2020-09-26

Mit gebremstem Schaum

Hat jemand gedacht, der VfL sei hervorragend gerüstet für die neue Saison? Ja, ich auch. Doch gerade dann kommt es ja oft anders, als man denkt.  

Nach der enttäuschenden Premiere in Dortmund nun also im eigenen Stadion ein 1:1 gegen Union Berlin. Ein Ergebnis, das völlig in Ordnung geht, aber nicht ganz zu Borussias selbstbewusst formulierten Zielen passt. Das bedeutet: Ins Derby beim 1.FC K*** in der nächsten Woche geht das Team von Marco Rose nun schon mit ordentlich Druck, nicht gleich den Anschluss nach oben zu verlieren. Der kommende Gegner ist zwar noch schwächer in die Spielzeit gestartet als der VfL, doch das heißt in einem solchen Prestigeduell bekanntlich gar nichts.  

Schlimm oder dramatisch finde ich dabei noch nicht einmal, das beim VfL bisher erst ein Punkt auf der Habenseite steht. Gegen Dortmund kann man verlieren, und Union ist auch nicht der FC Oberneuland. Das kann also so passieren, wie es passiert ist. Die Frage ist aber, welches Bild die Mannschaft dabei abgibt. Und da gibt es noch viele Fragezeichen.

Die 90 Minuten von heute gehörten zu der Art Spiele, über die man möglichst schnell den Mantel des Vergessens breiten möchte. Borussia traf auf eine biedere Gästemannschaft, die nicht mehr als untere Bundesliga-Mittelklasse repräsentierte. Dennoch hatten die "Eisernen" kaum Mühe, das Spiel offen zu gestalten, Gladbachs Offensivkräfte im Zaum zu halten und unter dem Strich auch einen verdienten Punkt mitzunehmen.

Es war dementsprechend keine Mannschaftsleistung, für die man gute Noten verteilen kann - anders als noch in Dortmund. Aber auch individuell gab es unübersehbare Schwächen. Sonst so ballsichere und zweikampfgeschickte Spieler wie Flo Neuhaus und Ramy Bensebaini standen in einigen Szene völlig neben sich und brachten nicht den Gegner, sondern sich und die Mitspieler immer wieder in Not. Das Gegentor war ein defensiver Offenbarungseid, auch in der ersten Hälfte brannte es schon ab und zu lichterloh im Strafraum vor Yann Sommer. 

Kaum etwas war zu sehen war vom aggressiven Mannschaftspressing, mit dem der BVB eine Halbzeit lang richtig getriezt worden war. Zwar gab es auch ein paar gute Torchancen, viel mehr Versuche aber wurden mit unpräzisen Pässen und Zuspielen ins Nichts schon "gekillt", bevor sie relevant werden konnten. 

Fast folgerichtig fiel das vermeintlich erlösende 1:0 von Thuram auch durch einen Hofmann-Eckball, bei dem sich die Union-Verteidiger kaum besser anstellten als Elvedi und Co. beim 1:1. Der Kopfball von TIKUS wäre wahrscheinlich auch noch nicht einmal im Tor gelandet, wenn er nicht von einem Gegner noch abgefälscht worden wäre.

Aber egal, wie das Tor fiel - es gab den Spielern nicht wie erhofft endlich mehr Sicherheit und Räume, um ein vorentscheidendes zweites Tor nachzulegen. Nein, es blieb absehbar, dass an diesem Tag ein einziges Tor nicht zum Sieg reichen würde. Irgendwie ahnte wohl jeder, dass es hinten nochmal einschlagen würde.
Solche Spiele sind selten gut erklärbar, aber sie laufen irgendwie immer gleich ab. Und das ist der Grund, warum ich mich heute über den Punktverlust zu Hause nicht so ärgere wie sonst. Denn solche Spiele enden eben oft damit, dass man verliert. Auch heute war das nicht so unwahrscheinlich. Deshalb nehme ich den Punkt - zähneknirschend, aber im Wissen, dass er völlig okay ist für die heutige Leistung des VfL.

Aber warum ist das so? An einem Wochenende mutig, mit viel Druck, gutem Passspiel, Selbstbewusstsein und Vertrauen ins eigene Auftreten; am nächsten Spieltag gehemmt, fahrig und eher hinterher- als voranlaufend? Diese Bandbreite passt nicht zu dem Schritt nach vorne, den die Mannschaft unter Marco Rose gemacht zu haben glaubte.    

Natürlich gibt es Gründe dafür, dass es bei Borussia zum Saisonstart noch nicht so rund läuft wie erhofft. Zum Beispiel die verletzten Stammelfkandidaten Embolo, Lazaro, Zakaria und die aus gleichen Gründen noch nicht wieder in alter Form befindlichen Leistungsträger Plea und Thuram. Aber man muss angesichts der mageren Punkteausbeute auch aufpassen, dass dies nicht zur Entschuldigung auf dem Platz hergenommen wird. Denn dort stehen ja noch genug andere, die für sich den Anspruch haben, das Spiel von Borussia prägen zu können.

Und auch wenn Plea und Thuram Spielpraxis  und damit Wettkampfminuten in der Bundesliga brauchen, um in Topform zu kommen: Wenn sie in der Startelf stehen, müssen sie auch den Unterschied machen können. Nun kann man ja sagen, dass sie heute ja "geliefert" haben. Alassane Plea zeigte in einigen Szenen seine Extraklasse, Marcus Thuram war nicht nur beim Tor zur Stelle, er stand auch noch weitere Male einschussbereit vor dem Tor, wo der letzte Pass dann aber noch von einem Berliner entschärft wurde. Es war aber auch zu sehen, was beiden noch an Spritzigkeit, Spielpraxis und Effektivität zur Topform fehlt. Und dann ist es schon eine berechtigte Frage, ob man mit einem voll im Saft stehenden Hannes Wolf oder Patrick Herrmann nicht heute etwas mehr Durchschlagskraft entwickelt hätte.

Denn Fakt ist auch, dass die Aufstellung der beiden Franzosen die zuletzt eingespielte Formation mit Herrmann, Stindl, Hofmann, Neuhaus sprengt und die Aufgaben der anderen verändert. Nicht nur zum Vorteil. Wenn Flo Neuhaus so abgebrüht agiert wie in Dortmund, ist er auf der Sechs ein starker Partner von Chris Kramer und ein wichtiger Mann im Aufbauspiel. Wenn er aber so fehlerhaft spielt wie heute, wird das zur Gefahr. 

Wenn Jonas Hofmann aus dem Zentrum auf die Außenposition geschoben wird, macht er natürlich dort auch seine Kilometer. Doch es kann auch passieren, dass er, wie heute, am Spiel kaum teilnimmt. Die Flanke zum 1:0 war mit Abstand seine beste Aktion heute. Was ich nicht ihm zum Vorwurf mache, sondern der taktischen Position, auf der er überhaupt nicht zum Zug kam, weil auch der gewohnte flexible Positionenwechsel heute im dichten Union-Gestrüpp nicht so funktionierte wie es notwendig gewesen wäre, um die Gäste-Abwehr öfter durcheinanderzubringen.

Doch noch entscheidender fand ich heute etwas anderes. Als es zum Auftakt vor zwei Wochen an gleicher Stelle gegen den Regionalligisten Oberneuland ging, fiel auf, dass die Borussen von der ersten Sekunde an aggressiv auf den Gegner draufgingen und ihm damit signalisierten, dass es keinen Spielraum für deren Spielidee geben würde. Das sah heute von Beginn an ganz anders aus. Da passte eher die Redewendung vom "gebremsten Schaum".

