2023-03-18

Der Verzweiflung nah

Irgendjemand überrascht, dass Borussia trotz zweimaliger Führung und zeitweise hochüberlegen geführtem Spiel durch ein spätes Gegentor noch zwei wichtige Punkte liegen lässt? Als Gladbach-Fan kann das eigentlich nicht sein. 

Nach dem Spielverlauf des Freitagsspiels musste jedem eigentlich klar sein, dass es so kommen würde. Die Farke-Elf hatte Chancen in Hülle und Fülle, zeigte sich gegen die langen Bälle von der Waterkant aber ebenso immer wieder anfällig. Und hätte Füllkrug in der Nachspielzeit eine Flanke nicht abgefälscht und damit seinem Sturmpartner nicht etwas übereifrig den Kopfball zum 2:3 versaut, dann wäre die Stimmung im Borussia Park wohl so richtig in den Keller gegangen. 

Und das, obwohl die ersatzgeschwächten Gäste in diesem Spiel sonst sehr, sehr wenig zu bieten hatten, was einen Punktgewinn gerechtfertigt hätte. Und doch kamen sie mit zweieinhalb Torschüssen zu zwei Toren, wofür die Borussia 21 Torschüsse, davon 9 aufs Tor der Bremer, brauchte. Das ist einfach zu wenig, um die späten Punktverluste dann noch wirklich als ungerecht zu bezeichnen. Denn der VfL hat sich heute einzig und allein selbst um den Sieg gebracht. 

Es ist schwer zu sagen, gegen wen Borussia Mönchengladbach in dieser Saison noch gewinnen will, wenn sie die eigenen Schwächen nicht besser in den Griff bekommt - die individuellen Fehler, die schlechte Konterabsicherung und taktische Eseleien, in der Schlussphase viel zu viel ins Risiko zu gehen, statt den Ball zu kontrollieren und die Partie nach Hause zu schaukeln.
Nicht, dass der heutige Gegner Werder Bremen total schlecht gewesen wäre. Aber er lud den VfL zu einem fehlergespickten und phasenweise vogelwilden Spiel ein, das beide Teams bereitwillig annahmen, mit dem sie aber beide auch nicht so richtig zurecht kamen.

30 relativ geordnete Anfangsminuten gehörten noch Borussias gepflegtem, aber fürs gegnerische Tor meist ungefährlichem Spiel. Schon da war Bremen durchaus in der Lage, mit langen Bällen und manchem kurzen Pressinganfall leichte Panik in der Gladbacher Hintermannschaft auszulösen. Doch auch Bremens Offensive war in diesen wenigen Szenen lange Zeit zu unpräzise, um selbst in Führung gehen zu können.

Borussias Chancen waren über die gesamte Spielzeit deutlich größer und häufiger, meist durch hohe Ballgewinne und forcierte Bremer Fehler selbst erarbeitet. Doch die Chancenverwertung scheint von Spiel zu Spiel schwächer zu werden. Marcus Thuram nutzte nach eine Reihe verpasster guter Torchancen ausgerechnet die schwierigste von allen zum Führungstreffer.
Doch danach ging der Chancenwucher weiter, und es folgte wie so oft ein Gegentor nach einem schlampigen Pass, der über zwei Stationen zum Konter und zum 1:1 führte. Ein Gegentor, was wir in den vergangenen drei Jahren schon xmal gesehen haben.

Ganz ähnlich fiel das zweite Gegentor, nachdem sich Flo Neuhaus zuvor noch ein verdientes und im Park ausgiebig bejubeltes Erfolgserlebnis zum 2:1 gegönnt hatte - auch dieser Abschluss war eine viel schwierigere Angelegenheit als eine Handvoll Chancen zuvor, mit denen das Spiel längst hätte entschieden sein müssen. Bremen hatte heute wirklich alles bereitgelegt, damit Borussia nach dem Sieg greifen konnte. Und überraschenderweise behielten vor allem Stindl und Co. in der Chaos-Phase der zweiten Halbzeit eher den Überblick als die Gäste. Und doch behielt am Ende jeder typische Gladbach-Fan recht, der das späte Unheil förmlich herannahen und riechen konnte.

