2020-03-15

Fokus aufs Wesentliche


Das erste Wochenende ohne die gewohnten Spiele der Bundesliga liegt fast hinter uns. Und auch wenn es mir vor allem gestern schwerfiel, nicht immer wieder daran zu denken, dass nichts mehr stattfindet – mit der Saison habe ich eigentlich schon so gut wie abgeschlossen.

Das liegt zum einen natürlich daran, dass Borussia sich im Geisterderby wieder auf den Champions-League-Platz vier vorgeschoben hatte und insofern selbst bei einer kompletten Absage der Saison für uns alle Ziele erreicht wären. 
Zum anderen wird es aber auch immer deutlicher, dass alles andere kompletter Schwachsinn gewesen wäre.

Die Vollbremsung mitten im Saisonendspurt ist vom Coronavirus erzwungen, und ich glaube, es bezweifelt auch inzwischen niemand mehr, dass es die einzig richtige Entscheidung war, die Ligabetriebe (nicht nur im Fußball) auszusetzen, bis wir etwas klarer sehen, was die Bekämpfung des Virus angeht.
Es hat natürlich viel zu lange gedauert, bis die DFL sich endlich entschlossen hatte, die Notbremse zu ziehen. Das war äußerst ärgerlich und unverantwortlich gegenüber allen Beteiligten. Und hätte sie es wirklich getan, wenn nicht die ersten Verdachtsfälle in Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga aufgetreten wären? Ich bin mir nicht sicher.
Aber das ist auch schon wieder Schnee von gestern. So wie es jetzt ist, kann man immerhin einen halbwegs fairen Zwischenstand der Saison notieren. Falls es also wirklich nicht mehr möglich sein sollte, die Saison noch zu Ende zu spielen, spiegelt die derzeitige Tabelle die derzeitigen Leistungen auch ganz gut wider.

Es täte mir zwar leid für Werder Bremen, aber auch das einzige noch ausstehende Nachholspiel gegen Frankfurt könnte angesichts von vier Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz nichts am Verweilen auf einem Abstiegsplatz ändern. Allerdings wäre es aus meiner Sicht geboten, bei einer vorzeitigen Beendigung der Saison in der Abstiegszone andere Maßstäbe anzulegen als beim Kampf um die europäischen Startplätze. 
Vereine auf der Basis von 25 gespielten Partien in die zweite Liga zu schicken, wäre nicht richtig. Insofern hielte ich eine zeitweise Aufstockung der Bundesliga in einem solchen Fall für fairer gegenüber den betroffenen Vereinen, die sonst von Auf- und Abstieg betroffen wären.
Eng wäre es zwar mit 2 Punkten Abstand auch zwischen den Teams auf den Plätzen 6 bis 9, für die es um zwei europäische Startplätze ginge. Doch diese harte Entscheidung (ähnlich wie für den jetzt Fünften Leverkusen) hätte nicht so große Auswirkungen für den einzelnen Verein wie ein Abstieg oder ohne eigene Schuld verpasster Aufstieg.
Aber noch sind wir nicht so weit. Und ehrlich gesagt mache ich mir im Moment auch weniger Gedanken darum, ob es einen Abbruch der Saison, eine Fortsetzung im Sommer, Playoffs um den Titel (vielleicht sogar noch die einzige echte Titelchance für Gladbach) geben könnte oder noch andere Gedankenspiele Wirklichkeit werden.

Jetzt steht im Vordergrund, wie wir es schaffen, dass Covid19 möglichst wenige Opfer kostet und wie wir in unserer Gesellschaft damit vernünftig umgehen können. Wie wir es schaffen, unser Leben einzuschränken und zu organisieren, ohne uns die Köpfe einzuschlagen oder durch Panik alles noch schlimmer zu machen.
Danach gilt es die richtigen Schlüsse aus der Krise zu ziehen, um künftig sicherstellen zu können, dass wir weltweit besser und koordinierter auf eine solche Herausforderung reagieren können. Da gibt es für alle viel zu lernen und viel zu tun, das ist klar.

