2019-08-31

Näher dran denn je

Kann man nach einer Niederlage zufrieden sein? Nach einer erneuten Heimpleite gegen das eklig erfolgreiche Projekt aus Leipzig, bei der dann auch noch Timo Werner alle drei Tore geschossen hat?

Natürlich kann man damit nicht zufrieden sein. 
Es nagt wohl an jedem Gladbach-Fan, dass der Sieglos-Fluch gegen die (schon zweite federführend von Ralf Rangnick hochgezogene) Vereinsimitation weiter andauert. Dass es am Ende nicht gereicht hat, obwohl deutlich mehr drin war. Wieder einmal. Es nervt und es ist enttäuschend.

Dennoch bin ich nach dieser Partei recht positiv gestimmt. Denn es war ein mutmachendes Spiel des VfL gegen eine der drei Topmannschaften der Liga. Diese Leistung zu diesem frühen Zeitpunkt in der Saison: Damit kann ich gut leben. Der Freitagabend-Auftritt war im Vergleich zum Mainz-Spiel jedenfalls in allen Belangen um Welten besser - bis auf die Chancenverwertung eben. Leipzig musste defensiv sehr viel investieren, um Gladbach von Gulacsis Tor wegzuhalten. Dennoch kam Borussia zu erstaunlich vielen guten Abschlüssen, selbst wenn der eine oder andere das Tor deutlich verfehlte.

Das Anlaufen und Pressen des Gegners war wesentlich effektiver als zuletzt. Die vielen Balleroberungen und das schnelle druckvolle Spiel nach vorne forderte RB über die gesamte Spielzeit. Nur kurz vor der Halbzeit und in den zehn vielleicht vorentscheidenden Minuten nach der Pause verlor Borussia den Zugriff und ließ Leipzig zu einfach gewähren.

Auch wenn immer noch viele "letzte" Pässe oder Flanken nicht ankamen: Das "blinde Verständnis" zwischen den Spielern wächst - vor allem zwischen Embolo, Thuram und Plea - und die Passgenauigkeit verbessert sich von Mal zu Mal. Die Variabilität und Geschwindigkeit im Spielaufbau - nach vorne wie nach hinten - hatte heute zum ersten Mal über längere Strecken der Spielzeit ein Format, das nicht nur erahnen lässt, was Marco Rose will.

Es war vielleicht unglücklich, dass ausgerechnet Leipzig der Gegner war - genau das Team, das dieses Spiel wohl in der Bundesliga mit am besten beherrscht und über Jahre mit einem relativ gleichbleibenden Kader einüben konnte. Doch für diese Umstände war die Gladbacher Antwort darauf schon richtig gut. Es wäre spannend zu sehen, wie diese Partie ausgegangen wäre, wenn sie vielleicht zwei Monate später stattgefunden hätte. Aber das ist Spekulation. Fakt ist, dass es gestern noch nicht gereicht hat.

Das hat Gründe, die man ziemlich genau eingrenzen kann. Das Spiel, das hat jeder gesehen, ist in erster Linie durch individuelle Fehler in die falsche Richtung gekippt. Denn alle drei Gegentore wären durch ein geschickteres Verhalten vermeidbar gewesen. 
Und diese Fehler sind letztlich auf Konzentrationsschwächen zurückzuführen, was wiederum auch damit zu tun haben kann, wie sehr sich beide Teams gegenseitig auf dem Platz über die gesamte Spielzeit gestresst haben. 
Heute sah Matze Ginter mehrfach schlecht aus. Die seltsame Fehleinschätzung beim missratenen Kopfball, der Werner das 3:1 ermöglichte, könnte auch der Müdigkeit geschuldet sein. Beim 0:1 muss er aber einfach cleverer in den Zweikampf gehen. Werner blockiert zwar geschickt Ginters Bein, als der den Ball spielen will, aber auch nicht so, dass man das als Foul hätte werten können. Das war einfach nicht gut genug in dieser Szene.

Auch beim 0:2 kann Werner nach dem Gladbacher Ballverlust zu leicht in den freien Raum starten. Dass er dann kaum noch einzuholen ist, weiß jeder. Und auch ein großartiger Yann Sommer kann an einem solchen Tag eben nicht alles herausfischen. Aber hier im Verbund besser zu stehen, das ist eine der Aufgaben, die eben nicht mit zwei oder drei Trainingseinheiten perfekt einzustudieren sind. Da kommt es stark auf das Erkennen der Situationen bei allen Spielern an, die sich in der Nähe des Ballführenden befinden.

