2020-09-06

Saisonvorbereitung IV: Vorfreude, komm endlich raus!

Nicht einmal mehr eine ganze Woche ist es noch bis zum ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal, zwei Wochen bis zum Start der Bundesliga. Ich würde mich gern langsam warmfreuen, auf eine verheißungsvolle zweite Saison mit Marco Rose und einer trotz Coronazeiten erstmals seit vielen Jahren komplett zusammengehaltenen Top-Mannschaft. 

Doch ich muss gestehen - es gelingt mir nicht. 

Das Kribbeln fehlt, die Vorfreude auf die neue Saison will sich nicht so richtig einstellen. Das hat natürlich mit der Unsicherheit zu tun, wie es überhaupt weitergeht - wann wieder mit wievielen Zuschauern in den Stadion gespielt wird und ob überhaupt alles reibungslos über die Bühne geht. Sollten die Infektionszahlen tatsächlich noch einmal erheblich ansteigen, ist der gesamte Ablauf der Saison in Frage gestellt, von Chancengleichheit ist dann möglicherweise schnell keine Rede mehr. 

Dabei ist klar: Die Saison könnte eine tolle werden, Borussia hat alle Chancen, erneut um die ersten vier Plätze mitzuspielen. Doch vielleicht wird am Ende auch dieser Saison der Makel anhaften, dass sie nicht unter normalen Umständen abgelaufen und damit mit anderen Maßstäben zu werten ist. Sicher, das ist ein Schuss ins Blaue, ein Blick in die Zukunft, wie er unwägbarer nicht sein könnte. Aber es ist das, was mich vor Beginn dieser Spielzeit bewegt und meine Erwartungen an die Mannschaft - noch - in den Hintergrund drängt.

Nach wie vor bestimmt das Virus unser Leben. Und das wiederum bringt viele offene Fragen mit sich. Etwa die, was mögliche weitere Corona-Fälle in den Bundesligateams aus dem eng getakteten Spielbetrieb machen würden. Oder die Frage, was passiert, wenn ein Spieler aufgrund einer Infektion irreparable Folgeschäden erleidet. Und natürlich die Frage nach der Gerechtigkeit im Umgang mit den Fans.
Die verschiedenen Entscheider in Bund, Ländern und den kommunalen Gesundheitsämtern bestimmen zu einem guten Teil, was in den kommenden Monaten in welchem Stadion läuft oder nicht läuft. Die Vereine können ihren Teil beitragen, aber ob keine, 300 oder 8000 Zuschauer in ein auswärtsfanfreies Stadion dürfen, wird in den Heimspiel-Städten von Gesundheitsämtern (inklusive politischen Drucks von verschiedenen Seiten) getroffen - nach der dort herrschenden Infektionslage. Das ist einerseits plausibel, andererseits natürlich ein Wettbewerbsnachteil für Vereine, die in großen Ballungsräumen beheimatet sind. Das führt zu der kuriosen Situation, dass Hansa Rostock im DFB-Pokal bis zu 8000 Fans ins Stadion lassen will, während in Gladbach wahrscheinlich nur 300 dabei sein werden. Auch wenn diese Ungleichheit bei solchen Dimensionen für keinen Verein ein merklicher sportlicher Nachteil sein sollte: Es wirft kein gutes Licht auf die sonst so betonte Solidarität der Clubs (die es in Wirklichkeit ja auch nicht so gibt).  

Ein Vorgeschmack auf das wenig solidarische Verhalten sind die Vorstöße von Union Berlin und RB Leipzig, die entgegen der bundesweiten Lage möglichst schnell wieder möglichst viele Fans ins Stadion zu bekommen versuchen. Union ist damit erstmal gescheitert, zumindest, was die ursprünglich geforderte Zuschauerzahl angeht. Beim Brauseclub spielt die derzeit niedrige Infiziertenzahl in Sachsen eine Rolle. Das kann sich in zwei Wochen natürlich auch wieder anders darstellen. Doch eins zeigt sich: Die Clubs werden keine Rücksicht aufeinander nehmen, wenn es darum geht, ein paar Euro gutzumachen. Nun ist es für den Ausgang der Partie zwar eher unerheblich, ob in Leipzig 8400 Brause-Konsumenten im Stadion sind und zugleich keine Gästefans zugelassen werden. Wegen dieser zu erwartenden "Stimmung" wird dort kein Gästeteam verlieren. 