Sicher, Union ist kein Viertligist. Aber die Körpersprache der Gladbacher Spieler war aus meiner Sicht heute eine weniger entschlossene (bis auf Stevie Lainer natürlich). Sie gingen das Spiel zurückhaltender an, spielten oft nicht schnell und direkt und vor allem überraschend nach vorn, sondern behäbig, mit zu wenig Bewegung auf dem Feld und viel Quergespiele - so als wüssten sie nicht so recht, welchen Gefallen sie Union damit taten, weil genau diese Art abwartender Ballbesitzfußball ohne Überraschungsmoment es dem gegnerischen Abwehrriegel leicht macht, mit zu verschieben und Räume zu schließen. 

Das erinnerte zeitweise an überwunden geglaubte Spiele unter Favre und Hecking. Aber auch unter Rose gab es schon eher passive Auftritte. Die beweisen allerdings nur einmal mehr, dass der Fußball, für den Marco Rose steht, nur mit dem vollen Einsatz aller elf Spieler auf dem Platz wirklich funktioniert. Wenn eine Mannschaft es nicht schafft, dies über 90 Minuten komplett abzurufen, tut sie sich schwer - so wie heute. 

Na gut, es sind erst zwei Spiele gespielt, und auch die letzte Woche aufgrund des klaren Ergebnisses etwas zu Unrecht so hochgejubelten Dortmunder sind heute in Augsburg wieder eingefangen worden. Aber es wird spannend, die Reaktion von Trainerteam und Mannschaft auf diesen Auftritt heute im Borussia Park zu beobachten. 

Egal wie die Tabellenkonstellation heute ist: Gegen K*** kann es nur eine deutliche Leistungssteigerung richten - bei der Intensität der Zweikämpfe, in der Schnelligkeit nach vorne und im Pressing und "Stressing" des Gegners. Der muss zu Fehlern gezwungen werden, bevor er unsere Spieler zu Fehlern zwingen kann. Das, was heute im Park zu sehen war, reicht definitiv nächste Woche nicht. Nicht einmal zu einem Punkt. Aber ich bin ziemlich sicher, dass Marco Rose das den Spielern auch vermitteln wird. 

Aus Gründen noch ein paar Worte zum Schiedsrichter: Bei der Bekanntgabe der Ansetzung wurden zwar üble Erinnerungen wach, unter anderem natürlich an das Witz-Rot gegen Alassane Plea im Leipzig-Spiel. Doch das Unken war heute unbegründet. Tobias Stieler behielt in einem alles andere als giftigen Spiel souverän die Übersicht, nach meinem Eindruck fielen diesmal sogar mehr enge Entscheidungen zugunsten des VfL aus. Insgesamt eine unaufregende  und unauffällige Spielleitung, mit der wohl beide Teams gut leben konnten. Das muss ja auch mal gesagt werden, wenn man wie ich sonst schnell meckert.

Bundesliga 2020/21, 2. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - FC Union Berlin 1:1. Tor für Borussia: 1:0 Thuram.

 

Stand Saisonspende: Das erste Saisontor von TIKUS bringt 50 Cent. Da Tobias Stieler heute keine Normalform erreichte, ist das die einzige Erhöhung der Spendensumme heute. Gesamtstand: 4,50 Euro. Da geht mehr, Borussia!

 

2020-09-19

Und wieder grüßt das Verschaukeltier

Vor nicht einmal 24 Stunden ging ein Text von mir zum Saisonstart online, in dem ich 11 Wünsche für diese Saison formuliert habe. Und obwohl ich ja bekanntermaßen ein Schiedsrichterbenörgler bin, habe ich darin bewusst darauf verzichtet, einen Wunsch auch in diese Richtung zu adressieren. Ich hatte mir sogar im Stillen vorgenommen, in dieser Saison möglichst wenig Zeit mit Entscheidungen von Unparteiiischen zu verplempern oder zumindest, sie nicht immer wieder hadernd in meinem Blog zu thematisieren.

Und jetzt? Schon nach den ersten 90 Bundesligaminuten der Saison kann ich diesen Vorsatz nicht mehr halten. Und das kotzt mich in mehrfacher Hinsicht an, ganz ehrlich. Und das nicht zuletzt, weil wieder einmal der Verein aus Dortmund der Nutznießer davon war.

Aber zunächst zum wirklich Sportlichen. Ich habe heute einen sehr guten Auftritt meiner Borussia gesehen. Eigentlich sogar besser als erwartet. Dortmund fand in der ersten halben Stunde im eigenen Stadion praktisch gar nicht statt. Der VfL gab den Takt vor, attackierte gekonnt in der Hälfte des BVB, sodass es dem Gegner in der ersten Halbzeit nur ganz selten überhaupt gelang, mit sinnvollem Spiel in die Gladbacher Hälfte zu kommen. Gladbach war die bestimmende Mannschaft, hielt den Gegner, anders als bei vielen Begegnungen zuvor also, recht gut vom eigenen Tor weg. 

Allerdings: So effektiv die vorderste Reihe mit Wolf, Stindl und Hofmann im Anlaufen und in der Vorbereitung vieler Balleroberungen war - viele eigene Chancen kreierten sie nicht. Einmal rettete Bürki mit viel Glück vor dem einschussbereiten Flo Neuhaus, ein guter Schuss von Stevie Lainer prüfte den BVB-Keeper ebenfalls, viel mehr sprang aber auch nicht heraus. 

So war es aus den Erfahrungen der letzten sieglosen Spiele fast schon absehbar, dass im Gegenzug Dortmund irgendwann mit der ersten richtig guten Chance und zu diesem Zeitpunkt äußerst unverdient - in Führung gehen würde. Als das Befürchtete eintrat, spielte das dem Gegner selbstverständlich in die Karten. Aber das 1:0 war längst noch nicht spielentscheidend, auch weil die wahre Borussia auch nach der Halbzeit fast unbeeindruckt weiter gut mitspielte und das Risiko nur dosiert erhöhte. Das reichte der Favre-Elf dennoch - weil sie in der entscheidenden Phase des Spiels Hilfe von außen bekam.
Über die letzten halbe Stunde der Partie ist dann nicht viel mehr zu sagen, als dass sich die Mannschaft weiter nicht aufgab und bis zum Schluss sichtlich bemüht war, in einem verlorenen Spiel wenigstens noch ein kleines Ausrufezeichen zu setzen - dies allerdings vergeblich.

Am Ende könnte man es auch darauf reduzieren: Die drei Tore, die heute gegen Gladbach fielen, machten den Unterschied deutlich zwischen diesen beiden sehr talentierten Mannschaften. Es ist unstrittig, dass die Rose-Elf in allen drei Situationen nicht gut genug verteidigt hat. Und dass sie im Angriff eben nicht genauso kaltschnäuzig auftrat wie der Gegner.

