2020-11-29

Die Kurve gekriegt

Heute kann und will ich es kürzer machen als sonst. Schließlich kostet der Drei-Tagesrhythmus nicht nur die Aktiven viele Körner. Auch mit dem Schreiben über die Spiele kommt man ja kaum nach. Also ist - nicht ganz ernstgemeint - auch bei mir heute Schonung angesagt. Heute fällt eine schnelle und milde Bilanz aber auch nicht so schwer.

Die erste halbe Stunde war nicht gut, das hat jeder gesehen. Nach passablem Start hatte Borussia einige brenzlige Szenen zu überstehen, hätte gar in Rückstand geraten können.
Und das gegen einen Gegner, der durch Verletzungen, Suspendierungen und eine verheerende Kaderplanung ziemlich geschwächt wirkte. Auf dem Platz machte es die Gäste um ihren zentralen Dreh- und Angelpunkt Mark Uth aber eine halbe Stunde lang - zumindest offensiv - ganz gut. Profitierten sie davon, dass die Borussen den Gegner doch etwas unterschätzt hatten? War es noch die Müdigkeit von den Strapazen der letzten Wochen? Oder war es die auf mehreren Positionen neu aufgestellte Mannschaft, die sich erst finden musste und im Defensivverbund dem Gegner anfangs doch ungewohnt viele Räume ließ und sich im eigenen Spiel nach vorne relativ viele Fehlpässe leistete?

Es ist wahrscheinlich ein bisschen von allem. Und ganz klar: Das hätte auch ins Auge gehen und mit einer Blamage enden können. Wir alle haben doch auch ein kleines bisschen genau das gefürchtet: Dass Schalke seine Sieglos-Serie ausgerechnet in Gladbach beenden würde - gegen den Gegner, gegen den sie im Frühjahr auch das vorerst letzte Spiel gewonnen hatten.

Dass es anders kam und Borussia in diesem Spiel die Kurve kriegte, war gut und wichtig - und durch die klare Leistungssteigerung ab der 30. Minute auch hochverdient. Und vielleicht hat die Rose-Elf auch in dieser Saison schon zu viele unnötige Punkte abgegeben, sodass das Schicksals-Pendel diesmal eben nicht nochmal gegen die Mannschaft ausschlagen mochte.

Aber natürlich hatte es in erster Linie die Gründe, die in den Qualitätsunterschieden zwischen beiden Mannschaften zu finden sind. So resolut, wie Denis Zakaria den Ballgewinn vor dem 1:0 erzwang, so robust zeigte sich auch Kramer mit einer gelungenen Balleroberung, mit der er das 4:1 von Hannes Wolf einleitete. Auch bei der einstudierten Freistoßvariante über Herrmann, Ginter und Plea vor dem vorentscheidenden 3:1 präsentierte sich die Schalker Hintermannschaft überfordert und gedanklich nicht fix genug. Das war mit zunehmender Spielzeit auch an der steigenden Zahl der Fouls abzulesen. Wenn man die Gladbacher Chancen zusammenzählt, hätte das Spiel am Ende auch heute weit höher ausgehen können, weil die Gelsenkirchener ihre anfängliche kompakte Verteidigung irgendwann nicht mehr hinbekamen und zum Ende des Spiels in den Mannschaftsteilen mehr oder weniger auseinanderfielen. Borussia hingegen fand zunehmend zurück zur Sicherheit im eigenen Spiel.

Das Erfolgsrezept war auch, dass der VfL heute (trotz einiger leichtfertig ausgelassener Chancen) insgesamt eine eiskalte Chancenauswertung an den Tag legte. Das beziehe ich auf die Tore und den jeweiligen Zeitpunkt, wann sie fielen. Das sehr schön herauskombinierte Tor zum 2:1 belohnte die Phase, in der sich Gladbach langsam fing, mit der sehr wichtigen und beruhigenden Führung noch vor der Pause. 

Das 3:1 kurz nach der Halbzeit, in die auch die Schalker nochmal schwungvoll gestartet waren, brachte Sicherheit und mit diesem Tor war das Spiel eigentlich auch entschieden, weil der Gegner auch von der Bank nichts mehr zuzusetzen hatte.

Das einzig wirklich Ärgerliche heute war die schläfrige Leistung von einem, der es deutlich besser kann. Schiedsrichter Manuel Gräfe ließ das Spiel viel zu großzügig laufen und verzichtete vor allem in der zweiten Halbzeit unerklärlicherweise auf diverse Verwarnungen für Gästeakteure, die reihenweise taktische Fouls begingen oder im Zweikampf oft frustriert einfach zu spät kamen. Oft pfiff er nicht einmal Freistoß für Borussia.
Es ist durchaus in Ordnung, als Schiedsrichter großzügig zu sein und die Spieler an der langen Leine zu führen. Aber nur, wenn beide Mannschaften ungefähr mit gleicher Klinge zu Werke gehen. Die einseitige Verschonung der in dieser Hinsicht mehrfach auffälligen Schalker Spieler, etwa Serdar, Mascarell, Ludewig oder Thiaw war schon auffällig. Zum Glück hatte das für den VfL keine Konsequenzen, außer dass Marcus Thuram wegen Festhaltens an der Mittellinie Gelb (schon die dritte) sah und zwei Schalker in absolut vergleichbarer Situation nicht. Ich weiß, dass im Anschluss an eine Vorteilssituation nicht mehr zwingend Gelb gegeben werden soll und muss. Aber das darf kein Freibrief sein, sämtliche derartigen Angriffe auf den Gegner ungeahndet zu lassen. Das war heute einfach zu viel der Milde gegenüber den Blau-Weißen.

Damit komme ich zurück zum Wesentlichen: zur Freude über diesen wichtigen Sieg, der die Mannschaft auch in ihrer Reife noch ein Stückchen weiterbringen könnte. Sie hat sich gegen Widerstände durchgebissen, sich nicht nervös machen lassen. Das ist sehr gut und das gilt es noch kurz zu genießen: Über das "Wie" und die holprigere Phase spricht schon bald niemand mehr. Denn nächste große Aufgabe steht schließlich schon vor der Tür. 