Doch das Signal ist aus anderer Sicht ein fatales, denn es bedeutet auch, dass die verpflichtende Personalisierung aller Tickets, wie sie jetzt zur Nachverfolgung möglicher Infektionsketten notwendig ist, künftig zur Normalität werden könnte - und vielleicht auch der Ausschluss von Gästefans in bestimmten Bestrafungs-Situationen (man denke an mögliche Beleidigungen von großherzigen Mäzenen anderer Vereine). Egal ob das eine mit dem anderen zu tun hat - man wird dann auf die guten Erfahrungen dmait während der Coronazeit verweisen (können). Es ist also aus Fansicht einiges kritisch zu begleiten, damit nicht die feuchten Träume mancher Innenpolitiker, Polizeichefs und Clubverantwortlichen mittelfristig wahr werden und so ein Teil der Individualität in den Fanszenen verloren geht.

Und dann ist da ja noch die Geldmaschine im europäischen Fußball, die jetzt langsam und hässlich anfängt, Scheine zu spucken. Das hat aus Gladbacher Sicht Vor- und Nachteile.
Denn natürlich hat Leverkusen in Havertz und Volland Schlüsselspieler abgegeben. Bayer kann aber auch mit gut 100 Millionen Euro neu einkaufen gehen. Gleiches gilt für Leipzig, das mit 53 Werner-Millionen vernünftigen Ersatz bekommen kann und wird. Dass Bayern und Dortmund sich wirtschaftlich über den Sommer trotz Corona-Krise sportlich wie finanziell noch ein Stück vom VfL entfernt haben, ist auch klar. 

On top kommen dann internationale Exzesse wie das peinliche Spektakel um Lionel Messi inklusive angeblichem 750-Millionen-Paket für jenen von einem "Verein", der gerade noch auf wundersame Weise dem beschlossenen Champions-League-Ausschluss wegen Verletzungen des Financial Fairplay entkommen war. 

Oder irrsinnige Wochenverdienste von Fußballprofis auf der Insel, die einem jeglichen Spaß an dem Spiel nehmen können. So soll Havertz jetzt bei Chelsea wöchentlich 350000 Euro überwiesen bekommen, Timo Werner immerhin 170000 Euro. In einer Woche so viel Geld verdienen erhalten, wofür viele hart arbeitende Arbeitnehmer locker zehn Jahre zur Arbeit gehen müssten - Puh, das ist schon sehr speziell.      

So, jetzt aber genug über das Drumherum gemosert. 

Was das Sportliche angeht, bin ich zwar - noch - ebenfalls eher unaufgeregt. Diesmal aber, weil ich großes Vertrauen in Mannschaft, Trainerteam und Vereinsführung habe. Die Mannschaft ist nicht nur in der Spitze unverändert stark, sie ist in der Breite trotz des Abgangs von Raffael, Johnson und Strobl mit Wolf und Lazaro noch leistungsfähiger geworden. 

Die Testspiele empfand ich, auch wenn ich sie nur am Rande verfolgen konnte, vielversprechend - auch ohne Stammspieler wie "Zak", "Tikus" und "Lasso". In der Abwehr zwar oft noch etwas anfällig, nach vorne aus meiner Sicht aber noch variabler, aggressiver und auch etwas zielstrebiger als in der vergangenen Spielserie. Einzige Problemzone sind derzeit die (zu) vielen Verletzten beziehungsweise im Aufbautraining befindlichen (und damit nicht eingespielten) Akteure. 

Hoffen wir, dass sie schnell wieder zu alter Stärke zurückfinden, wenn sie wieder fit sind. Denn ihre Vertreter machten es zwar tadellos, im Saisonendspurt wie jetzt in der Vorbereitung. Doch die Saison ist lang und lässt kaum Verschnaufpausen. Da ist jede weitere personelle Alternative Gold wert.

Ab jetzt also volle Konzentration auf den Saisonstart. Auf ein richtig gutes Spieljahr! Und: Vorfreude, komm endlich raus!

3 Kommentare:

  1. Ich sehe auch noch keine Vorfreude auf die neue Saison bei mir aufkommen - sehe es aber coronamässig doch anders. Die meisten neuen Infektionen kommen durch reiserückkehrer und die massiv gestiegenen Tests, was sich bald aber erledigt haben dürfte und die zahlen werden wieder sinken, trotz mehr Tests. Ist auch gerade so. Es kommt bewegung dahingehend, das vieles, was in Coronaanfängen ganz klar war, nun neben Spahns Jens selbst von Drosten hinterfragt wird, die Lage wird zur Zeit - sehr gut so!! - neu eingeschätzt. Ansonsten ist der Artikel wieder schön wie immer. Ich kann panikmache nicht mehr gebrauchen, mehr positives denken ist angesagt! Grüsse in die nachbarschaft, sozusagen

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  2. Wie fast immer: viel treffender geht es nicht und es ist immer lesenswert. Auf eine gute Saison...wie immer auch sie aussehen wird.

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  3. Danke für Euer Feedback! Auf eine gute Saison und viele positive Überraschungen!

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