Das erste Gegentor war gut herausgespielt, die Szene hätte aber nicht bis in den Strafraum führen müssen. Der Angriff zum Elfmeter und das 0:3 waren ebenfalls gut vorgetragene Konter, denen natürlich Fehler des VfL vorausgingen. Und sicherlich muss man immer auch die Frage stellen, ob man sich im fremden Stadion auskontern lassen muss. Beim 0:3 war der Grund dafür offensichtlich.
Patrick Herrmann hätte den abspringenden Ball risikolos auf die Tribüne kloppen können und müssen, damit wäre kein schneller Gegenangriff möglich gewesen. Doch beim Stand von 0:2 versuchst du natürlich, auch einen nicht optimal springenden Ball nochmal irgendwie in den Strafraum oder zum eigenen Mann zu bringen. Gelingt dir das nicht, ist es für den Gegner relativ einfach, einen solchen Konter dann auch erfolgreich zu Ende zu bringen. In diesem Fall war es die Prise Risiko zu viel. Aber das weiß man hinterher natürlich immer besser.

Insofern hat das Trainerteam allein mit diesen drei Szenen gutes Anschauungsmaterial für die taktische Schulung und damit in der Trainingswoche auch gute Vorlagen für die Feinarbeit. Das ist das Positive, das sich auch aus diesem Nackenschlag ziehen lässt.

Dass man die Partie aber trotzdem nicht einfach so abhaken und die Niederlage klaglos schlucken kann und will, liegt einerseits an der tadellosen Vorstellung von Kramer und Co. Auch die Statistik belegt ein sehr ausgeglichenes Kräfteverhältnis, mit einer Ausnahme - der erzielten Tore. Zum anderen liegt das Hadern mit dem Ausgang des Spiels aber an der Benachteiligung, die dem VfL gerade gegen diesen Gegner nun zum wiederholten Mal widerfuhr.

Dabei hatte Schiedsrichter Felix Brych in der ersten Halbzeit eine nahezu fehlerlose Leistung gezeigt. Er zeigte Gelb, wo Gelb angesagt war, er leitete das Spiel ruhig, bestimmt und souverän und überraschte mich tatsächlich sehr positiv. Dass er sich auf Initiative des Videoassistenten dann in der zweiten Halbzeit zum spielentscheidenden Mann für Dortmund entwickelte, war darum umso irritierender.

Denn der Eingriff des Videoassistenten in der Elfmeterszene entschied in der 54. Minute das Spiel vorzeitig, und das auf eine für mich nicht akzeptable Weise. Brych hatte hervorragende Sicht von hinten auf die Szene, als Bensebaini mit hohem Risiko in den Zweikampf ging und den Ball verpasste. Es war aus Brychs Perspektive, die in der Zeitlupe im Fernsehen auch zu sehen war, kein Kontakt Bensebainis mit Reyna zu sehen, wohl aber, dass dieser nach Bensebainis Grätsche beide Beine frei hatte, demnach auch hätte weiterlaufen können, aber stattdessen doch lieber beidfüßig zur dreisten Schwalbe abhob. Deshalb signalisierte Brych auch Weiterspielen. Er hätte - trotz der Intervention des VAR - auch problemlos bei dieser Entscheidung bleiben können. Und von einem so erfahrenen Schiedsrichter erwarte ich es sogar, dass er nachder Überprüfung zu seiner ersten Beobachtung stehen kann.

Die Entscheidung auf Strafstoß steht jedenfalls auf äußerst dünnen Füßen. Denn die leichte Berührung von Bensebainis nachgeführten Bein an Reynas Ferse lässt sich in der Zeitlupe zwar erahnen. Doch die Tatsache, dass der Dortmunder dadurch nicht zu Fall oder ins Straucheln kam, ist ebenso deutlich zu sehen. Im Gegenteil, der junge Dortmunder machte ungehindert und ohne Einknicken zwei weitere Schritte, bevor er zur Andi-Möller-Gedächtnis-Schwalbe ansetzte (im übrigen nicht zum ersten Mal in seiner Karriere). Das alles spricht für sich und ganz deutlich auch für Brychs ersten Eindruck: kein Elfmeter. Als er zum Monitor rauslief, hätte ich mir deshalb auch im Traum nicht ausgemalt, dass er dafür dann tatsächlich einen Elfmeter geben würde. 

Und so wurde aus der korrekten Einschätzung in Realgeschwindigkeit eine sportwidrige Entscheidung auf Zeitlupenbasis, die dieses Spiel heute zweifellos entschied. Und das auch deshalb, weil Brych kurz darauf auf der anderen Seite bei einem fast identisch zu bewertenden Zweikampf von Hummels gegen Thuram die Chance verpasste, dann wenigstens gleiches Maß anzulegen. 

Auch hier spielte der Abwehrspieler deutlich sichtbar nicht den Ball und beeinträchtigte den Stürmer mit einer leichten Berührung. Im Gegensatz zu Reyna spielte Thuram in der Szene aber wenigstens den Ball. Dass der VAR hier nicht eingriff, war ok. Nur hätte er es in der anderen Situation dann auch lassen sollen. Lässt man die ungleiche und damit ungerechte Beurteilung beider Szene mal außer Acht, hielte ich beide Szenen überhaupt nicht für elfmeterrelevant. So aber wird aus der nachträglichen Umdeutung ein weiterer Skandal in der jüngsten Geschichte der Duelle zwischen den Namensvettern aus Gladbach und Dortmund. Es ist schwer, diese einseitige Benachteiligung der wahren Borussia dann am Ende immer wieder zu akzeptieren.

Nun gibt es keinen Grund, nachdem ersten Spieltag deswegen in eine Depression zu verfallen. Wir wussten alle, dass man in Dortmund nicht unbedingt mit den ersten Punkten kalkulieren konnte - selbst ohne die Hilfe des zwölften Mannes für den Gegner. Auf der Leistung von heute lässt sich aufbauen, und das werden Marco Rose und seine Jungs tun. Da bin ich mir sehr sicher. Und das nehme ich jetzt auch als einzig verbliebenen positiven Ausblick nach dem auf ungehörige Art zustandegekommenen ersten Negativerlebnis der Saison mit in die Nacht. 

Bundesliga 2020/21, 1. Spieltag: Borussia Dortmund - Borussia Mönchengladbach 3:0.

Stand Saisonspende: Heute leider nichts dazugekommen. Es bleibt bei den 8 Toren aus dem DFB-Pokal, also derzeit 4,00 Euro. 

11 für 41 plus x

Es ist soweit. Die Bundesligasaison 2020/21 hat begonnen. Und bevor die wahre Borussia am Samstagabend zum ersten Spitzenspiel bei einem unbedeutenden Verein gleichen Vornamens antreten wird, will ich noch etwas loswerden.

Es sind meine "11 Wünsche" für die kommenden Spiele. Dies sind allein durch das Erreichen der 2. Runde des DFB-Pokals (hoffentlich) schon mindestens 41 Stück, was die etwas kryptische Überschrift erklärt: 34 Bundesligaspieltage, sechs Vorrundenpartien in der Champions League und - wie gesagt - mindestens noch ein Pokalspiel. Im Optimalfall könnten es deutlich mehr werden, im schlechtesten Fall endet die Saison irgendwann gezwungenermaßen vorzeitig, mit den schon in diesem Frühjahr durchdiskutierten möglichen Folgen für den Profifußball und deren Vereine. Davon ist derzeit zum Glück noch nicht auszugehen. Der erste Wunsch dreht sich deshalb auch genau darum.

1) Eine "normale" Saison

Es geht los wie in jeder Saison, und doch sind wir weit von der Normalität entfernt. Die Spannung ist - wohl nicht nur bei mir - eine andere, auf jeden Fall weniger kribbelnde, schon gar nicht enthusiastische. Die Stadien sind gerade nicht Anziehungspunkt, sondern Experimentierfeld. Wer? Wie viele? Wann und wo? 