Unabhängig davon muss man sich – abseits von Infektionen - auch Sorgen um viele Menschen machen, die uns fast selbstverständlich täglich unterhalten und dies nun nicht mehr dürfen. Dazu gehören Profivereine und alle Angestellten, die zum Funktionieren eines Ligabetriebs beitragen. 
Aber noch mehr gilt es für Freiberufler, Künstler und Veranstalter, denen nun ein Großteil ihrer Einnahmen wegbrechen könnte - egal in welchem Metier. 
Ich hoffe, dass wir uns dessen bewusst sind und vielleicht auch durch diese Krise ein feineres Gespür dafür entwickeln, wer und was unsere Gesellschaft jeden Tag antreibt. Wenn wir dazu kämen, wäre ich sehr froh. Und dann schreibe ich gern auch wieder mehr über Borussia und sportliche Dinge.

Bis dahin gilt: Bitte bleibt gesund! Lasst euch nicht unterkriegen! Und: Haltet zusammen!

P.S. Ich wollte dieser Tage eigentlich einen ersten Ausblick auf die kommende Saison wagen, vor dem Hintergrund von möglichen Zu- und Abgängen im Sommer. Den Plan habe ich auf Eis gelegt, weil es mir bei der unsicheren Lage über die Fortführung der europäischen Ligen derzeit nicht sinnvoll erscheint, solche Spekulationen anzustellen (was passiert etwa mit zum 30. Juni auslaufenden Verträgen?). Außerdem gibt es wie gesagt derzeit wirklich Wichtigeres als das.

2020-03-11

Geisterhaft gelöst

Geisterderby - Entgeisterung. Geistersieg - Begeisterung? Na ja, geht so.

Borussia hat sich im Nachholspiel - des vom Winde verwehten Derbys gegen Köln am 21. Spieltag - absolut verdient den erst am Wochenende verlorenen vierten Tabellenplatz zurückgeholt.
Der Gegner aus der Domstadt spielte bieder und war die meiste Zeit über keine große Gefahr für das Tor von Yann Sommer. Erst durch Gladbacher Nachlässigkeiten und Sommers Fehler beim Abschlag vor dem 1:2 geriet der 50. Derbysieg nach hinten heraus noch einmal ins Wackeln. 
Doch das gute Ergebnis und ein recht souveräner Auftritt geht ziemlich unter, in einem historischen Spiel, das so kein Mensch gewollt und gebraucht hat. Und an das wir uns doch vielleicht gewöhnen müssen.

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, was Profifußball ohne Fans ist - ab heute weiß es jeder. Es ist eine durch und durch traurige Veranstaltung. 
In Minute 11 habe ich mir das erste Mal gewünscht, dass dieses Spiel möglichst schnell vorbeigehen möge, so deprimierend waren die ersten ausgeglichenen, risikolosen Minuten in einer gespenstischen Soundkulisse, in der jeder einzelne Tritt gegen den Ball von den Sky-Außenmikrofonen eingefangen und als dumpfer Ton wiedergegeben wurde. 
Nach dem schön herausgespielten Führungstreffer wurde das Spiel zwar deutlich lebendiger, aber es hatte doch nichts von dem Kitzel, den wir Woche für Woche in den Stadien der Bundesliga erleben können. Das heute war ein Trainingsspiel, das immerhin drei Punkte wert war. Ein Sieg unter diesen Umständen ist längst nicht selbstverständlich, er gibt Selbstvertrauen. Und er erhält das kleine Polster auf den Verfolger Leverkusen. Das ist gut und beruhigend.


Die Verlierer des Tages waren allerdings nicht nur die Gäste vom Effzeh. Als wäre es noch nicht schlimm genug gewesen, was die Corona-Eindämmungspolitik aus dem vielleicht elektrisierendsten Spiel einer Borussen-Saison gemacht hatte. Der einzig übertragende Sender Sky schaffte es auch noch, den einzigen Höhepunkt des Spiels - die Siegesfeier mit den Fans nach dem Spiel vor der Nordkurve - völlig zu verschnarchen. 
Während die Jungs von Marco Rose die Stehtribünen erklommen und sich dem vor dem Stadiontor stehenden harten Kern der Fans präsentierte, plapperten die Feldreporter lieber mit dem *ölner Manager und Trainer über Unwesentliches. Dazu wurde immer mal ein verzweifelter Kamerazoom durch eine der Block-Luken auf die Fans eingespielt. Bilder von draußen? Fehlanzeige.

