Aus dem heutigen sogenannten "Top-Spiel" des Fußballunterhaltungssenders Sky lassen sich einige sehr positive Dinge festhalten.
1) Schalke 04 gewann sein erstes Auswärtsspiel seit dem 23. November 2019 nicht in Mönchengladbach.
2) Auch im neunten Gastspiel im Borussia Park hintereinander blieben die Gäste damit sieglos.
3) Schalke 04 gewann ein Spiel gegen Borussia nicht, das unaufhaltsam auf genau das zusteuerte: ein typisch zufällig erzwungen reingestochertes Tor eines Königsblauen kurz vor Schluss und folglich die schon oft erlebte so ärgerliche wie verdiente Pleite der so favorisierten wie enttäuschenden Gladbacher.
4) Mit dem 0:0 gelang Jonas Omlin heute sein erstes Zu-Null-Spiel in seiner noch kurzen Borussen-Karriere. Verdient hatte er sich das allemal, denn sein Anteil daran war gefühlt deutlich größer als der seiner Mitspieler, die ihn in einigen Szenen ganz schön im Stich ließen (auch das nicht zum ersten Mal).
Der neue Schweizer Rückhalt des VfL riskierte aber mit Glück und Geschick mehrfach erfolgreich Kopf und Kragen und zeigte einmal mehr, dass Borussia wenigstens auf der Torhüterposition derzeit keine Baustelle hat. Auch das ist eine gute Nachricht, angesichts des überstürzten Wechsels der vorherigen Nummer 1 zur Nicht-mehr-Konkurrenz.
Denn wenn man eines in der nächsten Zeit sicher nicht mehr machen muss, dann ist es nach Yann Sommer und den Ergebnissen von Bayern München und dem nahezu punktgleichen Sextett an der breiten Tabellenspitze zu schauen. Und damit beginnen die schlechten Nachrichten des Abends, wobei die jetzt überwiegend auch nicht ganz neu sind.
Denn was die Farke-Elf heute gegen den punktemäßig abgeschlagenen Tabellenletzten bot, gab es in ähnlich unsteter Form schon mehrmals in dieser (und vorherigen) Saison(s) zu sehen. Man kann herrlich streiten, welchen Anteil daran Daniel Farke, Adi Hütter oder Marco Rose haben oder hatten - oder ist es gar die Mannschaft, die unter allen drei Trainern in weitgehend identischer personeller Zusammensetzung ähnliche Stärken und Schwächen und wenig nachhaltige Lernfähigkeit zeigt?
Vielleicht ist es aber ja auch der Geist von Max Eberl, der diese Mannschaft und diesen Club "in die Scheiße geritten" hat und nun von Leipzig aus fortwährend weiter verhext. Der langjährige Manager eignet sich auf jeden Fall sehr gut für Schuldzuweisungen jeder Art aus Verein und Fanlager - und als billige Entschuldigung für alles, was nicht läuft.
Sarkasmus beiseite: Es wird Zeit, sich ehrlich zu machen und ernsthaft zu überlegen, wo man als Teil der Borussia-Familie steht, wie man den Klub und sein Potenzial sieht und welche Ziele man realistischerweise haben sollte. Noch wichtiger aber ist wohl die Frage danach, wie man das erreichen will. So wie im Moment? Sicher nicht.
Der Verein ist im Winter-Transferfenster nicht willens oder in der Lage gewesen, dem Kader etwas Neues, Fehlendes oder Besseres hinzuzufügen. Das muss man so hinnehmen. Es ist bis zum Sommer auch nicht mehr zu ändern. Und es wird angesichts der drohenden ablösefreien Wechsel auch nicht einfacher, Qualität mit vergleichbarer Qualität zu ersetzen.
Aber wahr ist auch: Selbst wenn die Positionen, auf denen es mehr Optionen oder neue Reize bräuchte, offensichtlich sind: Borussia hat in diesen Tagen keine verletzten Stammspieler und muss sogar illustre Namen auf die Tribüne setzen, so groß ist die Auswahl im Kader für Daniel Farke.
Nun schießen Namen allein keine Tore. Wer nicht gut drauf ist (Thuram) oder - vielen Gesten im Spiel nach zu urteilen - zunehmend damit hadert, noch ein halbes Jahr in dieser Mannschaft spielen zu müssen (Bensebaini), der könnte prinzipiell durch andere Spieler aus der Startelf verdrängt werden. Das passiert aus meiner Sicht aber zu wenig.
Wenn eine Mannschaft gegen einen defensiv gut sortierten Gegner aus dem Spiel heraus nicht zu gefährlichen Aktionen, aber zu jeder Menge Freistöße und Ecken kommt (wie im Spiel heute), dann wäre es auch sehr gut, wenn man daraus Kapital schlagen könnte. Jonas Hofmann ist fraglos ein toller Spieler und ein brauchbarer Standardschütze. Aber er ist in diesem Kader ohne echte Standardspezialisten auch nicht unbedingt der beste in dieser Kategorie (und heute ganz sicher nicht). Das war in den letzten Monaten nämlich Luca Netz, der wieder 90 Minuten vergeblich auf einen Einsatz wartete. Oder Teilzeitarbeiter Patrick Herrmann, für den es zum zweiten Mal hintereinander nicht einmal für einen Platz auf der Bank gereicht hatte.