Es wird noch eine ganze Weile ungerecht und etwas willkürlich zugehen in der Liga. Was die Vereine untereinander und ihre Zuschauerzahlen angeht. Was die Auswärtsfahrer angeht, die im März von 100 auf Null gebremst wurden und die sich wie eingemottet fühlen müssen, mit der neuen Erfahrung, nun vor dem Fernseher zu sitzen, statt quer durch die Republik zu düsen und zu feiern, was es gerade zu feiern gibt. Auch, was die Fans untereinander angeht, die eben nicht alle ins Stadion kommen dürfen und die deshalb zu Konkurrenten um die zur Verfügung stehenden Tickets werden. Und das immer mit dem über allem schwebenden Damoklesschwert, dass ein drastischer Anstieg der Infektionszahlen dem Ganzen auch ein jähes Ende mit Schrecken bereiten könnte.

Selbst eine normale Saison wäre demnach unter diesen Umständen eine "anders normale" Saison, mit der Mindestanforderung, dass die Spiele bis zum Schluss ohne merkliche Wettbewerbsverzerrungen (siehe Dresden letzte Saison) durchgespielt werden kann. Das allein wäre schon viel wert. 

2) Gesundheit für alle

Was man sich gegenseitig zu vielen Gelegenheiten wünscht, nämlich "Hauptsache Gesundheit", soll mein höchster Wunsch sein. Mit verlorenen Spielen, mit nicht erreichten Titeln, mit sportlichen Misserfolgen lässt es sich besser zurecht kommen, als wenn jemand bei unserem liebsten Hobby dauerhaften Schaden erleidet. Ich habe es schon mehrfach geschrieben, und ich will es auch hier noch einmal tun. Wichtiger als jeder Titel ist mir, dass Spieler weder durch Corona noch durch andere Ursachen, etwa wiederholte Gehirnerschütterungen nach Kopftreffern, dauerhafte Schäden davontragen.
Ich werde weiterhin zusammenzucken, wenn es im Luftzweikampf knallt, und ich werde weiter hoffen, dass all das gut ausgeht, für die eigenen wie für die gegnerischen Spieler. Ich hoffe natürlich, dass die Spieler weitgehend ohne Verletzungssorgen durch die Saison kommen. Dass Mamadou Doucouré verletzungsfrei bleibt und sich endlich zum gestandenen Bundesligaspieler entwickeln kann. Und ich hoffe, dass es auch bei den Fans niemanden gibt, der seine Begeisterung für Borussia mit Gesundheitsschäden bezahlen muss. 

3) Mehr Demut im Profifußball

Es ist ein frommer Wunsch, aber ich hoffe, dass den vielen großen Worten, die seit dem zwischenzeitlichen Saison-Lockdown im März gefallen sind, auch nachhaltige Taten folgen. Mehr Demut bei den Akteuren über das, was die Rolle des Profifußballs in der Gesellschaft ist und was sie sein könnte. Weniger Rekorde bei Spielergehältern und Ablösesummen, gerne mehr Reflexion darüber, was falsch läuft im gierigen Milliarden-Geschäft.

Es gibt ja gute Beispiele. Dass Max Eberl und Marco Rose bei der internationalen Aktion mitmachen, ein Prozent ihres Gehalts zu spenden, dass einige Spieler wie Matthias Ginter mit eigenen Stiftungen Gutes tun, dass die Borussia-Familie - ob Fans, Spieler oder Verein - immer wieder auch nicht so vom Leben veröhnten Menschen zur Seite steht. Das alles macht mich stolz.
Aber es stoppt nicht den ungesunden Trend im (internationalen) Fußballgeschäft, für einzelne Spieler aberwitzige Summen aufzurufen und zu bezahlen, mit denen manch anderer Verein drei Mannschaften finanzieren könnte. Es wäre mein Wunsch, wenn alle - nicht nur wenige, wie die VfL-Verantwortlichen - den Schuss vor den Bug aus diesem Frühjahr ernstnehmen und daraus lernen würden. Ich fürchte, ohne einen richtigen Zusammenbruch des Systems Fußball wird dies nicht geschehen. Ich lasse mich aber gern eines Besseren belehren

4) Ein volles Stadion

Wird es das in diesem Spieljahr geben? Keiner kann das seriös beantworten. Aber ich hoffe wie wohl jeder darauf, dass es möglichst bald wieder möglich sein wird, gemeinsam den Borussia Park zum Hexenkessel zu machen, uns bei Toren auf den vollbesetzten Rängen jubelnd in die Arme zu fallen und gemeinsam auch bittere Stunden durchstehen zu können, so sie denn kämen. Das Stadionerlebnis fehlt mir mehr, als ich gedacht hätte, auch wenn ich ja stets nur wenige Male im Jahr Gelegenheit dazu hatte. Es wird sooo Zeit, dass es endlich wieder heißt: "Borussia Park - Bist du bereit?" und ein ungehemmtes "Jaaaaah" aus über 50000 Kehlen die richtige Antwort gibt. 

Wir sind zwar "Borussia", wo auch immer wir die Spiele schauen. Aber dieser Moment, wenn der Park sich akustisch in der Vorfreude auf das Spiel überschlägt - das ist die Ansage, die nichts anderes ersetzen kann. Das brauchen wir, das braucht die Mannschaft. Es wird Zeit, dass es wieder erklingt.   

5) Ein Torschützenkönig

Ich bin altmodisch, und ja, es ist wirklich nicht das Wichtigste im Fußball. Aber als früherer Stürmer ist die Torjägerkanone für mich doch immer auch etwas gewesen, was ich mir für meine Gladbacher Offensivkräfte von Mill bis Thuram gewünscht habe und noch wünsche. Letztlich ist es so eine kleine Ersatzmeisterschaft, gerade, wenn man sich auf die echte (damals wie heute) nicht so ganz große Chancen ausrechnen kann. 

Und gerade bei diesem Thema gibt es Nachholbedarf. Ihr wisst es bestimmt, es gab erst viermal eine "Kanone" für Borussen: 2 mal natürlich in den 70er Jahren für den Heynckes Jupp (einmal mit Gerd Müller zusammen), dann 1987 für Uwe Rahn und zuletzt ausgerechnet für Heiko Herrlich (zusammen mit Mario Basler). Letzteres war vor 25 Jahren - es wird also dringend mal wieder Zeit. Und anders als in vielen Jahren zuvor gibt es diesmal im Kader auch Jungs, die es mal über die 20 Saisontore schaffen könnten. Und ganz ehrlich: Irgendwann muss doch dieser Lewandowski auch mal ein Jahr Ladehemmung haben. Oder nicht? Und wenn es nicht klappt, bin natürlich auch zufrieden, wenn drei Stürmer jeweils 15 Tore schießen. Das kann im Zweifel sogar noch wertvoller sein. 

6) Länderspiele mit Sinn

Gut, das ist mir persönlich unter den ganzen Wünschen nicht der Allerwichtigste. Und wenn Gladbachverächter Jogi dann tatsächlich mal jemanden außer der Reihe berufen sollte (Matze Ginter hält er ja sicher immer noch für einen Freiburger, anders ist dessen kontinuierliche Berücksichtigung kaum zu erklären ;-)), dann bibbere ich immer vor allem, dass sich dieser dort nicht verletzt. Aber es wäre für die Entwicklung einiger Spieler durchaus von Vorteil, wenn sie sich häufiger auf dem Niveau der Nationalelf zeigen könnten. Flo Neuhaus ist sicher derzeit der heißeste Kandidat dafür.
Aber solange Löw Trainer ist, scheint mir dieser Wunsch noch am verzichtbarsten zu sein. Und bis dahin haben Länderspielübertragungen für mich auch keine besondere Anziehungskraft. Solange der Reklamierarm im Tor steht, schon überhaupt nicht. 