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So, und jetzt kurz vor Ende noch ein kleiner "Werbeblock". Ich bin ab kommender Woche Teil eines neuen Bundesliga-Newsletters namens Kehrwoche, der mittwochs erscheint. Dort schreiben ab dem 2. Dezember Blogger und Fans aller 18 Erstligisten ehrenamtlich über das vergangene und das nächste Spiel ihres Clubs - und was in der Woche dort so Thema ist. Wenn ihr einen schnellen Überblick haben wollt, was über den Borussia Park hinaus in der Liga passiert, könnt ihr euch hier anmelden. 

Ich bin gespannt, wie der Newsletter ankommt und wie er sich entwickelt. Gebt gern Feedback!

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Bundesliga 2020/21, 9. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - FC Schalke 04 4:1. Tore für Borussia: 1:0 Neuhaus, 2:1 Wendt, 3:1 Thuram, 4:1 Wolf.

Saisonspende: Vier Tore = 2 Euro. Die 50-Euro-Marke ist fast geknackt: 48 Euro sind im Spendentopf. Ach ja: Und erstmals in dieser Saison war Tony Jantschke ganz nah dran am 10-Euro-Tor. Da hätte ich wirklich gerne für bezahlt.  

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2020-11-25

Ein dankbarer Gegner

Ich mag Schachtar Donezk. Es ist ein freundliche Mannschaft, die es mir erlaubt, entspannt wie nie Fußball zu schauen. Gut, die Ukrainer werden das mit der Freundlichkeit ihres Gegners nicht genauso sehen. Und sie werden für immer wissen, wer und wie gut diese Mannschaft mit dem unaussprechlichen Namen aus Deutschland sein kann. Wie auch immer: Wer getippt hätte, dass die beiden Duelle zwischen den vermeintlichen Underdogs in dieser Champions-League-Gruppe einen so klaren Ausgang nehmen, wäre heute ein reicher Mensch. Aber so etwas Außergewöhnliches im Fußball darf gerne auch mal zugunsten von uns Gladbachern ausfallen, finde ich. 

Böse Zungen könnten behaupten: Wenn selbst Oscar Wendt und der zuletzt so abschlussunglückliche Breel Embolo Traumtore schießen, kann mit dem Gegner irgendwas nicht gestimmt haben. Und obwohl das - sofern ernst gemeint - natürlich eine anmaßende und respektlose Aussage wäre: So ganz falsch ist die Schlussfolgerung nicht.
Dass eine mit überdurchschnittlich guten Fußballern besetzte Champions-League-erfahrene Mannschaft wie Schachtar es über 180 Minuten nicht schafft, Borussia auch nur mal in einer Spielphase ins Wanken zu bringen, ist ein merkwürdiger Befund nach den beiden Partien gegen die Ukrainer. Aber woran es auch immer lag, der VfL hat sich diese
sechs Punkte, 10:0 Tore und die damit verbundene gute Ausgangsposition in der Gruppe ohne Frage sehr seriös erarbeitet und verdient.

Ein wichtiger Punkt: Das Team, das zum Auftakt noch 3:2 in Madrid gewonnen hatte, fand in den Spielen gegen Gladbach nie zu einer vernünftigen Zweikampfführung. Ganz im Gegensatz zur Rose-Elf, die mit der großzügigeren Linie der Schiedsrichter gut zurecht kam und dies zu nutzen wusste, auch weil sich Donezk kaum mit Fouls wehrte, wie sie es hätte tun können oder wie es der eine oder andere Gegner in dieser Gruppe wohl getan hätte.

Aber egal. Donezk war unerklärlich schwach, was man Borussia nicht zur Last legen kann. Stindl und Co dagegen waren ehr stark. Und sie haben gezeigt, wie konzentriert und kalt bis ans Herz sie Spiele durchziehen können. Dumm nur, dass das in der Liga noch nicht gleichermaßen gelungen ist. Doch da sind Spiele auch deutlich umkämpfter als es die Duelle mit dem ukrainischen Meister waren. 

Das bedeutet, dass diese beiden wohltuenden Galas im großen Rampenlicht leider nichts für das nächsten Bundesligaspiel bedeuten müssen. Aber darauf komme ich zurück, wenn es denn so sein sollte.

Heute muss man wieder die Teamleistung hervorheben, von der Nummer eins bis zum Stoßstürmer bewegte sich da ein eingespielter, harmonischer Gesamtkörper - vergleichbar vielleicht mit einem Fischschwarm, der zusammen einen großen Raubfisch imitiert und jede Bewegung synchron ausführt. Die Reihen verschoben sich geschickt, das Forechecking auf Kommando war effektiv, die Nebenmänner waren immer in der Nähe, um anspielbar zu sein und zu unterstützen. Borussia wirkte wie mit unsichtbaren Fäden zusammengehalten, unerschütterlich und sehr souverän. Das machte wirklich Spaß, weil es ja auch ein entspanntes Zuschauen war.

Doch bei aller Gemeinschaftsleistung - es gab dann doch auch die individuellen Glanzpunkte und anderes Bemerkenswertes. Da will ich heute mal mit dem Routinier auf der linken Seite anfangen. Oscar Wendt machte heute sicher eins seiner besten Spiele für Borussia. Nicht nur wegen des sehenswerten Freistoßtores, als der präzise reingeschlenzte Ball - mit etwas Glück - an allen Gegnern und dem Torwart vorbei ins lange Eck flog. Oscar leitete auch das vorentscheidende 3:0 mit einem Freistoß ein, und hielt seine Seite im Verbund mit Marcus Thuram dicht. Das ist nicht selbstverständlich, vor allem, weil Wendts Spielzeit zuletzt nicht zu üppig ausgefallen war und der Schwede bei Borussia stets dann am besten war, wenn er sich über regelmäßige Einsätze die richtige Spielfrische und das Selbstvertrauen holen konnte. 

Mit seiner manchmal etwas hektisch wirkenden Spielweise hat es Oscar bei den Fans - trotz eines gewissen Kultstatus' - ja auch oft schwer gehabt. Umso wichtiger war für uns und ihn heute der Beweis, dass er noch längst nicht zum alten Eisen zählt, auch wenn Konkurrent Ramy Bensebaini deutlich mehr Torgefahr und Dynamik nach vorn und hinten ins Spiel einbringen kann. Sicher, es gibt Spiele und Gegenspieler, da stößt ein Oscar Wendt inzwischen an seine Grenzen. Aber heute nicht, wie die auch für einen Abwehrspieler fast unglaubliche Zweikampfquote von 88 Prozent unterstreicht (die von Elvedi und Ginter lagen im übrigen fast genauso hoch, bei wahrscheinlich noch deutlich mehr absolvierten Zweikämpfen).

