Elf. Anders als beim körperlosen Hinterhergerenne in München scheuten die Borussen keinen harten Zweikampf und gewannen auch die Mehrzahl. Der VfL hat dabei gleich mehrere "Türme in der Schlacht", auf die er sich verlassen kann. Neben dem immer besser zurechtkommenden Yannick Vestergaard räumten auch Elvedi, Jantschke und Korb sehr konzentriert und kompromisslos ab. Ein Phänomen ist allerdings Christoph Kramer, der irgendwie überall auf dem Platz auftaucht, Gegner stellt, Bälle abläuft oder geschickt erobert und als Verbindungsspieler unermüdlich nach vorne aufbaut - ohne dabei müde zu werden oder zu wirken. Für mich war er heute mit Abstand der beste Mann auf dem Platz - was bei dieser Art K(r)ampfspiel auch nicht weiter verwundert.


Dennoch: Es bleibt ein 0:0, das Ergebnis, mit dem ein Fußballfan zumeist am allerwenigsten anfangen kann. Da es schon das zweite 0:0 hintereinander im Borussia Park war, macht es nicht schöner, es ist allerdings auch keine Katastrophe. Zwar steht damit in der Bilanz kein eigenes Tor und magere zwei Punkte aus den jüngsten vier Bundesligaspielen. Aber immerhin spielte der VfL auch zweimal zu Null, ein unter Schubert bislang eher seltener Fall -und die defensive Stabilität war das, was nach dem 0:4 ganz dringend zu verbessern war. Die beiden Gegentore gegen Bayern waren seither auch die einzigen in den vergangenen drei Spielen. Das ist auch nicht so schlecht.

Aber machen wir uns nichts vor: Der durch Verletzungen dezimierte Kader, die überspielten Leistungsträger vorne und einige Spieler, die von ihrer Bestform weit entfernt sind (Dahoud, Herrmann, Wendt) - das ist zu viel an Handicap, um leichten Fußes, aufrecht und siegreich durch die sehr ausgeglichene Bundesliga zu pflügen. Mehr scheint derzeit einfach nicht drin, zumindest solange das Quentchen Glück nicht - wie bei Wendts Lattenschuss - auch mal auf Seiten Borussias ist.

Natürlich verliert man damit in der Tabelle an Boden, wenn man nach oben schaut. Aber es gibt offenbar Phasen in der Saison, da muss man den Spatz in der Hand festhalten, statt der Taube aufs Dach nachzuklettern und dabei abzustürzen. Denn zwischen diesen ergebnistechnisch wenig begeisternden Spielen in der Liga lagen eben auch zwei sehr wichtige Siege in der Champions League und im DFB-Pokal. Und die nächste Herausforderung am Dienstag könnte diesen Herbst für uns ja doch noch ziemlich vergolden. Mit einem Heimsieg gegen Celtic wäre das Überwintern auf europäischer Ebene so gut wie sicher. Und dann wäre in der Liga ja immer noch genug Saison übrig, um das Saisonziel weiter oben in der Tabelle zu erreichen.

Bundesliga 2016/17, 9. Spieltag (28.10.16): Borussia Mönchengladbach - Eintracht Frankfurt 0:0

2016-10-26

Knochenarbeit, kunstvoll veredelt

Puh, Abende wie heute sind es wohl, für die der Begriff Arbeitssieg geprägt wurde. DFB-Pokal unter Flutlicht, ein unterklassiger, aber nicht unterlegener Gegner, zeitweise jede Menge Arbeit, um den eigenen Kasten sauberzuhalten und viele Anläufe, bis vorne etwas Zählbares heraussprang. Und das alles vor einem zunehmend kritischerem Publikum. Das 2:0 gegen den VfB Stuttgart war - auch aus diesem Grund - ein ganz wichtiger Erfolg in dieser so wechselhaften Saison. Denn er zeigte, dass die Borussen auf die Zähne beißen können, dass sie sich von guten wie schlechten Tagen nicht zu sehr beeinflussen lassen und jede Aufgabe für sich weiterhin fokussiert und konzentriert angehen.

