2021-05-27

Haken dran!

Hätte besser laufen können? Hätte besser laufen können. Weltuntergang? Nein. Borussia bleibt Borussia, auch wenn das Abschiedsjahr von Marco Rose bei der einzig lässigen Borussia nicht so verlief, wie es hätte verlaufen sollen und können.
Es könnte gut sein, dass manchem dieser Text nicht kritisch genug ist, gegenüber dem Fast-Ex-Trainer, vielleicht auch gegenüber der Vereinsführung und Max Eberl. Aber das macht ja nichts. (Über-)kritische Würdigungen und Abrechnungen haben ja schon genug andere  geschrieben. Meine Anmerkungen sind am Ende ja auch nur ein Teil der ganzen Geschichte.

Auch wenn viele an der Arbeit des Trainers und seiner Bilanz jetzt auch rückwirkend kein gutes Haar mehr lassen wollen: Es war nicht alles schlecht. Und da ich ein harmonischer Mensch bin, mag ich bei den Verwünschungen nicht mitmachen, die doch erstaunlich viele Fans in sozialen Medien dem Trainer nachrufen. Ja, die Entscheidung pro BVB hat mich nachhaltig getroffen und mein Vertrauen in den Cheftrainer erschüttert. Aber das heißt nicht, dass man deswegen die Contenance verlieren muss. 

Denn ich glaube nach wie vor, dass Marco Rose und seine Assistenten hier zwei Jahre lang - bis zuletzt - vollen Einsatz nach bestem Wissen und Gewissen gebracht haben und deshalb nicht vom Hof gejagt gehören, als hätten sie versucht, den Verein kaputtzumachen. Die Frage, ob es mit einer sofortigen Trennung und einem Interimstrainer besser gelaufen wäre, interessiert mich auch nicht weiter. Schließlich ist die Entscheidung des Vereins eine andere gewesen, es ist müßig, sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen, ob und wie und überhaupt.  

Roses Arbeit und die Gesamtperformance des Teams haben nicht dazu gereicht, dass der VfL genausogut dasteht wie vor zwei Jahren zum Abschied von Dieter Hecking. Das ist Fakt. Wobei nicht zu vergessen ist, dass auch schon zwei weitere "einstellige" Jahre in der Liga, zumal ein Jahr mit der CL-Qualifikation, die Position des Vereins in der Liga weiter gefestigt haben.
Aber das Spieljahr - angesichts des Potenzials in der Mannschaft - so unbefriedigend zu beenden, ist sicher nicht das Ziel des Trainerteams gewesen.
Ich werde also auch keiner von denen sein, die Rose auspfeifen, wenn er mal wieder im Borussia Park gastiert. Seine Zeit endet, und ich gehe inzwischen professionell damit um. Der Groll ist nicht vergessen, das Unverständnis für seine Entscheidung (und vor allem dessen Zeitpunkt) auch nicht. Aber ich finde es wichtiger, was ab jetzt passiert - nicht, was war. Dennoch schaue ich hier noch ein letztes Mal auf die Saison zurück.

Ja, dieses Spieljahr endet äußerst enttäuschend. Darin sind sich wahrscheinlich alle einig. Intern wird dies sicher auch im Verein so gesehen, selbst wenn dies öffentlich von Max Eberl immer wieder abgeschwächt oder relativiert wurde. Es wäre aber zu einfach, jetzt alle Schuld dafür dem Trainer und seinem Team in die Schuhe zu schieben. Zumal auch die Unzufriedenheit über einen 8. Platz noch Jammern auf hohem Niveau ist.

Vor allem bringt es Borussia ja auch mit Blick auf die kommende Saison nicht weiter. Eine ehrliche Analyse wird auch anderswo als auf der Trainerposition Verbesserungsbedarf aufzeigen. Und ich bin sicher, dass dies intern auch genauso geschieht - wie in den Jahren zuvor, wo in der Regel die richtigen Schlüsse gezogen wurden, um Verein und Manschaft weiterzuentwickeln.

Denn natürlich hat das Team um Marco Rose Fehler gemacht. In wichtigen Spielen ging der Matchplan völlig in die Hose oder wurde ein funktionierendes Team durch Umstellungen vercoacht, die nicht gegriffen haben. Und vor allem in den letzten drei Monaten der Saison war von der Handschrift und der positiven Energie des Trainers, die uns in der Vorsaison noch überzeugt hatte, zumindest nach außen kaum noch etwas zu erkennen. Das hat Gründe, die sicher auch zu einem sehr großen Teil an der Diskussion um Marco Rose selbst liegen.

Seine Absetzbewegungen in Richtung Dortmund zu einem unerklärlich frühen Zeitpunkt und der kommunikative Umgang damit waren ungeschickt und nicht hilfreich, wobei auch hier die Mechanismen des sogenannten Sportjournalismus ihren Anteil daran hatten, dass sich Verein und Trainer über viele Wochen in einer unangenehmen Situation befanden und eigentlich nichts hätten "richtig" machen können.
Nach wie vor bin ich überzeugt davon, dass die ersten Infos über einen Rose-Wechsel und später auch die um Adi Hütter aus einer bestimmten Richtung durchgestochen worden sind. Profitiert hat jedenfalls von der Unruhe in Gladbach und Frankfurt vor allem ein Konkurrent. Beweisen kann ich das natürlich nicht, aber es ist für mich eine (vielleicht die einzige) logische Erklärung.