Es ist angesichts dieser fortwährenden Berg- und Talfahrt und den enormen Leistungsschwankungen schwierig, dieser Mannschaft noch gerecht zu werden. Mal spielt sie sich gar keine Chancen heraus, mal ganz wenige, nutzt die aber. Dann spielt sie viele heraus, verdaddelt sie aber leichtfertig.
Sie hat immer wieder verzückende Momente, sie kann Gegner mit Passkombinationen in Stücke schneiden, sie kann zaubern. Aber sie ist auch prädestiniert dafür, sich alles Gute sofort wieder durch grandiose Dummheiten einzureißen. Und die sind offenbar nicht abzustellen - sie wiederholen sich regelmäßig.

Es ist eine Saison, in der man das Verzweifeln lernt, wenn man es als Borusse ohnehin nicht schon längst  beherrscht.

Was mich heute positiv stimmt, ist, dass Florian Neuhaus auch emotional mal weit über das Normale hinaus reagiert hat. Dass Jonas Hofmann giftig ist, auch mal gegen Gegner und Schiri. Dass Schiedsrichter Tobias Reichel heute eine solide Leistung abgeliefert hat, bei der er nur in der hitzigen Schlussphase mit seiner ruhigen Spielleitung etwas ins Schwimmen geriet. Es war aber nichts Gravierendes dabei, was zu kriutisieren wäre. Das ist doch auch mal schön.
Und schließlich freut mich, dass wir in Jonas Omlin einen Torwart mit echtem Führungsanspruch bekommen haben, der selbstkritisch ist, nicht drumherum redet und die richtige Einstellung zeigt. Das sind absolut positive Erscheinungen, vor allem, wenn man über diese Saison hinaus blickt. Sie schießen unser Team aber derzeit auch nicht zum Sieg. Das ist das Bittere. Denn da springt im Moment leider auch kein anderer in die Bresche.   
 

Saison 2022/23, Bundesliga, 25. Spieltag:  Borussia Mönchengladbach - SV Werder Bremen 2:2. 

Der Spendenstand steigt um zwei Euro auf 104 Euro.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer Jonas Omlin (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

2023-03-11

Drei Tore zu hoch

Es gibt Auswärtsfahrten, die könnten sich die Lizenzspieler von Borussia Mönchengladbach getrost schenken. Wie Freiburg ist Leipzig für den VfL ein schlechtes Pflaster, wo offenbar kein Sieg zu holen ist, egal wie der Spielverlauf sich darstellt. Auch heute war es ein Spielverlauf zum Vergessen.

Es war natürlich sehr ärgerlich, wie die Farke-Elf das Spiel hergegeben hat: durch einen kapitalen Fehler im Spielaufbau, kurz nachdem man eine eigene Elfmeterchance vergeben hatte. Durch einen ungeschickten Einsatz im eigenen Strafraum und eine schwach verteidigte Standardsituation.
Was die Sache für mich etwas erträglicher gestaltet, ist, dass zwischen den Leistungen in Mainz und Leipzig am Ende zwar nur ein Gegentor liegt, aber ein erheblicher Unterschied in den Leistungen. Es wird besser - wenn auch vielleicht nicht schnell genug.

Die konzentrierte Defensivarbeit der beiden jüngsten Spiele zeigt, dass Borussia auf einem richtigen Weg ist - auch wenn die drei Gegentreffer von heute dagegen sprechen mögen. Und ja: Der heutige Gegner hatte in Nkunku und Schlager zwei aggressive Offensivspieler nicht zur Verfügung, die Borussia in der Verfassung dieser Saison schon im Spielaufbau hätten weh tun können. Davon abgesehen machten es Kramer und Co. aber auch erheblich besser als noch vor zwei Wochen in Mainz.

Ob es wirklich Farkes neue Überzeugung ist, mit einem vorsichtigerem Ansatz die Räume in der eigenen Hälfte kompakter zu verteidigen, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht ist es auch ein Ergebnis interner Diskussionsprozesse nach den doch viel zu vielen Gegentoren in der bisherigen Saison. Gegen Freiburg stand dann ja auch die Null hinten. 

