2019-01-26

Gelungenes Puppenspiel

Zweites Spiel der Rückrunde, zweites Mal Zittern bis zum Schluss. Es war wieder ziemlich anstrengend, für Spieler wie Fans. Die Unterschiede zum Leverkusen-Spiel waren zwar erwartbar, aber nicht in dieser Deutlichkeit. Ich denke, was der VfL heute in der ersten Halbzeit gezeigt hat, war nahe dran am perfekten Borussia-Spiel - solange man die Chancenverwertung ausklammert. 
In der zweiten Halbzeit klappte dann sehr viel weniger, ohne dass das unbedingt am Gegner lag. Dafür gingen zwei Bälle rein, die normalerweise nicht unbedingt reingehen. Unter dem Strich also alles richtig gemacht, allem Gejammer des Gäste-Trainers über eine angebliche Abseitsstellung Stindls beim 1:0 zum Trotz.

Gut ist: Augsburg war wohl noch nie so chancenlos gegen uns wie heute. Es wäre lächerlich gewesen, wenn die Puppenspieler etwas Zählbares mitgenommen hätten. Möglich wäre es natürlich trotzdem gewesen, weil die Hecking-Truppe nicht frühzeitig einen 3:0 oder 4:0-Vorsprung herausgeschossen hatte. Aber das will ich nicht kritisieren, es hat ja geklappt - und das zählt.

Was mir heute auffiel, ist, dass Thorgan Hazard nicht so richtig vermisst wurde. Das heißt nicht, dass ich ihn nicht lieber in der Mannschaft hätte. Es heißt aber, dass Alternativen da sind, die funktionieren. Jedenfalls für den Moment. Denn ich muss auch Abstriche machen. 

Der nominell für Hazard ins Team gekommene Ibo Traoré hat aus meiner Sicht zwar eine sehr auffällige und fleißige Leistung gezeigt, aber leider auch wieder eine mit Fehlern. Es scheint so, als wolle Hazards bester Kumpel in seine bisher eher wenige Spielzeit möglichst viel Tolles packen. Dabei verkrampft er zusehends. Er ist irgendwie nicht in der Lage, einen Ball mal direkt weiterzuleiten. Immer muss erst ein Richtungswechsel, eine Finte gemacht werden. Das Problem: Das macht das Spiel oft langsamer, als es sein müsste. Heute kamen einige schlampige Pässe dazu und in den Szenen, in denen er sich gut in Szene dribbeln konnte, zeigte er Nerven. Bei seiner Riesenchance in der ersten Halbzeit hätte er zum großen Helden werden können, wenn er den Ball nicht aufs kurze Eck gedroschen, sondern auf seine Technik vertraut oder sogar butterweich in die Mitte gelegt hätte. Da standen Stindl und Plea, die weniger Mühe mit einem Torschuss gehabt hätten. Ich denke, dass Ibo erst zu der Lockerheit zurückfinden muss, die ihn immer ausgezeichnet hat, um wieder eine ernsthafte Stammkraft im Team zu werden.

Zweiter "Problemfall" ist Mickael Cuisance. Wenn es stimmt, dass er ungeduldig ist und auf einen Wechsel oder eine Ausleihe gedrängt hat, muss man hoffen, dass er zur Vernunft kommt. Denn der Auftritt heute zeigte genau, warum er derzeit nicht in der ersten Elf steht. Und das liegt allein an ihm selbst. Auch ein so beschlagener Techniker wie der junge Franzose muss lernen, das Risiko seiner Aktionen abzuwägen. 
Es nützt nichts, vorne einen Ball akrobatisch in den Strafraum zu heben, wenn man damit beim Stand von 1:0 einen gefährlichen Gegenangriff riskiert. Insgesamt führten seine ambitionierten und auch pfiffigen Versuche dreimal zu Kontern, einmal davon half er sich mit einem plumpen Foul in einer sehr gefährlichen Zone etwa 30 Meter vor dem Tor. Mit solchen Dingen spielt man sich eher aus dem Fokus des Trainers als hinein. Das ist ärgerlich für ihn, weil er natürlich auch wieder einige sehr erfrischende Aktionen anzubieten hatte, die dadurch verblassen.

Ansonsten gab es wenig zu meckern. Schön, dass sich mit Herrmann und vor allem Oscar Wendt zwei alte Recken mal wieder mit einem Tor für gute Leistungen belohnen konnten. 
Viele gute Aktionen in der Offensive litten leider aber darunter, dass die Abnehmer, etwa mehrfach der heute ungewohnt zweikampf- und abschlussschwache Alassane Plea, die Vorlagen nicht nutzen konnten. Auch dem Elfmeter ging zum Beispiel eine sehenswerte Kombination voraus, in der Neuhaus sehr schön freigespielt wurde und sich mit einer tollen Bewegung in Position bringen konnte.