Deshalb gibt es heute nur wenig zu kritisieren:
1) Den Kontrollverlust Mitte der ersten Halbzeit, als Stuttgart zu gefährlichen Angriffen geradezu eingeladen wurden, nicht zuletzt, weil Patrick Herrmann und Tony Jantschke sich selbst und ihre Präzision auf der linken Seite erst finden mussten. Wäre da ein Gegentor gefallen, hätte das das Spiel sehr kompliziert werden lassen.
2) Die schwache Chancenverwertung nach dem etwas überraschenden 1:0 und auch nach der Pause. Ein frühes zweites Tor hätte unser aller Nerven gutgetan. So war es bis fünf Minuten vor Schluss immer noch ein etwas wackliges Spiel, das jederzeit noch hätte kippen können.
3) Die aus meiner Sicht bisweilen riskante Spielweise in der zweiten Halbzeit. Angetrieben von den Zuschauern wollte der VfL natürlich das zweite Tor nachlegen, ließ sich dabei aber auf ein typisches Pokal-hin-und-her mit vielen Zweikämpfen und Ballverlusten auf beiden Seiten ein, was einerseits eigene Chancen ermöglichte, allerdings auch die Gefahr von Kontern mit einschloss, was leicht hätte ins Auge gehen können.
Diesmal kann man es als gelungene Taktik feiern. Wäre es schiefgegangen, hätte man nicht zu Unrecht kritisieren müssen, warum man bei eigenem Vorsprung das Risiko eingeht, in Konter zu laufen.

Damit sind wir zugleich wieder bei der richtigen Balance im Spiel. Heute haben Dahoud und Co. das richtige Maß gefunden, den Gegner so lange geduldig zu umspielen, bis sich eine Lücke bietet. Den Ball sicher in den eigenen Reihen zu halten und dann wieder den schnellen, auch mal riskanten Pass zu spielen, der den Gegner überrascht. Eine gute Handvoll Male wurden diese Lücken erfolgreich gerissen und mit hervorragenden Passabfolgen in gefährliche Angriffe verwandelt. Johnson, Hahn und vor allem Lars Stindl fanden dabei mit einer fast traumwandlerischen Sicherheit den jeweiligen Mitspieler und nach holprigem Beginn mischte auch Patrick Herrmann immer besser in diesem Offensivwirbel mit. Diese Angriffe waren lehrbuchhaft und - auch ohne Raffael, Hazard und Traoré - feinste Fußballkunst, die die ansonsten knochenharte und konsequente Handwerksarbeit der Schubert-Elf sehenswert veredelte.

Ein besonderes Lob gilt dabei dem Kapitän. Wie Lars Stindl seit Raffaels Fehlen die Rolle seines kongenialen Partners quasi noch mit übernimmt, ist unglaublich. Vor allem, wenn man sieht, was er ohnehin schon läuft, wie viele Bälle er erobert, sichert und mit seinem Körper gegen brutale Abwehrhärte verteidigt. Wie er das alles wegsteckt, zudem als Verbindungsspieler zauberhafte öffnende Pässe spielt und wenn es passt, wie heute, dann noch selbst vollstreckt - das ist ganz großes Kino! Das soll die Leistung der anderen nicht herabsetzen, ganz im Gegenteil. Aber ich finde, es muss mal besonders hervorgehoben werden.

Nein, ein Selbstläufer ist diese Saison nicht, sie wird auch weiterhin wohl nicht ganz so glatt verlaufen, wie wir das gern hätten. Aber Spiele wie das heute zeigen, dass die Mannschaft von Aufgabe zu Aufgabe zusammenwächst, in ihrer personellen wie taktischen Flexibilität sicherer wird und auch das richtige Maß zwischen Sicherheit und Risiko immer häufiger findet. Das ist und bleibt gleichwohl ein schmaler Grat, vor allem, wenn man so dominant und offensiv auftreten will wie Borussia. Der kunstvoll verzierte Pflichtsieg im Pokal heute war jedenfalls eine gute Übung für die kommenden beiden Aufgaben im Borussia Park - das Spiel gegen die unbequeme und damit relativ erfolgreiche Frankfurter Eintracht sowie das Rückspiel gegen wütenden Schotten aus Glasgow, die gegen den VfL noch etwas gutzumachen haben.

