Wer als Fan etwas auf sich hält, der war sich sicher, dass nach der Pokal-Gala gegen die Bayern der nächste Gegner im Liga-Alltag der allerschwerste sein müsste - und dieser die Punkte aus Mönchengladbach aller Wahrscheinlichkeit nach auch mitnehmen würde. Dieses fatalistische Denken entspricht einer weitverbreiteten Fußballerlogik, der auch ich mich natürlich nicht entziehen kann.
Doch es kam diesmal anders, zum Glück. Der VfL Borussia behielt beim ersten Bundesligaaufeinandertreffen seit dem legendären Relegationsfight vor 10 Jahren die Oberhand gegen den Vau-Eff-Ell aus Bochum. Das war verdient, auch wenn es vor allem in der Haltungsnote in der zweiten Halbzeit argen Abzug gab, weil die Hütter-Elf am Ende noch ins Straucheln zu kommen drohte. Und so wäre es zähneknirschend auch ok gewesen, wenn die Gäste im Schlussspurt hier einen Punkt stiebitzt hätten.
Kurz und klar zusammengefasst: Borussia hatte das Heft über mehr als eine Stunde sicher in der Hand, kombinierte sich immer wieder sehenswert durch die Bochumer Defensive und führte auch hochverdient zur Pause mit 2:0. Nach der Pause hätte Jonas Hofmann allein vor dem Tor die Entscheidung erzielen müssen, doch nachdem er Torwart Riemann umkurvt hatte, stand seinem Schuss ins vermeintlich leere Tor noch der Kopf eines Abwehrspielers im Weg.
Das war auch die Zeit, in der die bis dahin in den Zweikämpfen heillos unterlegenen Gäste sich auf den Weg machten, doch auch mal in der Offensive nachhaltig tätig zu werden. Schon in Halbzeit eins hatten sie einige (zu viele) gute Umschaltsituationen, versemmelten die Zuspiele auf besser postierte Mittspieler jedoch jeweils kläglich. Das wurde in der zweiten Hälfte zum Glück nicht wesentlich besser. Doch der zunehmende Druck und der etwas zu passive Ansatz der Borussen in der Schlussphase führten zu einer Reihe gefährlicher Ballverluste und mitunter zu ungeschickten Fouls.
Eins davon unterlief dem eingewechselten Hannes Wolf am Strafraum, und Danny Blum nutzte den Freistoß sehenswert zum Anschlusstreffer. Wie schon in der Schlussphase gegen die Bayern war dann zum Glück Yann Sommer in seinem 300. Pflichtspiel für Borussia wacher als der Rest seiner Truppe, er entschärfte die beste Chance der Gäste und rettete so letztlich auch den knappen Sieg, über dessen Zustandekommen in ein paar Tagen wohl keiner mehr reden wird.
Ein paar Erkenntnisse daraus dürften aber dennoch für den weiteren Verlauf der Saison von Interesse sein.
1. Borussia kann nicht nur die ganz großen, offensivstarken Gegner gekonnt be- und ausspielen. Wie gegen Stuttgart und Hertha sah die Mannschaft im Spiel nach vorne heute sehr gefällig aus, heute zog Alassane Plea hinter den Spitzen lustvoll und ideenreich die Fäden (zu Lasten von Lars Stindl, der erneut nicht seinen effektivsten Tag hatte). Die Mannschaft belohnte sich mit zwei sehr schön herausgespielten Toren udn noch mehr gut vorgetragenen Angriffen, scheiterte aber (einmal mehr) daran, das Spiel frühzeitig und klar zu entscheiden.
2. Nach mehreren bärenstarken Defensivleistungen, in denen die Gegner kaum auf mehr als eine oder zwei erstklassige Chancen kamen (was Hertha und VfB allerdings schon ausreichte), ließ man heute viel zu viele Räume für Konter. Ob das daran lag, dass erstmals seit mehreren Spielen nicht mehr mit Dreier-/Fünferkette gespielt wurde, sondern Adi Hütter zur Viererabwehr mit Scally, Ginter, Elvedi und Bensebaini zurückkehrte? Es schien fast so, weil Bochum viel Platz über außen im Rücken der recht hoch stehenden Außenverteidiger fand. Bei einer Dreier-Innenverteidigung sind solche Räume bei Ballverlust in der gegnerischen Hälfte naturgemäß konsequenter zu schließen.