Neben Wendt war heute das zentrale Mittelfeld wieder außerordentlich stark. Chris Kramer und Flo Neuhaus harmonieren hervorragend, und was gerade der Jungnationalspieler im Moment auf den Platz zaubert, ist beängstigend gut. Richtungswechsel, die die Gegner wie Schuljungen aussehen lassen, Monsterpässe in die Spitze, hervorragende Zweikampfbehauptung und eine Übersicht, als hätte er auch hinten Augen. Da spielt gerade einer ("leider") schon für die ganz Großen vor. Und Kramer ist der, der Neuhaus den Rücken freihält.

Daneben wirkt der Kapitän fast unscheinbar, wie ein fleißiger Arbeiter. Doch das, was Lars Stindl an Physis, Geschicklichkeit und Nickligkeit in die Zweikämpfe wirft, ist für Borussia gerade unbezahlbar. Dazu kommen seine Torbeteiligungen. Heute war das der Elfmeter, den Thuram überhaupt nur dank Stindls Geniepass durch die Abwehr herausholen konnte - und natürlich die Ecke zum 2:0 von Nico Elvedi. Aber Lars Stindl ist eben auch der, der gegnerische Angriffe stoppt und gegen den Ball ein unglaublich effektiver Störer ist. Falls Jogi Löw noch mehr Gladbacher brauchen sollte, um seinen Kopf zu retten: Hier wäre einer, der eifrig Bewerbungen abgibt!

Das alles soll die Leistung der anderen nicht schmälern, aber es fiel heute besonders auf. Besonders gefreut hat mich natürlich auch das klasse Tor von Breel Embolo, der schon wieder auf dem Weg zum Unglücksraben war, bis er mit dem unkonventionellen Fallrückzieher-Außenristschlag genau die Lücke fand, die Donezks Torwart gelassen hatte. Und froh war ich auch, dass Yann Sommer letztlich selbst mit zwei fantastischen Paraden in der Schlussphase etwas dafür tun konnte, dass sein Tor auch diesmal sauber blieb.

So kann es weitergehen. Aber ob es das auch so wird, steht auf einem anderen Blatt Papier. Denn für Überraschungen in die andere Richtung ist unser Team eben auch immer gut. Hoffen wir, dass das heute der Start einer neuen Positivserie war.

War irgendetwas schlecht heute? Nein, denn - und das ist im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert - auch das erste kleine Saisonziel hat Borussia heute dank des Ergebnisses im Parallelspiel schon erreicht. Denn durch die Niederlage gegen Real kann Inter zwar wie Borussia auch noch auf acht Punkte kommen und wäre dann dank des gewonnenen direkten Vergleichs vor dem VfL. Doch dazu müssten sie gegen Gladbach und Donezk gewinnen. Das wiederum hätte zur Folge, dass Schachtar auf jeden Fall hinter dem VfL bliebe. Das Überwintern in der europäischen Klasse wäre damit also gesichert, zumindest als Gruppendritter, der in der Euro League weiterspielen würde. 

Bleiben noch zwei Möglichkeiten, diese Ausgangsposition zu veredeln und erstmals in der Champions League die Gruppenphase erfolgreich zu überstehen. Nach vier ungeschlagenen Spielen von sechs, mit 8 Punkten und einem Torverhältnis von 14:4 stehen die Chancen darauf nicht allzuschlecht, auch wenn es jetzt erneut gegen die harten Kaliber aus Mailand und Madrid geht. Klar ist aber: Ein Sieg nächste Woche, und Borussia ist weiterhin in der CL dabei. Und das wird das Ziel von Marco Rose und seinen Mannen sein. Ich freue mich drauf! 

Champions League 2020/21, Gruppenphase, 4. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - Schachtar Donezk 4:0. Tore für Borussia:  1:0 Stindl (FEM, Thuram), 2:0 Elvedi, 3:0 Embolo, 4:0 OscarOscar Wendt.

 Saisonspende: Vier Tore, ein Zu-Null, das gibt 3 Euro an diesem Spieltag. Der aktuelle Stand damit: 46 Euro.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro.
Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro.
Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2020-11-21

Das Silbertablett aus der Hand geschlagen

Was soll man dazu sagen? Ein bitteres 1:1 in letzter Minute gegen eine dezimierte Gästemannschaft, in einem Spiel, das der VfL stets unter Kontrolle hatte. Wieder einmal in einem Heimspiel, dem man den eigenen Ansprüchen entsprechend das klare Etikett "Pflichtaufgabe", ergo auch Pflichtsieg, aufkleben musste.

Aber es hilft nichts: Dieses Remis war für Augsburg so unverdient wie es für Borussia verdient war. Und umgekehrt. Aber es zählt nun mal. Und es zeigt einmal mehr, dass Gladbach zwar oft wie eine Spitzenmannschaft spielt, aber immer noch nicht zuverlässig in der Lage ist, auch genauso oft die verdiente Ernte einer Spitzenmannschaft einzufahren. Das war gegen Wolfsburg so, gegen Inter und Real, gegen Leverkusen und jetzt gegen Augsburg.

Und auch wenn ich das Thema der späten Gegentore medial immer noch für zu hoch gehängt halte: Heute war nach einer Stunde Spielzeit schon zu ahnen, dass es auch heute ein dickes Ende geben könnte.
Denn etwa zu dieser Zeit hörte das Team um Lars Stindl auf, den Gegner in der Defensive miut aggressivem Pressing in Bedrängnis zu bringen und zu beschäftigen. Stattdessen verlegte man sich zunehmend auf die Verteidigung des eigenen Ballbesitzes - mit ein paar Nadelstichen nach vorne, die dann irgendwann schon das erlösende 2:0 bringen würden. Doch dieser Plan ging nicht auf.
Weil Augsburg nicht mitspielte und sich auch mit zunehmender Spielzeit nicht aus der massierten Defensive herauslocken ließ. Selbst dann nicht, als Framberger (völlig zu Recht) nach 66 Minuten mit Gelb-Rot vom Platz musste.