DFB-Pokal 2016/17, 2. Runde (25.10.16): Borussia Mönchengladbach - VfB Stuttgart 2:0 (Tore für Borussia: 1:0 Johnson, 2:0 Stindl) 

2016-10-22

Zum Wegschalten

Das Spiel bei den Bayern heute war - nach einigen guten Jahren - mal wieder zum Wegschalten. Borussia hatte in der ersten Halbzeit so was von keine Chance gegen hellwache und spielfreudige Gastgeber. In der zweiten Halbzeit sah es nur etwas besser aus,  was es aber nicht wirklich war.

Die Schubert-Elf, nach Traorés Ausfall so etwas wie das letzte Aufgebot des letztjährigen Bayern-"Angstgegners", trat so ängstlich und gelähmt auf wie man es in der vergangenen Saison von vielen Bayern-Gegnern gesehen hatte - nur nicht von Borussia.
Und so erübrigt sich auch eine umfangreiche Fehleraufzählung. Der VfL war bis auf ein paar Minuten nach der Halbzeit durchweg zu schlecht, um den Rekordmeister in irgendeiner Weise in Bedrängnis zu bringen.

Nun ist es nicht so, dass ich angesichts der Personalsituation und des kräftezehrenden und aufreibenden Auftritts in Glasgow Punkte in München eingeplant hätte.
Aber wenn eine der beiden Chancen - Johnson in der ersten, Hahns Pfostenschuss in der zweiten Halbzeit - ins Tor gefallen wäre, hätte man die Bayern damit vielleicht ein wenig nervös machen können. Denn deren Taktik, sich nach der Pause aus Schonungsgründen deutlich weiter zurückzuziehen, um Gladbach etwas mehr Spielanteile zu überlassen, war nicht ohne Risiko. Doch ohne die Kreativkräfte Raffael, Hazard, Dahoud und Traoré war Borussia heute einfach zu bieder, um daraus Kapital schlagen zu können.

Positiv habe ich allenfalls für mich abgespeichert,  dass Elvedi die Verschiebung auf unterschiedliche Abwehrpositionen schnell und mit guter Qualität hinbekommt. Dass Strobl erneut eine solide Leistung ablieferte und Kramer sich als unbequemer Gegner etabliert, der sehr viele Bälle abläuft, erobert und auch verteilt. Allerdings ist er auch oft hart am Platzverweis - zum Beispiel heute.
Neben der enttäuschenden mannschaftlichen Leistung fiel Oscar Wendt einmal mehr mit schwachem Abwehrverhalten vor den Gegentoren auf, auch Vestergaard ließ sich mehrmals viel zu leicht ausspielen. Solche Szenen kann man sich gegen die Bayern bekanntlich nicht leisten.  Tut man es doch, dann steht man am Ende so belämmert da wie unsere Helden von Glasgow heute in der Arroganz-Arena. Schade drum.

Bundesliga 2016/17, 8. Spieltag (22.10.16): FC Bayern München - Borussia Mönchengladbach 2:0

2016-10-20

Die Eroberung des Paradieses

Es gibt Spiele, da gibt es nichts zu kritisieren. Einzelne Szenen vielleicht, wo man es dem Gegner mal zu leicht gemacht hat oder eine vertane Chance, wenn ein Angriff zu hektisch zu Ende gespielt wurde. Gestern Abend im "Paradies", wie die Celtic-Fans ihren Fußballtempel nicht zu Unrecht nennen, war so ein Spiel.

Es war so, dass kein Zweifel am Sieger dieser Champions League-Partie bestand. Zu abgeklärt und kühl ging die dezimierte VfL-Elf das Unternehmen "Siegzwang" an.
Keine Nervosität, kompromisslose und erfolgreiche Zweikampfführung und hervorragendes Umschalten im Angriff, das die Schotten ein ums andere Mal in Schwierigkeiten brachte. 
Besonders wertvoll ist dieser Sieg nicht nur, weil er die Chance auf ein Überwintern in einem europäischen Wettbewerb erheblich gesteigert hat. Er war auch der Beweis, dass der "zweite Anzug" Borussia ebenfalls passt, wenn man den Kampf annimmt und läuft, bis es nicht mehr geht. Natürlich ragten in dieser Beziehung gestern Lars Stindl und André Hahn besonders heraus. Doch es wäre unfair, die Leistung der anderen damit zu schmälern. Jonas Hofmann etwa, der fast ohne Spielpraxis in diese Fußballschlacht geworfen wurde,  ein Elvedi, der diesmal nicht von anlaufenden Stürmern zu beeindrucken war. Ein Traoré,  der sich läuferisch und kämpferisch völlig in den Dienst der Mannschaft stellte. Und nicht zuletzt Chris Kramer und Tobias Strobl,  die sämtliche Spielaufbaubemühungen von Celtics Mittelfeldakteuren brutal abliefen und im Keim erstickten. 