Jener Patrick Herrmann mit einer Bundesligaerfahrung von 337 Bundesligaspielen und mit der eingebauten Garantie, dass er sich in jedem Spiel für sein Team und seine Borussia zerreißt. Natürlich, auch er wäre keine Garantie gewesen, dass es heute besser gelaufen wäre. Wäre er so ein Unterschiedsspieler, würde er nicht dauerhaft für die Startelf ignoriert. Aber in Spielen, in denen es besonders auf kämpferische Tugenden und vielleicht auf ein einziges Standardtor ankommt, wäre es eventuell eine Idee, jemanden wie ihn reinwerfen zu können.
Oder überhaupt frühzeitiger und öfter zu wechseln. Schließlich gelingt es auch den Gegnern häufig genug, mit Spielerwechseln neue Impulse zu setzen. Aber was weiß ich schon.
Das Spiel heute war enttäuschend, wieder einmal. Weil es gegen eine spielerisch unterlegene, aber körperlich robuste und kämpferisch überlegene Mannschaft wieder nicht gelang, den eigenen Spielstil durchzubringen und außer in gepflegte Langeweile auch in gute Angriffe und Tore zu verwandeln.
Was nervt ist, dass man immer wieder das gleiche Spiel zu sehen glaubt, und dass sich an der Unflexibilität von Mannschaft und (jeweiligem) Trainer nichts zu ändern scheint.
Irgendwann muss man doch darauf reagieren, dass man immer wieder auf die gleiche Weise den Zahn gezogen bekommt. Aus Laiensicht gibt es da zwei Möglichkeiten: das eigene Spiel so zu verbessern, dass man ein taktisches Gegenmittel hat. Oder man muss in der Lage sein, im Spiel so flexibel umzuschalten, dass man den Gegner auch mal phasenweise mit dessen eigenen Mitteln überraschen kann.
Was regelmäßig passiert, ist aber etwas anderes. Kramer und Co. lassen sich gegen spielerisch schwächere oder von vornherein auf Fußballverhinderung ausgelegte Teams das Spiel des Gegners aufzwingen oder nehmen es an, und lassen sich so auf das Niveau des Gegners herunterziehen. Sie sind nicht in der Lage, ein Spiel über die komplette Spielzeit zu bestimmen. Mehr als eine ordentliche Halbzeit ist selten drin.
So wie heute, wo nach einer relativ kontrolliert geführten ersten Hälfte, die kurz vor der Halbzeit fast mit der Führung belohnt wurde, das Spiel in der zweiten Halbzeit mehr und mehr aus der Hand gegeben wurde.
Mit dem Wiederanpfiff störte Schalke mutiger, ging weiter eng und unangenehm auf die Gegenspieler, grätschte sich zunehmend in einen kleinen Zweikampfrausch und ermöglichte so schließlich eine wilde Schlussphase, in der es hin- und herging und die Ballkontrolle schließlich auf beiden Seiten weitgehend aufgegeben wurde. Das spielte Schalke sichtbar in die Karten, das am Ende deutlich näher am Tor des Tages war als Gladbach.
Dass die Mannschaft auch unter Daniel Farke mit seinem Spielansatz diese altbekannten Schwierigkeiten gegen vermeintlich unterlegene Gegner nicht in den Griff bekommt, nervt und nervt. Wahrscheinlich braucht er wirklich mehr Zeit und auch einen gewissen Personalaustausch, um hier große Schritte nach vorn zu machen.
Fakt ist aber auch: Bis es so weit ist, ist es eben auch nicht der Fußball, der für ausreichende Ruhe im Umfeld oder gar Begeisterung auf den Rängen sorgen kann. Denn solange der Matchplan nicht so gut aufgeht wie gegen Dortmund oder zuletzt Hoffenheim, ist es ein zäh anzusehendes Pass-Spektakel ohne große Höhepunkte und/oder hinten heraus ein Zitterspiel, in dem jederzeit ein vom Gegner erzwungener Fehlpass zum schnellen Gegenzug und zum möglicherweise entscheidenden Gegentor führen kann.
Und damit komme ich zum Blick auf den 12. Mann, der in schwierigen Spielen dann durchaus den Unterschied machen kann. Es ist immer blöd, von der Couch aus auf die Fan-Performance im Stadion zu schimpfen. Und ganz sicher hat die Kulisse die Mannschaft heute nicht daran gehindert, erfolgreicher zu sein.
Aber es wurde heute nicht nur durch die Pfiffe gegen die eigene Mannschaft mehr als deutlich, dass Borussia auch hier im Moment keine Spitzenklasse mehr ist, auch wenn man sich das selbst immer noch gern einredet.
Die "besten Fans" pfeifen ihr Team nicht aus, sie ziehen auch nicht ihre Sprechchöre und ihren Singsang durch, wenn es gar nicht zur jeweiligen Spielsituation passt. Es gibt in dieser Hinsicht derzeit erheblich bessere Adressen im deutschen Fußball, das muss man leider sagen.
