2023-06-13

Seriös in den Umbruch

Gut gemacht, Borussia!

Die in der letzten Zeit ja nicht immer zu Unrecht kritisierte Vereinsführung hat zügig nach dem Ende der sehr vorzeitig abgebrochenen Ära Daniel Farke einen renommierten neuen Trainer präsentiert und stellt sich dazu auch im Management nachvollziehbar neu, gut und breiter auf als bisher.
In Dr. Philipp Schützendorf und Nils Schmadtke rücken im Scouting und Talententwicklungsbereich zwei Fachleute mit ins Manangement, die sowohl für gute Arbeit bekannt sind als auch den Verein sehr gut kennen. Steffen Korrell kann dadurch weiterhin - wie von ihm selbst offenbar präferiert - im Hintergrund arbeiten. Dass Roland Virkus damit bei manchen Aufgaben entlastet wird, ist ebenfalls gut und wichtig. Wie die Arbeitsteilung genau aussehen wird, muss sich allerdings noch zeigen, zumal es ja auch im Teammanagement einen Abgang gibt.

Dass die Zeit des treuen Spielers und Teammanagers Christopher Heimeroth bei Borussia endet, finde ich schade. Aber ein Urteil darüber kann ich mir nicht erlauben. Ist er ein notwendiges Bauernopfer, wenn Strukturen aufgebrochen und neu aufgebaut werden müssen? Kann man ihm etwas vorwerfen? Ich weiß es nicht. Heimeroth steht für mich für Borussias Weg. Seit 2006 im Verein, ein wichtiger Teil der Mannschaft, egal ob er im Tor stand oder Ersatzmann war, einer, der nicht im Mittelpunkt stehen musste, ein stiller Teamworker - und ein Sympathieträger. Es kann gut sein, dass inzwischen an dieser Stelle andere Qualitäten mehr gefordert sind. Insofern sage ich aus tiefstem Herzen Danke und wünsche "Heimi" alles, alles Gute auf seinem weiteren Weg - ohne die Entscheidung des Vereins zu bewerten.

Doch zurück zum wohl wichtigsten Zugang. Der neue Trainer Gerardo Seoane hat bewiesen, dass er Mannschaften erfolgreich machen kann, und auch sein vorzeitiges Aus in Leverkusen war wohl nicht allein an seinen Fehlern festzumachen. Seoane war auch früher schon einmal mit Borussia in Verbindung gebracht worden, man hat sich also schon länger mit diesem Trainer beschäftigt. Dieser hat vor seiner Zeit als Cheftrainer auch in der Jugendarbeit bewiesen, dass er Spieler entwickeln kann. Das ist ihm im Seniorenbereich dann auch bei Luzern und den Young Boys Bern gelungen, die er dreimal zum Meistertitel in der Schweiz coachte.

Er ist also durchaus ein Trainer, der zu Borussia passen könnte und sollte - noch mehr jetzt, wo die Rückkehr zum "Borussia-Weg" in keiner Wortmeldung von Roland Virkus mehr fehlt. Darunter ist die verstärkte Förderung der Durchlässigkeit in den Erstliga-Kader für Talente aus der eigenen Jugend zu verstehen, aber auch die Entwicklung von externen Transfers junger Spielern wie Ullrich von Hertha oder Ranos vom FC Bayern II. Nicht zu vergessen, dass da auch noch Rohdiamanten wie Luca Netz und Joe Scally weiter zu schleifen wären.

Die Trennung von Daniel Farke deutet darauf hin, dass man speziell diese Aufgabe diesem Trainer nach den Erfahrungen der abgelaufenen Saison nicht mehr zugetraut hat und sich daher in der Einschätzung, dass man mit Farke über mehrere Transferperioden etwas tragfähig Neues aufbauen könne, korrigiert hat.