Eine bilderbuchhafte "Eroberung des Paradieses" also, inklusive der erstaunlichen Tatsache, die frenetischen Fans der Gastgeber recht schnell recht stumm bekommen zu haben. Das ist dort noch nicht vielen Mannschaften gelungen.
Mitnichten ist es aber ein Grund, nun gleich den Auswärtssieg bei den Überbayern herbeizureden. Denn das taktische Konzept gestern passte perfekt auf eine spielerisch limitierte Mannschaft wie Celtic, die kämpferisch alles in Grund und Boden rennt, wenn man sie lässt.
Es taugt aber nicht genauso gegen eine spielstarke Mannschaft.

Doch das ist erstmal auch zweitrangig. Denn das gestern war eine Sternstunde für Borussia und uns alle,  die wir europäische Auftritte unseres Teams noch nicht für selbstverständlich halten. Ein sportliches Ausrufezeichen und auch erneut eins unserer Fans, die Europa zeigen, wie wahrer Support aussieht. Was die Gladbacher in Glasgow stimmungsmäßig und vom Verhalten abgezogen haben, hallt nach und bringt unserem Verein die Sympathie und Anerkennung, die er verdient. Da bin ich wirklich stolz drauf.

Champions League, Gruppenphase, 3. Spieltag: Celtic Glasgow - Borussia Mönchengladbach 0:2 (Tore für Borussia: 0:1 Stindl, 0:2 Hahn)

2016-10-16

Kein Zielwasser gegen den HaEsFoul

Mann, Mann, Mann! Was für ein Spiel! Und wieder eine vertane Chance auf einen Dreier, so ärgerlich wie lange nicht mehr. Und war das jetzt eine ganz schlechte oder indiskutable Leistung, wie sie ganz viele "Fans" heute gesehen haben wollen und die dann ihrem Frust über Trainer, Dreierkette oder "Elfmeterversager" in drastischen Worten in den sozialen Medien Ausdruck verleihen?
Nein. Im Gegenteil. Borussia hat heute das meiste richtig gemacht - nur das entscheidende nicht, nämlich die vielen Torschüsse in wenigstens ein Tor zu verwandeln. Das nämlich hätte heute gereicht.

