Mann, Mann, Mann! Was für ein Spiel! Und wieder eine vertane Chance auf einen Dreier, so ärgerlich wie lange nicht mehr. Und war das jetzt eine ganz schlechte oder indiskutable Leistung, wie sie ganz viele "Fans" heute gesehen haben wollen und die dann ihrem Frust über Trainer, Dreierkette oder "Elfmeterversager" in drastischen Worten in den sozialen Medien Ausdruck verleihen?
Nein. Im Gegenteil. Borussia hat heute das meiste richtig gemacht - nur das entscheidende nicht, nämlich die vielen Torschüsse in wenigstens ein Tor zu verwandeln. Das nämlich hätte heute gereicht.
Dieses 0:0 ist schwer zu schlucken, weil es gegen eine der schwächsten Mannschaften zustande kam, die ich lange im Borussia Park habe spielen sehen. Der HSV war nur läuferisch erstklassig, defensiv vernünftig, aber nicht besonders herasusragend eingestellt, nach vorne war er nicht vorhanden, bzw. wurde von der sicheren Gladbacher Dreierkette leichtfüßig abgekocht. Wenn man damit dennoch einen Auswärtspunkt holen kann, kann es folglich nur am Gegner gelegen haben. Und somit haben sich die Fohlen den Dämpfer im eigenen Stadion selbst zuzuschreiben.
Der VfL hat sicher heute kein hervorragendes Spiel abgeliefert. Es war aber ein sehr gutes. Und das lässt sich leicht feststellen, wenn man sich mal nicht von den erbärmlichen Fehlschüssen des Spiels ablenken lässt.
Dass man von zwei Elfmetern mindestens einen reinmachen muss, braucht man niemandem zu erklären. Dass keiner freiwillig verschießt, auch nicht. Zumal Stindls Elfer eigentlich sehr gut geschossen war, Hahns zumindest passabel. Aber sei's drum. Schlimmer waren die vergebenen Chancen von Stindl und Elvedi aus kürzester Entfernung, dazu kam Pech bei Wendts Pfostenschuss. Johnson und Stindl hatten zwei weitere "Kann"-Chancen, die mit einem etwas präziseren Schuss wohl auch zu einem Tor geführt hätten. Statt 4:0 oder 5:0, wie es dem Spiel angemessen gewesen wäre, hieß es am Ende aber 0:0.
Und das, weil die (zu Unrecht) in der Länderspielpause so oft gescholtene Dreierkette in der Kombination Korb/Christensen/Elvedi jeden Angriffsversuch der Hamburger im Keim erstickte und auch im Spielaufbau eine sehr ordentliche Figur machte. Das war kein Vergleich zum Spiel vor zwei Wochen auf Schalke. Alle drei machten ein starkes Spiel - fehlerlos, sodass Yann Sommer überhaupt nicht gefordert wurde.
Für dieses Spiel gegen einen harmlosen und früh dezimierten Gegner war die Balance im Spiel sehr gut dosiert, wenngleich der VfL nach dem Platzverweis gegen Cleber phasenweise wieder zu langsam verschob und zu wenig Druck über überraschende Pässe in die Spitze aufbaute. Dass man deswegen die eigene Mannschaft auspfeift, wie das einige heute taten, macht mich aber fassungslos.
Was erwarten diese Leute? Da ist so manchem offenbar etwas zu Kopf gestiegen - zum Glück aber nicht in der Mannschaft. Die spielte nämlich sehr konzentriert und geduldig gegen den defensiven Gegner weiter und fand auch immer wieder Lücken nach vorne, vor allem in der zweiten Halbzeit, wo man sich den Gegner teilweise gut "zurechtlegte". Etwa bei Stindls Chance kurz nach der Pause, der eine sehr überlegte Pass-Stafette vorausging, die mit dem langen Seitenwechsel auf Traoré und nach dessen Pass mit Stindls Schuss aus elf Metern in Adlers Arme endete.
Dahoud und Co machten dabei aber nie den Fehler, zu offen zu stehen und in einen Konter zu laufen. Das war der Unterschied zu vielen anderen Spielen in dieser Saison, nicht zuletzt zu den "tollen sechs Minuten" in Gelsenkirchen.
Ein paar Worte an dieser Stelle zur Überzahl, die aus Sicht mancher Fans ja fast automatisch zu einem Kantersieg führen sollte. Das ist natürlich Quatsch, denn für den HSV änderte sich durch die Rote Karte taktisch fast gar nichts, außer dass ein Spieler weniger in der Offensive zur Verfügung stand. Defensiv ist der Verbund genauso eng gestaffelt und schwer zu knacken wie eine vollzählige Elf. Was sich mit der Zeit auswirken kann, ist die schwindende Kraft und Frische druch den läuferischen Mehraufwand. Und das zeigte sich in der Schlussphase, wo Hamburg sich kaum noch befreien konnte. Leider ohne Erfolg für Borussia.