Ihr Leute von Sky: könnt ihr eigentlich gar nichts? Die Bildregie ist ja ohnehin immer beschissen, etwa wenn man wieder und wieder sekundenlang Ersatzspieler, Trainer oder Publikum gezeigt gekommt, während der Ball auf dem Rasen schon wieder weiterläuft; von den sonstigen Unannehmlichkeiten beim Verfolgen einer Sky-Übertragung ganz abgesehen.
Aber warum zum Teufel ist denn keiner in eurem Laden in der Lage, spontan eine Kamera in die Hand zu nehmen und kurz mit rauszugehen, um den einzigen richtig guten Moment dieses Spieltages für die Zuschauer einzufangen? Sky Deutschland - das war wirklich erbärmlich. 
Zum Glück gibt es genug Videos im Netz, um diesen verlorenen Moment noch zu genießen. 

Mein Respekt an die Fans, die die Mannschaft vor dem Spiel angemessen empfangen und angefeuert haben, und die später im Regen vor dem Stadion ausgeharrt und ihr Bestes gegeben haben, um wenigstens etwas Atmosphäre ans und ins Stadion zu tragen. 
Und an alle, die in den vergangenen Wochen so auf "die Ultras" und "die Idioten" geschimpft haben: die, die ihr heute wegen der Szenen nach dem Spiel feiert - das sind zu einem großen Teil genau dieselben Menschen.

Will ich zu dem Spiel selbst noch etwas schreiben? Ich glaube nicht. Was etwas unfair ist, weil damit die gute Leistung von Breel Embolo genauso untergeht wie die hervorragenden Staubsaugearbeiten, die Chris Kramer, Tobi Strobl und die Abwehrreihe über 90 Minuten verrichtet haben. Vieles sah wenig spektakulär aus, zu oft wurden Angriffe abgebrochen und zu oft war das Tempo im Angriffsdrittel nicht hoch genug. Aber insgesamt war das eine ganz saubere und souveräne Leistung, die zurecht am Ende gefeiert wurde. Wenn man es im Kontext dieser Tage ausdrpcken wollte, dann wohl so: Das hat die Mannschaft geisterhaft gelöst.
Und ja, ich habe auch am Schiedsrichterteam weiter nichts auszusetzen. Sehr sympathisch übrigens die offene Worte von Deniz Aytekin nach Abpfiff zu den Umständen des Spiels. Wenn selbst die Schiris unter der Geisteratmosphäre leiden, sagt das auch viel Gutes über das gewohnte (hitzige) Stadionerlebnis.

Dass mich der Derbysieg dennoch heute nicht euphorisiert, liegt auch an der Unsicherheit, wie es weitergeht. Spielen wir jetzt alles ohne Publikum? Wie wirkt sich das auf Dauer aus? Oder zieht demnächst irgendjemand die Notbremse und wir treten die ganze Saison in die Tonne? 
Keiner weiß es, keiner hofft es. Und doch hängt dieses Szenario bedrohlich über uns. 
Während des Spiels heute habe ich mich persönlich schon ein bisschen von dieser Saison verabschiedet. Schade drum. Die Leichtigkeit, die Begeisterung, das Hoffen und Bangen bis zuletzt - all das ist mir in den vergangenen Tagen ein Stück abhanden gekommen. Schließlich gibt es wirklich wichtigeres als Fußball.


Wobei ich auch betonen will, dass ich absolut nichts gegen die Maßnahmen sage, die wegen Corona ergriffen werden (zumal sie jetzt offenbar endlich auch einheitlich umgesetzt werden). Es gibt gute Gründe dafür, auch wenn vieles bis dahin wieder ziemlich dämlich gelaufen ist und Politik, DFB und DFL sich dabei einmal mehr nicht mit Ruhm bekleckert haben. Aber das ist ja auch nichts Neues.