Aus einer sehr soliden Mannschaft ragten für mich heute einmal mehr Tobi Strobl und dann vor allem Nico Elvedi heraus. Wer die Spiele in dieser Saison aufmerksam beobachtet hat, wird mir vielleicht auch recht geben, wenn ich sage, dass sich in der Abwehr eine kleine Wachablösung vollzogen hat. Der "Chef" ist derzeit nicht Matthias Ginter, sondern der unglaublich gelassen, selbstbewusst und zweikampfstark auftretende Elvedi, der heute vielleicht sein bestes Spiel für Borussia überhaupt gemacht hat. 124 Ballkontakte und 113 Pässe (90 Prozent angekommen) zeigen, dass der Schweizer zentraler Anspielpunkt im Gladbacher Aufbau geworden ist (Ginter kam heute auf 102 Ballkontakte). Und er erledigt seine Aufgaben im Eins-gegen-Eins kühl und zuverlässig. 

Zwar hatte Ginter heute eine leicht bessere Zweikampfbilanz. Aber Elvedi strahlt aus meiner Sicht noch etwas mehr Sicherheit aus und er initiert auch die besseren Angriffe aus der eigenen Hälfte heraus (wofür sich übrigens dann Strobl perfekt als Absicherung fallenlässt). Ich habe jedenfalls kaum noch Angst, wenn ein Gegenangriff über Wendts linke Seite kommt. Das liegt sicher an Oscars guter Form, mehr noch aber an Elvedi, der viele Bälle mit gutem Auge abläuft und die Mannschaft auch mal wachrüttelt, wie mit seiner gekonnten Grätsche an der Außenlinie in jener Phase, als Borussia nach der Pause für ein paar Minuten etwas ratlos und unsicher wirkte.


Soviel zu Borussia. Ich habe ja jetzt länger nicht mehr über den Schiedsrichter gemeckert. Heute gab es wieder einmal Grund dafür, und leider nicht zum ersten Mal wegen Harm Osmers. Ich weiß nicht, warum in Spielen gegen Kloppertruppen wie Augsburg immer wieder solche inkonsequenten Schiris auf dem Platz stehen. Der FCA war so wie immer - überhart in den Zweikämpfen, teilweise mit kleinen Unsportlichkeiten und natürlich mit dreistem Zeitspiel - solange es ihm nutzt. Das weiß jeder. Trotzdem kann sich ein Rani Khedria drei zwingend mit Gelb zu bestrafende Aktionen erlauben und bekommt nur eine Karte. Ein Finnbogason war so genervt davon, dass er kein Land gesehen hat, dass er gefühlt mehr Fouls sammelte als Ballkontakte. Aber Gelb bekam er ebensowenig wie einige andere, die auf rüde Art ihre Gegner umgrätschten.
Und dass in der Szene, wo Hahn Sommers Abstoß blockt, auch unser Torwart Gelb bekommt, lässt mich nur noch mit dem Kopf schütteln. 
Getoppt wurde das nur noch davon, dass beim Elfmeter Gregoritsch ungestraft neben dem Tor rumturnen durfte. Ob das den schlechten Elfer von Hofmann beinflusst hat, ist dabei eigentlich egal. Aber wenn ein Schiedsrichter sowas in seinem direkten Blickfeld nicht unterbindet, dann ist er in so einem Spiel einfach fehl am Platz. Zumal er trotz eines Elfmeters und dem schon in der ersten Halbzeit erheblichem Zeitspiel der Gäste eine Sekunde zu früh (!) abpfiff. In Hälfte zwei gönnte er dagegen Augsburg volle drei Minuten, die sie vor dem 1:0 ganz allein zusammengetrödelt hatten. Somit blieb Osmers' beste Entscheidung heute die (eigentlich selbstverständliche), das 1:0 nicht wegen Abseits zurückzunehmen. Aus meiner Sicht steht Stindl zwar passiv im Abseits, aber klar hinter dem Torwart, der in seiner Aktion nicht behindert wird. Dem Abwehrspieler auf der Torlinie wird genausowenig die Sicht genommen und das kleine Zucken von Stindls Bein wäre nur dann ein Kriterium, wenn er den Ball berührt hätte. Sicherlich glücklich, dass so ein Hoppelball den Weg ins Tor findet, aber kein Grund für eine Annullierung.
(Edit: Der Hinweis eines Lesers ist richtig, dass Stindls Versuch, an den Ball zu kommen, laut Regel auch dann strafbar wäre, wenn er den Ball nicht berührt, aber den Torwart oder den Abwehrspieler hinter ihm irritiert. Das ist mir schon klar, habe ich aber hier nicht korrekt formuliert. Aus Transparenzgründen lasse ich es aber mit dieser Ergänzung hier im Original so stehen. Ich bleibe aber bei meiner Einschätzung, dass Stindl nicht aktiv im Abseits stand. Denn auch wenn er im Blickfeld des zurücklaufenden Danso steht, ist erheblicher, dass der flach gespielte Ball vom vor Stindl liegenden Torwart verdeckt wird und vor allem dessen - von Stindl nicht beinflusste - Abwehraktion dazu führt, dass der Ball eine andere Richtung bekommt und wohl dann auch für den Abwehrspieler nicht mehr zu erreichen ist.)

