2022-09-17

Ausgecoacht, abgekocht, zerkramert

Heißa, das hat Spaß gemacht! Hochverdient schießt Borussia den neuen Arbeitgeber des Vorvortrainers aus dem Borussia Park und zeigt dabei eine der reifsten Leistungen der jüngsten Vergangenheit.

Während Marco Rose bekannte Marco-Rose-Dinge machte, ersann das Trainerteam um Daniel Farke einen cleveren Weg, wie man dem Gegner trotz des noch immer ersatzgeschwächten Kaders doch das eigene Spiel aufzwingen könnte.
Ganz ehrlich: Die Lösung war pfiffig, unerwartet und genau nach meinem Geschmack. Da Nico Elvedi wieder fit war, musste Chris Kramer diesmal nicht mehr den Aushilfsinnenverteidiger geben. Dass Farke ihn aber von dort gleich als eine Art Zehner mit vielen Freiheiten neu einteilte, hätte sicher auch niemand von uns erwartet. In der defensiven Struktur hatte das vor allem den Vorteil, einen richtigen guten ersten Anläufer gegen die Leipziger Abwehr zu haben, der Marcus Thuram von dieser Aufgabe entlastete.

Dass Kramer, der diese Position ähnlich zuletzt wohl im WM-Finale 2014 kurzzeitig spielen durfte, trotz zweier Hofmann-Tore und einer Galavorstellung von Tikus wohl unangefochten Spieler des Spiels wurde, lag aber daran, wie gut er diese ungewohnte Rolle über 90 Minuten ausfüllte. 12,7 Laufkilometer zeigen an, dass er wie gewohnt überall auf dem Platz auftauchte, Lücken stopfte, aber auch aus einer höheren Position als sonst Angriffe mit inszenierte und sogar selbst gefährlich im Strafraum auftauchte - eine Rarität in den vergangenen Jahren.

Er war der heimliche Spielmacher und Taktgeber, und das, obwohl Borussia mit Julian Weigl und Manu Koné heute eigentlich schon zwei weitere Spielmacher auf dem Platz hatte. Mit dieser Flexibilität auf dem Platz kamen die Gäste zu keiner Zeit zurecht. Und vielleicht hatten sich sich auch davon blenden lassen, dass Borussia bisher zu den gemächlichsten Teams im Spielaufbau gehört hatte. Heute war das anders, da war viel Zug und Geschwindigkeit in Bällen und Läufen. Auch mehr Präzision in den Pässen. Und das macht dann auch den Unterschied bei dem, was am Ende auf der Anzeigetafel steht.

Man merkt von Spiel zu Spiel, dass diese Mannschaft zusammenwächst und verinnerlicht, für welchen Fußball sie stehen will, und diesen tragen die Spieler auch immer selbstbewusster ins Spiel - obwohl dank der Verletzungen fast jede Woche improvisiert werden musste. Bislang hatte das immer nur phasenweise geklappt, und Borussia verlor zeitweise auch etwas die Kontrolle über das Spiel. Heute nicht.

Und wenn ein Plan funktioniert, dann merkt man das auch Spielern an, die ab und an unwirsch und lustlos wirken, wenn es nicht so läuft. Marcus Thuram brennt wieder, er rennt und lacht und ist kaum zu stoppen. Aber auch Ramy Bensebaini hat seinen Spaß am Spiel zurück, wie er heute mit tollen Läufen und nicht zuletzt seinem technisch fein vollendeten 3:0 zeigte. Der Algerier ist einer der technisch besten Fußballer in diesem Kader. Und wird nicht ohne Grund immer wieder mit einem Wechsel in Verbindung gebracht. Doch in der Form dieser Tage wäre es ein Coup, wenn man auch ihn am Ende weiter in Gladbach halten könnte. Auch wenn das aktuell für Luca Netz keine gute Nachricht wäre.