Das wäre nachvollziehbar, denn die über Corona und die nicht so erfolgreichen letzten drei Jahre erheblich abeschmolzenene finanzielle Fettschicht erfordert auch einfach günstigere Lösungswege, um den Kader zu erneuern.
Borussia steckt seit vielen Jahren viel Geld in den Nachwuchs und bringt auch immer wieder vielversprechende Talente hervor. Gerade jetzt scheint es in den U17 bis U23-Jahrgängen eine Reihe von Spielern zu geben, die das Zeug für die Bundesliga haben. Genau daran haperte es in den vergangenen Jahren aber zu oft. 

Borussia bildete gut aus, ein paar schafften es auch in den Kader oder feierten gar ihr Bundesliga-Debüt. Doch außer dem jetzt in England beheimateten Jordan Beyer ist in den vergangenen fünf Jahren keiner aus dem Fohlenstall wirklich nah an den Status Stammspieler herangekommen. Die meisten Internatsabsolventen landen letztlich in den Ligen drei und vier, vielleicht auch mal in der 2. Bundesliga oder einer der schwächeren ausländischen Ligen - was im übrigen absolut nicht abwertend gemeint ist. Auch das ist eine Riesenleistung von Spielern und Trainern. Und man darf auch nicht vergessen, dass der Weg in einen Euro-League-Kader nochmal erheblich schwieriger ist als in einen Kader, der in der Bundesliga gegen den Abstieg spielt, so wie es bei Tony Jantschke und Patrick Herrmann damals war.

Vor allem für Jan Olschowsky, Yvandro Borges Sanchez und Rocco Reitz wird es in den kommenen zwei Jahren aber darum gehen, den Sprung in Borussias Erstliga-Stammkader zu schaffen, und möglicherweise kommt da der eine oder andere hoffnungsvolle Spieler aus den jüngen Jahrgängen dazu. Gerardo Seoane und auch Roland Virkus werden sich daran messen lassen müssen, wie erfolgreich es Ihnen gelingt, diesen Part des Borussia-Weges zu gestalten. Bis man auf diese Spieler für die erste Mannschaft bauen kann, wird es aber vermutlich noch ein, zwei, drei Jahre dauern. Das bedeutet, es muss zuvor auch eine personelle Veränderung gemanagt werden, die nicht zu unterschätzen ist.

Dass Daniel Farke in der vergangenen Saison zu wenige dieser jungen Spieler ins Spiel brachte, hatte durchaus Gründe. Einerseits die Frage, ob die Qualität über längere Saisonphasen ausgereicht hätte, um das Ziel nicht zu gefährden, möglichst lange im einstelligen Tabellenbereich die Tuchfühlung zu einem der europäischen Wettbewerbe zu halten. Denn auch wenn die Ziele am Ende der Saison immer bescheidener geplant dargestellt wurden, war genau das die Zielsetzung für die genannte Tabellenspanne 7 bis 12. Dass Farke in der nicht immer komfortablen Situation auch darauf achtete, dass er erstmal für seine eigenen Arbeit buchstäblich Pluspunkte sammeln konnte und deshalb mehr auf die auf dem Papier stärkste Formation setzen würde statt auf die Abteilung "Jugend forscht", ist nichts wirklich Überraschendes.

In dieses Dilemma könnte im Prinzip auch Gerardo Seoane je nach Saisonverlauf geraten. Ihm kommt immerhin jetzt der hoffentliche Lernprozess von Roland Virkus zugute. Und die Tatsache, dass der Umbruch im Kader so erheblich sein wird, dass die Qualität von Thuram, Bensebaini und Co. qualitativ voraussichtlich nicht sofort 1-zu-1 zu ersetzen sein wird.
Auch wenn wir noch nicht wissen, welche Neuzugänge noch kommen werden: Niemand, der die vergangenen Jahre realistisch und aufmerksam verfolgt hat, kann von der Borussia 23/24 vor diesem Hintergrund sofort eine Euro-Qualifikation erwarten. 