Zu dieser Zeit lag das Spiel servierfertig auf dem Silbertablett vor der Borussia. Die Mannschaft musste nur noch zugreifen. Stattdessen schlug sie es dem Kellner buchstäblich aus der Hand. Weil sie vorne oft zu hektisch und dann von Minute zu Minute passiver auftrat und weniger gierig auf das zweite Tor zu drängen schien. Und weil sie hinten zwar insgesamt wenig Fehler machte, aber dafür am Ende zu viele auf einmal.

Am offensichtlichsten wurde das in der Szene vor dem Ausgleich, als Augsburg nach einigen unglücklichen Gladbacher Abwehrversuchen in Serie noch einmal für etwas Alarm im eigenen Strafraum sorgte und Lainer und Ginter sich für einen Moment nicht einig waren, wer den Ball aus dem Strafraum auf die Tribüne prügeln sollte. So schossen irgendwie beide, sodass der missglückte Befreiungsschlag in der Gefahrenzone blieb und damit (ausgerechnet!) den Schuss von Gladbach-Schreck Caligiuri ermöglichten. Der wäre an sich für Yann Sommer kein Problem gewesen - wenn er nicht von Oscar Wendt unglücklich und unhaltbar in Richtung kurzes Eck abgefälscht worden wäre.

Man kann natürlich diese Szene und die dort offenbar gewordenen Konzentrationsschwächen hernehmen und für das unbefriedigende Endergebnis verantwortlich machen. Denn so unsortiert sollte sich eine Mannschaft mit Champions-League-Ambitionen in den letzten Spielminuten wirklich nicht in Bedrängnis und zum wiederholten Male um den Lohn der Arbeit bringen lassen. Aber natürlich muss man den Fehler viel stärker auf der anderen Seite des Platzes suchen, bei den fehlenden eigenen Toren. Und heute über weite Strecken der zweiten Halbzeit auch in den Räumen dazwischen.

Dass sich die Borussen in jedem Spiel eine Reihe hochkarätige Chancen herauskombinieren können, sind wir inzwischen gewohnt. Dass viele klare Chancen nicht genutzt werden leider auch. Heute waren es bestimmt sechs oder sieben Situationen, aus denen eigentlich ein Tor fallen musste. Herrmann, Stindl, Wolf und dann immer wieder Breel Embolo, dessen Scheitern vor dem Tor seine ansonsten richtig starke Leistung leider überdeckt. Da muss einfach mehr herauskommen als das sehr konsequent erarbeitete 1:0 von Flo Neuhaus.

Dass ein zweites Tor mal nicht fallen will, kann ich akzeptieren. Ein spätes Gegentor prinzipiell auch - wenn es nicht so vermeidbar gewesen wäre wie heute. Was mich wirklich gestört hat, war der Versuch, in der letzten halben Stunde im wahrsten Sinne des Wortes den Ball flachzuhalten und das Spiel zur Not mit einem knappen Vorsprung über die Zeit zu bringen. Schön, wenn sowas klappt. Aber doch nicht, wenn man in dieser Zeit auch noch 11 gegen 10 spielt und alle Anlagen besitzt, den Gegner unter Druck zu setzen, zu Fehlern zu zwingen und das entscheidende 2:0 zu schießen.
Ich habe heute den absoluten Willen vermisst, auf die Entscheidung zu drängen.
Ich kann mich täuschen, aber es schien mir auch bei den Einwechselspielern ein unausgesprochenes Agreement zu geben, dass man die Nummer jetzt sicher und vielleicht etwas kräftesparend nach Hause spielen und im Weg nach vorn gar kein großes Risiko mehr eingehen wollte. So wenig Zug zum Tor wie diesmal habe ich jedenfalls beim eingewechselten Marcus Thuram noch nicht gesehen.

Schade drum. Denn die durch die Corona-Ausfälle von Plea und Bensebaini sowie die Verletzung von Jonas Hofmann erzwungene neue Startelf ohne den bei Frankreich zuletzt dreimal eingesetzten Thuram gefiel mir insgesamt sehr gut, vor allem in der ersten Hälfte. Stindl ist längst wieder in der Nähe der Bestform, Chris Kramer setzte vor der Rückkehr von Denis Zakaria ein eindrucksvolles Ausrufezeichen, wie wichtig er für Borussias Spiel in beide Richtungen ist. Neuhaus ist derzeit ohnehin über jede Kritik erhaben. Und die Abwehrreihe ließ sich nur kurz nach dem Anstoß einmal kurz erschüttern, was Yann Sommer jedoch ausbügelte, genauso wie die Fehler vor den beiden anderen Chancen der Gäste rund um die 70. Minute. 

Embolo, Wolf und Herrmann machten vorne zusammen auch einen spritzigen und guten Eindruck, so dass ich zur Halbzeit eigentlich das Gefühl hatte, dass auch dieser erste Anzug passt - trotz mancher Fehlpässe und Missverständnisse im Zusammenspiel. Auch Oscar Wendt machte seine Sache gegen Caligiuri gut. Umso ärgerlicher war der Ausgang des Spiels, indem die Gäste lange weniger mit gelungenen Kontern - ihrer klaren taktischen Devise - als mit dem gewohnt rücksichtslosen Zweikampfverhalten auffielen.

Klar, ich bin zu weit weg, um beurteilen zu können, was die taktischen Überlegungen des Gladbacher Trainerteams für die letzte halbe Stunde des Spiels waren. Doch auch die Wechseltaktik hat mich heute enttäuscht. Stevie Lainer war die Dauerbelastung heute erstmals richtig anzumerken, mit zunehmender Spielzeit verhaspelte er sich immer öfter, brachte die Bälle dann nicht mehr präzise zum Mitspieler. Dennoch lief das Spiel weiterhin sehr häufig über seine Seite, sodass er auch jeden Weg mitgehen musste. Spätestens, als Augsburg mit Hahn und Gregoritsch, später noch mit dem wendigen Richter frische Kräfte für die Offensive brachte, hätte ich mir gewünscht, dass auch Marco Rose dem defensiv etwas Frische von der Bank entgegensetzt und zum Beispiel Jantschke bringt. 