Das ist aber Zukunftsmusik. Das Spiel heute war in jedem Fall eine Meisterleistung von A bis Z: von den Akteuren, taktisch und in der praktischen Umsetzung. Es gab kaum individuelle Fehler, die Mannschaft verteidigte klar und sicher und half und pushte sich in jeder Situation. Und sie spielte ihre Möglichkeiten nach vorne hervorragend aus. Der einzige Kritikpunkt ist, dass nicht noch zwei, drei Tore mehr auf die Anzeigetafel kamen. Und doch bleibt es ein Spiel, das zu diesem Saisonzeitpunkt und zu diesem noch immer frühen Stand nach der Verpflichtung eines neuen Trainers, eigentlich kaum perfekter hätte gespielt werden können.

Es ist, wie es ist: Marco Rose wurde mit seiner Mannschaft im Borussia Park so gut bespielt, dass auch personelle  Wechsel nichts an der Dominanz auf der einen und der Chancenlosigkeit der Leipziger auf der anderen Seite ändern konnten. Ketzerisch könnte man sagen, dass das ehemalige Trainerteam bis heute im Spiel keinen Plan B aufrufen kann, denn auch nach der Pause war außer fünf Minuten Strohfeuer mit einer guten Kopfballchance und ein paar Distanzschüssen nichts von RB zu sehen, was dieses Spiel noch in eine andere Richtung hätte kippen lassen können.

Man kann natürlich auch einfach sagen, dass Borussias Spielplan nichts anderes zugelassen hat. Das klingt und gefällt mir jedenfalls viel besser. Und angesichts dessen lässt sich genüsslich festhalten: Marco Rose wurde heute ganz fein ausgecoacht, abgekocht und zerkramert. 

 

Bleibt noch der Blick auf die Nebengeräusche. Nein, ich bezeichne niemanden als Hurensohn, das ist nicht mein Stil und deshalb stehe ich auch nicht hinter beleidigenden Plakaten, wie sie angesichts der Rose/Eberl/RedBull-Problematik heute in der Nordkurve auftauchten. Ich teile auch nicht den Brief des Fanprojekts, dem sich Sottocultura inhaltlich ja angeschlossen hatte.
Ich habe zum Thema Eberl vor einiger Zeit schon etwas geschrieben. Dabei bleibt es auch. Es ist bitter, ihn dort bald in Funktion zu sehen, zu Marco Rose ist mein Verhältnis dagegen längst nicht so emotional, und RB bleibt für viele Dinge ohnehin verachtenswert. Es ist aber immer eine Frage des Niveaus, auf das ich mich mit der Kritik selbst begeben will.

Protest ist gut, intelligenter Protest umso mehr. Der Protest gegen das Brausekonstrukt in Gladbach ist seit Jahren ausrechenbar, nervig und so hilf- wie wirkungslos. Niemand schlägt sich auf die Seite von Traditionsclubs oder stimmt in die Kritik gegen die RB-Maschinerie ein, wenn man ihm 19 Minuten lang die Ohren volltrillert oder auch mal ganz schweigt. Ich weiß nicht, wie es besser geht. Ich weiß aber auch: Provokation allein nutzt sich ab, und Provokation um der Provokation willen führt aufs falsche Gleis. Und es wird dich nie jemand dafür feiern, im Gegenteil.

Denn so wenig ich für das Hurensohn-Plakat übrig habe, es dient ja vor allem einem Zweck: die zu triggern, die sich davon angesprochen fühlen wollen. Nicht nur in der Fankurve werden Begriffe wie dieser inflationär gebraucht, und dies hat nur noch wenig mit der wörtlichen Bedeutung zu tun. Gerade der hier so hochgehängte Begriff, der in allen Stadien auf Timo Werner, Dietmar Hopp oder auch den jeweiligen Gegneranhang gemünzt durch Stadion gebrüllt wird, ist ein Klassiker für diese fortgesetzte Provokation.