Das wäre alles aber auch nicht schlimm gewesen, wenn der VfL vorne seine Chancen mit der gleichen Kaltschnäuzigkeit genutzt hätte. Es gab sicher genauso viele und genauso gute Möglichkeiten auf Gladbacher Seite wie auf der der Gäste. Der Unterschied war, dass Borussia sie alle gegen einen defensiv geordneten Gegner herauskombinierte, wohingegen Leipzig in der ersten Halbzeit kaum klare Torchancen hatte - und die guten erst dann, als Zakaria und Co. nach dem Rückstand deutlich risikofreudiger nach vorne spielen musste und die preisgegebenen Räume größer wurden. 
Daran zeigt sich allerdings auch, dass Borussia grundsätzlich in der Defensive schon wieder relativ stabil geworden ist.


Dennoch: Der couragierte und über weite Strecken auch fußballerisch und taktisch ansprechende Auftritt macht Lust auf mehr. Der Borussia Park war angesichts des "fighting spirit", der heute herrschte, auch merklich besser drauf als in der Vorsaison. Das lässt hoffen, auf eine sich gegenseitig anfeuernde Gemeinschaft aus Fans und Spielern, auf eine Atmosphäre, die den Gegner einschüchtern kann und in der auch alte Haudegen wie Oscar Wendt nochmal alte Tugenden ausgraben und die Kurve mit guten Grätschen zum Beben bringen. 

Wenn man sieht, wie sich ein Stefan Lainer über 95 Minuten reinhaut, wie ein Breel Embolo, Alassane Plea oder auch der unverwüstliche Denis Zakaria Bälle schleppen und immer wieder anrennen, dann freut mich das nicht nur beim Zuschauen. Es ist die Basis, um die Fans mitzunehmen und zu begeistern, wie es Marco Rose ja früh als wichtiges Ziel ausgegeben hat. 
Und was vor und nach dem Anschlusstreffer abging, das hatte auch vom Fernseh-Eindruck schon wieder etwas Magisches. Der Borussia Park lebt, die Mannschaft lebt und nur gemeinsam können wir auch etwas erreichen, zum Beispiel ein solches Spiel umbiegen. Diesmal hat das fast geklappt, ein Punkt wäre absolut verdient gewesen. 
Aber wir sollten keine Zeit verschwenden, über verlorene Punkte zu nörgeln. Alle Kraft muss nach vorn gehen, nicht allein, weil als nächstes das Derby ansteht, bei dem die gleichen Tugenden wie heute gefragt sein werden. 

Und wenn ich mir die Jungs anschaue, die in der Startelf stehen genauso wie die, die reinkommen oder noch darauf warten: Wir haben da echt einen sympathischen, talentierten Haufen, der füreinander läuft und unermüdlich zu arbeiten bereit ist. Der sich gemeinsam freut, wenn es klappt. Und der gemeinsam versucht, Fehler von einzelnen gemeinsam wieder zu reparieren. Wir Fans können das von den Rängen noch unterstützen. Auch das ist nicht immer leicht. Aber wir wissen auch, dass sich das für diese Mannschaft und diesen geerdeten Trainer lohnt.


Noch etwas in diesem Zusammenhang: Ich bin ja kein Freund von den ewig gleichen angeblich kreativen Protestaktionen gegen RB - zumindest wenn sie mit stumpfem Pfeifen zu tun haben, weil mich das selbst aggressiv macht. Ich fand es auch heute nicht schön und war froh, als es vorbei war.

Allerdings hatte der Stimmungs- und Lautstärke-Wechsel bei Ballbesitz aus meiner Sicht zumindest eine coole Wirkung. Korrigiert mich, wenn ihr im Stadion wart und es anders wahrgenommen habt, denn natürlich machen einen die ständigen Pfiffe kirre. Aber die Entschlossenheit im Spiel und auf den Rängen schien mir in diesen ersten 19 Minuten noch etwas stärker zu sein als danach (mit Ausnahme der Schlussphase). 
Vielleicht lässt sich ja etwas finden, was den Support bei Ballbesitz auf ähnliche Weise in Lautstärke umwandeln kann. So wie ich es damals beim Spiel in Glasgow wahrgenommen habe. Da hört man bei jedem Ballbesitz, dass die Celtic-Fans die Mannschaft unentwegt mit vielen Dezibel nach vorne peitscht. Das würde dem Borussia Park gut stehen, finde ich. Denn nach den 19 schrillen Minuten wirkte der Standardgesang dann oft schon wieder etwas lahm und ist viel schwieriger aufrechtzuerhalten, vielleicht auch, weil er längst nicht so situationsbezogen ist wie ein Ballbesitzwechsel-Cheering. 