Das Trainerteam blieb aber eher zurückhaltend und nutzte nicht einmal die möglichen fünf Wechsel. Die eingewechselten Spieler - Lazaro und Thuram - brachten diesmal nicht den erhofften neuen Schwung, das sehr erfreuliche Comeback von "Krake" Zakaria in der 89. Minute kam aber so spät, dass daraus keine unmittelbare Wirkung mehr zu erwarten war. Es sollte wohl auch eher ein taktischer Wechsel sein, um noch etwas an der Uhr zu drehen. Dummerweise fiel genau da der Ausgleich.
Ich weiß ja selbst, dass ich kein Trainer- oder Taktik-Profi bin wie die Jungs um Marco Rose. Aber für dieses Spiel wüsste ich schon gern, was die taktischen Überlegungen waren und was vielleicht in der Kommunikation zwischen Team und Trainern nicht optimal lief, dass es zu diesem Spielausgang kam. Nochmal: Ein Lucky Punch des Gegners ist immer möglich, das kann passieren. Aber es standen heute wirklich alle Ampeln auf grün, dass es nicht so kommen musste. Und dann ist es schon irgendwie fahrlässig, auf diese Weise Punkte abzugeben. 

Sicher, wir haben mit unserem VfL in unterschiedlichen Konstellationen - ob im Abstiegskampf oder als Topclub in der Bundesliga - immer mal wieder solche Nackenschläge erlebt. Und ja, es war auch noch nicht mal eine Niederlage. Aber doch einer der ärgerlichsten Punktverluste der vergangenen Jahre. Weil er so unnötig und dabei von außen fast vorhersehbar war.

Enden will ich trotzdem mit etwas Positiven. Denn auch wenn es keine spielerische Glanzleistung war: Es ist bemerkenswert, wie sich diese Startelf ohne vier absolute Erste-Elf-Stammspieler (Plea, Bensebaini, Hofmann, Thuram - und in klammern den fünften, nun wieder zur Verfügung stehenden Zakaria) über die gesamte Spielzeit verkauft hat. Da war kein großer Qualitätsverlust zu sehen, der einem während des Spiels irgendwelche Sorgen machen musste. Allerdings: Die Vielspieler stoßen ziemlich sicher sehr bald an ihre Grenzen, da wird manche rote Leuchte angehen - vor allem für Elvedi, Ginter, Lainer und Neuhaus wird es in den kommenden Wochen Pausen geben müssen. Es wird viel davon abhängen, inwieweit man dies selbst gestalten kann und welchen Einfluss auf die Belastungssteuerung da Verletzungen oder etwa positive Corona-Tests nehmen werden. 

Bundesliga 2020/21, 8. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - FC Augsburg 1:1. Tor für Borussia: 1:0 Neuhaus.

Saisonspende: Ein Tor, kein Zu-Null, das gibt nur 50 Cent an diesem Spieltag. Dazu kommt aber noch mein Nachtrag aus der Länderspielpause: Matze Ginter sorgte mit einer Vorlage gegen die Ukraine für einen Euro. Und ja, natürlich tue ich so, als hätte Yann Sommer die beiden Elfmeter von Ramos für Gladbach gehalten und nicht für die Schweiz (um diese Gelegenheit verstreichen zu lassen, hält er einfach zu selten Elfer). Das sind weitere fünf Euro, insgesamt sechs aus den Länderspielen.

Der aktuelle Stand also: 43 Euro im Spendentopf.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2020-11-08

Ein Skorpion und viele Fehler

Drei Tore auswärts reichen nicht einmal für einen Punkt in Leverkusen. Das ist wirklich ärgerlich, aber es ist kein Beinbruch. Ich würde es sogar nicht einmal einen Rückschlag nennen, obwohl uns eine Niederlage gegen den direkten Konkurrenten natürlich nicht nur in der aktuellen Tabelle weh tut. Zumal, wenn sie so überflüssig ist wie das 3:4 heute.

Aber man darf nicht vergessen, wo die Mannschaft herkommt: Das heute war das siebte Spiel innerhalb von genau drei Wochen, umgerechnet alle drei Tage also ein Spiel. Diese erste ganz heftige Saison-Phase mit drei englischen Wochen am Stück war insgesamt äußerst erfolgreich. Doch sie hat Spuren hinterlassen, die aber erst heute dann auch am Ergebnis ablesbar wurden. Klar, auch Bayer hat dieses Programm mit vielen Spielen hinter sich. Aber eben nicht gegen Inter, Real, Donezk und Leipzig, sondern gegen Gegner, die durchweg eine Kategorie darunter anzusiedeln sind.

Dass es heute schwer werden könnte mit einem Sieg, das war schon früh zu spüren. Der Gegner war hervorragend auf Borussia eingestellt, kam oft zu leicht durch das Mittelfeld. Schon in der ersten Hälfte waren die Spieler von Marco Rose oft gezwungen, hinter ihren Gegnern herzulaufen. Und sie ließen in der Folge viele zu leichte Angriffe der Werkself zu, die schnell zu einem Rückstand hätten führen können. Es gelang einfach nicht, das Spiel wie zuletzt voll unter die eigene Kontrolle zu bekommen. 

Dass der VfL in der ersten Halbzeit dennoch zweimal in Führung gehen konnte, verdankte er in erster Linie seiner brutalen Effizienz in zwei Szenen - und dem beim Elfmeter wie beim 2:1 vor dem Tor eiskalten Capitano Lars Stindl.

Doch dieser Vorteil wurde gegen einen quirligen Gegner, der Borussias Defensive vor allem mit Bailey und Wirtz immer wieder in Schwierigkeiten zu bringen vermochte, jeweils schnell wieder hergeschenkt. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn Gegentor Nummer eins fiel nach einem vermeidbaren Konter, das zweite nach einem in dieser Deutlichkeit seltenen Fehler von Yann Sommer beim Rauslaufen.

Man konnte also erahnen, dass es in der zweiten Halbzeit für beide Mannschaften darum gehen musste, Fehler möglichst zu vermeiden, um nicht einem erneuten Rückstand hinterherlaufen zu müssen. Denn schon zum Ende der ersten Halbzeit war beiden Teams anzumerken, dass sie in diesen 45 Minuten schon ans absolute Limit gegangen waren.

Es hätte dennoch alles gut werden können für den VfL. Wenn Yann Sommer einen besseren Tag erwischt hätte, oder Ramy Bensebaini oder, wenn einfach weniger Angriffe auf das Gladbacher Tor gerollt wären, die am Ende vielleicht die entscheidenden Fehler vor den Gegentoren drei und vier auch ein Stück weit forciert haben.