Wenn alles gut läuft, ist das sicher nicht ausgeschlossen. Es ist aber sehr viel wahrscheinlicher, dass es nicht so sein wird. Es ist sogar gut denkbar, dass die Seoane-Elf auch mal in Kontakt mit den hinteren Plätzen kommt und sich da wieder rauskämpfen muss.
Dafür ist auch Geduld von uns Fans (aber auch im Management) gefordert. Die Erfahrung des Trainers lässt mich hoffen, dass eine solche Phase für ihn zu handeln ist. Und vom Verein erwarte ich, dass er dem Trainer diesmal die notwendige Zeit dafür einräumt.

Ich denke - nach den ersten Eindrücken bei der Pressekonferenz -, dass der neue Trainer qualitativ und von der Erfahrung her alles mitbringt, worauf es für die "neue Borussia" in den nächsten zwei, drei Jahren ankommen wird. So wie im übrigen die vorhergehenden Trainer unter anderen Rahmenbedingungen wahrscheinlich auch.

Doch Gerry Seoane allein kann auch nicht zaubern. Ein Trainer allein ist kein Grund zum Jubilieren oder gar vor Begeisterung ausflippen. Denn die größte Baustelle ist die Mannschaft, von der wir noch nicht ansatzweise wissen, wie sie ab 18. August in die neue Saison startet.

Auch wenn einige der Abgänge zuletzt durchaus manch berechtigte Kritik abbekamen: Mit Thuram, Bensebaini und Lars Stindl gehen drei Spieler, die allein die Hälfte der Tore der vergangenen Saison erzielt haben (27 Tore/14 Assists). In der Saison zuvor waren diese drei zusammen mit Embolo und Zakaria für 20 Tore und 12 Assists zuständig, wobei Zak nur eine halbe Saison für Borussia spielte und die anderen durch diverse Verletzungen häufiger außen vor waren.

Die einzigen Spieler, die unter Hütter und Farke deutlich zweistellig scoren konnten, waren Jonas Hofmann in beiden Saisons und Lasso Plea (unter Hütter). Um Plea ranken sich ebenfalls derzeit Wechselgerüchte, Jonas Hofmann scheint den Weg weiter in Gladbach mitgehen zu wollen. Doch auch er wird seit der letzten Vertragsverlängerung eine Ausstiegsklausel im Vertrag verankert haben, sodass Borussia ähnlich wie bei Jordan Beyer im Ernstfall keine Verhandlungsposition hätte.

Er gilt für das Team Virkus also nun, diese Tore, Vorlagen (und vorletzten Pässe) aus dem eigenen Kader (etwa durch einen wieder aufblühenden Flo Neuhaus) oder von außen gleichwertig zu ersetzen - bei überschaubarem finanziellen Spielraum. Das ist möglich, aber wenn es auf Kosten weiterer Transfers (Koné, Elvedi, Plea) gehen würde, müssten eben auch dort tragfähige Lösungen gefunden werden. Ob das mit einem oder mehreren der vielen Namen, die im Moment als mögliche Neuzugänge gehandelt werden, möglich wäre, vermag ich nicht zu sagen. 

Das Vertrauen in Gladbachs Scoutingabteilung ist weiterhin groß genug, um da entspannt zu sein. Aber das Entscheidende ist und bleibt im Transfergeschäft das Geld. Damit muss auch Borussia immer wieder klarkommen.

Wer sich das alles also nüchtern anschaut, erkennt leicht, warum es derzeit bei Borussia bei allem Vertrauen in handelnde Personen keinen Grund für überzogene Erwartungen oder begeisterte Aufbruchsstimmung geben kann. Hoffnung ja. Gewissheit oder einen Hype um die neue Borussia - Stand heute - sicher nicht.

Denn einerseits haben die Entwicklungen unter den letzten drei Trainern ihre Spuren in der Fanseele hinterlassen und ein gesundes Misstrauen ist aufgrund dessen gerechtfertigt.