Warum mich die Leistung der Unparteiischen trotz des Sieges noch aufregt? Weil wir schon so viele Punkte gegen solche unangenehmen Gegner verloren haben, in denen Schiris nicht auf der Höhe waren. Und trotz des überlegenen Spiels hätte das auch heute passieren können. Das hat ja der Warnschuss beim Konter von André Hahn gezeigt, der in früheren Jahren ziemlich sicher gesessen hätte. 

Allerdings zeigt sich, dass Elvedi und Co. mit solchen Gegnern deutlich besser umgehen können als in den vergangenen Jahren. Und das ist ein weiteres Indiz dafür, dass wir in diesem Jahr dranbleiben können an den beiden Großen der Liga. Die Bilanz, zweimal ohne Gegentor und die volle Punktzahl, wird der Mannschaft weiter Auftrieb geben. 
Denn nächste Woche wird es in der Schalker Grube sicher nicht leichter - vor allem mit all den Merkwürdigkeiten, die wir in den vergangenen Jahren mit diesem Gegner erlebt haben. 
Allerdings fährt es sich dorthin nun deutlich leichter, weil auch eine Niederlage den VfL tabellarisch nicht gleich unter Druck setzen würde. Wäre aber auch ein guter Zeitpunkt, die Bilanz in der Turnhalle mal etwas aufzubessern.     

Bundesliga 2018/19, 19. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - FC Augsburg 2:0 (Tore für Borussia: 1:0 Wendt, 2:0 Herrmann)

2019-01-20

Tüchtiges Glück

Huiuiuiuiuiui.... War das knapp und zugleich so wichtig zum Auftakt der Rückrunde. 

Ich habe mich in der Pause diesmal nicht zu meinem Eindruck aus der Vorbereitung geäußert, weil ich a) die beiden Spiele im Trainingslager nicht gesehen habe und b) die Erkenntnisse aus dem Telekom-Cup ziemlich überschaubar waren. Zumindest ließen diese beiden Halbzeiten aber vermuten, dass die Mannschaft nicht völlig von der Rolle sein würde, wenn es wieder um Punkte geht. Und so war es heute auch.

Drei wichtige Auswärtspunkte im Sack, und das gegen einen Gegner, der in der Restsaison noch zum Konkurrenten um Europa-Startplätze werden kann. Da gibt es erstmal nichts zu meckern. Dass das Spiel zu Null ausging, war ebenfalls ein sehr guter Fingerzeig für die Rückrunde. Es glich aber schon einem Wunder. Das Spiel heute hätte mit nur etwas konsequenteren Pillen-Akteuren genauso bitter enden können wie die DFB-Pokal-Pleite im Herbst. Das muss man einfach so sagen. In der ersten Halbzeit vielleicht noch nicht, da kamen die gefährlichen Aktionen der Hausherren fast ausnahmslos durch Distanzschüsse zustande, mit denen Yann Sommer kaum Probleme hatte. 
In der zweiten Hälfte aber gab es so viele Strafraumszenen in der Gladbacher Hälfte, dass es wirklich verwunderlich war, dass nicht doch ein Ball irgendwie in Netz fiel - oder ein Spieler strafwürdig zu Fall gebracht wurde, worauf es die Bosz-Schützlinge das eine oder andere Mal auch anlegten. 

Leverkusen war über 90 Minuten nicht nur die Mannschaft mit der Masse an besten Torchancen, sie hatten deutlich mehr Ballbesitz, waren viel laufstärker, zweikampfstärker und auch sonst in allen Statistiken vorn. Doch das berühmte Tor mehr, das machte Borussia. Und das ist es, was mir heute das gute Gefühl vermittelte, dass die Mannschaft der Hinrundenplatzierung vielleicht sogar über die gesamte Saison gerecht werden könnte. 
Wir wissen alle, dass das in den vergangenen Jahren oft das Manko war. Überlegen geführte Spiele gingen ähnlich unglücklich verloren (übrigens auch gegen diesen Gegner) wie es die Bayer-Akteure heute mal selbst erlebten. Und wie oft hielt Borussias Defensive in den entscheidenden Momenten gegen stark aufspielende Mannschaften nicht stand.