P.S. Den schon geschriebenen Absatz zum Schiedsrichter-Gespann um Sven Jablonski habe ich hier wieder rausgenommen. Ich war zwar mit einigem nicht einverstanden (Gelbe Karten, Gleichbehandlung der Teams, zu frühes Abseitswinken, grober Fehler bei nicht gegebenem Eckball kurz vor Schluss). Allerdings hat das nicht wirklich Einfluss auf das Endergebnis gehabt. Da stand sich Borussia in den entscheidenden Szenen einfach - vorne wie hinten - öfter mal selbst im Weg. Und Borussia ist ja mein eigentliches Thema - ich muss ja nicht immer dazu auch noch eine Schiri-Kritik verfassen. 
In diesem Sinne, genießt die lästige Länderspielpause. Hoffen wir, dass es gegen K*** wieder mit diesem Geist und etwas mehr Präzision weitergeht. Dann klappt's auch mit den Nachbarn, wenn Ihr versteht, was ich meine.



Bundesliga 2019/20, 3. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Rote Brause Leipzig 1:3 (Tor für Borussia: 1:2 Embolo)

2019-08-24

Handlungsschnell ins Glück

Hui, ein bisschen stolperig, aber auch der zweite Schritt in die Saison ist gelungen. Der VfL startet mit vier Punkten aus zwei Spielen und das ist das, was in ein paar Wochen noch übrig sein wird an Erinnerungen an das Auftaktprogramm gegen Schalke und Mainz. Doch dazu später mehr.

Da ich mich ja oft genug mit Schiedsrichtern beschäftige, deren Leistung mir nicht gefallen hat, will ich heute die lobenden Worte für Martin Petersen auch mal an den Anfang stellen. Es gelang ihm heute, ein sehr umkämpftes Spiel mit durchaus vielen Fouls sehr gelassen, souverän und ohne nennenswerte Fehler zu pfeifen. Die großzügige Linie bei Zweikämpfen hielt er auf beiden Seiten ziemlich gerecht durch. Die Verwarnungen gingen in Ordnung und auch bei den paar kniffligen Situationen, in denen vor allem Mainzer Spieler im Strafraum zu Boden gingen, lag er in Echtzeit richtig.

Dass das Spiel dennoch oft nicht besonders ansehnlich war, weil in außerordentlich vielen Zweikämpfen "Handarbeit" Trumpf war, war nicht sein Fehler. Es wurde für meine Begriffe heute besonders intensiv geklammert, gezogen und am Gegner gerissen. Und leider war Borussia darin noch etwas aktiver als die Gastgeber. 
Das Halten des Gegners wird ja meist dann nötig, wenn Fehler in der Ballannahme, im Stellungsspiel oder im Zweikampf ausgebügelt werden müssen. Und da sind wir schon mitten in der Analyse. Denn Fehler hat das Team um (die erneut nahezu fehlerlose Nummer eins) Yann Sommer heute eindeutig zu viel gemacht. Der Spielaufbau funktionierte nur phasenweise - und das waren eher wenige Phasen. Häufiger sorgte das hohe Pressing des Karnevalsvereins für leichte Ballverluste oder gar panikartiges Ballwegschlagen. Ein Leckerbissen war so nun wirklich nicht zuzubereiten. Allerdings zeigte Mainz ähnliche Schwächen, wenn es mal schnell nach vorne ging. 
Das Spiel war daher fußballerisch deutlich schwächer als die Partie gegen Schalke. Doch während der Gegner der vergangenen Woche seinen Defensivverbund bis zum Schluss dicht hielt, gelang das den Mainzern nicht. Das lag allerdings nicht an einer spielerischen oder konditionellen Überlegenheit der Gladbacher. Denn es war ein insgesamt ausgeglichenes Spiel. Borussia hatte beim Zustandekommen der ersten beiden Tore heute schlicht mehr Schwein. 


Aber der Sieg war eben auch nicht nur Glücksache. 
Und das ist das, was sich neben den wichtigen drei Punkten als gute Erkenntnis aus diesem Spiel mitnehmen lässt. Denn an der Basis aller drei Tore stand ein wichtiges Utensil erfolgreicher Mannschaften: Handlungsschnelligkeit. Beim Ausgleich war es Florian Neuhaus mit dem schnell ausgeführten Freistoß, dann der heute wieder sehr starke Laszlo Benes mit seinem guten Laufweg und dem Luftzweikampf, in dessen Verlauf der Ball etwas glücklich zu Plea und dann zum Torschützen Stefan Lainer kam, der ebenfalls schneller schaltete als seine Gegner.
Vor dem 2:1 war es Breel Embolo, der den Freistoß rausholte, indem er bei seinem Weg durchs Mittelfeld plötzlich die Lücke erkannte, ganz durchzulaufen. So war er nur noch durch ein Foul zu stoppen.

Und beim 3:1 waren es Embolo, Neuhaus und Plea, die mit wachem Kopf einen der besten Gladbacher Konter des ganzen Jahres kreierten. Da hatte Mainz in allen drei Szenen im entscheidenden Moment nichts gegenzusetzen.
Nicht zu vergessen, dass beim VfL auch im Tor ein sehr aufmerksamer Kapitän steht, der so manchen Patzer reparieren kann, wie Lainers Aussetzer mit dem schlimmen Ballverlust kurz vor der Halbzeit.