Bundesliga 2019/20, 21. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - 1. FC K*** 2:1 (Tore für Borussia:  1:0 Embolo, 2:0 Eigentor Meré/Vorlage Embolo)

2020-03-07

Wir können auch würfeln

"Es ist nicht fair, dass dieses Spiel verloren gegangen ist. Aber natürlich muss man anerkennen, dass die Dortmunder ihre Chancen am Ende besser genutzt haben als die wahre Borussia."

Das schrieb ich nach dem Pokal-K.o. in Dortmund im Herbst. Und ganz ähnlich klang mein Fazit zum 0:1 im Hinspiel, im Ligaduell beim BVB. Nun könnte ich, mit leichten Abstrichen, zum dritten Mal das Lied vom unglücklich verlorenen Spiel gegen die schwarz-gelbe Gladbacher Filiale singen. Aber ich war es schon beim letzten Mal leid, immer wieder den gleichen Film mit dem gleichen deprimierenden Ende zu sehen.  Aber so und nicht anders war es auch heute.

Es gab auch heute eine Topleistung des VfL zu sehen  - gegen eine der stärksten Offensivreihen der Liga. Ginter und Co. gelang es erneut, den Gegner über weite Strecken der Partie vom eigenen Tor wegzuhalten und damit auch das Wunderkind Haaland. Und das trotz erneuter früher Schwächung durch eine Verletzung (im Hinspiel Bensebaini, diesmal Denis Zakaria), die Marco Rose zugleich früh eine von drei taktischen Wechselmöglichkeiten raubte.

Dortmund zeigte das gleiche Gesicht wie in den beiden anderen Partien in dieser Saison. Die Favre-Elf kam lange nicht zurecht mit dem Gladbacher Pressing, bis zu Hazards 1:0 waren sie dem Tor von Yann Sommer noch nicht einmal ansatzweise nahe gekommen. Aber: Sie taumelten gegen aggressive Gladbacher auch nicht minutenlang von einer Verlegenheit in die andere, wie in der Hinrunde. 

Der VfL war zwar in der ersten Hälfte die bessere Mannschaft, hatte viele Ballgewinne und vielversprechende Angriffe. Doch die Gäste kämpften ihrerseits mit den gleichen Mitteln zurück. Sie ließen dem VfL wenig Raum für eigenen schnellen und gefährlichen Spielaufbau. Gefährlich wurde es für das Dortmunder Tor nur, wenn Stindl, Hofmann oder Plea Bälle eroberten und die Schwarz-Gelben zu Fehlern gezwungen wurden. Da ging es schnell und ansehnlich nach vorne. Im geordneten Spielaufbau hingegen fehlten der Rose-Elf oft die Mittel, sich ganz durch die gegnerische Defensive durchzukombinieren. 

Die Gladbacher Hintermannschaft blieb bis auf die Gegentore und zwei, drei weitere Angriffe, bei denen Sommer gegen Hazard glänzte, einmal der Pfosten rettete und Haaland in die Wolken schoss, sehr stabil.
Auch Tony Jantschke fügte sich da einmal mehr sehr bissig ein. Insofern war der Punktgewinn nicht nur bis zum Schluss möglich, auch wenn der Kräfteverschleiß in der letzten Viertelstunde sichtbar war - Gladbach lief heute wieder deutlich über 121 Kilometer und damit 4,6 mehr als die Gäste. Ein Punkt wäre auch heute wieder einfach verdient gewesen.

Dagegen hatten aber nicht nur elf Dortmunder etwas, sondern auch noch die, die am besten sind, wenn man sie kaum bemerkt: die Unparteiischen.
Und da bin ich bei einem weiteren Punkt in Sachen Kontinuität bei den jüngsten Duellen mit dem BVB - bei den Schiedsrichterleistungen, die in jedem dieser drei Spiele die große Namencousine unübersehbar bevorteilten. 
Wie man beim Verband auf die Idee kommen konnte, nach der absurden Leistung im Hinspiel ausgerechnet Sascha Stegemann erneut als Schiedsrichter anzusetzen, erschließt sich mir nicht. In einer langen Reihe von ärgerlichen Fehlern war es genau dieser Sportkamerad, der im Hinspiel einen klaren Foulelfmeter von Hummels an Herrmann nicht gab, auch weil der VAR Osmers im Kölner Keller ihm nicht half und ihn nicht aufforderte, sich die Szene wenigstens nochmal selbst anzuschauen.