Unabhängig davon - und von den besonderen Umständen der Corona-Geister-Saison - muss sich aus meiner Sicht die Mannschaft den Hauptteil der Schuld zuschreiben lassen. Die Spieler waren es, die 29 Punkte nach Führung abgegeben haben. Die eigentlich unverlierbare Spiel noch aus der Hand gegeben haben. Nicht, weil der Trainer ihnen gesagt hat, sie sollen nach Führung erstmal eine ruhige Kugel schieben. Sondern, weil sie selbst entschieden, den Ball zu kontrollieren, in den eigenen Reihen zu halten und zu wenig Druck nach vorne zu entwickeln, um auf die endgültige Entscheidung in einem solchen Spiel zu setzen.  

Damit wurden immer wieder auch schwächere – schon fast hergespielte - Gegner wieder aufgebaut, weil sie plötzlich selbst in Ballbesitz kamen, ungestört eigene Angriffe aufziehen konnten, in der eigenen Hälfte nicht mehr ausreichend gepresst wurden und oft genug auch noch gegen aufgerückte und naiv verteidigende Gladbacher zu Kontern eingeladen wurden. Die Mannschaft war es, die die Balance aus Angriff und Rückwärtsbewegung zu oft nicht gut hinbekam. Wie oft fielen die Gegentore aus schnellen Angriffen nach Gladbacher Ballverlusten am gegnerischen Strafraum?

Das alles gab es – so viel muss man konstatieren – nicht erst seit Marco Rose. Es zieht sich durch die vergangenen fünf Jahre, selbst durch die Spätphase von Lucien Favre.

Niemand wird bestreiten, dass Marco Rose in seinem ersten Jahr in Gladbach sehr schnell eine gute Pressingmannschaft gebaut hat, die mit Laufbereitschaft, harten, engen Zweikämpfen den Gegner überraschen und zu Fehlern zwingen konnte.

Im zweiten Jahr, speziell im Jahr 2021, blieb davon fast nichts mehr übrig. Die Entwicklung ging - das ist nachvollziehbar - zu mehr Ballkontrolle und weniger Gegnerhatz - auch weil dies mit der Dreifachbelastung bis in den März - zumal nach der unzureichenden Erholung für viele Spieler im Sommer - kaum hätte durchgehalten werden können. Dieses Pressingspiel braucht aber zwingend frische Beine und wache Köpfe, denn wenn nicht alle konzentriert mitmachen, gerät es sonst schnell zum Fiasko. Zu beobachten war das in der Anfangsphase der Rose-Engagements ja etwa beim 0:4 gegen Wolfsberg.

Dass und wie es besser geht, hat die Mannschaft bis zuletzt immer wieder gezeigt. Leider aber nicht kontinuierlich - was sicher auch am Selbstbewusstsein aller gekratzt hat. Dass im zweiten Jahr gefühlt alles schlechter wurde (was so pauschal nicht stimmt) lag aber nicht daran, dass Rose plötzlich (oder schon immer) ein Blender, ein schlechterer Trainer gewesen oder geworden wäre. Es hatte viele Gründe. 

Einer davon ist, dass Gladbach im ersten Rose-Jahr relativ früh nur noch in der Bundesliga vertreten war. In der aktuellen Saison war das anders. Und es soll nicht als Entschuldigung gelten, aber der verdichtete Spielplan mit sehr viel mehr Spielen als Wolfsburg, Frankfurt und Leverkusen ist ein Indiz dafür, dass Borussia eben nicht auf Augenhöhe mit einem Kader wie dem BVB ist.
Deshalb sollte man auch als Gladbachfan nicht damit rechnen, dass Rose in Dortmund schnell scheitert. Er hat dort zum einen die Breite und Klasse im Kader, um das aufwändige Spiel die gesamte Saison durchzuziehen. Er ist auch nicht darauf angewiesen, von dem Dauerpressing abzusehen, wie er das in diesem Jahr vielleicht gerade wegen der Belastung der Spieler getan hat. Aber ehrlich gesagt interessiert mich der Blick in die schwarz-gelbe Zukunft auch gar nicht.

Ich könnte hier noch stundenlang weiterschreiben, sezieren, was gut war und was nicht. Am Ende steht Borussia auf einem Tabellenplatz, der insgesamt angemessen erscheint, auch wenn es bitter ist, das europäische Geschäft knapp verpasst zu haben. Doch für mehr waren die Leistungen zu schwankend - auch in den Extremen: Mit ganz herausragenden Spielen und unterirdischen Auftritten - und natürlich mit vielen Partien, in denen sich beide Gesichter unmittelbar nebeneinander zeigten. Das zeigt sich auch in ausgewähltne Statistiken.

Kurz zusammengefasst: Worauf lässt sich also aufbauen, was muss sich ändern?

Gladbach ist torhungrig: 95 mal schlug es im Tor des Gegners ein. 15 Tore gab es dabei im DFB-Pokal (auch wenn die meisten gegen unterklassige Gegner waren), 16 Tore in der Champions League. Und 64 Tore in der Bundesliga sind der viertbeste Wert der Liga. 56 Gegentore sind dort allerdings (mit Mainz) auch der viertschlechteste Wert. Dazu muss man aber auch sagen, dass der einzige wirkliche Ausreißer der Saison - das 0:6 von München - diese Bilanz erheblich verhagelt. Mit fünf Gegentoren aus diesem Spiel weniger stünde die Rose-Elf nicht auf Platz 15, sondern auf Platz 8 der Gegentor-Tabelle. Das ist Spielerei, klar, aber eben auch ein Teil der Wahrheit.

Die Standardausbeute war über die Saison gesehen sehr gut, sie rettete die Borussia in manchem Spiel aber auch, weil spielerisch eben nicht viel ging. 