Es ist ein seit Jahren fortgesetzter Kleinkrieg, den man führt, weil man sich in Fankurven wiederum vom inkonsequenten Verhalten von DFB/DFL gegängelt und getriggert fühlt, der zwar schnell zu handeln bereit ist, wenn ein Dietmar Hopp beleidigt wird, aber bei anderen (auch gravierenderen) Gelegenheiten nicht so genau hinschaut. Mit Prostituierten und ihrem Nachwuchs im eigentlichen Sinn hat das sehr wenig zu tun.

Nochmal: Ich heiße die Plakate von heute nicht gut, ich stehe inhaltlich nicht dahinter. Ich will sie nicht sehen. Sie sind aus meiner Sicht aber auch nicht so gravierend, dass ein Schiedsrichter theatralisch mit der Unterbrechung oder dem Abbruch des Spiels drohen muss. Vor wenigen Wochen waren in Rostock zum Beispiel erheblich diskriminierendere Banner unbeanstandet geblieben. Der DFB ermittelte erst im Nachhinein und nicht durch den Schiri auf dem Feld. Wie es ausgeht, ist noch offen. Und wir alle kennen aus verschiedenen Stadien auch Banner und teilweise Choreos mit "Tod den...".

Schiedsrichter Patrick Ittrich stellte sich heute hin und sagte, dass die Initiative zum Entfernen des Hurensohn-Plakats nur von ihm selbst gekommen sei. Ich will das nicht in Zweifel ziehen. Aber man dürfte sich gleichwohl bei DFB, DFL und den Schiedsrichtern schon die ganze Woche auf so ein Szenario vorbereitet haben - um auf inakzeptable Spruchbänder reagieren zu können, vielleicht aber auch mal wieder grundsätzlich ein Zeichen zu setzen. Sicher wäre gerade in Erwartung von Spruchbändern zu dieser Thematik andere geräuschlosere Wege ohne den großen Schiri-Auftritt möglich gewesen, um derartige Plakate zu verhindern oder schnell wieder zu entfernen. Am Ende ist der ganze Vorgang ärgerlich, weil der Kratzer am Image des ganzen Vereins hängenbleibt, aber der geht nunmal in erster Linie auf das Konto der Banner-Zeiger. 

Vollkommen absurd wird es aber, wenn Sky diese Sache dann während und nach dem Spiel noch zusätzlich zu skandalisieren versucht, obwohl man zugleich zuvor peinlichst genau darauf geachtet hat, diese Plakate dem Zuschauer komplett vorzuenthalten. Nach dem Spiel werden dann diese Spruchbänder plötzlich zitiert, es wird sich darüber empört und jeder Gladbacher Aktive vor dem Mikrofon zu einer Stellungnahme genötigt. Das macht aus einem Plakat, das im Normalfall im Stadion für ein paar Minuten und im übertragenden TV überhaupt nicht zu sehen ist, eine kleine Staatsaffäre. Es zeigt aber auch wieder einmal, dass die übertragenden Sender keinen unabhängigen Journalismus bieten, sondern ein Unterhaltungsangebot von Gnaden der Bundesliga-Macher.

Mal sehen, ob das Thema noch weitere Kreise ziehen wird. Ich hoffe nur, dass trotz der Länderspielpause dann doch das im Vordergrund bleibt, was die Mannschaft heute geleistet hat. Darauf aufbauen lässt sich jedenfalls ganz prima.

Saison 2022/23, Bundesliga, 7. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - RB Dosenpfand 3:0. Tore für Borussia: 1:0 Hofmann, 2:0 Hofmann, 3:0 Bensebaini.

Das dritte Zu-Null der Saison wurde auf eindrucksvolle Weise herausgespielt. Und da es gegen das Konstrukt aus der dunklen Brausewelt gelang, kommen zu den vier spielbezogenen Euro noch zehn Extra-Taler dazu. 14 Euro steigern die Zwischensumme auf einen Schlag um 50 Prozent auf jetzt 42 Euro. Und wir wollen nicht damit anfangen, was gewesen wäre, wenn mancher Mitspieler heute den Chris Kramer vor dem Tor besser eingesetzt hätte...