7) Eine ausreichend lange Bayern-Flaute

Wenn man wirklich einen Gedanken daran verschwenden will, dass das Unglaubliche passieren könnte, dann wird es nicht reichen, dass die Mannschaft von Marco Rose eine nahezu perfekte Saison spielt. Es kommt vielmehr darauf an, was Dauermeister FC Bayern zulässt, so ehrlich müssen wir sein. Erinnert sich noch jemand, dass der VfL nach dem 2:1-Sieg gegen die Münchner am 14. Spieltag der letzten Saison sieben Punkte Vorsprung auf den damals "Mia-san-mia"-Siebten hatte. Meister wurden die Bayern mit Hansi Flick am Ende dennoch mit 13 Punkten Vorsprung auf den BVB und mit 17 Punkten vor Borussia. Egal, wie man das bewertet: Die Schwächephase des FCB in der Hinrunde unter Nico Kovac war - offensichtlich - nicht lang genug. Und im ersten Saisonspiel hat der Triplegewinner trotz ultrakurzer Sommerpause gleich so weitergemacht wie am Ende der Vorsaison. 8:0 gegen Schalke, das lässt auch nichts Gutes erwarten für die Konkurrenz 20/21. 

Doch so wie vieles in diesem Jahr coronabedingt anders ist, so gilt das auch für einen Leistungseinbruch der Bayern. Der ist in diesem Jahr eigentlich unausweichlich. Wenn diese Mannschaft das ganze Jahr stoisch durchzöge und keine Schwächen zeigte, müsste man die Frage stellen, mit welchen Mitteln die Spieler behandelt werden. Sie müssen aufgrund der ungewohnten Saisonendphase mit dem späten CL-Endturnier und des sehr engen Programms in dieser Saison einfach irgendwann in ein Leistungsloch fallen.
Da der Kader der Bayern nicht so breit und ausgeglichen besetzt scheint wie etwa der von Borussia, kann und sollte sich dies auch in den Ergebnissen auswirken. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Phase im Spätherbst, vielleicht auch erst im Dezember, kommen wird. Und den eigenen Zielen entsprechend, müssten sie dann erstmal alle Kraft darauf setzen, die Champions-League-Vorrunde und die nächsten Pokalrunden zu überstehen. Hier ist die einzige Chance für alle, die dahinter auf Ausrutscher des Meisters lauern wollen. Der VfL ist nicht in der Pole Position, um hier Ansprüche anzumelden. Aber dass die Verfolger aus Dortmund oder Leipzig über die gesamte Saison immer wieder mal Schwächen zeigen, ist wahrscheinlicher, als dass die Bayern die Meisterschaft zu lax angehen. 

Einzige Hoffnung für alle, die gern mal Meister werden wollen, ist daher, dass die erwartete und sicher auch von den meisten erhoffte Schwächeperiode bei den Triplebayern diesmal wirklich lange genug anhält, um am 34. Spieltag mit einer Nase Vorsprung ins Ziel gehen zu können. Selbstverständlich wünsche ich mir das ganz unbescheiden.

8) Was Blechernes

Nein, natürlich bin ich nicht so vermessen, ernsthaft mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft zu rechnen. Aber das berühmte Blecherne, das sich nicht nur Max Eberl wünscht, wäre dennoch durchaus im Bereich des Möglichen und: verdient langsam allemal. Der einfachste Weg dahin führt natürlich über den Pokal. Aber da in den Jahren zuvor immer sehr schnell und vor jedem Ausscheiden zu ausgiebig darüber geredet wurde, will ich nicht mehr Worte machen als nötig. Ihr wisst, was ich meine. 

9) Eine Mannschaft für eine Ära

Es ist das erste Mal seit Jahrzehnten, dass Borussia seine Mannschaft trotz vieler Begehrlichkeiten von außen zusammenhalten konnte. Das ist Segen und Fluch zugleich, denn im kommenden Sommer wird es mit ein Jahr kürzeren Vertragslaufzeiten der Spitzenspieler ja nicht leichter, dieses Kunststück zu wiederholen.
Nicht falsch verstehen: Ich finde es gigantisch, dass diese Mannschaft ein weiteres Jahr zusammen angreift. Doch vielleicht würde auch erst im Jahr darauf ein titelreifes Team daraus. Seit den 70er Jahren war es kaum möglich, dass eine Mannschaft mal so lange zusammen reifen konnte. Immer wurden irgendwann die Juwelen aus dem Ensemble rausgekauft, und es musste neu aufgebaut werden.
 

Dennoch ist mein Wunsch nicht ganz aus der Luft gegriffen, dass es mithilfe von Marco Roses Persönlichkeit und mit Max Eberls Geschick gelingt, eine Mannschaft zusammenzuhalten, die den Hunger hat, gemeinsam in Gladbach eine Ära zu begründen, anstatt als einzelner zu einem größeren Club zu gehen und sich mit fast im Abo garantierten Titeln zu schmücken. Klingt romantisch - ist es auch. Aber wann soll ein modernes Fußballmärchen denn geschrieben werden, wenn nicht unter diesen Vorzeichen in Mönchengladbach?   

10) Ein Tor für Tony

275 Pflichtspiele für den VfL in Bundesliga, Pokal und europäischen Wettbewerben - und 5 Tore. Das ist zwar eine Bilanz, von der ein Max Eberl nur träumen kann. Tony Jantschke ist nie ein Goalgetter gewesen und er wird auch keiner mehr. Aber Luft nach oben ist ja immer. Es ist schließlich immer etwas Besonderes gewesen, wenn er traf. Das letzte Mal ist allerdings schon lange - zu lange - her für einen "Fußballgott".
Wer es nicht googeln will: Es war am 6. Dezember 2014, ein Kopfballtor zum 1:0 gegen die Hertha. Ich jedenfalls vermisse den einzigartigen Torjubel mit dem erschrockenen "Hand-vor-dem-Mund-Halten", frei nach dem Motto: "Wie konnte denn das jetzt wieder passieren?" Und ich wünsche mir deshalb in dieser Saison mindestens einen erfolgreichen Torabschluss unseres Dauerbrenners. Tony, es wird mal wieder Zeit!

Um den Anreiz zu erhöhen, greife ich eine tolle Aktion anderer Fans auf und baue um "Ein Tor für Tony" meine Saisonwette. Das bedeutet: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Für jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben spende ich 50 Cent. Für jedes Tor von Tony Jantschke gebe ich 10 Euro, für jeden Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose 2,50 Euro. Jeder von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann) gehaltene Elfmeter bringt ebenfalls 2,50 Euro für einen guten Zweck. Für jedes Zu-Null-Spiel spende ich 1 Euro. Das Erreichen eines internationalen Startplatzes am Saisonende vergüte ich mit 20 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: jeweils 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: auch 10 Euro. Im Falle der Meisterschaft oder des Finalsieges in CL oder EL spende ich jeweils 50 Euro, für den DFB-Pokalsieg 30 Euro. Ein Gladbacher Torschützenkönig würde ebenfalls mit 30 Euro bewertet. 

