2021-05-15

Tiefpunkt 2.0

Das war jetzt der Tiefpunkt der Saison. Eigentlich. Denn ein Spiel ist ja noch zu spielen. Und das Gleiche hatte ich ja auch schon letzte Woche gedacht, nach dem indiskutablen 0:6 gegen die Bayern. 

Dazu kommt: Wenn man bedenkt, dass der VfL als bekannt-lässiger "Letzter-Spieltag-Abschenker-Club" nächste Woche gegen eine mit Sicherheit vom Umfeld tagelang aufgeputschte Bremer Mannschaft spielen muss, die nach dem buchstäblich letzten Strohhalm greift - da weiß ich nicht, ob das jetzt wirklich schon der unrühmliche Schlusspunkt unter einer quasi "historischen" Saison war.
Und wenn ich ehrlich bin, weiß ich im Moment auch nicht, ob ich das überhaupt live verfolgen möchte.

Zu Erinnerung: Während sich in Leverkusen zwei direkte Konkurrenten um europäische Plätze gegenseitig die Punkte abnehmen können, eiert die Mannschaft von Marco Rose 90 Minuten lang über den Platz, als wären sämtliche Saisonziele schon eingefahren. Dieser eine scheiß Sieg heute, für den man nach der Halbzeitführung nur noch 45 Minuten seriös hätte zuende spielen müssen, er hätte alle Türen für die Conference League geöffnet. Stattdessen wurde er ohne Herz, in Teilen arrogant und pomadig hergeschenkt - gegen eine äußerst dezimierte Gäste-Elf, die wahrscheinlich auch nicht so genau weiß, wie sie letztlich an die drei Punkte gekommen ist.

Fahrig, langsam, drucklos - so war das schon in der ersten Halbzeit. Viel Quergespiele, viele Rückpässe, kaum direktes Spiel. Ohne eine Körpersprache, die dem Gegner signalisiert "Holla, die wollen hier um alles in der Welt das Spiel gewinnen" - wieder einmal. Alibi-Pressing der Kategorie unbrauchbar, nur ab und zu mal ein Geistesblitz-Pass von den bemühten Neuhaus, Stindl oder Kramer, der mit dem nächsten Fehlpass aber gleich wieder zunichte gemacht wurde.

Und trotzdem führst du zur Halbzeit 1:0 - weil Stuttgart genauso fehlerhaft unterwegs ist und genauso ungenau spielt wie du. Weil der VfB dir den Ball auch noch so passend im Strafraum stoppt, dass die Flanke für Lars Stindl nach Krmaers schönem Einsatz überhaupt nur möglich wird.

Danach das auch schon bekannte Spiel: Zurück aus der Pause, keine Änderung im Auftreten. Abwarten, quer spielen und Tee trinken, den Gegner nur nicht aggressiv bespielen und damit am Ende früh eine Entscheidung im Spiel erzwingen. Oh nein. Schließlich gibt es ja noch den Rekord im "Führungen verdaddeln" zu gewinnen.

Man kann und darf Spiele verlieren. Man kann Fehler machen, wegen derer Spiele verloren gehen. Aber was mich so fertig macht, ist dieses konsequente unter den eigenen Möglichkeiten bleiben, das sich durch viele Spiele dieser Saison zieht. Das hatte oft Gründe, die in der Kraft, in der Belastung lagen. Aber nicht zum Ende der Saison, schon lange ohne Dreifachbelastung - mit dem Ziel vor Augen, die inzwischen durch viele Dinge belastete Saison auch emotional noch retten zu können.

Bezeichnend: Etwas bedröppelt und wenig überzeugend rief Christoph Kramer nach dem Spiel im Interview nach einer Trotzreaktion - die (schlechtere Tabellen-)Situation sei klar - dann müsse man das jetzt eben im letzten Spiel "rauslaufen", und das wolle man dann auch tun. Ob er sich das selbst glaubt? Man will ihm entgegenrufen: Warum zum Teufel habt ihr das nicht heute schon getan? Warum den einfachen Weg ausschlagen, wenn es auch kompliziert zu verhunzen geht?

Damit will ich gar nicht sagen, dass die Spieler nicht einiges versucht hätten. Aber das Zutrauen in ihr zweifellos vorhandenes Können ist nicht mehr ausreichend sichtbar. Es fehlt die Ausstrahlung, die auch deinem Nebenmann Gewissheit gibt, dass er mit dem nächsten Ball die richtige Entscheidung trifft. Es fehlt der auch nach außen getragene Spirit, dass man die Aufgabe als Team angeht, das sich gegenseitig unterstützt und anfeuert. So, wie das in Halbzeit zwei von der Stuttgarter Bank kam und nicht zu überhören war.
Worum geht es sonst zwei Spieltage vor Schluss, als um gemeinsam anzugreifen, vor allem aber gemeinsam zu verteidigen? Natürlich, es reicht oft schon die individuelle Klasse eines Gladbacher Spielers im Zweikampf, um eine gefährliche Situation vor dem gegnerischen Tor zu kreieren oder vor dem eigenen Tor zu entschärfen. Das zeigen Ginter, Elvedi, Thuram oder Plea in jedem Spiel auch. Aber über ein Spiel hinweg braucht es alle, um in einem Mannschaftsport erfolgreich zu sein.