Heute saß Sportsfreund Felix Zwayer im Keller und er hatte wohl ebenfalls gerade Tomaten auf den Augen, als Zagadou unserem Jonas Hofmann mit einem gezielten Ausfallschritt in die Parade fuhr, als der Zagadous Rückpass auf Bürki erlaufen wollte. Stegemann hatte beste Sicht auf die Szene, ließ trotzdem weiterspielen. Und er wurde von Köln nicht korrigiert oder wenigstens aufgefordert, sich die Szene am Bildschirm noch einmal anzuschauen. Das nenne ich Totalversagen des VAR. Und weil es in dieser Saison für Gladbach zum wiederholten Mal eine solche Benachteiligung trotz oder wegen eines eingreifenden oder nicht eingreifenden VAR gab, bin ich nicht mehr bereit, das einfach achselzuckend zu übergehen. 

Ich schaue ja vor allem Spiele des VfL. Und da ist mit der Einfluss, den die Referees auf den Spielausgang nehmen, zu häufig und zu groß. Ich spreche nicht über mein allgemeines Gemecker über aus meiner Sicht falsche Zweikampfbewertungen oder Kartenvergabe. Es geht um die Situationen, in denen durch Platzverweise, nicht gegebene Tore oder Elfmeter ein Spiel deutlich verändert oder in andere Bahnen gelenkt wurde. 
Um das ganz klar zu sagen: Ich glaube nicht an Verschwörungen. Und ich würde mich nicht darüber beklagen, wenn man eine Linie in der Anwendung der Regeln oder in der Arbeit des VAR erkennen könnte. Aber wir befinden uns hier ganz offensichtlich auf einem Experimentierfeld mit wöchentlich wechselnden Bedingungen, bei dem die Sportler und die Trainer die Versuchstiere sind. 
Es gibt kein gleiches Maß, anhand dessen gemessen würde. Jeder Schiri macht auf dem Platz sein eigenes Ding und offenbar auch, wenn er im Kölner Keller sitzt. Da gibt es welche, die auf gar nichts reagieren, also an der Linie nur bei "absoluten Fehlentscheidungen melden" festhalten. Und dann gibt es bei den VAR Detektive, die minutenlang zurück nach irgendwelchen Vergehen suchen, die dann auch noch interpretationsfähig sind. 
In dieser Saison habe ich so viele Merkwürdigkeiten (nicht nur in Spielen der Borussia) gesehen, was Schiris und VAR und ihre Zusammenarbeit angeht, dass man sich wirklich fragen muss, ob hier nicht Woche für Woche der Wettbewerb in der Liga verzerrt wird oder der Zufall regiert, einfach nur, weil es kein ausgereiftes und einheitliches Konzept zum Eingreifen durch den VAR gibt. Wenn das sich weiter so fortsetzt, wäre es ehrlicher, die Spiele auszuwürfeln, dann müssten wir während der 90 Minuten nicht so viele Nerven lassen.
  
Natürlich: Auch wenn es heute Elfmeter für den VfL gegeben hätte, wäre nicht sicher gewesen, ob Gladbach am Ende ein besseres Ergebnis verbucht hätte. Hätte man bei den Gegentoren besser verteidigt und hätten Lainer, Bensebaini, Plea und (spät) Embolo ihre Chancen so konsequent genutzt wie die Gegner, dann gäbe es um diese eine Szene auch keine so große Diskussion. So aber spielt es eben doch eine Rolle, und: Weil es längst kein Einzelfall mehr ist. 
In umgekehrter Verantwortung hatte mich das "Traumduo" Stegemann/Zwayer schon beim Sieg gegen Mainz vor ein paar Wochen zur Weißglut gebracht. Und nachdem auch das dritte Borussenduell auf Augenhöhe durch umstrittene Schiedsrichterentscheidungen beeinflusst wurde, Borussia in Leipzig durch den Oberlehrer-Anfall von Tobias Stieler beschissen wurde und der schlafende Kölner Keller in Wolfsburg Punkte gekostet hat, wird es mir langsam ein bisschen zu viel der Willkür. Und nebenbei auch mit schlechten Leistungen Unparteiischer auf dem Platz. Wie im Hinspiel verlor Stegemann auch heute nach und nach die Kontrolle über das Spiel, hatte auch seine Aktien daran, dass es teilweise so hitzig wurde, dass er 10 Verwarnungen verteilte und dabei noch die eine oder andere für Dortmund vergaß. 