3. Die Viererkette hat natürlich auch etwas mit den Ausfällen der Innenverteidiger Beyer und Jantschke zu tun. Das lenkt den Blick auf ein anderes Problem, das heute offensichtlich wurde. Die Spieler, die derzeit in der zweiten Reihe stehen, können oft die Qualität der ersten Elf nicht ganz aufrechterhalten. Marcus Thuram fehlen noch Spielpraxis und ein paar Prozent Restfitness, um wieder zum Unterschiedsspieler zu werden. Flo Neuhaus und Hannes Wolf machten erneut mit fehlerbehafteten Kurzauftritten eher Antiwerbung für sich. Es wäre unsinnig, den Stab über beiden zu brechen. Sie haben beide schon deutlich gezeigt, dass sie viel mehr können. Aber vor allem bei Neuhaus, dem nun wirklich in der dritten Saison fast ohne Pause ein Formknick nachzusehen wäre, da wundert es schon, wie wenig souverän er derzeit auf dem Platz unterwegs ist.
4. Wenn Hütter heute auf die Dreierkette mit Bensebaini verzichtet hat, also die im Moment letzte verbliebene echt Innenverteidiger-Kombination - bedeutet das, dass er weiter auf die klassische Viererkette setzt? Es könnte sein. Zumal er die "Rose-Variante" mit Zakaria in der Innenverteidigung nicht als Option zu sehen scheint. Dafür gibt es allerdings allein durch die Lage im zentralen Mittelfeld auch weitere handfeste Gründe. Zum einen harmonieren Zak und Koné sehr gut, zum anderen fehlt der verletzte Kramer als mögliche Option, während Neuhaus in der momentanen Verfassung keine Alternative darstellt und auch Laci Benes beim Trainer seit Wochen keine Einsatzzeit mehr bekommen hat. Hinter der relativ eingespielten ersten Elf warten also mehr oder weniger formschwache Spieler und welche mit wenig Spielpraxis in dieser Saison. Das kann gutgehen - ideal ist es gleichwohl nicht.
Gladbach hat ohne Frage einen hervorragend besetzten Kader. Aber schon ein paar Verletzungen und Formtiefs können auf zentralen Positionen für Engpässe sorgen, die gegen einen stärkeren Gegner als Bochum teuer werden können.
5. Insgesamt sieht man allerdings auch an dem heutigen Spiel, dass die Entwicklung der Mannschaft vorangeht. Sie erzwingt Ballbesitz, verwaltet ihn gut, setzt das Tempo und findet kreative Lösungen auch im Passspiel auf engem Raum und gegen aggressive Gegner - solange sie das Tempo hoch hält und nicht in den bequemeren Passverwaltungsmodus schaltet. Dass sie den Vorsprung, den sie durch nachlässiges Spiel in der letzten halben Stunde selbst gefährdet hatte, heute am Ende mit Glück und Geschick doch verteidigen konnte, wird weiter Auftrieb und Selbstbewusstsein geben.
Zumal Spieler wie Ginter und Hofmann in den Interviews nach dem Spiel auch eine sehr gute selbstkritische Analyse lieferten. Es scheint, als setze sich hier unter Hütter langsam ein Puzzle zusammen. Es wäre schön, wenn das Team das gegen Mainz am Freitag gleich bestätigen könnte.
Ein Satz noch zum Unparteiischen: Tobias Reichel überzeugte mich mit einer sehr guten Körpersprache, klaren Ansagen gegenüber den Spielern und einer richtig guten Zweikampfbewertung. Auch deshalb war das VfL-Duell wohl ein insgesamt sehr verträgliches ohne große Aufreger. Top!
Bundesliga, 10. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - VfL Bochum 2:1. Tore für Borussia: 1:0 Plea, 2:0 Hofmann.
Saisonspende: Zu den 59
Euro kommen heute zwei für die beiden siegbringenden Tore dazu - neuer Stand: 61 Euro.
Folgendes gilt für die Saison 2021/22: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal: 1 Euro. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 121 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.