Vielleicht auch, wenn Schiedsrichter Harm Osmers vor dem 2:3 das klare Foul an Hannes Wolf am Leverkusener Strafraum und Sekunden später das nicht ganz so klare Foul an Marcus Thuram gepfiffen hätte. Dann hätte es zum Beispiel Baileys erfolgreichen Galaauftritt mit Beinschuss von Yann Sommer am kurzen Eck zum 2:3 nicht gegeben. 

Es war schade, dass Osmers - nicht zum ersten Mal - zwar eine sehr vernünftige erste Halbzeit ablieferte, in der er viel laufen ließ. In der zweiten Halbzeit dann aber minutenlang überhaupt keine Fouls mehr an Gladbachern ahndete und dann für Breel Embolo erstes Foulk sofort Gelb zückte. Zum Vergleich: Breel war in den 63 Minuten, die er auf dem Platz war, laut Statistik 8mal (!) gefoult worden. Und da waren einige Foulsm die nicht geahndet wurden, noch nicht dabei. Vor dem 2:3 hätte Osmers aus meiner Sicht auf jeden Fall unterbrechen müssen, aber der Pfiff blieb aus und im Gegenzug fiel das Tor.
Dennoch bin ich heute weit davon entfernt, dem Unparteiischen eine tragende Rolle bei dem Ausgang des Spiels zuzuweisen. Nein, Borussia hat sich das schon selbst zuzuschreiben.

Zu viele eigene Fehler, dazu ein bisschen Pech und eine Prise Unvermögen vor dem gegnerischen Tor: das war der echte Schlüssel zum Spiel. So effektiv die Borussen bei den ersten beiden Toren waren, sie hätten auch mit einer Führung in die Pause gehen müssen. Die vermeidbaren Gegentreffer habe ich schon angesprochen, dazu kam die Doppelchance von Embolo und dann Bensebaini, der den Abpraller aus acht Metern mit Wucht an die Latte nagelte statt ins Tor. Und in der zweiten Halbzeit steht in der hinsicht vergebene Chancen vor allem Hannes Wolf im Fokus, weil er nach einem tollen Angriff und dem Fast-Tor von Stindl nach feinem Bensebaini-Pass seine 100-prozentige Einschusschance aus fünf Metern liegenließ und den Ball überhastet sehr weit über das Tor drosch.

Keine zwei Minuten später fiel das 2:3, von dem sich Borussia dann nicht mehr so recht erholte, auch wenn Valentino Lazaros Premierentreffer für Gladbach zum 3:4 ein schon entschieden geglaubtes Spiel in der Nachspielzeit noch einmal "heiß" machte. 

Dieses Tor war natürlich eins zum ganz groß Einrahmen: Eine Weltklasseaktion zwischen Genie und Verzweiflung, wie der Österreicher den eigentlich ungünstig in seinen Rücken gespielten halbhohen Ball mittels eines sogenannten "Scorpion Kicks" mit der Hacke über die Schulter unhaltbar für den Torwart ins lange Eck zog. 

Es war ein knalliger Schlusspunkt in einer aufregenden Partie, deren Fehlerquote auf beiden Seiten maßgeblich war für die vielen Tore, die wir zu sehen bekamen. Und so war die Freude über dieses sensationelle Tor am Ende natürlich da, aber da es am Ausgang des Spiels nichts änderte, konnte sich auch der Torschütze nicht so richtig darüber freuen, was ihm da gelungen war. Immerhin: In der Wertung "Tor des Jahres" hat der VfL jetzt schon einige Kandidaten im Rennen. Bringt aber leider keine Punkte in der Bundesliga.

Dennoch: Ich kann mich mit dieser Niederlage arrangieren, denn sie war nicht unverdient. Die kämpferische Leistung und auch viele spielerische Akzente und die Tatsache, dass man sich ausreichend Torchancen (und drei Tore) erarbeitete, zeigt, dass man dadurch keinen Knick erwarten muss. Nach dem Programm der vergangenen Wochen muss man einfach eben dann auch mal hinnehmen, dass es nicht ganz gereicht hat. Die Bäume wachsen auch bei Borussia nicht gleich in den Himmel.
Mehr wert war mir heute, dass sich kein Spieler ernsthaft verletzt hat (so hoffe ich) oder Borussia sich noch durch einen Platzverweis für die nächste Bundesliga-Partie geschwächt hätte. So oft, wie Bensebaini heute gegen Bailey in Schwierigkeiten kam, hätte es auch durchaus sein können, dass er heute das Ende des Spiels nicht auf dem Feld erlebt hätte.

Alles in allem - eine durchwachsene Bilanz. Es war sicher mehr drin, es hätte aber auch schlimmer kommen können. Nun gilt: erstmal durchatmen, pflegen, Kräfte sammeln - zumindest für die, die nicht schon wieder zu den albernen Länderspielen fahren müssen. Borussia tut bis jetzt sehr gut daran, keine Leistung zu überzeichnen. Das galt nicht für die Gala in Donezk, und es wird auch nicht in umgekehrter Richtung für dieses Spiel gelten. Und so wird auch nicht einem oder zwei Spielern heute die Schuld zugeschoben, denn beim VfL gewinnt ein Team zusammen und es verliert auch zusammen.

Deshalb heißt es jetzt wieder: Abhaken, daraus lernen und weiter geht's!


Bundesliga 2020/21, 7. Spieltag: Bayer Leverkusen - Borussia  Mönchengladbach 4:3. Tore für Borussia: 0:1 Stindl, 1:2 Stindl (FEM, Embolo), 4:3 Lazaro.

Saisonspende: Drei Tore sind 1,50 Euro für diesen Tag. Damit sind jetzt 36,50 Euro im Spendentopf.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2020-11-04

Sternstunde in Kiew

Ich bin sehr zufrieden. ICH. BIN. SEHR. ZUFRIEDEN. Habe ich das so schon mal geschrieben, seit ich mein Blog hier habe? Ich glaube nicht. Aber es gibt - sehr selten - Tage, da muss man eigentlich gar nicht viel mehr sagen über das Fußballspiel, das man gerade gesehen hat. Nur dieses: Ich bin sehr zufrieden. Es spricht für sich. Und jeder kann nicken und sagen: Ich auch. Wir verstehen uns.