Aber was fehlt, ist genau das: das organische Spiel als ein Team, indem jeder Teil der elf Teilnehmer weiß, welche Aufgabe er hat, wie er dem Nebenmann helfen kann und dass immer im Wissen, dass es nur gemeinsam geht.
Wie oft ist heute Thuram aussichtslos in seine Gegner reingedribbelt? Wie oft flogen Flanken völlig uninspiriert in den freien Raum? Wurden gute Pässe gespielt, nur der Mitspieler hatte eine Bewegung in die andere Richtung gemacht? Es stimmt in diesen oft kleinen Dingen nicht, schon seit Wochen. Und letztlich fallen dadurch auch die Gegentore.

Wenn man sarkastisch sein will, dann gibt es für diesen Auftritt überhaupt nur eine nachvollziehbare Erklärung: Die Mannschaft ist "so intakt und gefestigt", dass sie es sich gemeinsam am Vorabend beim Absacker im Quarantänehotel etwas zu gemütlich gemacht hat und es dabei etwas später geworden ist als geplant. Aber ich will nicht sarkastisch sein. Ich bin einfach nur enttäuscht, dass offenbar unter der anwesenden Gladbachern im Innenraum des Borussia Parks nur Max Eberl den richtigen Gesichtsausdruck für das fand, was da heute abgeliefert wurde.

Nein, die Wahrheit sieht bedrückender aus: Die Mannschaft schafft es in dieser Phase der Saison einfach nicht mehr, den Schalter umzulegen. Es sei denn, sie trifft auf einen noch indisponierteren Gegner, wie es - rückblickend gesehen - gegen Frankfurt und Bielefeld der Fall war. Doch selbst da hat sich der VfB Stuttgart heute einige Mühe gegeben, Gladbach im Spiel zu halten. 

Und was ist mit dem Trainerteam? Impulse? Enthusiasmus? Plan B? Vollgasmentalität? Einfach nur Fehlanzeige. 

Ich wiederhole mich: Es ist gut, wenn diese Saison endlich vorbei ist. Und das ist das Schlimmste, was man eigentlich sagen kann - wenn man bedenkt, dass die gleiche Saison im Februar/März ja zugleich noch den größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte bereit gehalten hatte. Was für ein Jammer.


Bundesliga, 33. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - VfB Stuttgart 1:2. Tor für Borussia: 1:0 Stindl.

Saisonspende: 110,50 Euro.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Erreichen der K.o-Phase und für jede weitere erreichte CL-Runde: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

5 Kommentare:

  1. Dem gibt es wieder mal nichts hinzuzufügen. Unfassbar wie diese talentierte Truppe diese Saison endgültig verdaddelt. Rose hat Borussia kontinuierlich runtergewirtschaftet. Überhaupt keine Entwicklung. Das einzig Gute ist dass diese Saison nicht mehr schönzureden ist.

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  2. "Das einzig Gute ist dass diese Saison nicht mehr schönzureden ist."

    Ich befürchte, genau das wird aber passieren: entweder lobpreist Max Eberl die erneute Einstelligkeit. Alternativ legt Hans Meyer wieder einen phänomenalen Auftritt im Doppelpass hin.

    Es wird Zeit, dass die Herren mal wieder in der Realität ankommen, ihre Fehler endlich einmal selbstkritisch eigestehen und vor allem daraus lernen werden.

    Ich bin froh, wenn die Saison vorbei und Ro$€ ist und sein Unwesen bei der falschen Borussia treiben darf.

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    1. Zu Hans Meyer im DP : In einem früheren Leben war HM vielleicht mal witzig und originell. Sein Auftritt am
      9.Mai war extrem peinlich, fragwürdig und zum Fremd -
      schämen. Man sollte ihn vor sich selbst schützen nund
      nicht mehr in die Öffentlichkeit lassen,damit er mit seinen hanbüchenen und dümmlichen Argumentationen nicht
      dem guten Ruf von MG noch weiter schadet !!!!

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    2. Ich finde das du hier gehörig übertreibst! Ich bin bei Dir, das er gerne auch mal kritisch zu einigen Auftritten der Mannschaft hätte Stellung nehmen können: auch um vor einem Stuttgart Spiel dann den Druck auf die Mannschaft zu erhöhen! Andererseits hat er wie ein Löwe den Club verteidigt und das nötigt mir Respekt ab: einen Hoeneß hätten die Fans für so einen Auftritt gefeiert. Ich bin froh, was der Hans alles für uns geleistet hat und auch noch leistet. PS: Das Netz und die Reaktionen auf Meyer waren übrigens zum absolut größten Teil sehr positiv!

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  3. Die ganze Saison war nicht so, wie wir uns das alle gewünscht haben. Im Herbst wurden schlechte Bundesligaspiele noch mit herausragenden Leistungen in der CL erklärt. Da bin ich mitgegangen. Der Bruch kam mit der Entscheidung von Marco Rose, den ich anfangs echt cool fand, ihn mittlerweile jedoch für einen Schaumschläger halte. Bin Mal gespannt, wie es in Dortmund laufen wird. Ich werde es gespannt verfolgen und ihm beruflich alles schlechte wünschen.

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