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2022-09-11

Im Rahmen der Möglichkeiten

Es bleibt verhext. Auch beim zweiten Auftritt im neuen Freiburger Stadion wurde es nichts damit, den 20 Jahre alten Breisgau-Fluch zu brechen. Gewinnen ist irgendwie dort für Borussia nicht drin. Ist das ein Grund zur Enttäuschung? Prinzipiell ja, heute aber nicht. 

Denn die Mannschaft um Neuzugang Julian Weigl zeigte eine couragierte Leistung, sie zeigte ein Spiel ohne große individuelle Fehler, und sie hielt den Gegner bis auf wenige Ausnahmen so weit weg vom Tor, dass Yann Sommer heute für seine zweite "weiße Weste" dieser Saison eine ganz normale Leistung genügte.

Warum das erwähnenswert ist, zeigt ein Blick auf die Aufstellung in der Defensive. Hier bildeten der gelernte Sechser Chris Kramer und Marvin Friedrich, der in dieser Saison bislang auf insgesamt 70 Minuten Spielpraxis kam, das Not-Innenverteidigerpärchen. Itakura rotgesperrt, Elvedi und dann auch Jantschke verletzt, Beyer in letzter Minute verliehen und Doucouré keine Alternative - gegen den bisherigen Tabellenführer war das das letzte Aufgebot auf diesen Positionen, zumindest wenn man Ramy Bensebaini auf seiner angestammten linken Seite lassen wollte, was sich als gute Wahl herausstellte - sowohl offensiv als auch defensiv.

Eine gute Stunde lang gelang es dem VfL sogar, die klar höhere Ballbesitzquote zu behaupten und stellten den Gegner damit mehr vor Probleme als gedacht. Denn im Ballbesitz war Borussia zwar häufig darauf bedacht, den Ball sicher in den eigenen Reihen, heißt auch oft in der eigenen Hälfte kreisen zu lassen. Aber zugleich fehlte der Streich-Elf der Zugriff, und immer wieder gelang es Farkes Schützlingen, Nadelstiche nach vorne zu setzen. Da machte es sich umgekehrt bezahlt, in Kramer eben auch einen spielstarken Mann in der letzten Reihe zu haben. Der Weltmeister von 2014 machte jedenfalls, wie schon gegen Mainz ein richtig gutes Spiel.

Hätte es auf dem Weg nach vorne nicht so viele unsaubere Anspiele gegeben, und hätte Marcus Thuram sich in mancher Szene weniger auf sich selbst verlassen als einen besser postierten Mitspieler zu suchen, dann wäre heute sicher noch mehr drin gewesen. Gerade in der ersten Hälfte waren da ein paar sehr gute Chancen dabei bzw. es hätten bessere daraus werden können. Doch Thuram (der einmal mit einer ziemlich peinlichen Schauspieleinlage auffiel, als er so tat, als wäre er von Ginters hohem Bein im Gesicht getroffen worden), Jonas Hofmann oder Florian Neuhaus harmonierten nicht soo gut in diesem Spiel, auch Lars Stindl lief trotz allem Eifer ziemlich viel ins Leere.

Nach Neuhaus' verletzungsbegingtem Ausscheiden hätte es Neuzugang Nathan Ngoumou besser machen können, doch er fand genausowenig Bindung, hatte allerdings auch kaum mal die Chance, seine Schnelligkeit auszuspielen. 

Bitter für ihn, dass er kurz vor Schluss dann wieder Hannes Wolf weichen musste, doch er wird es verkraften. Denn diese Auswechslung ging sicher nicht gegen ihn, sondern sollte helfen, mit einem defensiv erfahreneren Spieler das Remis über die Zeit zu bringen. Diese Aufgabe erfüllte Wolf wie schon gegen die Bayern mit gutem Einsatz und griffiger Zweikampfführung, sodass ich finde, dass er sich durchaus auch mal wieder eine längere Einwechselphase verdient hätte.