Vorwerfen will ich der Schubert-Elf heute außer der wirklich schwachen Effektivität vor dem Tor nicht viel. Das Zweikampfverhalten war hervorragend. Obwohl eigentlich nur der HSV verteidigte, lag der VfL mit 53,4 Prozent gewonnener Zweikämpfe klar vorn und ließ wie gesagt auch keine Konter zu - im Verbund mit der Dreierkette muss man da den stark verbesserten Wendt sowie Kramer und Dahoud erwähnen, die sehr konzentriert in den Zweikämpfen zu Werke gingen. Hahn ist da ohnehin außerhalb jeder Kritik, aber auch Stindl und Johnson haben mir gefallen. Ein Tag zum Vergessen war es dagegen für Patrick Herrmann, der seine Startelfchance mit fehlerhaftem Spiel gar nicht nutzen konnte. Schade, es wäre ihm wirklich zu gönnen gewesen.
Leider - und fast erwartungsgemäß - muss es in diesem Text auch ein Kapitel über Schiedsrichter Wolfgang Stark und sein Team geben. Vorweg: Auch wenn es viele anders sehen mögen - für mich sind beide Elfmeter richtig gewesen. In beiden Fällen kreuzt der Verteidiger den Laufweg des (schnelleren) Gladbachers und bringt ihn damit zu Fall. Wohl weil bei Cleber anfangs auch noch die Hand im Spiel war, gab Stark Rot - für mich zu hart.
Im Gegensatz zu früheren Spielen benachteiligte Stark Borussia diesmal nicht über die Maqßen - oder etwa doch? Denn er hätte durchaus in der ersten Halbzeit zwei weitere Male auf den Elfmeterpunkt zeigen können, wenn nicht müssen. Zum einen in der 12. Minute, als Stindl für mich klar in der Drehung von den Beinen geholt wurde - leider wurde dies in der Wiederholung nirgends gezeigt, sodass ich keine 100prozentige Sicherheit habe. Zum anderen wäre in der 4. Minute für mich ein Elfmeterpfiff angebracht gewesen. Stark pfiff im Laufduell Clebers Handeinsatz gegen Hahn, der noch vor dem Strafraum erfolgte, den Stürmer aber nicht am Abschluss hinderte. Ein klares Foul folgte dann im Strafraum durch den heute völlig außer Rand und Band befindlichen Torwart. Hahn überspielte Adler und wurde von ihm übel getreten. Interessanterweise gab Stark dort noch nicht einmal Gelb für Cleber, den er für eine fast identische Situation in der 25. Minute mit Rot zum Duschen schickte.
Falsch war auch die Bewertung vor dem Zusammenprall von Hahn mit dem mit angezogenem Knie reinspringenden Adler kurz vor der Pause. Denn die angezeigte Abseitsstellung war keine; und es war in diesem Spiel nicht die einzige falsche Abseitsfahne zu ungunsten von Borussia. Somit wäre Adlers brutaler Einsatz entsprechend als Foul zu werten gewesen - natürlich im Strafraum.
Fast schon gewohnt war die wenig stringente Regelauslegung Starks bei
Zweikämpfen, mit dem er mal die eine, mal die andere Mannschaft
überraschte. Eine richtige Linie hat dieser Unparteiische irgendwie
nicht in seinem Spiel. Paradebeispiel war Stindls Gelbe Karte kurz vor der Halbzeit. Die Verwarnung für den Rempler gegen Spahic war völlig ok, aber dann muss Stark auch die Szene zuvor bewerten, bei der Spahic Stindl absichtlich auflaufen ließ, ohne dass der Ball in der Nähe war. Auch diese Szene wurde im Fernsehen leider nicht noch mal gezeigt.
Ach ja: Muss man noch erwähnen, dass bei Hahns Elfmeterschuss bereits zwei Hamburger in den Strafraum gelaufen waren (und kein Borusse), was laut Regelwerk mit der Wiederholung des Elfers zu ahnden gewesen wäre?
Das alles passte zu dem heutigen Tag. Aber man darf Stark auch nicht die Schuld für das unbefriedigende Resultat geben. Schließlich hatten unsere Helden heute mehrfach vermeintlich leichte Aufgaben, den Ball ohne große Gegenwehr ins Tor zu schießen. Das gelang nicht, insofern geht auch das Ergebnis in Ordnung. Punkt. Wäre nicht schlecht, wenn das Glück und das Tüchtige dann gegen Celtic und die Bayern auf unserer Seite wäre.
Bundesliga 2016/17, 7. Spieltag (15.10.16): Borussia
Mönchengladbach - Hamburger SV 0:0
Mal wieder eine klasse Spielbeschreibung! Allerdings sehe ich Mo's Auftritt etwas kritischer. Solide gearbeitet ja, aber mit zu wenig Ideen & Kreativität in der Ballverteilung. Da wäre mehr "Überraschendes" gut gewesen. Vorallem weil er es könnte ...
AntwortenLöschenDu hast Recht, dass er mehr kann und auch schon gezeigt hat. Aber Dahoud steigert sich wöchentlich, wie ich finde - im Vergleich zum Saisonbeginn sieht das schon wieder ganz gut aus. Und er hat in Kramer auch einen etwas anders spielenden Partner an der Seite als es Xhaka war. Ich finde aber, dass die beiden immer besser harmonieren. Natürlich ist noch Luft nach oben, gerade auch in einem Spiel wie gegen Hamburg. Nach hinten und in den Zweikämpfen jedenfalls fand ich Mo diesmal sehr präsent und auch geschickt. Viele Grüße!
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