Auch die Effizienz ist auch diese Saison in Ordnung gewesen. Marcus Thuram und Co. schossen nur zwei Tore weniger als im ersten Rose-Jahr (10,4 Prozent Chancenverwertung, Tore pro Torschüsse). Damals lag die Effizienz allerdings deutlich höher, bei 17,6 Prozent. Das lag jedoch daran, dass der VfL viel weniger Torschüsse verzeichnete (374 zu 613 in dieser Saison). Damals war Gladbach in dieser Wertung Dritter, nun Vierter.
Aber es gibt noch einen erheblichen Unterschied: In der Saison 19/20 lag Dortmund mit estaunlichen 27,5 Prozent weit vor den Bayern (17,8) und dem VfL. In der abgelaufenen Saison war das Rennen viel enger und die Effizienz durchweg niedriger: Der FC Bayern lag mit gerade einmal 12,9 Prozent Chancenverwertung vorn, in Schlagweite von BVB (11,4), Frankfurt (11,1) und der Rose-Elf.

Aber auch wenn nur jeder zehnte Torschuss ins Tor ging: Die Tatsache, dass es so viel mehr Torchancen herausgeabeitet wurden, zeigt, dass nicht alles schlechter war im zweiten Rose-Jahr.

Viel beklagt sind ja bereits die Punktverluste nach eigenen Führungen, die letztlich eine deutlich bessere Platzierung gekostet haben. In 25 Spielen lag Borussia vorn, doch nur 13 wurden gewonnen, 7 immerhin mit einem Remis beendet. In der Saison zuvor war eine Gladbacher Führung immer gleichbedeutend mit Punkten. 20 Führungen brachten je drei Punkte ein, zwei ein Unentschieden, verloren wurde kein einziges Mal. Die Bilanz ist also deutlich: in der abgelaufenen Saison gab man von 75 möglichen Punkten so 29 noch ab. Im Jahr davor holte man 62 von 66 Punkten nach Führung.

Umgekehrt lagen Yann Sommer und Co. 20mal hinten und holten daraus noch vier Siege und 5 Unentschieden (17 Punkte). Im Jahr davor war der VfL stabiler. Nur 13mal lag er zurück, holte aber auch nur in vier Spielen noch einen Sieg, aber darüber hinaus kein Remis (12 Punkte).

Die Anfälligkeit für späte Tore fiel vor allem in den bravourösen Partien gegen Inter Mailand und Real Madrid auf, sie zog sich aber durch die gesamte Saison. Von den 57 Gegentoren bekam Gladbach nur 9 in der ersten Halbzeit. Allein in der letzten Viertelstunde der Spiele waren es mit 15 ein gutes Viertel, plus zwei weitere Tore in der Nachspielzeit. Das stützt den gefühlten Eindruck gerade aus der Endphase der Saison, dass die Spieler nach 70 Minuten körperlich und von der Frische her nicht mehr viel zusetzen konnten und so auch viele Spiele nicht mehr umgebogen werden konnten, wie dies noch in der Hinrunde beim 3:3 gegen Frankfurt so klasse gelungen war. 

Man könnte das fortsetzen, doch Statistiken sind auch nicht alles und sie suggerieren oft auch mehr als sie wirklich ausdrücken.
Klar ist: Es gibt viel zu tun für die neuen Übungsleiter, um Borussia wieder in die Spur zu bringen. Dazu gehört natürlich auch, die einzelnen Spieler weiterzuentwickeln. Auch hier, so scheint es, gab es in den vergangenen Monaten nur noch wenig Fortschritt.

Auch die Hoffnung, dass es Marco Rose vielleicht gelingt, endlich mal wieder einen Nachwuchsspieler an die Startelf heranzuführen, blieb unerfüllt. Gut, vielleicht ist das in einem Jahr mit Champions-League (und zugleich ohne Herausforderung für die Jungen durch die abgesagte Youth League) auch zu viel verlangt. Was bleibt, ist, dass Rose am Ende in den 46 Pflichtspielen doch in allererster Linie wieder nur auf ein Stammpersonal von 16 Spielern setzte, von denen nur 11 überhaupt auf mindestens die Hälfte der Gesamtspielzeit in der Saison kamen.

Mit diesen Beispielen will ich es bewenden lassen. Ich habe die Saison emotional von Beginn an distanziert betrachtet, vor allem wegen der Corona-Bedingungen, später eben auch aus Enttäuschung über Marco Roses Schritt. Aber natürlich habe ich mitgefiebert, gehofft und mit gefreut, über jede richtig gute Leistung. Und davon gab es auch eine Menge, auch wenn das unter dem Berg voller Ärger und Fan-Enttäuschung in diesem Jahr fast vollständig verschüttet worden ist.

Deshalb mache ich jetzt endgültig meinen Frieden mit der Saison. Mit dem Blick nach vorn sehe ich, dass viel zu tun ist, also: Haken wir's ab und vertrauen wir auf Max Eberl, den Verein und den neuen Trainerstab.

2021-05-23

Leichte und schwere Abschiede

Auf Wiedersehen Werder Bremen, auf Wiedersehen internationales Geschäft: Das 4:2 im Weserstadion war noch einmal ein Spiel, das alles veranschaulichte, wofür diese Saison bei Gladbach stand. Eiskalt und wunderschön herausgespielte Tore, schlampig hergeschenkter Kantersieg durch vergebene beste Chancen und naiv verteidigte Gegentore, dominantes Spiel und zugleich teilweise hilfloses Agieren in den kurzen Drangphasen der Bremer. Spielglück bei der Selke-Szene, die das Spiel grundlegend hätte verändern können. Klare Führungen, derer man sich plötzlich dann doch nicht mehr sicher sein konnte. Und am Ende dann doch auch überall enttäuschte Gesichter, weil der Sieg, der Bremen in die zweite Liga stürzt, für die eigenen Ambitionen nichts wert war.