Aber was nützt es? Wir werden weiter damit umgehen müssen. Und so halte ich es nach meiner umfangreichen Frustbewältigung nun mit unserem Coach, der nach dem Spiel die Szenen des Tages mit vielsagendem Blick nicht kommentierte - weil es letztlich ja auch nach dem Spiel nichts mehr bringt und während des Spiels höchstens zu Sperren führt.

Wenn man sicher gehen will, muss man sich von Fehlentscheidungen des Schiris unabhängig machen, indem man seine Torchancen besser nutzt und in der Defensive in den entscheidenden Szenen noch cleverer wird. Das hat der wahren Borussia heute einmal mehr gegen den BVB gefehlt. Und dennoch war es eine sehr anständige Leistung - auf Augenhöhe mit dem Börsen-Club aus dem Ruhrpott. Lassen wir also unseren Ärger von heute die Kraft von morgen sein. Am Mittwoch soll Köln auf dem Spielfeld die fußballerische Klasse Borussias und die Wut über die heute verpasste Chance spüren. Los Jungs, beendet deren Höhenflug und startet einfach eine neue Siegesserie - es gibt noch viel zu gewinnen in dieser Saison. Die Seele brennt...


Bundesliga 2019/20, 25. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - BVB 1:2 (Tor für Borussia:  1:1 Stindl)

2020-03-01

Ende des Schreckens in der Puppenkiste

Es gibt Fußballtage, da gibt es nicht viel zu meckern. Und das, obwohl das Spiel in der Puppenkiste jetzt nicht das herausragendste Saisonspiel des VfL war. Umso wichtiger, dass es einige wichtige Erkenntnisse brachte und natürlich: den ersehnten ersten Bundesliga-Sieg der Borussia im achten Anlauf in Augsburg, den Marcus Thuram wie gewohnt mit gehisster Eckfahne zelebrieren konnte. Die drei Punkte festigen zugleich nach heutigem Stand einen Champions-League-Platz, wichtiger sind vielleicht  sogar noch die mindestens 10 Punkte Abstand zum ersten nicht-europäischen Tabellenplatz, die auch nach diesem Spieltag weiter Bestand haben.

Dass die Partie gegen die traditionell unangenehme Augsburger Mannschaft ein recht sachliches Spiel wurde und nicht - wie schon öfter zuvor - zu einer harschen Treterei ausartete, lag nicht zuletzt an Schiedsrichter Markus Schmidt. Natürlich war nicht alles richtig, was er machte. Aber die frühe (verdiente) gelbe Karte nach 40 Sekunden gegen Lichtsteiner war die richtige Weichenstellung. Im Anschluss konnte der Referee es sich auch leisten, manchmal ein Auge zuzudrücken, wo er hätte Gelb zeigen sollen, ohne dass dadurch ihm die sehr ruhige Spielleitung entglitt. Das war sehr ordentlich, und ich will es deshalb auch erwähnen - aus bekannten Gründen.

Gerade in der ersten Halbzeit war das Spiel dennoch  eine eher zähe Angelegenheit, fast ohne Torszenen auf beiden Seiten. Doch wer genau hinsah, konnte erkennen, wie gut und geduldig die Gladbacher inzwischen einen Gegner mit unangenehmer taktischer Ausrichtung bespielen können - auch wenn es da noch nicht zum Torerfolg führte. 
Die Mannschaft von Marco Rose erarbeitete sich viel Ballbesitz, und war über die 90 Minuten sehr laufstark, mit 122,7 zu 120,5 Kilometern gegenüber dem FCA. Damit kam Borussia heute auch weit über dem Saisondurchschnittswert von 117 Kilometern pro Spiel ins Ziel; sicher ein Punkt, warum man heute als verdienter Sieger vom Platz ging. 
Ablesbar ist das auch an Einzelwerten: Florian Neuhaus und Jonas Hofmann konnten dem Spiel zwar nicht so den Stempel aufdrücken wie zuletzt, allerdings machten sie richtig Meter: Neuhaus 12,7 und Hofmann sogar 13,06 Kilometer. Matchwinner Lars Stindl, in der 86. Minute ausgewechselt, lag mit da 11,07 km auch auf knappem 12-Kilometer-Kurs. Mit diesem hohen Einsatz suchten Zakaria und Co. immer wieder spielerische Lösungen - sowohl über die Außen als auch mit vertikalen Bällen durchs Zentrum. 

