Alles wie immer, alles im Lot, überdies eine schöne Tradition: Am Ende des Bundesliga-Klassikers steht der verdiente Sieg von Borussia Mönchengladbach. Aber ganz ehrlich: Wenn Gladbach nicht einmal mehr gegen die Bayern aus München hätte gewinnen können, dann hätte es wirklich finster ausgesehen in dieser Saison.
Spaß beiseite: Das war endlich wieder mal das, was wir von unserer Mannschaft sehen wollen. Viel Einsatz, Spielwitz, ein taktisch, spielerisch und mannschaftlich überzeugender Auftritt. Und das nicht nur ein paar Minuten lang, sondern über gut 75 Minuten. Der Zugriff ging nur in wenigen, kurzen Spielphasen verloren, ansonsten war viel davon zu sehen, wie Borussia unter Daniel Farke auftreten will.
Das Dumme daran: Nicht jeder Gegner spielt so, dass es geradezu ideal zu Borussias Spielanlage passt. Und nicht jeder Gegner spielt gut 80 Minuten in Unterzahl.
Insofern ist alles, was heute gut geklappt hat, schön und tut gut - und andererseits ist es ein Muster ohne großen Wert, was die kommenden Aufgaben angeht. Vor allem, wenn man sich anschaut, dass schon die nächsten Gegner Mainz, Freiburg und Leipzig einen Teufel tun werden, gegen Gladbach so hoch zu verteidigen wie es in der Bayern-DNA verwurzelt ist - und wie es für sie seit Jahren regelmäßig in die Lederhose geht.
Klar, heute fiel nur Thurams 3:1 aus solch einer Kontersituation. Aber es reichte, weil Upamecano schon in der 8. Minute in einer ähnlichen Situation nicht hinter Alassane Plea herkam und nach dem kreuzenden Stürmer greifen musste. Dadurch kam Plea entscheidend aus dem Tritt, möglicherweise auch noch durch eine ganz leichte eher unbeabsichtigte Berührung unten am Fuß, die vom Bewegungsablauf eigentlich logisch erscheint, von den TV-Bildern aber nicht zu beweisen ist.
Wie auch immer, es handelte sich nicht um eine Schwalbe, und Schiedsrichter Tobias Welz war sich sofort sicher, dass es ein Foul war, das in dieser Position auch als Notbremse zu werten war. Das kann man begründet anders sehen, insofern verstehe ich den Ärger der Bayern, besonders darüber, dass Welz über die Szene zwar mit VAR Tobias Stieler verhandelte, es sich aber nicht noch einmal selbst anschaute.
Ich bin mir sicher, dass der Platzverweis dann keinen Bestand gehabt hätte, weil die Linie dahin geht, leichte Berührungen selbst dann nicht mehr so häufig zu pfeifen, wenn sie den Gegner deutlich aus dem Tritt bringen. Ich verstehe auch ehrlich gesagt nicht, warum Welz den Blick auf den Monitor nicht genutzt hat, um sich wirklich sicher sein zu können.
Und ich hätte es doch falsch gefunden, wenn er sich noch umentschieden hätte. Denn die gleiche Szene wäre im Mittelfeld trotz des nur kurzen Haltens - oder sagen wir eher Drückens, denn Upamecanos Hand ging leicht nach vorne - natürlich als Foul gepfiffen und wahrscheinlich auch mit Gelb bestraft worden.
Aber: Nicht Plea und auch nicht Welz waren daran schuld, dass Plea Upamecano entwischen und vor ihm kreuzen konnte. Es war der Fehler des Bayern-Verteidigers, der dann nur noch die Chance hatte, mit der Hand Einfluss zu nehmen oder Plea ein Bein zu stellen. Er wählte das leichtere Mittel, mit dem man mit größerer Wahrscheinlichkeit ohne Foulpfiff durchkommt. Aber das zu belohnen, ist nicht Aufgabe des Schiedsrichters. Ich glaube, das war es auch, was Welz zu seiner schnellen Entscheidung bewegt hat. Und das ist in Ordnung, weil im vollen Lauf und teilweise in der Luft befindlichen Füßen ein kleines Ziehen oder Schubsen ausreicht, um einen Gegner entscheidend zu beeinflussen.
Hätte der Verteidiger die Hände weggelassen, hätte Plea wahrscheinlich aus guter Position unbedrängt aufs Tor schießen können. Ob daraus ein Tor gefallen wäre, ist nicht sicher. Aber selbst wenn: Upamecano hätte weiterspielen dürfen und die Bayern hätten den Rest des Spiels ganz anders gestalten können. Wo der Fehler war, liegt also auf der Hand.