Auch heute hätte sie stehen können, denn der Gegner hatte im gesamten Spiel nicht viel Furchterregendes zu bieten. Dennoch gab es am Ende wieder drei Gegentore, bedröppelte Gesichter und jetzt 0:7 Tore aus den letzten drei Spielen. Die Jahresbilanz sieht mit 8 Punkten aus 9 Spielen aus wie die eines Abstiegskandidaten.

Heute war Leipzig fraglos besser im Nutzen der Torchancen, Gladbach darin enttäuschend. Daher ist der Sieg der Dosen am Ende auch irgendwo verdient. Andererseits war Borussia über 75 Minuten die bessere Mannschaft, der Spielausgang also irgendwie auch wieder nicht verdient; in jedem Fall aber drei Tore zu hoch, wenn Ihr versteht, was ich meine.

Wenn eins von Woche zu Woche gleich bleibt, ist es die Unbeständigkeit der Mannschaft. Das lässt sich an Formschwankungen und abwechselnd heldenhaften und wieder sehr unglücklichen Auftritten von Spielern wie Plea oder Koné ablesen. Alassane Plea hatte vor einer Woche noch die späte Niederlage mit einer tollen Abwehraktion verhindert. Heute vergab er den Elfmeter leichtfertig und verschuldete zudem den Strafstoß zum vorentscheidenden 0:2. 

Aber es bringt nichts, sich jede Woche irgendwelche Spieler als Sündenböcke herauszupicken. Es ist das ganze Team, das keine Konstanz in die Auftritte bekommt. Immerhin: Zwei Siege sollten reichen, um nicht mehr in die ganz unerfreulichen Tabellen-Gefilde abzurutschen. Dazu gehört zwingend das Derby, das versteht sich. Nach oben könnte es aber nur mit einer richtigen Serie gewonnener Spiele nochmal gehen. Und daran glaube ich nicht, trotz mancher Fortschritte im Spiel.

Positives gab es auch: Tobi Sippel scheint wieder der alte zu sein, er zeigte heute wieder eine sehr ansprechende und sichere Leistung. Dazu kam das Debüt von Oscar Fraulo in der Bundesliga und ein paar weitere Minuten für Semir Telalovic, der vor nicht allzulanger Zeit noch in der sechsten Liga unterwegs war, sich aber an den Bundesligakader herangearbeitet hat. Das ist sehr schön und ich gönne das den Jungs! Bis sie wirklich Alternativen für die Startelf sind, wird es aber noch ein Weilchen dauern.

Was war schlecht, außer dem Ergebnis? Dass der moderne Fußball-Todesstern wieder durchgekommen ist mit seinem Spiel. Dass sich dieses ganze Konstrukt inklusive des jämmerlichen Supports seiner Anhänger und Kunden in einem halbleeren, aber ausverkauft gemeldeten Stadion weiter durchsetzen und nach und nach Blechernes sammeln und mithilfe von DFB und DFL und der übertragenden Sender ehrlich wirtschaftende Vereine nach und nach an den Rand drängen wird. Aber das wissen wir ja alles schon. 

Und dann lief vor dem Spiel dort auch noch "Die Elf vom Niederrhein". Das ist dann die andere, peinliche Seite derer von Leipzig-Fuschl am See. Es ist der Versuch, sich durch Anbiederung dazugehörig machen zu wollen. Ganz ehrlich: Ich brauche keine Gladbach-Songs in fremden Stadien. Auswärts ist auswärts. Es ist dann eine Ehre, wenn befreundete Clubs sie dort spielen, wie es der FC Liverpool regelmäßig tut. Aber keinesfalls und niemals Red Bull Leipzig!

Dass es zwischen dem Ex-Manager und Borussia(s Fanszene) keinen Weg mehr für ein normalen Umgang miteinander geben wird, ist in den vergangenen Monaten auch immer wieder deutlich geworden. Bei diesem Spiel, dem ersten direkten Aufeinandertreffen seit Eberls Abgang, kochten die Emotionen daher absehbar wieder hoch. Ich bin froh, dass es von Seiten der Fanszene weitgehend im Rahmen blieb. Das war nicht unbedingt zu erwarten. Dafür goss Max Eberl vor dem Sky-Mikrofon unnötig Öl ins Feuer und trieb sofort wieder den Puls aller Gladbacher in die Höhe.