Über das Spiel will ich an dieser Stelle nichts mehr schreiben. Es war ein vernünftiger Auftritt, der alle Zweifel daran schnell zerstreute, dass Borussia vielleicht mit einem weiteren uninspirierten Auftritt auch noch negativ im Abstiegskampf auffallen würde. Das war schon mal positiv. Für mich war die Saison ansonsten schon lange abgehakt, insofern hätte ich mich zwar gefreut, wenn es zum Schluss noch für die Conference League gereicht hätte. Aber es fällt mir auch leicht, anzuerkennen, dass andere in dieser Saison eben den entscheidenden Schritt besser und schneller waren. 

Sicher, die Saison war nicht so schlecht, wie sie in den vergangenen Monaten erschien und gemacht wurde. Sie war aber eben auch nicht gut genug, um ausreichend andere Mannschaften hinter sich zu lassen. 

Deshalb galt auch gestern mein Fokus mehr denen, die es im Rahmen des letzten Saisonspiels verdient haben, erwähnt und herausgehoben zu werden. Dazu gehört vor allem der Kapitän. 

Lars Stindl kann zwar keine Gerd-Müller-Rekorde knacken, aber er ist für eine Mannschaft wie Borussia dennoch wichtiger als ein Lewandowski für Bayern München. Auch in dieser Saison ist Lars vorangegangen, trotz nicht einfacher Ausgangsposition hat er abgeliefert, als denkbar unangenehmer Gegenspieler, als Score und Vorbereiter. 

Es freut mich so für ihn, dass er bester deutscher Torjäger in der Bundesliga geworden ist. Und es tut mir sehr leid für ihn, dass der Bundestrainer seinen Wert bis heute nicht erkannt hat. Nach den unglücklich verpassten Turnieren zuvor hätte er es verdient gehabt, diesmal dabei zu sein. Aber er ist auch alt genug, sich davon nicht mehr herunterziehen zu lassen. Und er wird auch in der neuen Saison eine wichtige Rolle für Borussia spielen.

Ein Lichtblick war für mich im Spiel in Bremen gestern ausgerechnet einer, der nun wirklich über die Saison viel hatte einstecken müssen: Hannes Wolf machte ein starkes Spiel, durchsetzungsfähig, mit Überblick und guten Lösungen. Und auch mal mit dem Foul zur richtigen Zeit. Ich hoffe, dass der Abschied von Rose für ihn auch eine Befreiung werden kann und er in der kommenden Saison endlich besser ins Laufen kommt.

Und damit komme ich schon zu denen, die wir im Sommer nicht mehr im Borussia-Trikot sehen werden. Die - wie vergangenes Jahr Raffael, Johnson und Strobl - vielleicht nicht mehr sportlich die allerwichtigsten waren, die aber für das Innenleben einer Mannschaft so wohltuend sind.

Gemeint sind hier natürlich in erster Linie Ibrahim Traoré und Oscar Wendt. Über Oscar ist im Prinzip alles geschrieben, er ist zurecht abgefeiert worden, weil er sich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt hat und ein positiver, guter Typ ist, den man so erst mal wieder finden muss. 

Gut, er hat auch mich mit seinen Kerzenabschlägen aus dem Strafraum, mit seinen Ausfallschritten, die keine Flanke verhindern konnten oder mit Flankenversuchen, mit denen er zielsicher den nächstgelegenen Abwehrspieler anschoss, viele Nerven gekostet.

Aber er steht auch für so viele gute Aktionen, für Duelle mit Weltklassespielern, die er konzentriert und gut in Schach hielt (im Verbund der gesamten Defensive natürlich), für tolle und wichtige Tore, für das Feiern mit den Fans in solchen Momenten. Für seine positive Ausstrahlung und Nahbarkeit. Und natürlich für die Standhaftigkeit, sich das Gemurre der Ost nicht einfach gefallen zu lassen. Deshalb kann man nur sagen: Tack för allt, Oscar!

Im Schatten dessen ging der Abschied von Spaßvogel, Dichter und Denker Ivo Traoré sträflicherweise ziemlich unter. Kurz nach Spielschluss teilte Ivo selbst über die sozialen Medien seinen Abschied mit, der Verein hatte dies noch nicht so kommuniziert. Der Dank, der ihm daraufhin unter seinen Posts zuteil wurde, ist sicher ein Trostpflaster, aber das Wie passt so ein bisschen zu dieser verkorksten Saison.

Sportlich hatte Ivo nie eine Chance unter Marco Rose, und vorher haben seine häufigen Verletzungen viele verhindert. Doch er war auf dem Platz jemand für die besonderen Momente. Und abseits des Rasens war er unzweifelhaft einer der wichtigsten Integrationsfiguren der Mannschaft für alle Neuen, vor allem aus dem französischsprachigen Bereich, inklusive Familienanschluss in der Familie Traoré. Ich finde es auch der besonders schade, dass jemand so still und ohne Fans gehen muss. Aber ich wünsche ihm, dass er nochmal einen Verein findet, bei dem er auf dem Rasen zeigen kann, was ihn auszeichnet. Dass das klappt, ist leider in der Corona-Zeit keine Selbstverständlichkeit mehr, wie man an Raffael und Fabian Johnson sieht, die weiter vereinslos sind. Deshalb auch hier: Ich ziehe den Hut vor dir, lieber Ibo!

Alles Gute, ihr Beiden. Das gilt gleichermaßen für Julio Villalba, Max Grün und wohl auch für Michael Lang, die leider alle nicht beweisen konnten, ob sie einen Mehrwert für Borussia hätten darstellen können.