Abgerechnet wird wie immer zum Schluss. Ich bin gespannt, um wieviel Euro mich meine Borussia ärmer und zugleich reicher macht.  

11) Weltfrieden

Ja, ich weiß, so schnell geht das nicht und vermutlich klappt das auch die nächsten 2000 Jahre nicht mit dem friedlichen Miteinander. Es passt auch nicht ganz in diesen Kontext. Aber weil ich merke, wie sich die zunehmend aggressiver werdende gesellschaftliche Spaltung auch Stück für Stück durch die Fanlager frisst, ist mein letzter Saisonwunsch ein bisschen mehr Vertrauen zu- und Respekt voreinander. Mehr Abwägen statt gleich lospoltern, mehr Zwischentöne zulassen statt rigoroser Schwarz-Weiß-Malerei. Mehr auf das Ganze schauen anstatt zu kurz greifen. Nicht in Überschallgeschwindigkeit von Himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt wechseln und umgekehrt. Sich gegenseitig Zeit lassen, ich sage es bewusst nochmal: Zutrauen zu anderen haben. 

Vielleicht habt ihr es gemerkt: Was vorgeblich mit "Weltfrieden" anfing, ist eigentlich ein Plädoyer für einen rücksichtsvollen Umgang unter uns Fans und in der fairen Bewertung der Leistungen der Mannschaft. Was ich mitunter an Gehässigkeiten im Netz lese, sobald eine Aufstellung bekanntgegeben ist, oder welche Stimmungsschwankungen eine Niederlage oder ein Sieg bei manchem auslöst, obwohl es doch in einer Saison immer auf mehr als die letzten 90 Minuten ankommt, das finde ich bemerkenswert. Wie sich dann aber auch oft Fans der gleichen Farben untereinander anmachen, wenn sie unterschiedlicher Meinung sind, finde ich bedenklich. Und da stehen sich wiederum die allgemeinpolitischen und fußballerischen Eskalationen unserer Gesellschaft leider in nichts nach.
Ich denke, das können wir alle besser. Also lasst es uns auch tun. Auf eine bemerkenswerte, auf eine tolle Saison - Die Seele brennt - für unseren einzig wahren Star!

2020-09-12

Leichter Galopp

Willkommen in der Saison 2020/2021! Ich muss sagen, es ist schön, auch mal so entspannt wie heute in eine Spielzeit starten zu können. 

Ohne Plea, Embolo, Zakaria, Lazaro, Beyer, Benes und mit einem gerade erst wieder ins Teamtraining eingestiegenen Marcus Thuram: Bei dieser Verletztenliste hätte es auch deutlich unangenehmere Erstrundenerfahrungen geben können als gegen den bemühten, aber chancenlosen Regionalliga-Aufsteiger FC Oberneuland. Wir müssen dafür nur an das Jahr zuvor in Sandhausen denken.

Doch das Losglück war Borussia diesmal geneigter, dazu kam die Corona-Situation, die dem Amateurverein den kleinen Vorteil "Heimspiel" nahm und die dafür gesorgt hat, dass auch ein anderer kleiner Wettbewerbsvorteil ausblieb. Denn normalerweise sind die unterklassigen Vereine schon eine Weile im Spielbetrieb, wenn die erste Pokalrunde ansteht, während dies für die Profis das erste Pflichtspiel ist. Das alles - inklusive des "Auswärtsspiels daheim light" - spielte dem VfL heute natürlich in die Karten.

Doch wenn man sich den Auftritt der heute sperrungsbedingt Rose-losen Mannschaft anschaut, weiß man auch, dass es das alles wohl nicht gebraucht hätte, um auch so zu gewinnen. Anders als zu früheren Gelegenheiten im Pokal war die Mannschaft von Beginn an wach, spielte konzentriert und gekonnt ihre individuellen Vorteile aus und kombinierte sich sehenswert durch die Abwehr des Bremer Pokalsiegers. Es wurde deutlich, dass Borussia nicht gewillt war, den Gastgeber-Gästen auch nur den Hauch einer Hoffnung auf eine Überraschung zu gönnen. Gleich zu Beginn wurden zwar hochkarätige Chancen im Minutentakt vergeben, bis Patrick Herrmann mit seinem Doppelpack in der 12. und 13. Minute den Bann brach. Der Rest war gut und entspannt anzuschauen: sehenswerte Tore, clevere Spielzüge, wirksames Pressing mit vielen Ballgewinnen, aufmerksame Abwehrarbeit. Also alle Dinge, die man in der Theorie natürlich in einem Spiel gegen einen unterklassigen Gegner erwarten muss. 

Dabei machte Oberneuland in der eigenen Hälfte durchaus die Räume eng. Doch das reichte nicht. Weil der VfL in der gegnerischen Hälfte - variabel wie vielleicht nie zuvor - Lösungen selbst auf engstem Raum fand, liefen die Gegner in der ersten Halbzeit trotzdem gefühlt immer hinterher. 

Es wäre vertane Zeit, eine ausführliche Spielanalyse dieser einseitigen Partie zu schreiben. Denn dies wird voraussichtlich das einzige Mal in dieser Saison bleiben, wo man es mit einem Gegner so leicht haben wird. Dennoch gibt es Dinge, die auffallen.

Dazu gehört, dass die heutige Startelf in der gegnerischen Hälfte einen sichtlich anderen Fußball spielt als eine Borussia mit der Sturmbesetzung Plea, Thuram und Embolo. Die quirlige Offensive mit Wolf, Hofmann, Neuhaus, Stindl, Herrmann und dem immer wieder auf die Acht vorstoßenden Chris Kramer war heute kaum auszurechnen, weil die spielfreudigen Mittelfeldspieler die Positionen ständig wechselten und es ihren Gegnern so schwer machten, sich auf sie einzustellen. Selbst Bensebaini war teilweise zentral statt links zu finden, von wo er ja auch sehenswert zum 4:0 traf. 

Eine Schlüsselrolle in der heute gezeigten Aufstellung könnte neben Hofmann und Neuhaus dem Neuzugang Hannes Wolf zufallen, der heute zwar vielleicht nicht ganz so effektiv wirkte wie in den ersten Testspielen, der aber dennoch an fast jeder guten Szene maßgeblich beteiligt war. Der Österreicher kann sich buchstäblich auf einem Bierdeckel umdrehen und in der Gegenrichtung seinem Gegenspieler entwischen. Zusammen mit den Nebenleuten beherrscht er das Kurzpassspiel auf engstem Raum, um auch komplizierte Situationen in massierten Deckungen zu lösen. Dieses ZUsammenspiel funktionierte heute schon erstaunlich sicher. Dazu die immer anspielbaren Herrmann und Stindl, das war schon sehr anspruchsvoller Angriffswirbel, der da mit Ausnahme einer kurzen Phase nach der Pause geboten wurde. Als Wolf vom Feld ging und Marcus Thuram ins Spiel kam, um etwas Spielpraxis zu sammeln, wurde das Gladbacher Spiel auch gleich etwas statischer. Mit Thuram, Plea und Embolo wäre ein klassischeres Flügelspiel mit Mittelstürmer zu erwarten, wie es in der vergangenen Saison sehr erfolgreich war. Es wird spannend zu sehen, ob diese Spielweisen nach und nach verschmelzen oder ob sich über die Saison vielleicht zwei "Grundgerüste" herauskristallisieren, deren Einsatz (und Personal) sich dann auch immer ein wenig nach der Taktik und den Stärken des Gegners richtet. Auf jeden Fall ist es beruhigend, dass mit Hannes Wolf (und später mit Valentino Lazaro) in dieser Hinsicht auch noch mehr Optionen fürs Kreative zur Verfügung stehen. 