Dass in der Mannschaft vor allem fußballerisch noch erheblich mehr schlummert, dürfte jedem klar sein. Da ist Marco Rose noch ziemlich weit entfernt vom Idealzustand. Allerdings ist auf das Korsett bereits Verlass, und zum Glück reichte das am Anfang der Saison gegen zwei nicht zu unterschätzende Teams zu einem ungeschlagenen Start. Es könnte also schlechter aussehen. 
Natürlich darf man nicht ausblenden, dass gerade heute das Glück in manchen Szenen eher die Raute geküsst hat als das gegnerische Wappen. Dafür muss man sich nicht entschuldigen, man muss es nur richtig einordnen. Es wird auch Spiele geben, da fällt dem Gegner der Ball so vor die Füße wie heute Stevie Lainer. 

Andererseits gehört zur Wahrheit auch, dass in Jonas Hofmann und Strobl/Kramer wichtige Figuren in der Raute fehl(t)en und Zakaria es als Ersatz auf der Sechs richtig gut macht. Dennoch glaube ich, dass er auf der Acht noch effektiver sein wird. 
Es lässt sich festhalten, dass wir einen ganz starken Torwart und eine schon ziemlich robuste und widerstandsfähige Abwehrreihe haben. Die Innenverteidiger haben ihre Anfangsnervosität überwunden. Oscar Wendt zeigt, dass er seinen Platz nicht kampflos räumen wird und für mich spielt er gerade stärker als in jedem Spiel der gesamten letzten Saison. Lainer überzeugt durch seine Physis und gute Flanken, die leider aber noch zu selten eigene Spieler erreichen. Nach hinten merkt man ihm bisweilen noch an, dass er aus einer "langsameren" Liga kommt; auch an der Passpräzision muss er noch feilen.
Die Stürmer und Flo Neuhaus arbeiten hart, aber oft noch umsonst, vor allem, wenn es um das hohe Pressing geht, da klappt der Zugriff noch nicht wie gewünscht. Wie gut ist es da, wenn man den Sieg von der Bank einwechseln kann wie mit dem frischen Embolo heute. 
Einziger "Verlierer" heute war für mich Fabian Johnson. Er rackert zwar unermüdlich, doch insgesamt merkt man ihm schon an, dass ihm die vielen harten Zweikämpfe nicht schmecken, denen er auf der Achterposition nicht entkommen kann. 
Wenn Kramer nun wieder fit ist, könnte es sein, dass er nächste Woche rausrotiert wird. Denn Benes, Zakaria und Neuhaus sollten im Mittelfeld gesetzt sein. Das bedeutet auch, dass sich in Raffael, Herrmann und Traoré weitere namhafte Spieler erstmal hinten anstellen müssten. 
Dass es in der Mannschaft trotz der großen Konkurrenz stimmt, war allerdings auch heute wieder zu beobachten. Vor allem nach dem 3:1 von Embolo, als gefühlt alle Gladbacher auf dem Spielfeld und von der Bank zur Eckfahne rannten, um den leidgeprüften Schweizer zu herzen. Das war für mich definitiv die schönste Szene eines spielerisch-stressigen, aber gelungenen Fußball-Nachmittags. So kann es doch weitergehen, oder?  

Bundesliga 2019/20, 2. Spieltag: FSV Mainz 05 - Borussia Mönchengladbach 1:3 (Tore für Borussia: 1:1 Lainer, 1:2 Plea, 1:3 Embolo)

2019-08-17

Besser als die Null

Gut, ein 0:0 zum Bundesliga-Auftakt in einem Heimspiel ist nicht das Ergebnis, auf das man sich eine Sommerpause lang gefreut hat. Angesichts der Leistung der neuen Borussen-Elf wäre ein Sieg heute sicherlich auch verdienter gewesen. Doch die Leistung des kämperisch überragenden Stefan Lainer und seiner nicht weniger engagierten Kollegen lässt mich zufrieden meine erste Spielbilanz niederschreiben. Denn die war erheblich besser als es die Nullen auf dem Spielbogen nahelegen.

Der Grund dafür ist einfach: Gegenüber den Testspielen und dem Pokalspiel in Sandhausen präsentierte sich der VfL auf allen Baustellen deutlich sicherer und verbessert. Defensiv erstickten die zuletzt etwas unsicheren Elvedi und Ginter sowie die beiden Außenverteidiger (nicht nur Lainer, sondern auch ein sehr konzentrierter Oscar Wendt) nahezu alle Schalker Möglichkeiten schon im Keim. Die Gäste kamen durch Raman in der ersten sowie Burgstaller und Caligiuri in der zweiten Halbzeit letztlich zu genau drei passablen Torchancen. Sie alle verfehlten dabei jeweils das Tor aber deutlich, sodass Yann Sommer einen relativ ruhigen Abend verbrachte. Wäre Schalke in Führung gegangen, hätte es ein hässliches Spiel werden können. So aber war es eine sehr solide und souveräne Defensivleistung der Borussia. Das macht Mut.  