Dieses 0:0 ist schwer zu schlucken, weil es gegen eine der schwächsten Mannschaften zustande kam, die ich lange im Borussia Park habe spielen sehen. Der HSV war nur läuferisch erstklassig, defensiv vernünftig, aber nicht besonders herasusragend eingestellt, nach vorne war er nicht vorhanden, bzw. wurde von der sicheren Gladbacher Dreierkette leichtfüßig abgekocht. Wenn man damit dennoch einen Auswärtspunkt holen kann, kann es folglich nur am Gegner gelegen haben. Und somit haben sich die Fohlen den Dämpfer im eigenen Stadion selbst zuzuschreiben.
Der VfL hat sicher heute kein hervorragendes Spiel abgeliefert. Es war aber ein sehr gutes. Und das lässt sich leicht feststellen, wenn man sich mal nicht von den erbärmlichen Fehlschüssen des Spiels ablenken lässt.
Dass man von zwei Elfmetern mindestens einen reinmachen muss, braucht man niemandem zu erklären. Dass keiner freiwillig verschießt, auch nicht. Zumal Stindls Elfer eigentlich sehr gut geschossen war, Hahns zumindest passabel. Aber sei's drum. Schlimmer waren die vergebenen Chancen von Stindl und Elvedi aus kürzester Entfernung, dazu kam Pech bei Wendts Pfostenschuss. Johnson und Stindl hatten zwei weitere "Kann"-Chancen, die mit einem etwas präziseren Schuss wohl auch zu einem Tor geführt hätten. Statt 4:0 oder 5:0, wie es dem Spiel angemessen gewesen wäre, hieß es am Ende aber 0:0.
Und das, weil die (zu Unrecht) in der Länderspielpause so oft gescholtene Dreierkette in der Kombination Korb/Christensen/Elvedi jeden Angriffsversuch der Hamburger im Keim erstickte und auch im Spielaufbau eine sehr ordentliche Figur machte. Das war kein Vergleich zum Spiel vor zwei Wochen auf Schalke. Alle drei machten ein starkes Spiel - fehlerlos, sodass Yann Sommer überhaupt nicht gefordert wurde.
Für dieses Spiel gegen einen harmlosen und früh dezimierten Gegner war die Balance im Spiel sehr gut dosiert, wenngleich der VfL nach dem Platzverweis gegen Cleber phasenweise wieder zu langsam verschob und zu wenig Druck über überraschende Pässe in die Spitze aufbaute. Dass man deswegen die eigene Mannschaft auspfeift, wie das einige heute taten, macht mich aber fassungslos.
Was erwarten diese Leute? Da ist so manchem offenbar etwas zu Kopf gestiegen - zum Glück aber nicht in der Mannschaft. Die spielte nämlich sehr konzentriert und geduldig gegen den defensiven Gegner weiter und fand auch immer wieder Lücken nach vorne, vor allem in der zweiten Halbzeit, wo man sich den Gegner teilweise gut "zurechtlegte". Etwa bei Stindls Chance kurz nach der Pause, der eine sehr überlegte Pass-Stafette vorausging, die mit dem langen Seitenwechsel auf Traoré und nach dessen Pass mit Stindls Schuss aus elf Metern in Adlers Arme endete.
Dahoud und Co machten dabei aber nie den Fehler, zu offen zu stehen und in einen Konter zu laufen. Das war der Unterschied zu vielen anderen Spielen in dieser Saison, nicht zuletzt zu den "tollen sechs Minuten" in Gelsenkirchen.

Ein paar Worte an dieser Stelle zur Überzahl, die aus Sicht mancher Fans ja fast automatisch zu einem Kantersieg führen sollte. Das ist natürlich Quatsch, denn für den HSV änderte sich durch die Rote Karte taktisch fast gar nichts, außer dass ein Spieler weniger in der Offensive zur Verfügung stand. Defensiv ist der Verbund genauso eng gestaffelt und schwer zu knacken wie eine vollzählige Elf. Was sich mit der Zeit auswirken kann, ist die schwindende Kraft und Frische druch den läuferischen Mehraufwand. Und das zeigte sich in der Schlussphase, wo Hamburg sich kaum noch befreien konnte. Leider ohne Erfolg für Borussia.

Vorwerfen will ich der Schubert-Elf heute außer der wirklich schwachen Effektivität vor dem Tor nicht viel. Das Zweikampfverhalten war hervorragend. Obwohl eigentlich nur der HSV verteidigte, lag der VfL mit 53,4 Prozent gewonnener Zweikämpfe klar vorn und ließ wie gesagt auch keine Konter zu - im Verbund mit der Dreierkette muss man da den stark verbesserten Wendt sowie Kramer und Dahoud erwähnen, die sehr konzentriert in den Zweikämpfen zu Werke gingen. Hahn ist da ohnehin außerhalb jeder Kritik, aber auch Stindl und Johnson haben mir gefallen. Ein Tag zum Vergessen war es dagegen für Patrick Herrmann, der seine Startelfchance mit fehlerhaftem Spiel gar nicht nutzen konnte. Schade, es wäre ihm wirklich zu gönnen gewesen.