Andererseits ist in diesem Sommer ja auch nicht nur eine Mannschaft wieder auf die normale Kaderstärke zu "ergänzen", sondern komplett in ihrer Gruppenhierarchie neu zu sortieren und vor allem, wieder zu einer charakterlich belastbaren Einheit zu formen, die die eine oder andere vorhandene Schwäche dann gemeinsam auch wieder auszubügeln versteht - und natürlich bereit ist, dafür ein paar "Extrameilen" zu gehen. 

Das braucht vermutlich Zeit und Geduld, es wird Rückschläge und Enttäuschungen beinhalten. Und es ist spätestens in diesem Jahr ein unumgänglicher Weg. Daher benötigt es umso mehr auch die Resilienz und starke Nerven von uns Fans - und vielleicht nicht so viele Extremausschläge auf der Beurteilungsskala unseres Teams wie zuletzt.      

2023-06-11

Die Abrechnung: Saisonspende

Die Saison ist schon eine Weile durch, aber eins bin ich noch schuldig: die Einlösung meiner Saisonspende. Glatte 120 Euro sind es geworden - wer nochmal nachlesen will, wofür ich pro Spieltag kleine Geldsümmchen ausgesetzt habe, kann dies unten im Kleingedruckten tun. 

In den beiden Jahren zuvor war die "Performance" der Borussia in dieser Hinsicht besser, das muss man ja schon sagen. Da waren es 142,50 beziehungsweise 137 Euro, die ich jeweils auf 150 Euro aufgerundet habe. Wie ich schon angekündigt habe, tue ich das auch diesmal, es geht schließlich um die Sache.

Wie verwende ich diese Summe? Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht, weil ich gern mehrere Organisationen unterstützen möchte. Durch aus meiner Sicht sehr unangenehme Entwicklungen außerhalb des Sports fällt das Ergebnis meiner Überlegungen und meine Unterstützung in diesem Jahr "deutlich politischer" aus als in den Jahren zuvor. Ich begründe meine Spenden. Das wird mancher nachvollziehen können oder gut finden, manch anderer nicht.

Wem es nicht gefällt, der muss die Inhalte nicht teilen, es nicht einmal lesen. Wenn es andere zum Nachdenken anregt, und vielleicht zu ganz anderen Schlussfolgerungen führt, ist das für mich auch fein. Nur: Respektiert meine Argumentation, respektiert andere. Und verschwendet nicht unser aller Zeit mit Whataboutism. Grundsatzdiskussionen will und werde ich nicht führen. 

Das hier sind die Empfänger meiner Saisonspende in diesem Jahr:

50 Euro für das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe, Nothilfe Ukraine: Die Folgen des Krieges in der Ukraine und des Dammbruchs am Dnipro sind verheerend. Deshalb ist es für mich selbstverständlich, dass ich einen kleinen Beitrag zur Soforthilfe leisten will. Ich spende zwar lieber direkt an kleine Organisationen, aber dort habe ich darüber im Moment nicht genug Informationen zu seriösen Projekten und effektiver Hilfe. Wer etwas empfehlen kann, gern. Dann kann ich beim nächsten Mal vielleicht darauf zurückgreifen. Diesmal geht das Geld an das Aktionsbündnis von Caritas, DRK, UNICEF und Diakonie.

40 Euro für Sea-Watch e.V.: Der jüngste Asylkompromiss ist aus meiner Sicht ein neuerlicher Tiefpunkt in der EU-Geschichte. Er löst kein einziges Problem in den Fluchtgebieten. Er wird den Staaten an den EU-Außengrenzen nicht gerecht. Er verrät sämtliche Werte, für die sich vor allem christlich geprägte Gesellschaften so gern selbst feiern. Feiern kann man eine solche Politik aus meiner Sicht nur dann, wenn man große Teile der Realität in der Welt einfach ausblendet und nur bis zur nächsten Hauswand blicken möchte.
Ihr hört heraus, ich bin sehr frustriert über die gesamte Entwicklung. Denn die Fluchtbewegungen werden durch die Auswirkungen des Klimawandels in den kommenden Jahren ohne Zweifel erheblich stärker werden. Und selbst wenn man an den Grenzen immer höhere Mauern baut: Das Ausgangsproblem geht nicht weg. Mit der Asylverschärfung wird es allerdings auch zunehmend schwerer werden, Menschen auf dem Mittelmeer vor dem Tod zu retten. Denn die Menschen werden trotzdem weiter in Boote steigen, risikoreichere Fluchten auf sich nehmen. Zugleich wird Helfern die Arbeit mit diesem Asylkompromiss weiter erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Solange es geht, unterstütze ich die Retter auf See daher in meinen Möglichkeiten.  