Natürlich war diese etwas glücklich ausgegangene Szene aber genau der Schubs, den die angeschlagene Borussia brauchte, um sich richtig ins Spiel zu grooven. Denn in den Minuten vorher hatten die Gäste das Spiel dominiert, sie hätten auch in Führung gehen können, wenn sie geschickter gewesen wären. Aber das und die Effizienz gingen der Nagelsmann-Elf heute gegen den auch in der Abwehrarbeit heute meist konzentrierten Gegner zu oft ab.
Der schöne Führungstreffer von Lars Stindl nach einstudierter Freistoßvariante kurz nach dem Platzverweis verfehlte seine Wirkung ebenfalls nicht. Gladbach wurde sicherer und spielte den eigenen Ballbesitz in Überzahl gut aus, die Bayern kamen nur selten gefährlich durch.
Der Ausgleich aber zeigte erneut, wo die Schwächen liegen. Wieder war es ein schneller Angriff über außen, der nicht gut verteidigt wurde, wieder war es ein Pass in den Rückraum, wo ein gegnerischer Stürmer unbedrängt zum Schuss kam. An anderen Tagen hätte das Konsequenzen haben können, heute aber spielte die Zeit für Gladbach, gegen müder werdende Bayern. Und die Effizienz des VfL, die nur zum Schluss zu wünschen übrig ließ. Wäre das mögliche vierte Tor noch gefallen, hätte auch Stefan Lainers unnötiger Assist zum späten 2:3 der Bayern keinen Puls mehr hochgetrieben. Ein Ausgleich wäre am Ende aber auch für die Bayern nicht verdient gewesen - obwohl sie angesichts der schwierigen Umstände auch kein schlechtes Spiel gemacht haben, wie ich finde.
Heute kann man sich mal wieder aus vollem Herzen freuen - auch wenn es nur der Sieg gegen einen Aufbaugegner war. Blenden lassen darf man sich natürlich aber auch nicht. Aber vielleicht taugt das Spiel dazu, der Mannschaft so viel Auftrieb zu geben, dass sie die nächsten Aufgaben nicht wie sonst dank Überheblichkeit und Bayern-Fluch in den Sand setzt und eine kleine Serie startet, die die größten Sorgen für diese Saison vertreibt. Weiter reicht meine Fantasie nicht, dazu ist in den vergangenen Jahren zuviel Auf und Ab zu beobachten gewesen.
Ach ja, da war ja noch was: die Verabschiedung des Ex-Torwarts. Und die fiel so aus wie ich es mit gewünscht habe. Ein toller, wertschätzender Empfang im Borussia Park für Yann Sommer, einige emotionale Momente - ganz borussialike. Und die Erkenntnis, dass auch der (im Gladbach-Trikot) beste Torwart der Bundesliga mit dem Bayern-Wappen auf der Brust ein paar Eier ins Nest gelegt bekommt. Ich denke, Yann wird es verschmerzen können.
Zum Schluss nochmal zurück zu Schiri Tobias Welz, der im Prinzip keine Probleme mit der Partie hatte, mir aber in einigen Szenen zu wenig einheitlich pfiff. Aber weil die Bayern-Fans und Verantwortlichen sich ja so betrogen fühlten, muss man auch noch eine Szene in der Nachspielzeit der ersten Hälfte erwähnen, die am Ende keine Rolle mehr spielte und auch in Sky später nicht noch einmal gezeigt wurde. Doch im Duell von Kimmich und Koné wurde Borussia aus meiner Sicht ein relativ klarer Elfmeter verwehrt. Koné stiebitzte dem Münchner da an der Torlinie den Ball, Kimmich fiel ohne Konés Einwirkung hin und hielt den Gladbacher dann mit dem Arm fest und brachte ihn dadurch zu Fall, ohne den Ball gespielt zu haben. Aber sei es drum. Die drei wichtigen Punkte sind auch so auf die richtige Seite gewandert. Und das beruhigt mich für heute.
Saison
2022/23, Bundesliga, 21. Spieltag: Borussia
Mönchengladbach - Bayern München 3:2. Tore für Borussia: 1:0 Stindl, 2:1 Hofmann, 3:1 Thuram.
Der Spendenstand macht einen großen Freudensprung: Drei Tore sind drei Euro, der Pflichtsieg gegen die Freunde aus München ergibt 10 weitere. Und damit ist die Schallmauer durchbrochen. Neuer Stand: 101 Euro.
Das gilt in der Saison 22/23: Für
jedes erzielte Tor von Borussia in
Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony
Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von
Yann Sommer Jonas Omlin (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro.
Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder
Leipzig:
10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.
Auch ein Sieg gegen den FC Bayern gibt nur drei Punkte. Nächste Woche ist wieder Tagesgeschäft und da wird man sehen, wieviel Esprit überdauert hat. Aber: richtig schön war s trotzdem.
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