Dabei kann ich den Unmut über solche Leistungen wie heute sogar verstehen. Ich habe es nie getan und werde es auch immer so halten, dass ich meine Mannschaft und meine Spieler nicht auspfeife. Weil es einfach keinem etwas bringt. Man selbst fühlt sich danach ja auch nicht besser. Ein Heimvorteil bringt einer Mannschaft nur etwas, wenn die Fans unverbrüchlich hinter ihr stehen und ihr nicht in den Rücken fallen. Das freut nur den Gegner.
Dass es auch in schwierigen Spielphasen immer wieder an zusätzlicher Unterstützung von den Rängen fehlt, ist auch nicht erst heute so gewesen. Ich war mehrfach im Stadion Zeuge davon, wie schnell das Stadion stumm wird, wenn es nicht so läuft - selbst in Highlight-Spielen wie der Champions League.
Heute hat Schalke nicht nur fast das Spiel gewonnen, sondern auch hörbar den Wettstreit der Fans. Weil sie wissen, worum es in ihrer Situation geht. Und ja, natürlich auch, weil es auswärts einfacher ist, einen Gästeblock zu Höchstleistungen zu dirigieren als ein ganzes Stadion mit seinen sehr unterschiedlichen Besuchern in Wallung zu bringen. Natürlich weiß ich auch, dass und wie schnell der Borussia Park aus der Lethargie wieder zu wecken ist, wenn es wie gegen Leverkusen plötzlich wieder Hoffnung gibt.
Aber es gibt eben auch viele Situationen in Spielen oder Saisonphasen, wo der Funke mal von außen entzündet werden muss, um die Mannschaft zu pushen - oder von außen durch Raunen oder Pfiffe gelöscht werden kann. Und vielleicht ist auch nicht jedem so bewusst, wie wichtig es für Borussias nächste Jahre ist, diese Saison möglichst erfolgreich zu bestehen. Und dass es sich lohnen könnte, wenn auch die Zuschauer im Stadion dafür stimmungsmäßig alles geben, statt ihren Frust in Richtung Rasen zu blasen.
Ich werde es jedenfalls nie verstehen, dass Fans es nach einem unbefriedigenden Spiel für ihr verbrieftes Recht und für ganz normal halten, dass sie für ihr Eintrittsgeld die Akteure nach Belieben auspfeifen dürfen, wenn sie der Meinung waren, dass die sich nicht genug angestrengt hätten. Das ist Brot-und-Spiele-Denken, damit habe ich nichts am Hut.
Ich leide mit meiner Mannschaft, ich leide an den Dingen, die sie nicht auf den Rasen bringt, die nicht klappen, an denen sie scheitern. Aber ich will ihnen helfen, ich will positiv pushen, ich will, dass im Stadion mit allen gemeinsam etwas Gutes gelingt. Manchmal auch etwas, was eigentlich über die Kräfte meiner Mannschaft hinaus geht.
Gemeinsam aus einem Spiel zu gehen und das Gefühl zu haben "wir haben alle alles gegeben", und es hat dann geklappt oder es hätte zumindest klappen können - das ist das, was mich als kleinen Teil dieses Stadions antreibt und das, was am meisten Spaß am Liveerlebnis macht. Anfeuern, auch nach Fehlern. Nicht jemanden in die Pfanne hauen, weil er nicht "funktioniert" oder einen folgenschweren Fehler gemacht oder das Tor verfehlt hat.
Auch wenn das Stadion nach Corona immer wieder gut gefüllt ist und auch grundsätzlich eine gute Stimmung herrscht: Hier muss sich aus meiner Sicht von den Rängen aus etwas bewegen, das der Mannschaft und damit am Ende uns allen weiterhilft. Wie das gehen kann, weiß ich nicht. Denn ich habe auch schon oft gespürt, dass man als einzelner oder kleine Gruppe im Stadion, vor allem außerhalb der Nord, in solchen faden Stimmungsphasen nicht viel selbst inszenieren kann. Es kann also eigentlich nur von der Kurve ausgehen. Und es lohnt sich bestimmt.
Denn die Pfiffe und das Raunen heute, das war ja gut zu sehen, verunsichern selbst gestandene Profis. Besser gespielt hat noch keiner, der von seinen eigenen Fans ausgepfiffen worden ist.
Also lasst uns dran arbeiten, dass auch die Stimmung wieder borussialike wird, so wie die Mannschaft Woche für Woche dran arbeitet, ihren Erfolgsstil zu finden und den Borussia-Weg weiterzugehen. Auch wenn man davon heute hier wie dort nicht so viel erkennen konnte.
Saison
2022/23, Bundesliga, 19. Spieltag: Borussia
Mönchengladbach - FC Schalke 04 0:0.
Der Spendenstand bleibt bei 87 Euro stehen. Leider.
Das gilt in der Saison 22/23: Für
jedes erzielte Tor von Borussia in
Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony
Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von
Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro.
Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder
Leipzig:
10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.