Leider - und fast erwartungsgemäß - muss es in diesem Text auch ein Kapitel über Schiedsrichter Wolfgang Stark und sein Team geben. Vorweg: Auch wenn es viele anders sehen mögen - für mich sind beide Elfmeter richtig gewesen. In beiden Fällen kreuzt der Verteidiger den Laufweg des (schnelleren) Gladbachers und bringt ihn damit zu Fall. Wohl weil bei Cleber anfangs auch noch die Hand im Spiel war, gab Stark Rot - für mich zu hart.
Im Gegensatz zu früheren Spielen benachteiligte Stark Borussia diesmal nicht über  die Maqßen - oder etwa doch? Denn er hätte durchaus in der ersten Halbzeit zwei weitere Male auf den Elfmeterpunkt zeigen können, wenn nicht müssen. Zum einen in der 12. Minute, als Stindl für mich klar in der Drehung von den Beinen geholt wurde - leider wurde dies in der Wiederholung nirgends gezeigt, sodass ich keine 100prozentige Sicherheit habe. Zum anderen wäre in der 4. Minute für mich ein Elfmeterpfiff angebracht gewesen. Stark pfiff im Laufduell Clebers Handeinsatz gegen Hahn, der noch vor dem Strafraum erfolgte, den Stürmer aber nicht am Abschluss hinderte. Ein klares Foul folgte dann im Strafraum durch den heute völlig außer Rand und Band befindlichen Torwart. Hahn überspielte Adler und wurde von ihm übel getreten. Interessanterweise gab Stark dort noch nicht einmal Gelb für Cleber, den er für eine fast identische Situation in der 25. Minute mit Rot zum Duschen schickte.
Falsch war auch die Bewertung vor dem Zusammenprall von Hahn mit dem mit angezogenem Knie reinspringenden Adler kurz vor der Pause. Denn die angezeigte Abseitsstellung war keine; und es war in diesem Spiel nicht die einzige falsche Abseitsfahne zu ungunsten von Borussia. Somit wäre Adlers brutaler Einsatz entsprechend als Foul zu werten gewesen - natürlich im Strafraum.
Fast schon gewohnt war die wenig stringente Regelauslegung Starks bei Zweikämpfen, mit dem er mal die eine, mal die andere Mannschaft überraschte. Eine richtige Linie hat dieser Unparteiische irgendwie nicht in seinem Spiel. Paradebeispiel war Stindls Gelbe Karte kurz vor der Halbzeit. Die Verwarnung für den Rempler gegen Spahic war völlig ok, aber dann muss Stark auch die Szene zuvor bewerten, bei der Spahic Stindl absichtlich auflaufen ließ, ohne dass der Ball in der Nähe war. Auch diese Szene wurde im Fernsehen leider nicht noch mal gezeigt.  
Ach ja: Muss man noch erwähnen, dass bei Hahns Elfmeterschuss bereits zwei Hamburger in den Strafraum gelaufen waren (und kein Borusse), was laut Regelwerk mit der Wiederholung des Elfers zu ahnden gewesen wäre?
Das alles passte zu dem heutigen Tag. Aber man darf Stark auch nicht die Schuld für das unbefriedigende Resultat geben. Schließlich hatten unsere Helden heute mehrfach vermeintlich leichte Aufgaben, den Ball ohne große Gegenwehr ins Tor zu schießen. Das gelang nicht, insofern geht auch das Ergebnis in Ordnung. Punkt. Wäre nicht schlecht, wenn das Glück und das Tüchtige dann gegen Celtic und die Bayern auf unserer Seite wäre.

Bundesliga 2016/17, 7. Spieltag (15.10.16): Borussia Mönchengladbach - Hamburger SV 0:0

2016-10-02

Kalte Dusche in der Turnhalle

Dass das nichts werden würde, konnte man irgendwie schon ahnen: Nachdem die Süddeutsche Zeitung Borussia vor dem Spiel schon als Bayern-Jäger ausgerufen hatte, weil theoretisch Platz zwei möglich gewesen wäre und zuvor die Dortmunder gepatzt hatten. Weil die Favoritenrolle klar verteilt war - und weil der VfL wieder mal auswärts ranmusste, noch dazu in der Schalker Turnhalle, wo es für Gladbach schon öfter (auch bitter unverdiente) kalte Duschen gegeben hat.

Wenn man das ganze Spiel anschaut, kann man sich über eine Niederlage nicht unbedingt beschweren. Das Zustandekommen und die Höhe sind allerdings ein schlechter Witz. Borussia verweigerte eine Halbzeit lang das Offensivspiel, weil Schalke früh und aggressiv störte und Gladbach wieder einmal keine Lösung fand, nicht einmal den primitiven langen Schlag nach vorne auf Hahn oder Hazard. War es die ungewohnte Aufstellung - mit Dahoud (zu) weit vorn und in der Luft hängend sowie mit den "Spielaufbaugöttern" Jantschke, Elvedi und Vestergaard in der Dreierkette - oder der bissige Gegner - die erste Halbzeit war jedenfalls zum Vergessen, fußballerisch unterirdisch. Dem standen die Gastgeber aber auch nicht nach, sodass das Spiel bis dahin auch keinen Sieger verdient gehabt hätte. Es waren verlorene 45 Minuten.