25 Euro für das Frauenhaus Marburg: Toxische männliche Arschlöcher gibt es nicht nur im Showbusiness, unter Fußballprofis oder bei Rammstein. Sexualisierte Gewalt ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet, geduldet oder gar akzeptiert. Das ist in vielen Gesellschaften weit verbreitet. Es ist genauso quer durch alle Schichten unserer urdeutschen Gesellschaft vorhanden, bis heute wird es in vielen Familien anerzogen und vorgelebt. Ein bisschen Schutz für mutige Frauen, die sich aus einer solchen Partnerschaft oder Familie lösen wollen, bieten Frauenhäuser. Sie sind uneingeschränkt unterstützenswert, wenn gleich es eine Schande ist, dass es sie geben muss.

25 Euro für Hate Aid: HateAid schützt Demokratie und Meinungsfreiheit. Der Verein arbeitet dafür, dass jeder Mensch das Recht und die Möglichkeit hat, sich im Internet frei zu entfalten. Die Organisation unterstützt Opfer von Hass und Gewalt im Netz, ganz konkret durch Beratung und rechtliche Unterstützung von Betroffenen, und bei der Bekämpfung von systematischer Desinformation.

10 Euro für die "Letzte Generation": Nein, ich bin kein Klimakleber. Ich halte viele Aktionen der Letzten Generation auch nicht für zielführend und gut. Aber ich kann nachvollziehen, warum eine Gruppe vorwiegend sehr junger Menschen mehr und mehr glaubt, nur noch mit sehr drastischen Mitteln wie Farbanschlägen oder dem Lahmlegen von Straßen und damit des überwiegend fossil betriebenen Individualverkehrs, ein schnelleres Umsteuern für mehr Klimaschutz erreichen zu können. FridaysforFuture haben mit dem jahrelangen "netten Straßenprotest" zwar weltweit sehr große Aufmerksamkeit generiert, aber konkret nicht genug erreichen können. 

Warum ich einen eher symbolischen Betrag für die Letzte Generation spende, hat zwei Gründe. Zum einen macht ein früherer Kollege dort mit und unterstützt damit das Engagement seiner Kinder. Dieser Mann hat sein ganzes Leben in verschiedenen Organisationen gesellschaftlich relevanten (Bürgerrechts-)Themen gewidmet. Er hat sich dabei sehr viel auch mit (zulässigem) gewaltlosem Widerstand in der Demokratie befasst. 

Diese Protestform gab es immer, und es wurde von staatlicher Seite immer versucht, sie pauschal zu kriminalisieren. Der Mann, von dem ich spreche, ist kein Spinner, kein Revoluzzer, schon gar kein Terrorist. Seine Töchter sind es auch nicht. Nicht für alle in dieser Organisation kann ich das oder ihr Radikalisierungspotenzial natürlich so sicher beurteilen. Wo Straftaten geschehen und Gerichte zu entscheiden haben, ob der Protest noch zulässig war oder nicht, müssen und sollen sie das tun und zu entsprechenden Urteilen kommen.
Die pauschale Kriminalisierung dieser Bewegung aus großen Teilen unserer Politik heraus aber ist nicht akzeptabel. Genausowenig übrigens wie Selbstjustiz wildgewordener Autofahrer.
Deshalb unterstütze ich die Letzte Generation mit einer kleinen Summe. Das Geld geht aber nicht an die Aktivisten selbst für weitere Aktionen, sondern an den Umwelt-Treuhandfonds, der Kosten für juristischen Beistand bei Protestaktionen der Klima- und Umweltbewegung übernimmt.