Offensiv gab es Licht und Schatten. Schalke präsentierte sich mit Ausnahme des neuen Trainers David Wagner gewohnt unsympathisch - fröhlich im Austeilen, weinerlich im Einstecken, verschwenderisch im Zeitspiel - und verlegte sich im Verlaufe des Spiels immer stärker auf jene unerquickliche Mauertaktik, mit der die Mannschaft unter Tedesco vor zwei Jahren relativ unverdient Vizemeister geworden war. Das sorgte nach einer ausgeglichenen Anfangsphase zwar für ein deutliches Ballbesitzplus für Gladbach. Daraus machte Marco Roses Mannschaft aber unter dem Strich zu wenig.

Was richtig gut war, waren viele erzwungene Ballergewinne tief in der Schalker Hälfte. Da war die Idee des Rose-Fußballs schon gut erkennbar. Viel besser war das Verhalten der gesamten Mannschaft in der Rückwärtsbewegung. Gut war auch, dass dabei deutlich weniger Fouls unterliefen als in den Spielen zuvor.

Zu oft fand der entscheidende letzte Pass am und in den Strafraum aber noch keinen Adressaten. Die Abstimmungsschwierigkeiten sind noch unübersehbar. So schlug Lainer schon klasse Flanken in den Strafraum, und aus dem Mittelfeld kamen viele ambitionierte Steilpässe. Allein zum Torschuss oder der kontrollierten Verwertung solcher Bälle reichte es zu selten. Deshalb hatte Borussia am Ende zwar die erheblich besseren Einschusschancen als der Gegner (zweimal Plea inklusive Pfostentreffer, Thuram, Raffael), aber eben auch nicht viel mehr Hochkaräter auf dem Konto.

Es braucht also noch einiges an Feinarbeit, bis im Spiel nach vorn die Rädchen reibungslos ineinandergreifen. Aber das muss man dem Team und dem Trainer zugestehen, das dauert einfach seine Zeit. 
Zumal die personellen Voraussetzungen heute auch noch nicht optimal waren. Sowohl Embolo als auch Thuram sind konditionell noch lange nicht bei 100 Prozent. Gerade der Franzose pumpte schon in der ersten Halbzeit zeitweise ganz schön, nachdem er viele Pressingläufe tief in der Schalker Hälfte hinter sich hatte. Wenn die beiden aber voll im Saft stehen, kann dieses Trio eine richtige Waffe werden. Heute zeigten aber auch Johnson, Raffael und kurz vor Schluss Traoré, dass sie sich nahtlos einfügen können.
Durch den Abgang von Cuisance (kein Wort mehr dazu von mir, hoffe ich) und die Ausfälle von Kramer, Strobl und Hofmann wurde vor diesem Spiel leider unerwartet das wirklich gut besetzte zentrale Mittelfeld erheblich ausgedünnt. 
Dadurch war Denis Zakaris auf der Sechser-Position defensiver gebunden als zuletzt, und für Laci Benes war es das erste Spiel in dieser personellen Konstellation. Beide lösten ihre Aufgabe aus meiner Sicht sehr, sehr anständig und kompromisslos. Bei Benes blitzt auch schon wieder die Torgefahr auf, die ihn ganz am Anfang seiner Zeit in Gladbach schon einmal gezeigt hatte. Damit hat er möglicherweise dem spielerisch etwas stärkeren Florian Neuhaus noch etwas voraus. 

Unter dem Strich überwiegt in meinen Augen ohne Zweifel an diesem Samstagabend das Positive. Eine Grundstabilität ist erreicht, auch das zweite Pflichtspiel zu Null absolviert. Nun kommt es darauf an, die Genauigkeit im Spiel nach vorn und beim Torschuss zu verbessern. Wie schnell das geht, muss abgewartet werden.

Am meisten musste ich mich ohnehin heute über die schwachen Leistungen vom neuen Sky-Dampfplauderer Buschmann (ich glaube immer, ich bin im Fifa-Computerspiel gelandet) und dem angeblichen Spitzenschiedsrichter Dr. Felix Brych ärgern. Letzterer ignorierte konsequent die vor der Saison noch einmal ausdrücklich kommunizierte Möglichkeit, nach Fouls weiterspielen zu lassen und Akteure bei der nächsten Spielunterbrechung zu verwarnen. Das ersparte Schalke drei bis vier Gelbe Karten, von denen eine gegen Stambouli schon in der ersten Hälfte zu Gelb-Rot geführt hätte. Einmal unterbrach er dafür entgegen der Regelhüter-Empfehlung einen Gladbacher Konter, um Caligiuri für ein taktisches Foul zu bestrafen. 
Ansonsten gab es traditionell Grund, sich über eine Reihe von Zweikampf-/Foulbeurteilungen zu ärgern, wobei er da durchaus beide Teams benachteiligte. Da am Ende nichts Spielentscheidendes dabei war, konnte ich mich wenigstens nach Spielschluss schnell wieder entspannen. 