Heute war im technischen Sinne ein perfektes Spiel, eins, wie man es nur äußerst selten erlebt. Und als Gladbach-Fan ja sowieso - na ja, wisst ihr ja selbst. Jeder hat so seine Leidensgeschichte, seine tragischen Momente mit diesem Verein. Umso höher ist einzustufen, was da heute gute 1900 (!) Kilometer östlich von Mönchengladbach geschehen ist. Diese fußballerische Sternstunde - überhaupt erst der dritte Sieg in der Champions League für den VfL - haben natürlich in erster Linie Yann, Matze, Nico, Stevie, Ramy, Chris, Flo, Lars, Jonas, Lasso und Marcus herausgeschossen. 

Aber wer es wirklich mit diesem Verein hält, weiß, wer am Anfang dieser Reihe steht. Wer heute nach diesem unglaublichen Abend nochmal innehält, denkt an Igor de Camargo, ohne dessen Tor gegen Bochum der phönixhafte Aufstieg Borussias aus der Asche nicht möglich gewesen wäre. So wie Reus, Arango, Favre und so viele andere ihr Scherflein dazu beigetragen haben, dass der Traditionsverein Borussia im Jahr 2011 nicht einen Weg in eine ganz andere Richtung angetreten hat.
Und allen voran ein äußerst geschicktes Team um Max Eberl und Stephan Schippers, die den Verein zu einer der besten und solidesten Adressen Europas gemacht haben - ohne ihn an einen reichen Investor zu verscherbeln. 

Daran gerade heute zu denken, hat viel mit dem berühmten "Wir-wissen-wo-wir-herkommen"-Mantra zu tun; nämlich auch in einer Stunde des Triumphs den Erfolg nicht für selbstverständlich zu halten. Er ist flüchtig und der glanzvollste Sieg von heute kann morgen schon nichts mehr wert sein - wenn man sich darauf ausruhen will. Genau diesen Eindruck kann man bei den Schützlingen von Marco Rose beim besten Willen nicht gewinnen. Die Spieler sind fokussiert und lassen keinen Zweifel daran, dass sie an sich und ihre Fähigkeiten glauben. Und das macht mich sehr froh.

Die erste Halbzeit heute war dafür das beste Beispiel. Die Mannschaft war wach, von der ersten Minute an. Sie war dominant, nicht bereit, den kombinationsstarken Gegner auch nur ansatzweise ins Spiel kommen zu lassen. Es kam dazu, dass die frühen Tore - zum Teil hervorragend herausgespielt, zum Teil mit etwas Glück erzielt -, dem Gegner schnell jeden Schneid nahmen, sich dagegen groß aufzulehnen.
Gladbach machte die Ansage, wer das Spiel heute in die Hand nehmen würde. Und Schachtar musste das schnell akzeptieren, weil der spielerische und spieltaktische Unterschied heute einfach zu groß war. 

Die Tore waren wieder einmal aus dem Bilderbuch - wie das warme Messer durch die Butter schnitten Borussias Pässe durch die ukrainische Abwehr. Doch es gab nicht nur das. Auch die Wucht des platzierten Distanzschusses brachte Erfolg, was in dieser Saison noch keine große Rolle gespielt hatte. Und die Stärke bei Standards spielte eine Rolle, genauso wie das unerbittliche Verhalten bei gegnerischem Ballbesitz, wo sich Schachtar ein ums andere Mal nicht gegen die aggressiven Pressingmomente zur Wehr setzen konnte. Bestes Beispiel das 5:0, bei dem der Ball vom misglückten Abschlag des Donezker Torwarts bis zu Stindls Abschluss drei Stationen brauchte. Ein sensationell erzwungenes Tor, wenn auch gegen einen zu diesem Zeitpunkt schon demoralisierten Gegner.

Klar: An perfekten Tagen spielt auch immer das Glück ein bisschen mit , in engen Situation springt der Ball dann nur zu dir und nicht zum Gegner. Umgekehrt haben wir das ja auch schon des öfteren erlebt. Aber auch wenn das vorentscheidende 2:0 von Kramer glücklich abgefälscht war und auch beim Eckball zum vierten Tor von Bensebaini der Ball genau so sprang, wie er musste: Das ist ja auch immer ein bisschen Lohn der eigenen Mühen. 

Alles in allem eine fabelhafte Leistung der gesamten Mannschaft, aus der man trotz des sicher herausragenden dreifachen Torschützen Alassane Plea niemanden weniger loben sollte. Es war ein Triumph des Kollektivs, das in Angriff wie Abwehr fast ideal verschob und sich auf dem Feld als taktische Einheit bewegte. Nichts war in diesem Verbund zufällig. Dass der Gegner dem schnell gar nichts entgegenzusetzen hatte, auch keine taktische Veränderung während des Spiels, schmälert die Leistung von Lainer und Co. in keiner Weise.

Klar ist aber auch: Dieser Sieg hat seinen Preis. Wie hoch der sein wird, wissen wir noch lange nicht. Kurzfristig wird der mediale Hype jetzt wieder eine Woche lang hochschlagen - über die entzückende Spielweise und die traumhaft herauskombinierten Spielzüge des VfL. Das ist in der Woche vor dem schweren Spiel gegen Leverkusen nicht unbedingt hilfreich. Aber vielleicht hat die Mannschaft von Marco Rose ja auch in dieser Hinsicht gelernt, sich davon nicht in Sicherheit wiegen zu lassen. 

In der Champions League, und das ist die zweite Konsequenz aus der Gala von Kiew, wird niemand mehr Borussia unterschätzen. Die Rückspiele in der Gruppe werden damit ganz anders als das bisher gekannte. Denn alle drei Gegner müssen im Moment deutlich mehr um das Weiterkommen zittern als Yann Sommer und seine Vorderleute. Es wird also ein heißer Tanz in jedem Spiel werden, bei dem es am Ende auch um das physische Aufreiben gehen wird. Es ist nicht so, dass der VfL da nicht mithalten könnte, aber: die Karten werden in der Rückrunde neu gemischt, und auch wer jetzt Tabellenführer ist, hat noch lange nichts erreicht.