Eins noch zum Schluss: Ich weiß, dass die Empfehlung ist, Spenden möglichst nicht in mehrere kleine Summen zu splitten. Natürlich ist es effektiver, wenn die Empfänger nicht zu viele Kleinspenden verwalten müssen. Es ist mir aber auch wichtig, mehrere Zwecke und verschiedene Organisationen zu unterstützen. Deshalb mache ich es so. 

 

Das galt für meine Saisonspende in der Saison 22/23: "Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer, Jonas Omlin (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro."

2023-06-04

Umbruch - jetzt aber wirklich

Seit einer guten Woche ist die Bundesliga-Saison 2022/23 Geschichte. Und Borussia steht - um einige zwiespältige Erfahrungen reicher - fast wieder da, wo sie vor einem Jahr stand: zwischen allen Stühlen. Der Neustart, erst ohne Marco Rose, dann auch noch ohne Max Eberl, er will dem Verein nicht so recht gelingen. 

Die Ära Farke, die den Borussia-Weg neu planieren und dessen Leitplanken neu einziehen sollte - sie endet nach einem Jahr, also genauso schnell und unbefriedigend wie die Ära Hütter. Über die Gründe will ich hier nicht viel Worte verlieren. Das haben andere schon ausgiebig getan, man kann sich stunden- oder tagelang darüber streiten, wer nun was nicht richtig gemacht hat, und wo was besser gewesen wäre. Ich persönlich habe da aber keine Lust mehr drauf, die Saison ist rum - und von meiner (vereinsfernen) Seite wäre alles, was sich nicht direkt mit der Beobachtung der Leistungen in den Spielen beschäftigt, auch mehr Spekulation als wissende Analyse. 

Mir geht es mehr darum, nach vorne zu blicken, mit dem, was Borussia derzeit anbietet. Und da ist leider Stand heute noch nicht allzuviel, das hoffen lässt.

Denn am Ende dieser Saison, die mit anderen Personen, anderen fußballerischen Mitteln und anderen Nebengeräuschen nahezu das gleiche mittelmäßige Ergebnis eingebracht hat wie die davor, steht Borussia wieder am Anfang des Neuanfangs. 

Der ist natürlich bei weitem nicht so dramatisch wie bei einem Team, das abgestiegen ist und erst wieder aufsteigen muss. Doch als Gladbach-Fan hat man genau dieses Szenario und die Furcht davor im Hinterkopf fest eintätowiert. Wir wissen schließlich, wo wir herkommen.

Bei uns wird sich nun ab Juli ein weiterer hochqualifizierter Übungsleiter - erwartet wird allenthalben Gerardo Seoane - an diesem Kader versuchen. Der wird diesmal immerhin schon deutlich anders aussehen als der Champions-League-Kader, den man bis in dieses Jahr hinweg noch hoffte, ab und zu im Borussia-Dress neu aufflackern zu sehen.

Aber es ist besser, sich von solchen Erwartungen für die nächste Zeit zu verabschieden. Sommer, Ginter, Zakaria, Embolo, jetzt Stindl, Thuram und Bensebaini, weitere Abgänge wie Plea, Elvedi nicht ausgeschlossen: bei diesem Aderlass verblassen die aufregenden Europapokalabende schon fast von selbst in der Erinnerung. Endlich, möchte man sagen. Denn so lässt sich leichter auch mit hakeligem Spiel und Rückschlägen umgehen.