Das korrekte Zitat lautete: "Wenn diese Thematik dann einfach negiert wird und es einfach nur als Wechsel von Gladbach zu Leipzig zusammengefasst wird, ist es einfach verkehrt. Das passiert von Menschen, die andere ins Fadenkreuz nehmen, mit Eisenstangen durch die Städte laufen und Feuer zünden. Da braucht es keine weiteren Kommentare dazu."

In den "sozialen Medien" machte dann aber eine falsche Wiedergabe die Runde und entzündete den Furor vieler Fans aufs Neue. Da hieß es dann "Gladbach-Fans sind Menschen, die Leute ins Fadenkreuz nehmen, mit Eisenstangen durch die Straßen laufen und Feuer zünden." Beides ist absolut unter der Gürtellinie und sehr enttäuschend, zumal es nicht aus der Emotion heraus, sondern mit Bedacht so gesagt wurde. Und Max Eberl es besser weiß. Aber es ist ein Unterschied, ob Eberl alle Gladbachfans so bezeichnet oder "nur" eine Gruppierung, die zugegeben auch nicht zimperlich mit ihm umgegangen ist.

Mich nervt dieses ständige Vorwürfe-Pingpong inzwischen nur noch, und ich fände es wichtig, wir würden das endlich ruhen und hinter uns lassen, um unsere ganze Kraft wieder in den eigenen Verein stecken. Die Argumente und auch die Beschimpfungen sind ausgetauscht - keiner gewinnt in dieser Konstellation mehr etwas, es geht nur noch um die eitle Selbstbestätigung, dass man vor sich selbst recht haben will

Die letzten Worte gehören auch heute dem Schiri. Dr. Matthias Jöllenbeck gehört aus meiner Sicht zu den besseren Schiedsrichtern in der Bundesliga. Heute war es aber sicher nicht sein bester Tag. Nichts Spielentscheidendes dabei, aber seine Pfiffe hatten einen merklichen RB-Drall. Katastrophal fand ich allerdings, dass er den VAR-Hinweis und den Gang zum Monitor brauchte, um Gladbach den klarsten Elfmeter seit langer Zeit zuzusprechen. Da lag er in Realgeschwindigkeit bemerkenswert daneben. Und weil ja sonst immer schnell gemotzt wird: Was wäre das erst für eine Diskussion gewesen, wenn es keinen VAR gäbe und dieser Elfmeter nicht gegeben worden wäre? Ich bin nach wie vor froh, dass es ihn gibt.

Der Rest ist zu vernachlässigen, von mir aus auch die wieder lächerlich kurze Nachspielzeit. Positiv ist immerhin, dass der Schiri es tatsächlich schaffte, mal keinem Gladbacher eine Verwarnung zu zeigen. Das war auch völlig ok, aber doch sehr ungewöhnlich. Es ist, glaube ich, noch keinem anderen Referee der Liga in dieser Saison geglückt. Was nicht immer an den Borussen liegt.
 

Saison 2022/23, Bundesliga, 24. Spieltag: "RB" Leipzig - Borussia Mönchengladbach 3:0. 

Der Spendenstand bewegt sich nicht weiter: 102 Euro.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer Jonas Omlin (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2023-03-06

Gewonnene Stärke, verlorene Nerven

Das Auf und Ab geht weiter. Alle zwei Spiele kann man sagen: Geht doch. Das Spiel gegen den SC Freiburg war ansehnlich, Borussia verteidigte überwiegend - wenn auch nicht in allen Spielphasen - sicher, und hielt den Gegner mit viel Willen, Einsatz und Widerstandskraft weitgehend aus den gefährlichen Zonen in der eigenen Hälfte heraus. Das ist wieder ein Fortschritt, dessen Halbwertszeit allerdings gewohnt unbekannt ist.