Zur Stimmung im Stadion will ich heute noch nicht viel sagen, weil das vor dem Fernseher täuschen kann. Allerdings hat die "Seele" als Einlaufhymne heute für mich leider schon einen großen Nachteil offenbart. Denn sie ist von einem gut gefüllten Gästeblock wie den Schalkern heute leicht zu stören. Aber da fehlt vielleicht auch einfach noch ein bisschen Textsicherheit außerhalb der Nordkurve und mehr Power insgesamt beim Intonieren. 

Nun schaue ich aber erst mal gespannt darauf, wieviel Borussia vielleicht bis nächste Woche in Mainz noch draufpacken kann. Und darauf freue ich mich nach dem heutigen hoffnungsvollen Auftritt schon.

Bundesliga 2019/20, 1. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - FC Schalke 04 0:0

2019-08-10

Durchatmen, Haken dran

Puh. Das war ein harter Abend zum Saisonauftakt. Erst die Unwetterunsicherheit, der verspätete Anpfiff, ein klatschnasser Platz und ein Gegner, der selbst in aussichtslosen Spielsituationen keinerlei Rücksicht auf die eigene und die Gesundheit des Gegners zu nehmen bereit war. Am Ende steht - nach ungefähr 100 umkämpften Minuten - das knappste aller Ergebnisse auf der Habenseite des VfL. 
Und obwohl der Zweitligist für meinen Geschmack Borussias Schwächen viel zu oft und zu deutlich aufzeigte und man sich daher auch über einen anderen Spielausgang nicht hätte beschweren können, bin ich mit diesem ersten Schritt in die Saison ziemlich zufrieden.


Das hat zum einen damit zu tun, dass ich glaube, dass keine Borussia-Startelf der vergangenen vier Saisons diesen Charaktertest heute bestanden hätte. Na klar, niemand durfte erwarten, dass der Erstligist in dieser Konstellation mal schnell über den klassentieferen Gegner hinwegfidelt. Sandhausen hat zwar nicht die ganz große Klasse, um zum Beispiel um den Aufstieg mitzuspielen. Dennoch ist es ein berüchtigter Gegner, vor allem im eigenen Stadion.
Und einer, der anderen alles abverlangen kann.
Die Borussias der vergangenen Jahre wären aber vielleicht dennoch nicht in der Lage gewesen, ausreichend gegenzuhalten - weil es ihrem Spiel überhaupt nicht entsprach.

Der Sieg heute war ein Sieg des Willens und der richtigen Einstellung. Sicher nicht schön, aber ehrlich erkämpft (auch wenn Sandhausens Präsident da seine deutlich abweichende Meinung exklusiv für sich hatte). Gegen einen bekannt kampfstark bis ruppigen Gegner, der schon zwei Wettkampfwochen voraus ist,  bis zum ende erfolgreich gegenzuhalten, und das auf einem kräfteraubenden Boden - darauf darf man stolz sein.
 
Ich habe ein paar vielversprechende Angriffskombinationen gesehen, in den Neuzugängen Embolo und Thuram zwei Spieler, die uns richtig Wumms nach vorne verleihen können - zusammen natürlich mit dem leichtfüßigeren Alassane Plea, der auch heute wieder eine erstaunliche Frühform zeigte und dafür mit jeder Menge Tritten des Gegners bestraft wurde. 
Nach Hofmanns Ausscheiden, der viele Angriffe von der Linksverteidigerposition aus startete, änderte sich die Spielstruktur, leider zum schlechteren. Embolo, der für ihn reinkam, ist ein ganz anderer Spielertyp, und auch Fabian Johnson, der die linke Achterposition wenig später übernahm, hat bei weitem nicht die Spielmacherqualitäten wie Hofmann. Weil auch Neuhaus selten in die richtigen Räume kam, bekam Borussia kaum noch sauber aufgezogene Spilzüge aus der eigenen Hälfte hin. Unter Druck verlegte man sich wieder einmal auf lange Bälle, die schnell wieder zurück kamen. Das wird Marco Rose sicher nicht geschmckt haben.