Defensiv blieben die Borussen - allen voran der "Libero" Yann Sommer - vor allem in Halbzeit eins äußerst aufmerksam, auch gegen überfallartige Konterversuche und die vielen langen Bälle der Augsburger auf Niederlechner. 
Dabei wirkte die Hintermannschaft, nicht zuletzt durch die Rückkehr von Ramy Bensebaini in die Startelf, bissig und vor allem robust in den Zweikämpfen. 
Wären in der zweiten Halbzeit nicht einige individuelle Fehler dazugekommen, etwa vor den Gegentoren, durch Tobi Strobl und den sonst sehr sicheren Nico Elvedi, man hätte von einer fast perfekten Defensive sprechen können. 
Nach vorne wurde es vor allem nach der Pause deutlich ansehnlicher. Einziges Manko einmal mehr: die Chancenverwertung. Auch dieses Spiel hätte frühzeitig entschieden sein müssen, kein Fan hätte mehr bis zum Schluss um den Sieg zittern sollen. 
Das gilt vor allem für die Schlussphase, wo dann selbst noch die 100-prozentige Chance von Hofmann und eine 4-gegen-1-Situation leichtfertig verplempert wurden. Schade drum, denn auch die Tordifferenz könnte am Ende der Saison noch eine Rolle spielen.

Dieser Sieg beweist, dass Gladbach auch eine defensiv dichte Deckung, eine stark pressende und körperlich robuste Mannschaft gut beschäftigen, bespielen und besiegen kann, zumindest mit gut eingestreuten Tempowechseln und Ballgewinnen nach Pressing wie bei Strobls gutem Einsatz vor dem 2:0. Ein gutes Beispiel für die geduldige und überlegte Einleitung einer Chance war Pleas geblockter Schuss nach Ginter-Pass in der 74. Minute. Da hatten die Borussen über 17 Passstationen hintereinander Ballbesitz bis zum Torschuss und bespielten dabei einmal die komplette gegnerische Hälfte.
Nicht unterschätzen sollte man auch die psychologisch wichtige Tatsache, mal wieder einen knappen Vorsprung ins Ziel verteidigt zu haben, nachdem späte Tore in Leipzig und gegen Hoffenheim ja doch etwas am Selbstvertrauen genagt hatten.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass derzeit ein Zwei-Tore-Vorsprung auch gegen ein Team in der unteren Tabellenhälfte kein sicheres Ruhekissen ist. Weil in der zweiten Hälfte unter zunehmendem Druck der offensiver werdenden Gastgeber bisweilen einige Basics abhanden kamen, hatte Augsburg mehr Torchancen als für meinen Geschmack nötig gewesen wären. Und natürlich zwei vermeidbare Tore auf dem Konto.

Dennoch: Insgesamt kann man mit diesem Auftritt hochzufrieden sein. Ob eine Leistung wie heute gegen Dortmund in der nächsten Woche zu etwas Zählbarem ausreichen würde, ist natürlich Spekulation. Ich hoffe nur, dass es Marcus Thuram heute nicht schlimmer am Knie erwischt hat und die Blessuren des Spiels auch keinen anderen aus dem Team außer Gefecht setzen werden. Denn für die kommende Woche mit drei richtig fordernden Spielen (BVB, K*** und Frankfurt) braucht Borussia die volle Kapelle.
     
Bundesliga 2019/20, 24. Spieltag: FC Augsburg - Borussia  Mönchengladbach 2:3 (Tore für Borussia: 0:1 Bensebaini, 0:2 Stindl, 1:3 Stindl)