Dafür belohnte sich die Farke-Elf diesmal mit einem der in dieser Saison seltenen Zu-Null-Spiele - und das verdient. Nach vorne erspielte sich die Mannschaft einige gute Gelegenheiten, vertändelte ein paar andere Angriffe zu leichtfertig. Dass sie nicht wenigstens eine der guten Chancen zum vielleicht an diesem Nachmittag schon goldenen Tor nutzte, war das, was man ihr in dieser Partie vorwerfen kann. 

Der Rest war mehr als solide und eigentlich auch das, was man von der Mannschaft öfter als nur ab und zu erwarten können sollte. Ob die Mannschaft dies aber im kommenden Spiel in Leipzig bestätigen kann - ich vermag es auch diesmal nicht zu sagen.

Das war das Positive am Spiel. Das Negative, was kurz vor dem Ende in Ramy Bensebainis Platzverweis seinen unrühmlichen Abschluss fand, hatte sich über das Spiel hinweg aufgebaut. Und es hatte einen wichtigen Einflussfaktor: den Schiedsrichter.

Regeltechnisch gibt es an der Gelben Karte gegen Marcus Thuram, der den Ball nach einem Foulpfiff wegwarf, nichts auszusetzen. Auch für Bensebainis Ball ins Aus kicken nur drei Minuten später kann man nach Regel und dem aktuellen Auslegungs-Commitment eine Verwarnung zeigen, auch wenn dies nicht in Zeitspielabsicht, sondern sichtbar aus Frust über einen weiteren Foulpfiff gegen Gladbach passierte - und mit weniger Intensität als bei Thuram zuvor.

Dass Bensebaini anschließend dem Schiedsrichter Applaus ironisch klatschte und ihm Daumen hoch signalisierte, war auch eine Verwarnung, keine Frage. Dass der Algerier Schiedsrichter Benjamin Brand bei seinem Abgang mit gut hörbaren Schimpfwörtern bedachte, wird ihm möglicherweise noch eine längere Sperre einbringen als nur das eine Spiel für Gelb-Rot. Auch das wäre in Ordnung, denn bei aller Emotionalität haben solche Beleidigungen auf dem Platz nichts zu suchen.

Das alles muss man akzeptieren, das Fehlverhalten lag in diesen Situationen zweifellos bei den Spielern. Dennoch macht mich nicht nur die Überreaktion der Spieler wütend, sondern die Vorgeschichte, an der Schiri Brand mit seiner schwachen Leistung einen großen Anteil hatte. 

Es ist nichts Neues, dass dieser Schiedsrichter häufig große Schwierigkeiten mit der korrekten Zweikampfbewertung und mit der Gleichbehandlung von Vergehen auf beiden Seiten hat. Dem Spiele dadurch leicht entgleiten, weil sich eine oder auch mal beide Mannschaften benachteiligt fühlen. Das kompensiert Brand dann im Stile von Tobias Stieler vor allem mit der humorlosen Maßregelung von protestierenden Spielern. 

Das ist ein Problem, denn bei dieser Kombination kommt es schnell mal dazu, dass sich Frust und Wut bei Spielern aufstauen. Das war in diesem Spiel vor allem in der zweiten Halbzeit von Minute zu Minute mehr spürbar. Brand entschied vor allem in 50:50-Situationen ständig zu Ungunsten der Borussia. Vor allem in den letzten 10 Minuten lag er dann bei ausnahmslos jedem Pfiff gegen Gladbach auch noch grob daneben.
Die Balleroberung von Koné, bei der Brand Gladbach zu Unrecht einen aussichtsreichen Konter wegpfiff, war kein Foul, sondern eine regelkonforme Balleroberung - im übrigen eine Situation, die man im Fall der Fälle vom VAR hätte überprüfen lassen können, wenn man erstmal hätte weiterspielen lassen.
Insofern war Thurams Protest in der Sache gerechtfertigt, genauso wie der von Bensebaini kurz darauf, weil dort der (neben dem starken Alassane Plea) sehr präsente Chris Kramer glasklar den Ball gespielt hatte. Zusammen mit einem weiteren falschen Pfiff gegen Elvedi im Mittelfeld verschaffte Brand den Freiburgern somit allein in den letzten zehn Minuten drei unberechtigte Freistöße in der Hälfte des VfL, die zum Glück ohne Folgen blieben.