Insgesamt lässt sich mit dem Ergebnis gut leben, auch wenn man mit zwei Punkten aus drei Spielen etwas auf der Stelle tritt. Da zwei der drei Spiele gegen die Bayern und gegen Freiburg waren, tut die knappe Niederlage gegen Mainz umso mehr weh.

Aber letztlich spiegeln die Zahlen das wieder, was Borussia in den ersten sechs Spielen gezeigt hat. Sie ist auch unter Druck bereits eine sehr stabile Mannschaft geworden, die trotz vieler personeller Ausfälle auch in heißen Phasen kühlen Kopf bewahrt. Lohn sind erst 5 Gegentore, damit steht man mit Freiburg und Bayern und hinter Union ziemlich weit vorne in der Wertung.
Vorne sind es eben aber auch nur 7 eigene Tore, von denen drei am ersten Spieltag fielen. Das ist im Ligavergleich unterdurchschnittlich. Gibt unter dem Strich Platz 8, aber mit Tuchfühlung bis Platz 3. 

Warum man derzeit die Spiele mit Optimismus und ohne Bauchschmerzen angehen kann, liegt auch daran, dass Thuram und Co sich eigentlich genügend Chancen erspielen, auch wenn sie im Spiel bisweilen unter Druck geraten. Die eigenen Chancen sind da, es werden nur zu wenige genutzt.
Das kann sich von Spiel zu Spiel ändern, wie wir wissen. Natürlich fehlt Plea da, Kapitän Stindl ist noch nicht wieder bei 100 Prozent, Hofmann ist nicht ganz so effektiv wie sonst und Neuhaus fremdelt noch etwas mit der Rolle hinter der Spitze. Gerade zwischen ihm und Thuram gab es auch heute wieder einige Abstimmungsprobleme. Aber das ist nichts, was sich nicht von Trainingswoche zu Trainingswoche verbessern ließe.

Also: Weiter geht's! Die Motivation für diese Trainingswoche sollte ja von allein kommen. Schließlich geht es am Samstagabend nicht nur gegen das hässliche Konstrukt namens RB, sondern zugleich gegen den neuen Arbeitgeber des nicht mehr wohlgelittenen Ex-Trainers und vermutlich den baldigen Arbeitgeber des früheren, noch immer weit wohlgelitteneren Managers. Es wird ein heißer Tanz im Borussia Park werden. Vielleicht ganz gut, dass wir Lieblings-Schiri Tobias Stieler dann schon heute hatten und nicht erst da.

In dieser Hinsicht habe ich heute wenigstens nichts ganz Schwerwiegendes gegen den Referee vorzubringen. Klar, etwas einseitig pro Freiburg fand ich ihn auch diesmal, aber da war nichts dabei, was das Spiel dramatisch beeinflusst hätte. Bis auf die 30. Minute vielleicht. Da hätte aus meiner Sicht der VAR wach sein müssen. Wenn ein Angreifer im Strafraum getroffen wird und nicht der Ball, gibt es laut Regel Elfmeter. Dass Bensebaini nach seinem spektakulären, aber abgeblockten Schuss am Fünfmeterraum im Getümmel danach den Ball spielt und klar am Fuß getroffen wird, war genau so eine Szene. Glasklar.

Dass der Schiri das auf dem Platz anders wahrnimmt - ok. Aber da es schon so viele mit detektivischem Eifer bewiesene Foulelfmeter wegen weniger Berührung gegeben hat, frage ich mich natürlich wieder einmal: Warum bei Gladbach nicht? Aber ich gebe zu, es war eine unübersichtliche Szene, wo mehrere Spieler zu Boden gingen. Möglicherweise wäre auch vorher noch etwas Ahndenswertes gegen Gladbach aufgefallen. 