 Was mir sonst noch auf- und gefiel:

Sehr schön und verdient, dass Tobi Sippel mal wieder in einem Pflichtspiel die Chance bekam, das Borussen-Tor zu hüten. Er tat dies gewohnt konszentriert und wurde mit einem Zu-Null belohnt, das natürlich kein Maßstab für die nächste Woche startende Bundesligasaison ist. Wie weit die Abstimmung des gesamten Teams in der Defensive ist, wie gut sich das aggressive und risikoreiche Pressing schon in des Gegners Hälfte bewährt, wenn der Gegner über äußerst geschickte Spieler verfügt, die sich aus solchen Situationen besser befreien können als die Oberneuländer Spieler, das wird sich zum Auftakt gegen Dortmund zeigen. Ungeachtet dessen können wir uns darauf verlassen, dass hinter Yann Sommer hervorragende Ersatzleute stehen, die im Ernstfall problemlos einspringen könnten.

Gefallen hat mir, dass auch Ibo Traoré sein Tor machen konnte. Er war schon in den Testspielen einige Male kurz davor gewesen. Bleibt er in dieser Verfassung, wird er auch seine Spiele bekommen, da bin ich mir sicher. Klar, ein bisschen mehr Präzision bei manchen Abspielen, dann ist er noch enger dran. 

Gut, dass auch Nico Elvedi mal wieder das Tor traf. Gefährlichkeit und Effktivität bei Standards vorne, das ist definitiv noch etwas, wo er Luft nach oben hat. Und das Tor wird ihm Auftrieb geben.

Ganz im Gegensatz dazu unser "Fußballgott". Für den Fehlschuss aus drei Metern, der ungefähr genausohoch drüber ging, muss sich Tony Jantschke bestimmt in der Mannschaft noch den einen oder anderen Spruch anhören. Zu Recht. Denn natürlich erwartet niemand von Tony Tore. Aber diese Chance? Die musste verwandelt werden, da gibt's keine Ausrede.  

Auf Torejagd war auch Neuzugang Hannes Wolf. Oft nahe dran am Erfolg, doch am Ende wurde er für seine gute Arbeit auf dem Platz nicht mit einem Treffer belohnt. Was ihn sichtlich nervte und in zwei, drei Szenen vor seiner Auswechslung dazu führte, dass er gute Abspielmöglichkeiten liegenließ und es aus ungünstigerer Position (vergeblich) auf eigene Faust versuchte. Hier lohnt es, sich vom Kapitän etwas abzuschauen. Der gierte auch nach seinem Torerfolg beim Schützenfest, die Konkurrenz in der Offensive ist schließlich enorm. Vor dem achten Tor überlegte er auch sichtlich, selbst zu schießen,  wählte aber dann doch den besseren Weg, den Pass auf Thuram, der seinerseits den Torschützen Neuhaus bediente. Dieses Auge und diese Mannschaftsdienlichkeit ist das, was wichtig ist, wenn es mal nicht so viele Torchancen gibt wie heute. Und ich bin sicher, dass Hannes Wolf das künftig auch beherzigen wird. Heute war einfach die Verlockung zu groß, sich gegen diesen Gegner gleich beim neuen Verein in die Torschützenliste eintragen zu können. Und gerade dann, wenn man es zu stark will, klappt es dann nicht.

Die Fans: Die Kulisse war dürftig, aber da Borussia die 300 Karten an Allesfahrer gegeben hatte, war unter den gegebenen Umständen doch eine gute Stimmung mit gewohnten Sprechchören und Gesängen im Park. Es ist ein steiniger Weg zurück zu vollen Stadien, aber immerhin. Was nächste Woche passiert, werden wir sehen. Es scheint, als bewegte sich die Politik in den Bundesländern zu einer einheitlicheren Linie, was die Zulassung von Zuschauern angeht. Für mich ist jedoch eins ziemlich klar. Ich gehe erst wieder ins Stadion, wenn es auch voll werden darf.

Habe ich schon was zum Schiedsrichter gesagt? Nein, und ich belasse es angesichts des ungefährdeten Sieges auch bei wenigen Anmerkungen. Sportskamerad Stegemann hatte natürlich relativ wenig Probleme mit dem Spiel, durchaus aber in zwei Szenen. Als ein Oberneuländer um die 60. Minute Patrick Herrmann mit einer rustikalen Grätsche kurz vor dem Strafraum gut sichtbar zu Fall brachte, ließ er großzügig weiterspielen, was ihm "Schieber, Schieber"-Sprechchöre der Fans eintrug. Kurz vor Schluss hätte er aus meiner Sicht dem Stürmer Ifeadigo glatt Rot geben müssen für dessen unmotivierten Tritt gegen Tobi Sippel, der den Ball längst abgefangen hatte. Normalerweise reicht Gelb für ein langes Bein gegen den Torwart im Kampf um den Ball. Hier aber war die Szene lange vorbei, der Stürmer fuhr das Bein absichtlich noch aus und traf dabei den Keeper deutlich über Knöchelhöhe, am Schienbein. Völlig überflüssig, zumal kurz vor Schluss. Dass dem VfL in der ersten Halbzeit zudem ein klarer Handelfmeter versagt wurde, laste ich nicht dem Schiri an, der schlechte Sicht auf die Szene hatte. Aber da es in den ersten Runden des Pokals wieder keinen Videobeweis gibt, hätte dies in einer anderen Spielkonstellation für viel Ärger sorgen können. Genauso wie die Beurteilung von möglichen Abseitsstellungen vor den ersten beiden Toren. Beide Situationen sahen für mich ok aus - aber wer weiß, was man im Kölner Keller herausgefunden hätte? Insgesamt also nichts, was einen heute aus der Ruhe bringen musste. Hoffentlich kann ich in dieser Hinsicht so entspannt bleiben. Denn eins ist klar: So gemütlich wie heute wird es in dieser Saison wohl nicht nochmal.   

DFB-Pokal 2020/21, 1. Runde: FC Oberneuland - Borussia 0:8 (im Borussia Park). Tore für Borussia: 0:1 Herrmann, 0:2 Herrmann, 0:3 Hofmann, 0:4 Bensebaini, 0:5 Elvedi, 0:6 Neuhaus, 0:7 Traoré, 0:8 Neuhaus.


2020-09-06

Saisonvorbereitung IV: Vorfreude, komm endlich raus!

Nicht einmal mehr eine ganze Woche ist es noch bis zum ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal, zwei Wochen bis zum Start der Bundesliga. Ich würde mich gern langsam warmfreuen, auf eine verheißungsvolle zweite Saison mit Marco Rose und einer trotz Coronazeiten erstmals seit vielen Jahren komplett zusammengehaltenen Top-Mannschaft. 

Doch ich muss gestehen - es gelingt mir nicht. 

Das Kribbeln fehlt, die Vorfreude auf die neue Saison will sich nicht so richtig einstellen. Das hat natürlich mit der Unsicherheit zu tun, wie es überhaupt weitergeht - wann wieder mit wievielen Zuschauern in den Stadion gespielt wird und ob überhaupt alles reibungslos über die Bühne geht. Sollten die Infektionszahlen tatsächlich noch einmal erheblich ansteigen, ist der gesamte Ablauf der Saison in Frage gestellt, von Chancengleichheit ist dann möglicherweise schnell keine Rede mehr. 