Und ja, ich gebe auch Marco Rose und seinem Trainerteam gute Wünsche mit auf den Weg. Ich bewerte das sportliche Abschneiden, aber ich bewerte auch die Menschen dahinter. Und bei aller Enttäuschung und Wut über das vorzeitig abgebrochene Aufbauprojekt, über schlechte Kommunikation und ungeschicktes Verhalten in der Öffentlichkeit, über das nicht zufriedenstellende Gesamtergebnis und auch die sportlich-taktischen Fehler, die ein besseres Saisonabschneiden gekostet haben: Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Rose, Maric, Zickler und Eibenberger hier bis zum Schluss anständig und mit vollem Einsatz gearbeitet haben. 

Erfolg im Fußball hängt von zu vielen Komponenten ab, als dass man die Schuld immer nur auf einen abwälzen kann und sollte. Es ist bequem, keine Frage, aber es führt nicht weiter, vor allem, wenn dieses Alibi in der nächsten Saison nicht mehr da ist.

Also, auch wenn das bei vielen nicht populär sein wird: Ich finde es wichtig, dass man sich auch anständig von Rose und Co. verabschiedet. Das gilt besonders dann, wenn man sich sonst zu den besten Fans oder zu einem besonderen Verein zählt. Das lebt Max Ebert mit jeder Faser seines Körpers vor, trotz all der Enttäuschungen, die auch er einstecken musste (sicher auch mit Marco Rose). Und dafür steht auch der Vorstand von Borussia.

Ich hoffe, dass die Sommerpause und die hoffentlich weiter fortschreitende Normalisierung des Lebens, unter anderem mit der Rückkehr von Fans in den Stadien, dabei hilft, sich auch von dem ständigen Einschlagen auf Rose zu lösen, wie es sich in vielen Beiträgen in den sozialen Medien besonders noch mal in dieser letzten Saisonwoche Bahn brach. 

Ich habe mich auch maßlos über seine Entscheidung geärgert, über das Drumherum und natürlich darüber, dass danach irgendwie die Luft raus war aus der Saison. Aber relativ schnell habe ich für mich entschieden, dass ich das Thema jetzt nicht monatelang immer wieder wälzen will - weil es ja vor allem mich selbst immer wieder runterziehen würde. Und im Gegensatz zu Oscar und Ibo fällt mir der Abschied vom Team Rose selbstredend inzwischen sehr leicht. Das hätte ich - und wohl kein Gladbachfan - ziemlich genau vor zwei Jahren gedacht. Aber man lernt nie aus.

Also: Ich wünsche Marco Rose und seinem Team, dass sie woanders finden, was sie sich von diesem Schritt erwarten. Ich wünsche mir aber auch, dass unsere Borussia immer in der Lage sein wird, deren Teams die Grenzen aufzuzeigen. 

Dazu braucht es allerdings gute Entscheidungen im Verein, einen klaren Kopf mit Blick nach vorne - und die Einheit aller, die hinter dem VfL stehen. Lasst uns nach dieser Saison auf Neustart drücken, aus der Zeit mit Rose für die Zeit ohne Rose lernen - und damit das Beste aus diesem Spieljahr machen, mit allen seinen Höhen und Tiefen!


Bundesliga, 34. Spieltag: SV Werder Bremen - Borussia Mönchengladbach 2:4. Tore für Borussia: 0:1 Stindl, 0:2 Thuram, 0:3 Bensebaini, 0:4 Neuhaus.

Saisonspende: Vier Tore zum Saisonabschluss bringen nochmal 2 Euro ein. Leider gibt es sonst keine Saisonabschlussprämien einzulösen. Eigentlich. Denn dass Lars Stindl bester deutscher Torschütze in der Liga geworden ist, ist mir die Torschützenkönigprämie von 30 Euro wert. Damit kommen wir auf 142,50 Euro. Auf die EM, die mich nicht sonderlich interessiert, will ich mit der Spende nicht warten. Da ich dort aber auch entsprechende Prämien für Tore und Vorlagen ausgelobt habe, runde ich präventiv auf 150 Euro auf. Über die Verwendung informiere ich in Kürze an dieser Stelle.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Erreichen der K.o-Phase und für jede weitere erreichte CL-Runde: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2021-05-15

Tiefpunkt 2.0

Das war jetzt der Tiefpunkt der Saison. Eigentlich. Denn ein Spiel ist ja noch zu spielen. Und das Gleiche hatte ich ja auch schon letzte Woche gedacht, nach dem indiskutablen 0:6 gegen die Bayern. 

Dazu kommt: Wenn man bedenkt, dass der VfL als bekannt-lässiger "Letzter-Spieltag-Abschenker-Club" nächste Woche gegen eine mit Sicherheit vom Umfeld tagelang aufgeputschte Bremer Mannschaft spielen muss, die nach dem buchstäblich letzten Strohhalm greift - da weiß ich nicht, ob das jetzt wirklich schon der unrühmliche Schlusspunkt unter einer quasi "historischen" Saison war.
Und wenn ich ehrlich bin, weiß ich im Moment auch nicht, ob ich das überhaupt live verfolgen möchte.

Zu Erinnerung: Während sich in Leverkusen zwei direkte Konkurrenten um europäische Plätze gegenseitig die Punkte abnehmen können, eiert die Mannschaft von Marco Rose 90 Minuten lang über den Platz, als wären sämtliche Saisonziele schon eingefahren. Dieser eine scheiß Sieg heute, für den man nach der Halbzeitführung nur noch 45 Minuten seriös hätte zuende spielen müssen, er hätte alle Türen für die Conference League geöffnet. Stattdessen wurde er ohne Herz, in Teilen arrogant und pomadig hergeschenkt - gegen eine äußerst dezimierte Gäste-Elf, die wahrscheinlich auch nicht so genau weiß, wie sie letztlich an die drei Punkte gekommen ist.