Die schwache Passquote kann man bei solchen äußeren Bedingungen beiseite lassen. Relevanter ist da schon die dünne Zweikampfquote von defensiven Schlüsselspielern wie Ginter (50 Prozent), Elvedi, Wendt (je 42) und Lainer (38). Allerdings muss man zugeben, dass die wuchtigen Sandhausener Spieler bei den vielen langen Bällen schwer zu verteidigen sind. Und letztlich gelang es doch immer wieder, im Verbund mit dem hellwachen Yann Sommer die Bälle zu klären. Auch wenn das oft nicht sehr souverän aussah.    

Entscheidend war gestern nur das Weiterkommen. Das hat die Mannschaft sich verdient, auch wenn hier und da ein bisschen Glück dabei war. Natürlich gab es einiges zu sehen, was man sich gegen Schalke am nächsten Samstag nicht leisten darf. Dazu gehört das unentschlossene Pressing in manchen Situationen, was dem Gegner gefährliche Lücken offenbart, die er in seinem Spiel nach vorn nutzen kann. Genauso verfiel man in der zweiten Halbzeit zeitweise wieder in alte Muster, zirkulierte den Ball zu langsam in den eigenen Reihen und verpasste damit einige Chancen für überraschende Pässe für die gut in die Spitze startenden Stürmer. Ich verzichte aber darauf, das hier im einzelnen zu sezieren, weil die Partie in Sandhausen einfach unter sehr ungewöhnlichen Bedingungen stattfand. Im Vordergrund steht, dass unter das Erreichen der nächsten Runde im DFB-Pokal ein Häkchen gemacht werden kann. Und das gegen den sicher unbequemsten Gegner, den man als Bundesligist in der Auftaktrunde bekommen konnte und unter Leitung eines Schiedsrichter-Gespanns um Robert Hartmann, das nicht immer (vor allem in der Schlussphase) auf der Höhe war, aber zum Glück keine spielentscheidenden Fehler machte. 


DFB-Pokal 2019/20, 1. Runde: SV Sandhausen - Borussia Mönchengladbach 0:1 (Tor für Borussia: 0:1 Thuram)

2019-08-07

Vorfreude und ein kleines bisschen Angst

Ein paar Stunden noch, dann gilt's - die neue Saison steht unmittelbar vor der Tür. Und wer jetzt vorhersagen kann, wie Borussia in die neue Spielzeit startet, hat meine volle Hochachtung.

Ich kann es beim besten Willen nicht, allen Testspieleindrücken zum Trotz. Ich erwarte einen harten Kampf im Pokal gegen einen gefährlichen und giftigen Gegner aus der zweiten Liga. Und ich erwarte einen schwierigen Bundesliga-Start, der mit dem nötigen Quäntchen Glück ähnlich erfolgreich sein könnte wie der in der vergangenen Saison. Der aber auch voll in die Hose gehen könnte.

Um die Offensive mache ich mir dabei wenig Sorgen, auch wenn neben dem schon im vollen Saft stehenden Alassane Plea die beiden wuchtigen Sturmkandidaten Breel Embolo und Marcus Thuram noch nicht fit sein dürften für 90 Minuten. Ich könnte mir daher vorstellen, dass Patrick Herrmann gute Chancen haben könnte, gegen Sandhausen in der Startelf zu stehen. Davon abgesehen ist der VfL offensiv mit Hofmann, Neuhaus, Zakaria, Cuisance und Raffael so durchsetzungsfähig besetzt, dass man gegen jede gegnerische Defensive Lösungen finden kann.

Doch es gibt einige Punkte, die die Mannschaft in den Testspielen noch nicht oder nur phasenweise zufriedenstellend lösen konnte. Natürlich lässt sich da nicht einfach ein Schalter umlegen und alles funktioniert plötzlich. Aber es sind die Baustellen, die über einen guten Start in die Saison oder einen Fehlstart entscheiden.

1) Die Rückwärtsbewegung bei Ballverlusten oder dann, wenn der Gegner das VfL-Pressing mit langen Bällen überwinden kann. Das kollektive Verteidigen in solchen Situationen war schon unter Hecking oft fehleranfällig, viele Gegentore entsprangen solchen Situationen. Unter Rose stört Borussia oft noch früher, steht noch höher und hat dadurch längere Wege nach hinten, wenn es brennt. Die Probleme mit solchen Gegenangriffen waren in allen Testspielen unübersehbar. Das Gute ist, dass das Team daran kontinuierlich arbeitet und die Automatismen zunehmend greifen werden. Dennoch bleibt hier ein nicht geringes Risiko. Sandhausen wird unserem Team da richtig auf die Zähne fühlen.