Gleich nach dieser Szene gab es dann einen (von mehreren) krassen Fehlern in der Zweikampfbewertung durch Stieler, diesmal allerdings mit ernsten Konsequenzen. Der Zusammenprall von Neuhaus mit Daniel-Kofi Kyereh war kein unglücklicher Zweikampf, sondern ein rüdes Foul. Stieler ließ stattdessen aber erstmal den Konter ungerührt laufen, obwohl sich hinter ihm insgesamt vier Spieler am Boden krümmten.
Letztlich traf es Neuhaus vermutlich am härtesten, es scheint sich um eine Kreuzbandverletzung zu handeln, was wirklich bitter wäre. Allerdings war das nun nicht Stielers Schuld und auch anschließend blieb das Spiel trotz harter Zweikämpfe im Rahmen. Das half Stieler sicher. Ich schreibe es aber eher den beiden Teams zu, denn beide wollten heute vor allem Fußball spielen, anders als etwa die Mainzer vor einer Woche. Und das, gebe ich zu, hat mir dann heute auch den späten Nachmittag etwas leichter gemacht.       
 

Saison 2022/23, Bundesliga, 6. Spieltag: SC Freiburg - Borussia Mönchengladbach 0:0. 

Das zweite Zu-Null der Saison, leider auch vorne. Damit kommt heute nur ein Euro dazu, also sind es jetzt 28.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2022-09-05

Mehr als ein paar Zentimeter

Es hatte sich angedeutet. Nachdem Borussia am vergangenen Samstag in der Abwehrschlacht beim FC Bayern so viel Fortune in die Waagschale geworfen und die Niederlage abgewendet hatte, war es heute gegen den sogenannten Underdog so weit. Seit heute wissen wir. Daniel Farke kann mit Borussia auch Spiele verlieren. 

Das heute wäre allerdings wirklich nicht nötig gewesen. Tolle Stimmung, schöne Choreo vor dem Spiel volles Stadion, gutes Wetter. Da fehlten nur die nächsten drei Punkte. Dass es nicht dazu kam, lag an vielen Kleinigkeiten.
Es waren heute auf jeden Fall
immer wieder ein paar Zentimeter, auf die es ankam. Mal zu viele, mal zu wenige. Beim einen oder anderen Mal, als der Ball aufs Mainzer Tor flog oder noch abgelenkt wurde, bevor er dieses erreichen konnte. Bei der Frage, wer den Ball zuletzt berührt hatte, bevor Ko Itakura zum Haltegriff gegen den durchgebrochenen Karim Onisiwo ansetzte. Wäre es nicht der Rücken von Marvin Friedrich gewesen, wäre es Abseits und somit auch keine Rote Karte gewesen. Und auf der anderen Seite waren es eben die paar Zentimeter zu viel, die Lars Stindls schön herausgespieltes Tor zum irregulären Torschussversuch machten.

Es wäre dennoch nicht passend, an diesen Szenen allein die Niederlage festzumachen. Denn Mainz tat genau das, was man von den Gästen erwarten konnte, und was sie seit dem Amtsantritt von Bo Svensson als FSV-Trainer immer machen. Sie sind ein ekliger Gegner, der auf die Knochen geht, aggeressiv und gekonnt anläuft und gestern auch nicht als erster Kontrahent den Plan von Borussia-Trainer Daniel Farke durchkreuzte. Der will bekanntlich gern viel gepflegten Ballbesitz und mit ballbetonter Dominanz auch zum Erfolg kommen.

In der ersten Hälfte der ersten Hälfte litt Borussia darunter, dass man auf das Mainzer Spiel offenbar nicht gut genug eingestellt war. Warum eigentlich?
Und deshalb konnte man nach 20 Minuten von Glück sagen, dass noch ein 0:0 auf der Anzeigetafel stand. Denn immerhin war Yann Sommer auch diesmal auf dem Posten und packte gleich mehrfach geistesgegenwärtig zu, einmal rettete Bensebaini in höchster Not für ihn. Gegen den späteren Treffer des Tages war aber auch der Schweizer machtlos.