Und schließlich gibt es dann noch die langfristig drohenden Konsequenzen. Mit den beherzten Auftritten
vor aller Augen in der Champions League haben sich gleich ein halbes Dutzend Spieler ganz oben in die Notzibücher der Großclubs gespielt. Alassane Plea und Marcus Thuram sowieso, aber sicher auch Ramy Bensebaini, Flo Neuhaus, Matthias Ginter und Nico Elvedi. Über die Begehrlichkeiten um Denis Zakaria wissen wir ja ohnehin, obwohl der heute ja gar keine Rolle spielte.
Auch hier gilt: Borussia fliegt nicht länger unter dem Radar. Und wenn das so ist, wird es für das Team um Max Eberl immer schwerer, die Angebote von finanziell weit entrückten Konkurrenten alle abzuwehren. Die Ablösesummen könnten das Bittere daran versüßen, aber der große Vorteil dieser Mannschaft, immer besser aufeinander eingespielt zu sein, kann man nicht einfach dazukaufen. Das braucht Zeit.
Natürlich wissen wir auch, dass der eine oder andere Spieler über Gladbach hinauswächst und irgendwann zu einem finanziell potenteren Club wechseln wird und vielleicht auch muss. Dieser Zeitraum hat sich aber spätestens heute wohl deutlich verkürzt, denn es war in den vergangenen Wochen für niemanden mehr zu übersehen, welche Juwelen wir da im Kader haben.

Aber gut, wir leben im Hier und Jetzt. Und da spielen all diese tollen Spieler für uns. Sie haben sich in den vergangenen drei Wochen dermaßen abgezockt weiterentwickelt, dass man derzeit vor keinem Gegner Angst haben muss. Der Borussia-Fußball sieht nicht nur schön aus, es wirkt auch so, als hätten die Borussen um Kapitän Stindl sich diese Selbstverständlichkeit und ein sehr unarrogantes Selbstvertrauen "antrainiert" und "angespielt", mit dem man auf internationaler Bühne auch mal die Vorrunde der Champions League überstehen kann.

Noch ist es lange nicht so weit, auch wenn der direkte Vergleich mit Donezk mit dem heutigen Ergebnis als gewonnen gewertet werden kann. Doch das allein reicht nicht, das ist klar. Es bleibt also spannend. Und vor allem bin ich sehr gespannt, ob unsere Jungs nach diesem Erfolg dran und demütig bleiben, oder ob sie es am Wochenende dann doch unbewusst ein klein wenig lockerer angehen lassen.

Vielleicht fällt euch an meinem Text auf, dass ich zwar äußerst entspannt und sehr beseelt und glücklich über das 6:0 bin - aber nicht so richtig euphorisch. Das hat seinen Grund natürlich in den Umständen, unter denen Fußball gerade stattfinden muss. Das heute war ohne Zweifel einer der glänzendsten Siege in der Europapokal-Geschichte von Borussia Mönchengladbach und er wäre in dieser Deutlichkeit für mich vorher nie im Leben denkbar gewesen.
Aber: Vermutlich wäre er in einem vollen Stadion so auch nie und nimmer zustandegekommen. Selten hat Publikum einem Spiel so sehr gefehlt wie hier. Die Emotionen von außen, jubeln, pfeifen, anfeuern, rumoren - all das geht dem Spitzenfußball ab, und vielleicht forciert es auch solche Ergebnisse wie heute, wenn der Druck durch die Zuschauer von außen fehlt. 

Vor allem tut mir diese verpasste Chance für unsere Allesfahrer leid, die sonst jeden noch so langen Weg auf sich genommen haben, um dabei zu sein. Wie oft mit Ergebnissen, die einfach nur enttäuschend waren. Und dann jetzt dieses Spektakel, einen sensationellen Hurra-Auftritt im Stadion einer absolut etablierten Champions-League-Mannschaft? Und wir können alle nur einzeln vor dem Fernseher sitzen, wenn überhaupt. Keine Ahnung, wie viele ganz in die Röhre geschaut haben werden, weil sie kein DAZN haben?

Diese Leere rund um das Spielfeld nimmt mir leider einen großen Teil der Euphorie, die heute Abend angebracht gewesen wäre. Aber wir können es ja nicht ändern. Also trinke ich jetzt allein mit mir und diesem Bericht noch ein ganz entspanntes Bierchen - auf einen perfekt aufgegangenen Matchplan unseres Trainerteams, auf die tollen Jungs da in der Ukraine, die das Spiel so kühl und so kunstvoll auf den Rasen gezaubert haben. Und auf Euch und mich, die sich so etwas vor weniger als 10 Jahren nicht mal in ihren kühnsten Träumen hätten ausmalen können. 

Einer von denen, die damals dauerhaft und mit viel Gewürge gegen den Abstieg gekrebst haben, war auch heute noch dabei und bekam ein paar Einsatzminuten in der Königsklasse: Tony Jantschke wurde genauso eingewechselt wie Ibo Traore und Michael Lang. Was zeigt, dass auch die, die weit weg sind von der normalen Startelf, im Mannschaftsgefüge keine Außenseiter sind. Und wenn ich sehe, dass ein Marcus Thuram vor dem Spiel mit einem breiten Grinsen und  fast kindlicher Freude die eingespielte Champions-League-Hymne laut mitsingt, dann geht mir das Herz auf. Das sind die kleinen Dinge, auf die es ankommt, wenn eine Mannschaft etwas erreichen will.
Solange sie zusammenhält, zusammen gewinnt, zusammen verliert und sich gegenseitig den Erfolg gönnt, kann nicht viel schiefgehen. Im Gegenteil. Manchmal kommen dann sogar Sternstunden des Fußballs dabei heraus.



Champions League 2020/21, Gruppenphase, 3. Spieltag: Schachtar Donezk - Borussia  Mönchengladbach 0:6. Tore für Borussia:  0:1 Plea, 0:2 Kramer (ich weiß, offiziell ein Eigentor, aber das ist mir doch egal), 0:3 Plea, 0:4 Bensebaini, 0:5 Stindl, 0:6 Plea.

 

Saisonspende: Sechs Tore und ein weiteres "Zu-Null" innerhalb von nur drei Tagen, dafür wandern 4 Euro in den Spendentopf. Einen solch historisch hohen Sieg in der Königsklasse konnte nun wirklich niemand vorhersehen. Ich will ihn nicht unbelohnt lassen, aber auch nicht überbewerten, es gibt schließlich auch dafür nur drei Punkte - also spende ich 2,50 Euro extra. Damit klettert der Spendenbetrag heute um 6,50 auf 35 Euro.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.