2) Wie gefestigt ist der VfL mental bei Rückschlägen? Marco Rose hat deutlich gemacht, dass er dem Team das Selbstvertrauen und den Glauben an sich selbst und die eigenen Fähigkeiten einimpfen will. Das ist entscheidend, wenn ein Pressing schiefgeht und etwa in einen Rückstand mündet. Ist dann der Wille und das Vertrauen da, dennoch genauso weiter zu spielen oder zieht sich die Mannschaft dann auf das vermeintlich sichere (aus der Vorsaison noch eingeübte) Ballbesitzspiel zurück? So war es etwa phasenweise gegen Angers und Bilbao, als lange gar nichts passierte, weil der Ball mehr oder weniger zirkulierte und der Gegner durch geschicktes Verschieben in der Defensive den Borussenstürmern jede Stärke nahm.
Ich bin gespannt, wie Elvedi und Co damit in den ersten Pflichtspielen umgehen. Denn mentale Stärke ist in der Mannschaft ohne Zweifel vorhanden. Doch es kommt noch mehr als vorher darauf an, auch die Schritte mehr zu laufen, die richtig wehtun - weil man vollends überzeugt ist, dass man genau darüber letzten Endes auch zum Erfolg kommen wird.

3) Der Zugriff in der Abwehr. Ginter und Elvedi, aber auch Tobi Strobl oder Stefan Lainer wirkten in einigen Spielen nicht so fokussiert, verloren relativ viele entscheidende Zweikämpfe. Auf diese Sicherung muss sich Borussia im Rose-Offensiv-Modus aber mehr denn je verlassen können. Denn auch wenn Yann Sommer schon wieder in blendender Verfassung ist: Alles kann selbst er nicht halten.

4) Die Foul-Quote. Aggressiv zu Werke gehen und Bälle erobern, ohne zu viele Fouls zu ziehen - das ist ein Schlüssel zum Erfolg unter Marco Rose. Borussia verursachte in den Vorbereitungsspielen für meinen Geschmack viel zu viele vermeidbare Fouls. Die sind zwar meist nicht böse und auch kaum taktischer Natur. Aber wir alle wissen, wie wenig berechenbar mancher Schiedsrichter in der Liga ist. Oft reicht die reine Häufung von Fouls - gerade bei den zentralen Mittelfeldspielern -, um sie zu verwarnen und damit zu einem Teil auch aus dem körperbetonten Spiel zu nehmen. Das muss nicht sein.

5) Konzentration auf schnörkelloses Spiel. Borussia hat in der Vorbereitung eine Reihe toller Tore erzielt. Vor allem gelang das dann, wenn ganz einfach gespielt wurde. Paradebeispiel waren die beiden Tore gegen Chelsea, an denen jeweils Plea entscheidenden Anteil hatte. Viel ging zwischendrin aber auch ins Leere, weil die Laufwege nicht stimmten oder Dinge versucht wurden, die zwar schön aussahen, aber zu ambitioniert waren. Schnelle Pässe, klatschen lassen, einfache Laufwege und präzise Pässe in den Lauf sowie klare Abschlüsse, die nicht in gefährliche Gegenangriffe verwandelt werden können: Das klingt zwar selbstverständlich, ist aber in den Testspielen kein Selbstläufer gewesen. 

Ich bin wirklich gespannt, ob es in den ersten Spielen gelingt, all diese "Schwächen" sofort in den Griff zu bekommen. Die anderen Mannschaften schlafen ja schließlich auch nicht. Deshalb behalte ich erstmal meine leichte Skepsis bei, um mich hoffentlich positiv überraschen lassen zu können. Ich bin fest davon überzeugt, dass Marco Rose und sein Team der Mannschaft ihre Spielidee vermitteln können. Es könnte aber eben ein paar Spieltage dauern, bis alles ineinander greift. Und in der Bundesliga gibt es keine Gegner, die Schwächen bis dahin nicht rigoros ausnutzen wollten. 

Wie gelingt der Saisonstart also? Ich denke und hoffe, dass in der ersten Pokalrunde noch nicht Schluss sein wird, dann aber mit einem eher knappen Ergebnis und demr einen oder anderen Portion Sand im Getriebe. Das Auftaktprogramm in der Bundesliga ist mit Schalke, Mainz, Leipzig und K*** auch nicht ohne. Wenn Borussia da mit sechs Punkten (plus x) rauskäme (inklusive natürlich der drei Derby-Pflichtpunkte), wäre es nicht die schlechteste Ausgangsposition. 
Das ist defensiver, als es die Vorschusslorbeeren für das Team Rose und die ohne Zweifel durch die Neuzugänge merklich verstärkte Mannschaft vielleicht von außen erwarten lassen. 
Aber ich glaube, dass den meisten Gladbach-Fans durchaus klar ist, dass es auch unter diesen verbesserten Voraussetzungen nicht in Schallgeschwindigkeit von Null auf Hundert gehen wird. Geduld und Nachsicht sollte für die kommende Saison vielleicht sogar das wichtigste Utensil des VfL-Fans sein. 

Also: Auf eine gute Saison 2019/20! Die Seele brennt - egal wann sie gespielt wird!