Und das waren auch die schicksalheften Minuten, die das Spiel letztlich prägten. Denn nach dem schwachen Start setzten sich Kramer und Co. anschließend bis zur Pause immer besser nach vorne in Bewegung, wehrten sich besser, fanden Lösungen und kamen zu erstklassigen Chancen, die allesamt aber Marcus Thuram herschenkte. Einmal ein Lattentreffer nach einem hübschen Solo - und dann der zu gut gemeinte Querpass auf Neuhaus, als er allein auf den Torwart zulief. Das waren die besten Gelegenheiten, selbst in Führung zu gehen und das Spiel in die richtige Richtung zu lenken. Doch es war nicht der Tag des Mittelstürmers. 

Und nach dem Pausentee zeigte sich, dass auch seine Kollegen in der Defensive erst wieder ihre Griffigkeit finden mussten. Das wurde bitter bestraft. Ein schlecht verteidigter Angriff, ein unfreiwilliges Weiterleiten des Balles durch den eingewechselten Marvin Friedrich, der den verletzten Nico Elvedi zur Halbzeit ersetzt hatte. Und schon wäre Onisiwo allein durchgewesen. Itakura griff leicht zu, der Stürmer fiel dankbar, und da es keine Abseitsstellung war, spielte der VfL fortan in Unterzahl.

Doch nach einer kurzen Schock zeigten die Mannen von Farke Willen und Widerstandsfähigkeit. Sie erkämpften sich auch zu zehnt ein spielerisches Übergewicht, Mainz zog sich zurück und vergammelte weitgehend ungestraft jede Menge Zeit, um den Sieg nach Hause zu schaukeln. Das ist nichts anderes, als es der VfL in der vergangenen Wochen in München praktiziert hat, insofern muss man das eben auch schlucken.

Die Art und Weise, wie die Mannschaft aber jetzt kämpfte, war genau das, was den Fans im Stadion und mir am Bildschirm ausnehmend gut gefiel. Ein Team zu sehen, das sich nicht in sein Schicksal ergibt, das keinen Ball verloren gibt, sich gegenseitig pusht und gegen das Schicksal ankämpft. Das nicht einem einmal gefassten Plan stoisch hinterherläuft und die Achseln zuckt, wenn er nicht funktioniert.
Es wurde gefightet, mit Emotionen, mit Fehlern - aber auch mit spielerischem Mut und Können. 

Ramy Bensebaini übernahm viele Rollen, Chris Kramer war Innenverteidiger und zugleich auch sonst überall zuz finden. Stindl, Hofmann und Neuhaus steigerten sich ebenfalls. Nur der unglückliche Marcus Thuram tauchte mehr oder weniger ab. Aber shit happens. Es geht weiter. Am Ende war jedenfalls eine sehr anständige Partie der Borussen, der nur das ersehnte Erfolgserlebnis verwehrt blieb. Für den Tag muss man damit leben. Und vielleicht ist es auch gut, dass dieser Dämpfer jetzt kommt, nachdem sich im einen oder anderen Spiel das Spielglück leicht auf Seiten von Borussia gelehnt hatte.

Allerdings ist auch deutlich geworden, dass die Mannschaft nicht so weit ist, wie sie angesichts der fast euphorischen Stimmung dieser Woche mit den beiden hochkarätigen Last-Minute-Neuzugängen wirken mochte. Borussia steht nach fünf Spielen auf Platz neun, das ist nicht so weit weg von der Wahrheit wie der zwischenzeitliche Platz eins vor dem Bayern-Spiel. Es hätte ergebnistechnisch schlimmer, aber auch besser laufen können. Was bedeutet, dass bisher jedes Spiel eins auf des Messers Schneide gewesen ist, und keins souverän über 90 Minuten absolviert werden konnte. Das ist nicht schlimm, weil ein neuer Trainer und sein Team Zeit braucht.

Es kann angesichts des Programms mit Freiburg, Leipzig, Bremen und Köln allerdings sein, dass die Mannschaft mehr unter Druck gerät, als es aus den ersten Bundesligawochen zu hoffen und vielleicht auch herzuleiten war. Das Fehlen von Itakura und vielleicht auch von Plea und Elvedi am nächsten Wochenende in Freiburg ist da natürlich überhaupt nicht hilfreich. Allerdings haben Nathan Ngoumou und Julian Weigl bei ihren Debüts für Gladbach schon angedeutet, dass sie schnell eine Verstärkung sein können oder werden.