Fahrig, langsam, drucklos - so war das schon in der ersten Halbzeit. Viel Quergespiele, viele Rückpässe, kaum direktes Spiel. Ohne eine Körpersprache, die dem Gegner signalisiert "Holla, die wollen hier um alles in der Welt das Spiel gewinnen" - wieder einmal. Alibi-Pressing der Kategorie unbrauchbar, nur ab und zu mal ein Geistesblitz-Pass von den bemühten Neuhaus, Stindl oder Kramer, der mit dem nächsten Fehlpass aber gleich wieder zunichte gemacht wurde.

Und trotzdem führst du zur Halbzeit 1:0 - weil Stuttgart genauso fehlerhaft unterwegs ist und genauso ungenau spielt wie du. Weil der VfB dir den Ball auch noch so passend im Strafraum stoppt, dass die Flanke für Lars Stindl nach Krmaers schönem Einsatz überhaupt nur möglich wird.

Danach das auch schon bekannte Spiel: Zurück aus der Pause, keine Änderung im Auftreten. Abwarten, quer spielen und Tee trinken, den Gegner nur nicht aggressiv bespielen und damit am Ende früh eine Entscheidung im Spiel erzwingen. Oh nein. Schließlich gibt es ja noch den Rekord im "Führungen verdaddeln" zu gewinnen.

Man kann und darf Spiele verlieren. Man kann Fehler machen, wegen derer Spiele verloren gehen. Aber was mich so fertig macht, ist dieses konsequente unter den eigenen Möglichkeiten bleiben, das sich durch viele Spiele dieser Saison zieht. Das hatte oft Gründe, die in der Kraft, in der Belastung lagen. Aber nicht zum Ende der Saison, schon lange ohne Dreifachbelastung - mit dem Ziel vor Augen, die inzwischen durch viele Dinge belastete Saison auch emotional noch retten zu können.

Bezeichnend: Etwas bedröppelt und wenig überzeugend rief Christoph Kramer nach dem Spiel im Interview nach einer Trotzreaktion - die (schlechtere Tabellen-)Situation sei klar - dann müsse man das jetzt eben im letzten Spiel "rauslaufen", und das wolle man dann auch tun. Ob er sich das selbst glaubt? Man will ihm entgegenrufen: Warum zum Teufel habt ihr das nicht heute schon getan? Warum den einfachen Weg ausschlagen, wenn es auch kompliziert zu verhunzen geht?

Damit will ich gar nicht sagen, dass die Spieler nicht einiges versucht hätten. Aber das Zutrauen in ihr zweifellos vorhandenes Können ist nicht mehr ausreichend sichtbar. Es fehlt die Ausstrahlung, die auch deinem Nebenmann Gewissheit gibt, dass er mit dem nächsten Ball die richtige Entscheidung trifft. Es fehlt der auch nach außen getragene Spirit, dass man die Aufgabe als Team angeht, das sich gegenseitig unterstützt und anfeuert. So, wie das in Halbzeit zwei von der Stuttgarter Bank kam und nicht zu überhören war.
Worum geht es sonst zwei Spieltage vor Schluss, als um gemeinsam anzugreifen, vor allem aber gemeinsam zu verteidigen? Natürlich, es reicht oft schon die individuelle Klasse eines Gladbacher Spielers im Zweikampf, um eine gefährliche Situation vor dem gegnerischen Tor zu kreieren oder vor dem eigenen Tor zu entschärfen. Das zeigen Ginter, Elvedi, Thuram oder Plea in jedem Spiel auch. Aber über ein Spiel hinweg braucht es alle, um in einem Mannschaftsport erfolgreich zu sein.

Aber was fehlt, ist genau das: das organische Spiel als ein Team, indem jeder Teil der elf Teilnehmer weiß, welche Aufgabe er hat, wie er dem Nebenmann helfen kann und dass immer im Wissen, dass es nur gemeinsam geht.
Wie oft ist heute Thuram aussichtslos in seine Gegner reingedribbelt? Wie oft flogen Flanken völlig uninspiriert in den freien Raum? Wurden gute Pässe gespielt, nur der Mitspieler hatte eine Bewegung in die andere Richtung gemacht? Es stimmt in diesen oft kleinen Dingen nicht, schon seit Wochen. Und letztlich fallen dadurch auch die Gegentore.

Wenn man sarkastisch sein will, dann gibt es für diesen Auftritt überhaupt nur eine nachvollziehbare Erklärung: Die Mannschaft ist "so intakt und gefestigt", dass sie es sich gemeinsam am Vorabend beim Absacker im Quarantänehotel etwas zu gemütlich gemacht hat und es dabei etwas später geworden ist als geplant. Aber ich will nicht sarkastisch sein. Ich bin einfach nur enttäuscht, dass offenbar unter der anwesenden Gladbachern im Innenraum des Borussia Parks nur Max Eberl den richtigen Gesichtsausdruck für das fand, was da heute abgeliefert wurde.

Nein, die Wahrheit sieht bedrückender aus: Die Mannschaft schafft es in dieser Phase der Saison einfach nicht mehr, den Schalter umzulegen. Es sei denn, sie trifft auf einen noch indisponierteren Gegner, wie es - rückblickend gesehen - gegen Frankfurt und Bielefeld der Fall war. Doch selbst da hat sich der VfB Stuttgart heute einige Mühe gegeben, Gladbach im Spiel zu halten. 