Das scheint diese Saison anders zu sein. Auch in knappen Spielen wird oft gepunktet, die unnötigen Punktverluste halten sich in Grenzen. Das ist sehr beruhigend - aber erst nach dem Abpfiff. Bis dahin kostet es unglaublich Nerven. Deshalb ist mein einziger Kritikpunkt heute, dass die zwei, drei richtig guten Kontermöglichkeiten nicht zum beruhigenderen 2:0 genutzt wurden, sodass wir bis zum letzten Moment um den Sieg zittern mussten.

Ansonsten habe ich, was Einstellung und kämpferische Leistung betrifft, eine tadellose Vorstellung gesehen - herausragend dabei für mich heute wieder Kapitän Stindl und Jonas Hofmann, die nicht nur gewohnt viel liefen, sondern auch immer wieder Bälle gewannen. Im Spiel nach vorne ging es in der ersten Halbzeit meist noch zu langsam. Wenn die Pässe aber konzentriert gespielt wurden, sah das Kombinationsspiel schon wieder ziemlich gut aus. Probleme machten sich die Borussen selbst dann, wenn sie einen auf "Hacke, Spitze, eins, zwei, drei" machten oder schlampige Anspiele fabrizierten. Das führte mehrmals zu gefährlichen Ballverlusten (Hazard, Hofmann, Plea) und Kontern der Gastgeber.

Zum Glück war die Hintermannschaft heute fast immer rechtzeitig zur Stelle, und wenn nicht, kam der erneut eiskalte Goalie Yann Sommer ins Spiel. Besonders herausheben muss man in der Abwehr sicher Oscar Wendt, der sich gegen Bailey und Bellarabi bärenstark behauptete und Nico Elvedi, der hinten bombensicher stand und zudem nach vorne einige sehr gute Pässe in die Schnittstelle auf Hofmann oder Stindl spielte. Ganz stark. 
Matze Ginter und Michael Lang spielten natürlich auch nicht schlecht, aber ganz so gut wie ihre Partner auf links kamen sie nicht zurecht, vor allem in der zweiten Hälfte nicht. 
Tobias Strobl hatte wenig Möglichkeiten zu glänzen, weil er vor allem gefordert war, aufziehendes Unheil vom VfL-Tor wegzuhalten. Stark in der Defensive, nach vorne nicht so spielbestimmend wie sonst. Gut, dass ihm in der Schlussphase Chris Kramer zur Seite gestellt wurde, um die Lücken zu schließen. Denis Zakaria fand ich defensiv heute sehr ansprechend und auch in den Zweikämpfen deutlich verbessert. Nach vorne zeigte er auch einige Male seine Geschicklichkeit. Dennoch würde ich einem ausgeruhten Florian Neuhaus auf der Position neben Hofmann weiterhin den Vorzug geben, weil er einfach ein besseres Auge für den Mitspieler hat.
Stindl habe ich schon gelobt, Thorgan Hazard war wieder fleißig wie immer, wollte bei seinen Aktionen aber oft wieder mit dem Kopf durch die Wand und fand dann seinen Meister in den Bayer-Abwehrspielern. Und zu Alassane Plea muss man wohl nichts weiter sagen. Viel unter dem Radar unterwegs, nur einmal im Blickpunkt - und dann genetzt. Mehr braucht es nicht für einen Stürmer.

So kann es weitergehen. Dass da heute wieder eine "Bestbesetzung" auf dem Platz stand, war klar zu erkennen, vor allem im Vergleich zu den letzten Spielen vor der Winterpause. Und wenn die Spieler auch von heute mitnehmen, dass es jedesmal aufs Neue ein harter Kampf wird, dann muss es gegen Augsburg nächste Woche auch nicht unbedingt ein Zittern bis zum Schluss werden. 
Der Grundstein für eine Fortsetzung des Höhenfluges ist jedenfalls mit dem heutigen Erfolg gelegt. Mit tüchtigem Glück zwar - aber wie Sieg zustande kam, interessiert morgen schon keinen mehr.      

Bundesliga 2018/19, 18. Spieltag: Bayer Leverkusen - Borussia Mönchengladbach 0:1 (Tor für Borussia: 0:1 Plea)