Um es klar zu sagen: Ich kann mit der Art von Deniz Aytekin, Spiele zu leiten, gut leben. Auch heute waren in den Szenen, die strittig sein konnten, alles nachvollziehbar gelöst. Gut, den Schlag von Widmer gegen Bensebaini hat er nicht gesehen und auch der VAR Storks fand ihn nicht rotwürdig. Das kann ich nachvollziehen, weil sich beide vorher schon beharkt haben und das keine klare Tätlichkeit war. Gelb war es allerdings schon, dafür ist wiederum der VAR nicht zuständig. So weit, so lala.

Geärgert habe ich mich heute - mal wieder - über etwas anderes. Ich bin langsam müde, mich immer zu wiederholen. Aber es ist keine hohe Kunst des Schiedsrichterns, um jeden Preis in Spielen möglichst viel laufenzulassen. Vor allem, wenn es um Spiele geht, wo vor allem eine Mannschaft eine sehr kernige bis rücksichtslose Zweikampfhaltung an den Tag legt, wie sie die Mainzer unter Bo Svensson unseren Spielern bereits einige schmerzhafte Male gezeigt haben.
Gerade in der Anfangsphase gabe es dreimal gelbwürdig auf Gladbacher Socken, doch Deniz Aytekin signalisierte mit seiner Milde: "Jungs, ruhig weiter so." Das ist einfach Mist, weil es sich dann durchs ganze Spiel zieht und unnötige Diskussionen provoziert.
Ich bin (inzwischen) ein großer Freund von Aytekins Spielleitung, doch gerade in den letzten Spielen, die er Gladbach gepfiffen hat, ging sein Laissez-faire-Ansatz jeweils zu Ungunsten von Borussia in die Hose. Erinnert sei nur an die Treterei von Leverkusen, die unter anderem mit Lainers Knöchelbruch endete. Auch diesmal musste Gladbach wieder vorzeitig verletzungsbedingt tauschen. Nico Elvedi hatte wieder einmal Onisiwos Übermotivation zu spüren bekommen, auch die Verletzung von Plea war flankiert von einigen vorherigen Angriffen auf seine Gesundheit.
Ein Witz ist das gegen die "unbändige Brutalität", die Ko Itakura anwenden musste, um den Mainzer Stürmer zu Boden zu bringen. Natürlich ist die Rote Karte in der Spielsituation einwandfrei, aber das Verhältnis zwischen einer zärtlichen Umarmung und diesen eingesprungenen Todesgrätschen von der Marke Dominik Kohr stimmt einfach nicht. So vom Standpunkt des Fußballs her.

Das schadet dem Spiel und es schadet der Entwicklung des Fußballs. Am Ende stand es nach Fouls 15:8 für Mainz, auch die Verwarnungsstatistik ging an die Rheinhessen (4:1). Doch von den vier Karten wurden eine wegen Zeitspiels gegen den Torwart und eine wegen Blockierens eines Freistoßes gezückt. Das passt einfach nicht.

Aber egal. Was Daniel Farke mit seinem Team machen muss, hat nichts mit dem Verhalten der Schiedsrichter zu tun, sondern damit, wie man von der erstgen Minute an in sein Spiel findet. Wie gesagt, dass Mainz so hoch anläuft, war keine Überraschung. Dass Borussia so lange kein Rezept dagegen fand, war nicht zum erstne Mal zu beobachten. Aber das sollte Trainingswoche für Trainingswoche besser in Fleisch und Blut übergehen. Mal sehen, ob das schon am kommenden Sonntag reicht, um den nächsten Tabellenführer herauszufordern.  

Saison 2022/23, Bundesliga, 5. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - FSV Mainz 05 0:1. 

Erste Niederlage, kein erzieltes Tor: Damit bleibt es bei 27 Euro, wie in der Vorwoche.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.