Dass in so einem engen Spiel in der Schlussphase auch bei den Spielern die Nerven blank liegen, ist nicht verwunderlich. Wenn aber der fehlende Überblick des Schiedsrichters dafür der Hauptveranwortliche ist, wird es echt ärgerlich. Gladbach hatte am Ende sechs Verwarnungen auf dem Kerbholz, davon allein vier (Thuram, 2x Bensebaini und Farke - ebenfalls nach einem falschen Pfiff von Brand) wegen berechtigter, aber im Ton und Verhalten nicht angemessener Kritik an Schiedsrichterentscheidungen. Die teilweise sehr rüde agierenden Freiburger hatten insgesamt nur zwei Verwarnungen, davon eine wegen des Blockierens eines Freistoßes. Es hätten wegen Fouls gut zwei bis drei mehr sein müssen, und wenn man den Maßstab von Lienhardts Verwarnung wegen zu kurzem Abstand beim Freistoß anlegt, wie es ja in der Rückrunde streng gehandhabt werden sollte, dann hätte er in den folgenden Minuten zwei weitere Karten an Gästespieler verteilen müssen. Tat er aber nicht. Und das ist problematisch.

Zm Schluss auch noch was zum zurückgenommenen Elfmeter: Es war völlig korrekt, den Strafstoß zu kassieren, es war auch in Ordnung, Thuram keine Gelbe Karte zu geben. Hier haben also Brand und sein VAR vernünftig funktioniert. Beschweren hätte sich Thuram aber auch nicht dürfen, wenn der Schiri das nachträglich als Schwalbe eingestuft und ihn verwarnt hätte. 

Auch hier ist es in erster Linie mal der Spieler, der sich falsch verhalten hat. Denn es ist nicht das erste Mal, dass Tikus bei leichtesten Berührungen im Strafraum fällt. Es ist äußerst kontraproduktiv, dies so zu tun wie am Samstag, wo es durch die Fernsehbilder auch noch so leicht aufzulösen ist - weil Thuram bei den Schiedsrichtern längst diesen Diver-Ruf weg hat und schon jetzt kaum noch Fouls für sich gepfiffen bekommt.
Es ist andererseits aber auch so, dass gerade er als großer Spieler schon irgendwie auffälliger fallen muss als andere, um gerechtfertigte Freistöße oder Elfmeter zu bekommen. Denn es gab auch schon eine Reihe von Aktionen, wo ihm klare Foulpfiffe oder Elfmeter versagt wurden - beste Beispiele waren die beiden in der Schlussphase gegen die Bayern vor zwei Jahren. 

Ärgerlich ist das allemal. Richtig widerlich ist allerdings, wie Sky unter anderem in Person von Matthäus und Hamann - und natürlich in deren Windschatten Krawallschmierer wie Christian Hornung von der Bildzeitung - daraus dann eine Kampagne gegen den Spieler Thuram (und auch gegen Bensebaini) machen. Da werden plötzlich zum Beispiel nachträgliche Sperren für "dreiste Schwalben" gefordert - als ob diese Szene in der Liga besonders ungewöhnlich gewesen wäre. Es ist noch nicht lange her, da bekam Hertha gegen Gladbach einen fast ebenso lächerlichen Elfmeter geschenkt, bei dem Tousart förmlich nur vom Fahrtwind von Konés Bein zu Boden gestreckt worden war. 

Doch was soll ich mich weiter aufregen. Das Messen mit zweierlei Maß durch Schiris und "Experten" ist Woche für Woche Alltag in der Liga. Es gibt eine Reihe von Schiedsrichtern, die die Klasse für diese Liga nicht haben. Und es ist keine Besserung in Sicht. Man kann als Spieler und als Fan jedes Mal immer nur hoffen, dass man am nächsten Spieltag nicht zu stark von anderen Faktoren als dem Gegner beeinträchtigt wird. Und das ist eine sehr bittere Erkenntnis. 

Saison 2022/23, Bundesliga, 23. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - SC Freiburg 0:0. 

Tobi Sippel bleibt ohne Gegentor, das freut mich und bucht einen weiteren Euro dazu. Spendenstand jetzt 102 Euro.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer Jonas Omlin (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.