Und was ist mit dem Trainerteam? Impulse? Enthusiasmus? Plan B? Vollgasmentalität? Einfach nur Fehlanzeige. 

Ich wiederhole mich: Es ist gut, wenn diese Saison endlich vorbei ist. Und das ist das Schlimmste, was man eigentlich sagen kann - wenn man bedenkt, dass die gleiche Saison im Februar/März ja zugleich noch den größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte bereit gehalten hatte. Was für ein Jammer.


Bundesliga, 33. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - VfB Stuttgart 1:2. Tor für Borussia: 1:0 Stindl.

Saisonspende: 110,50 Euro.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Erreichen der K.o-Phase und für jede weitere erreichte CL-Runde: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2021-05-09

Einstürzende Saisonbauten

  • Es ist äußerst unwahrscheinlich, zweimal in einer Saison gegen den FC Bayern zu gewinnen.

 

  • Es liegen in jeder Beziehung Welten zwischen den Vereinen - wirtschaftlich wie sportlich.

 

  • Jeder weiß, dass man gegen eine Mannschaft mit der Qualität auch untergehen kann.

 

  • Es gibt keine Beispiele dafür, dass eine Bayern-Elf mal ein Spiel merklich abgeschenkt hätte, wenn sie vorher ihr Ziel schon erreicht hatte.

 

  • Es gibt Tage, da könnte man stundenlang spielen und würde nicht treffen. Und das, während auf der anderen Seite der Gegner die ersten drei Tore nur erzielen kann, weil die Bälle beim Tor beziehungsweise dem Zuspiel vor dem Tor von Gladbachern entscheidend abgefälscht wurden.


Jeder Borussia-Fan weiß das alles. Shit happens, und wenn - so bildlich wie drastisch gesagt - die Sch... erstmal die Beine runterläuft, hältst du das auch nicht mehr auf.

 

Trotzdem war dieses 0:6 heute ein Spiel, das geeignet ist, eine ohnehin schon sehr wechselhafte Saison zu ruinieren und auch alles, was gut war, auszuradieren. Damit meine ich nicht, dass heute endgültig die letzte Chance auf einen Euro-League-Platz vertan worden wäre oder die gute Ausgangsposition für die Conference-League mit der Tordifferenz dahinschmolz. Das alles ist in 32 Spielen aufgelaufen, nicht in diesem allein. Aber es ist ein Tiefschlag, der sitzt. Und der so nicht passieren darf - nicht einer Mannschaft zumindest, die sich selbst auf Augenhöhe mit den Top Fünf der Liga wähnt. Und einem Trainerteam, das für sich den nächstgrößeren Schritt für angeraten hält, sollte es auch nicht passieren, dass einmal mehr eine gewählte Taktik nicht aufgeht und sie dennoch nicht korrigiert wird, bevor nicht der Gegner fast uneinholbar in Führung liegt.

 

Bedenklich ist so vieles an diesem Auftritt, und natürlich auch an dem Auf und Ab der vergangenen Wochen. Das macht ratlos, und es macht müde. So müde, dass ich wirklich froh bin, dass diese Saison bald zu Ende ist.

 

Der Mentalitätsunterschied zwischen den früheren Rivalen um die deutsche Meisterschaft war wohl nie deutlicher zu spüren als heute. Und das scheint mir auch der Knackpunkt im Spiel gewesen zu sein. Die Bayern gingen mit durchaus unsympathischer Unnachgiebigkeit bis zum Schlusspfiff in jeden Zweikampf und in jedes Laufduell, als ginge es für sie noch um etwas. 

Sie waren auch nach sechs Toren noch nicht satt und ärgerten sich über jede vergebene Chance, oft unpassend lautstark. Sie wollten es heute dem "Angstgegner" richtig zeigen, und vor allem Lewandowski zu seinem persönlichen Torrekord verhelfen. Sie liefen trotz 15-minütiger Unterzahl mit 107 zu 109 Kilometern nicht wesentlich weniger als die Borussen, obgleich sie diese ja über weite Strecken mit ihrem Passspiel hatten "laufen lassen". 

Beim aufopferungsvoll herausgekämpften 3:2-Sieg im Hinspiel waren das noch anders gewesen, und die Zahlen erheblich beeindruckender: Die Gladbacher liefen da über 123 Kilometer, die Bayern knapp 117.

Damals setzte der VfL auf eine defensiv äußerst dichte Zentrale mit Neuhaus, Kramen und Zakaria, heute sollten zwei Sechser im 4-4-2 ausreichen. Das ging sichtbar in die Hose.

 

Borussia versuchte im Gegenteil heute, vor allem spielerisch mit offenem Visier und auf Augenhöhe unterwegs zu sein - und landete damit, wie eigentlich jede Mannschaft, die das gegen die Über-Bayern versucht und nicht mindestens individuell ebenbürtig besetzt ist, jämmerlich auf dem Bauch. 

Jonas Hofmann und Co. bemühten sich ja, sie hatten auch einige Ballgewinne in für den Gegner gefährlichen Zonen. Sie kombinierten sich oft auch gut aus der Abwehr heraus bis in die Münchner Hälfte. Aber sie nutzten keinen der gut eingeleiteten Angriffe, vor allem in den ersten 20 Minuten, wo das Spiel ziemlich offen in beide Richtungen lief.


Vor allem aber waren die Fohlen nicht kompakt genug gegen den Ball, die Flick-Elf hatte selten Probleme, schnell durchs Mittelfeld zu kommen, und sich Räume zu erobern, die im Hinspiel noch hart umkämpft gewesen waren.