Dann aber wechselt das Trainerteam goldrichtig, stellt mit Stindl für Vestergaard (plus Christensen in die Kette und Dahoud auf der Sechs) die Borussia-Balance im Spiel nach vorne wieder her. Die Schubert-Elf wirbelt die Gelsenkirchener Defensive auch fünf Minuten lang nach allen Regeln der Kunst schwindelig, schießt aber das Tor nicht. Und auf der anderen Seite entscheidet nicht Schalke das Spiel, sondern der Schiedsrichter. Ein Witzelfmeter zum 1:0 und das vor dem 2:0 im Mittelfeld nicht geahndete klare Foul an Traoré heben Schalke mit sehr fraglichen Mitteln in die Erfolgsspur. Das ärgert mich, denn zu dem Zeitpunkt kam die Gazprom-Truppe überhaupt nicht mehr mit den sichtlich aufdrehenden Borussen mit.
Was danach passierte, ist das, was den Fußball so unberechenbar macht. Nach vorne spielten Stindl und Co. ja keine schlechte Halbzeit, sie hatten genug gute Angriffe und ein paar Chancen, das Spiel noch mal offener zu gestalten. Hazard wurde zu allem Überfluss ein Elfmeter verweigert, den man nicht unbedingt geben muss, der im Vergleich mit der Szene auf der anderen Seite aber schon zwingend ist. Entscheidender als das war allerdings in der zweiten Halbzeit die uns nicht so ganz unbekannte Anfälligkeit für Konter und das Auseinanderbrechen nach einem Rückstand. Drei Tore in sechs Minuten, egal wie sie zustandekommen, das kann man sich nirgends erlauben, wenn man vorne mitspielen möchte. Dass individuelle Fehler, Ballverluste von Dahoud und Christensen, den K.o. bringen, muss man hinnehmen, doch die Schalker waren in diesen Kontersituationen und auch beim 0:2 einfach durchsetzungsfähiger und schneller.
 
Es ist auffällig, dass wieder einmal ein eher dominanter Auftritt im fremden Stadion eiskalt bestraft wird. Der Gegner kann sich ins Fäustchen lachen, denn leichter hat Schalke sicher lange nicht mehr vier Tore erzielen können. Borussia, im Bemühen, den Ball zu kontrollieren und dem Gegner seinen Powerfußball aufzudrücken, läuft dagegen in die Konter der Heimmannschaft und ins offene Messer. Das ist paradox, aber im Borussia Park ist es ja nicht selten ebenfalls ein Erfolgsrezept. Letzten Ende sind es aber genau diese Situationen, die auch gegen Barcelona oder Manchester den Unterschied zum Negativen ausgemacht haben. Aber in jeder Situation die Reife und Abgezocktheit für die richtige Lösung zu haben, ist vielleicht auch zu viel verlangt, gerade wenn man die jungen Spieler anschaut. Lernen müssen sie daraus - gerade im Verhalten Eins-gegen-Eins. Da waren Goretzka, Embolo und Choupo-Mouting heute in einigen Szenen einfach cleverer.

Kleines Detail am Rande: Die vier Gegentore kamen von drei Spielern, die nachweislich auch Gladbach gerne verpflichten wollte. Alle wechselten dann aber - wahrscheinlich wegen der guten Luft auf Schalke - zum Gegner. Auch so etwas sollte man im Blick behalten, wenn es darum geht, die Position von Borussia im deutschen Fußball richtig einzuordnen. Solange bei anderen Vereinen in entscheidenden Momenten Geld keine Rolle spielt, sind der VfL und seine Fans gut beraten, bei den Erwartungen nicht zu überdrehen. Aber derartige Stimmen sind zum Glück bisher noch die Ausnahme, auch wenn die Erwartungen steigen.

Bundesliga 2016/17, 6. Spieltag (2.10.16): FC Schalke 04 - Borussia Mönchengladbach 4:0