Dabei ist klar: Die Saison könnte eine tolle werden, Borussia hat alle Chancen, erneut um die ersten vier Plätze mitzuspielen. Doch vielleicht wird am Ende auch dieser Saison der Makel anhaften, dass sie nicht unter normalen Umständen abgelaufen und damit mit anderen Maßstäben zu werten ist. Sicher, das ist ein Schuss ins Blaue, ein Blick in die Zukunft, wie er unwägbarer nicht sein könnte. Aber es ist das, was mich vor Beginn dieser Spielzeit bewegt und meine Erwartungen an die Mannschaft - noch - in den Hintergrund drängt.

Nach wie vor bestimmt das Virus unser Leben. Und das wiederum bringt viele offene Fragen mit sich. Etwa die, was mögliche weitere Corona-Fälle in den Bundesligateams aus dem eng getakteten Spielbetrieb machen würden. Oder die Frage, was passiert, wenn ein Spieler aufgrund einer Infektion irreparable Folgeschäden erleidet. Und natürlich die Frage nach der Gerechtigkeit im Umgang mit den Fans.
Die verschiedenen Entscheider in Bund, Ländern und den kommunalen Gesundheitsämtern bestimmen zu einem guten Teil, was in den kommenden Monaten in welchem Stadion läuft oder nicht läuft. Die Vereine können ihren Teil beitragen, aber ob keine, 300 oder 8000 Zuschauer in ein auswärtsfanfreies Stadion dürfen, wird in den Heimspiel-Städten von Gesundheitsämtern (inklusive politischen Drucks von verschiedenen Seiten) getroffen - nach der dort herrschenden Infektionslage. Das ist einerseits plausibel, andererseits natürlich ein Wettbewerbsnachteil für Vereine, die in großen Ballungsräumen beheimatet sind. Das führt zu der kuriosen Situation, dass Hansa Rostock im DFB-Pokal bis zu 8000 Fans ins Stadion lassen will, während in Gladbach wahrscheinlich nur 300 dabei sein werden. Auch wenn diese Ungleichheit bei solchen Dimensionen für keinen Verein ein merklicher sportlicher Nachteil sein sollte: Es wirft kein gutes Licht auf die sonst so betonte Solidarität der Clubs (die es in Wirklichkeit ja auch nicht so gibt).  

Ein Vorgeschmack auf das wenig solidarische Verhalten sind die Vorstöße von Union Berlin und RB Leipzig, die entgegen der bundesweiten Lage möglichst schnell wieder möglichst viele Fans ins Stadion zu bekommen versuchen. Union ist damit erstmal gescheitert, zumindest, was die ursprünglich geforderte Zuschauerzahl angeht. Beim Brauseclub spielt die derzeit niedrige Infiziertenzahl in Sachsen eine Rolle. Das kann sich in zwei Wochen natürlich auch wieder anders darstellen. Doch eins zeigt sich: Die Clubs werden keine Rücksicht aufeinander nehmen, wenn es darum geht, ein paar Euro gutzumachen. Nun ist es für den Ausgang der Partie zwar eher unerheblich, ob in Leipzig 8400 Brause-Konsumenten im Stadion sind und zugleich keine Gästefans zugelassen werden. Wegen dieser zu erwartenden "Stimmung" wird dort kein Gästeteam verlieren. 

Doch das Signal ist aus anderer Sicht ein fatales, denn es bedeutet auch, dass die verpflichtende Personalisierung aller Tickets, wie sie jetzt zur Nachverfolgung möglicher Infektionsketten notwendig ist, künftig zur Normalität werden könnte - und vielleicht auch der Ausschluss von Gästefans in bestimmten Bestrafungs-Situationen (man denke an mögliche Beleidigungen von großherzigen Mäzenen anderer Vereine). Egal ob das eine mit dem anderen zu tun hat - man wird dann auf die guten Erfahrungen dmait während der Coronazeit verweisen (können). Es ist also aus Fansicht einiges kritisch zu begleiten, damit nicht die feuchten Träume mancher Innenpolitiker, Polizeichefs und Clubverantwortlichen mittelfristig wahr werden und so ein Teil der Individualität in den Fanszenen verloren geht.

Und dann ist da ja noch die Geldmaschine im europäischen Fußball, die jetzt langsam und hässlich anfängt, Scheine zu spucken. Das hat aus Gladbacher Sicht Vor- und Nachteile.
Denn natürlich hat Leverkusen in Havertz und Volland Schlüsselspieler abgegeben. Bayer kann aber auch mit gut 100 Millionen Euro neu einkaufen gehen. Gleiches gilt für Leipzig, das mit 53 Werner-Millionen vernünftigen Ersatz bekommen kann und wird. Dass Bayern und Dortmund sich wirtschaftlich über den Sommer trotz Corona-Krise sportlich wie finanziell noch ein Stück vom VfL entfernt haben, ist auch klar. 

On top kommen dann internationale Exzesse wie das peinliche Spektakel um Lionel Messi inklusive angeblichem 750-Millionen-Paket für jenen von einem "Verein", der gerade noch auf wundersame Weise dem beschlossenen Champions-League-Ausschluss wegen Verletzungen des Financial Fairplay entkommen war. 

Oder irrsinnige Wochenverdienste von Fußballprofis auf der Insel, die einem jeglichen Spaß an dem Spiel nehmen können. So soll Havertz jetzt bei Chelsea wöchentlich 350000 Euro überwiesen bekommen, Timo Werner immerhin 170000 Euro. In einer Woche so viel Geld verdienen erhalten, wofür viele hart arbeitende Arbeitnehmer locker zehn Jahre zur Arbeit gehen müssten - Puh, das ist schon sehr speziell.      

So, jetzt aber genug über das Drumherum gemosert. 

Was das Sportliche angeht, bin ich zwar - noch - ebenfalls eher unaufgeregt. Diesmal aber, weil ich großes Vertrauen in Mannschaft, Trainerteam und Vereinsführung habe. Die Mannschaft ist nicht nur in der Spitze unverändert stark, sie ist in der Breite trotz des Abgangs von Raffael, Johnson und Strobl mit Wolf und Lazaro noch leistungsfähiger geworden. 

Die Testspiele empfand ich, auch wenn ich sie nur am Rande verfolgen konnte, vielversprechend - auch ohne Stammspieler wie "Zak", "Tikus" und "Lasso". In der Abwehr zwar oft noch etwas anfällig, nach vorne aus meiner Sicht aber noch variabler, aggressiver und auch etwas zielstrebiger als in der vergangenen Spielserie. Einzige Problemzone sind derzeit die (zu) vielen Verletzten beziehungsweise im Aufbautraining befindlichen (und damit nicht eingespielten) Akteure. 

Hoffen wir, dass sie schnell wieder zu alter Stärke zurückfinden, wenn sie wieder fit sind. Denn ihre Vertreter machten es zwar tadellos, im Saisonendspurt wie jetzt in der Vorbereitung. Doch die Saison ist lang und lässt kaum Verschnaufpausen. Da ist jede weitere personelle Alternative Gold wert.

Ab jetzt also volle Konzentration auf den Saisonstart. Auf ein richtig gutes Spieljahr! Und: Vorfreude, komm endlich raus!