 

Ich wiederhole mich: Die Leistung war heute einfach nicht ausreichend, und das wurde diesmal auch konsequent bestraft. Es gab in den letzten Jahren ja schon einige Spiele, in denen die Bayern ähnlich spielfreudig wie heute das Gladbacher Tor berannt haben, aber dennoch nicht gewinnen konnten. Das lag dann natürlich auch an einer gehörigen Portion Glück von Yann Sommer und Co. Aber eben auch an einer dazu passenden kämpferischen Einstellung. 

Das Bemühen war heute auch erkennbar, aber nicht in der Vehemenz, in der es gegen frei aufspielende Bayern nötig gewesen wäre. Die Rose-Elf kam zu wenig in die Zweikämpfe, und wenn, dann waren die Gegner stets eine Spur entschlossener - so wirkte es für mich zumindest. Selbst in Überzahl bekam Borussia keine Ballkontrolle oder gar noch ein vernünftiges angriffsspiel, Zugriff oder Druck auf den Gegner, um wenigstens das Ergebnis etwas erträglicher gestalten zu können. Im Gegenteil: Selbst mit zehn Mann wären für die Münchner noch mehr Tore drin gewesen als nur das 6:0. 

 

Soviel also dazu. Muss ich zu Tobias Stieler noch etwas sagen? Vom Spielverlauf nicht, damit hatte der Referee heute wirklich nichts zu tun. Aber ich  tue es doch. Denn es ist immer wieder faszinierend, wie zielsicher in seinen Gladbach-Spielen immer wieder Situationen entstehen, bei denen der Jurist seiner Regelpedanterie freien Lauf lassen kann. Als ob er sie heraufbeschwören könnte.

 

So wie beim Elfmeter, der nach der derzeit gerade geltenden absurden Regel zwar korrekt war, nach sportlichen Gesichtspunkten aber natürlich nach wie vor grober Unfug ist. Flo Neuhaus befindet sich in einem natürlichen Bewegungsablauf, wenn er in dieser Szene seine Arme ausbreitet, um zum Kopfball hochzusteigen. Er will nicht seine Körperfläche vergrößern, sondern den Schwung der amre dazu nutzen, Höhe zu gewinnen. 

In diesem Bewegungsablauf wird er von hinten aus 30 Zentimetern Entfernung angeköpft. Es ist einfach nur sinnfrei, dafür Elfmeter zu verhängen, während sonst schon aus Angst vor einem Pfiff alle Verteidiger im Strafraum mit hinter dem Rücken versteckten Armen rumlaufen und dadurch Bälle nicht mehr vernünftig verteidigt bekommen, wie etwa Ramy Bensebaini heute. 

Genauso unsinnig ist es übrigens, dass das bei Neuhaus - allein weil es ein Handspiel ist - automatisch noch eine Gelbe Karte nach sich zieht, während schon längst nicht mehr jedes Foul beim Elfmeterpfiff mit Gelb geahndet wird. 

Dass Stieler diesen idiotischen Regeln zur Geltung verhilft, werfe ich ihm nicht vor. Vielleicht aber, dass er nicht bereit ist, in so einer Szene auch seinen Ermessenspielraum zu nutzen und die Entlastungsgründe abzuwägen, die in den Regelauslegungen eben auch erwähnt werden. Und dazu gehört zum Beispiel der Abstand zwischen den handelnden Spielern. Stieler hingegen schaute sich die Szene am Monitor keine zehn Sekunden an, da stand sein Urteil fest.
Fingerspitzengefühl fehlte dem Referee aus meiner Sicht auch Sekunden vor Schluss, als er Hannes Wolf zurückpfiff und der seinem Frust mit einem Ballwegschlagen Ausdruck verlieh. Laut Regel Gelb - das weiß ich wohl. Aber ehrlich: In der 90. Minute, beim Stand von 0:6, wenn es auch nicht darum geht, Zeit zu schinden - da verstehe ich nicht, warum man da nicht als Schiri einfach mal beide Augen zudrückt. Aber gut, so ist er eben, der Sportkameras Stieler.


Das alles war jetzt ein Exkurs, der nichts mit der Leistung der Borussia und dem Spielausgang zu tun hat. Dennoch ist er Teil dieser Spielgeschichte, und es ist auch Teil meines Frusts, solche Dinge anzusprechen, die mir ungerecht erscheinen, selbst wenn sie streng nach Regelwerk korrekt sind.


Was nun, Borussia? Ich schaue mir jetzt noch die restlichen zwei Spiele an, aber ich wäre froh, ich müsste es nicht tun. Es ist mir auch relativ egal, wie sie ausgehen und was am Ende steht. Ich habe die Saison abgehakt, ich bin leer. Genervt von dem Geplärre von Trainern und Spielern in einem leeren Stadion, das in der Kreisklasse ja wenigstens noch einen gewissen Unterhaltungswert hat - nicht aber bei Bundesligisten. Frustriert von dem seltsamen Auf und Ab, den Enttäuschungen, dem nur flüchtigen Aufblitzen der wirklichen Fähigkeiten dieser Mannschaft. 

 

Und am meisten vielleicht von der Tatsache, dass in dieser Spielzeit auch viel Positives verschüttet wurde, durch das Theater um den Trainer und die stagnierenden Leistungen, die die Mannschaft am Ende der Saison auf einen Platz führen werden, den sie auch verdient hat. Wobei wir alle wissen, dass mehr drin wäre mit diesem Kader. Ich jedenfalls brauche echt langsam Abstand davon, um mich auf die nächste Saison vielleicht wieder freuen zu können.

 

Bundesliga, 32. Spieltag: FC Bayern München - Borussia Mönchengladbach 6:0.

Saisonspende: Weiterhin 110 Euro.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Erreichen der K.o-Phase und für jede weitere erreichte CL-Runde: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.