Vorerst aber bleibt viel Ratlosigkeit, denn der wortgewaltige Trainer, von dem der neue Sportdirektor gleich so angefixt war, hätte ja eigentlich mehr Zeit und Vertrauen bekommen und eine neue Ära einleiten sollen, mit einem borussiaaffinen schönen Kombinationsfußball. Wie das aussehen sollte, konnte man immer wieder mal kurzzeitig sehen. Viel zu oft sah man aber das, was auch schon zeitweise unter Favre und Hecking die geneigte Fanseele gelangweilt und erzürnt hatte: billigen Ballbesitz mit viel Ballgeschiebe in der eigenen Hälfte und wenig Durchschlagskraft nach vorne. 

Die richtige Balance für seine Fußballidee mit dem einen oder anderen neuen Spieler zu finden, das bleibt Daniel Farke nun versagt, genauso wie ein Jahr zuvor schon Adi Hütter.
Wahrscheinlich gibt es im Verein gute fachliche Gründe dafür, die nichts mit den Pfiffen im Stadion und dem Furor in sozialen Medien zu tun haben. Ich will das auch gar nicht bewerten. Ich hätte mir aber durchaus vorstellen können, dass Team und Trainer in der zweiten Saison in die Spur gefunden hätten. Insofern bedauere ich die Trennung auch eher, als dass ich sie begrüße. Allerdings: Ich kenne die gesamte Geschichte nicht und weiß daher nicht, was aus Vereinssicht sonst noch gegen Daniel Farke gesprochen haben könnte.

Für mich stellt sich nun aber grundsätzlich die Frage, wie resilient und geduldig Vereinsführung und Management wirklich sind, wenn es um den schwierigen Umbruch und Neuaufbau bei einer über die Zeit sehr in sich verwachsenen Mannschaft geht. Ein Vorhaben, das möglicherweise eben auch mal mehr als 12 Monate Zeit benötigt und das man gegenüber Fans und Öffentlichkeit eben auch gut moderieren muss. 

Das hat unter beiden Trainern zuletzt gefehlt, und beide wurden am Ende ziemlich alleingelassen und teilweise sozusagen stellvertretend mit der Außenkommunikation betraut, während der Verein sich vornehm zurückhielt. Das lief insbesondere zuletzt unter Daniel Farke nicht besonders gut, wobei ihn an den Misstönen, die sich aus manchen seiner weitschweifigen Aussagen heraus entwickelten, auch nicht die alleinige Schuld trifft.

Wie dem auch sei: Viel weitergebracht haben die beiden Trainerexperimente Borussia am Ende nicht. Es bleiben viele Fragen und hohe Abfindungen für Trainer, die den ohnenhin nicht so üppigen Spielraum für die Neuentwicklung des Kaders wieder etwas einschränken. 

Der notwendige personelle Umbruch, von dem seit drei Jahren gesprochen und geschrieben wird, muss nun aber wirklich kommen. Und die nächste Trainerentscheidug muss passen, sonst wird es auch für Roland Virkus ungemütlich. Doch um wirklich viel bewegen zu können und dem Team neue Qualitäten hinzufügen zu können, muss man auch einen Teil der vorhandenen Qualität zu Geld machen, etwa, indem man Manu Koné oder Lasso Plea bei anständigen Angeboten ziehen lässt.

Ob dafür adäquater Ersatz zu finden ist, ist völlig offen. Am Scouting sollte es eigentlich nicht liegen, wohl aber an Konkurrenz, die bessere Perspektiven zu bieten hat - und an der Frage, wer wann als Trainer feststeht.

Viel mehr lässt sich jetzt nicht seriös sagen. Erst, wenn Trainer und und mehr Zugänge bekannt sind, lässt sich damit so etwas wie Aufbruchsstimmung erzeugen. Die Grundlagen sind da: Mit Omlin, Itakura, Weigl, Neuhaus und Hofmann ist - Stand heute - eine Achse da, an der die neue Borussia sich ausrichten ließe. Der Rest ist gutes Scouting, Überzeugungskraft und Verhandlungsgeschick. 

Und vielleicht lässt sich dann in einem Jahr sagen, dass der Umbruch funktioniert. Aber bis dahin braucht es von uns Fans noch viel Vertrauen und Geduld.