2022-01-08

Ein Frühstart nach Maß

Das konnte sich doch sehen lassen. Ergebnistechnisch. Und aufgrund mancher in der Hinrunde nicht mehr so ganz präsenter Tugenden, die zum Rückrundenstart in der Münchner Kältekammer im Team des VfL zurück und gut zu beobachten waren.

Unter dem Strich stehen drei nicht einkalkulierte Punkte gegen den Rekordmeister, über deren Zustandekommen (zum Glück) bald niemand mehr reden wird, für die man sich aber auch nicht zu schämen braucht.

Denn dass dieses Spiel von zwei - in der allgemeinen Wahrnehmung - Spitzenteams in dieser Verfassung und Personalkonstellation als Werbung für die deutsche Bundesliga in alle Welt ausgestrahlt wurde, war schon ein bisschen, ähm... peinlich. Ich weiß nicht, ob ich schon mal ein Erstligaspiel gesehen habe, wo so viele Kerzen in den Himmel und Befreiungsschläge ins Nichts geschossen wurden. Wo Spielfluss und spielerische Finesse höchstens mal aufblitzte. Wo Ballverluste Standard und Spielkontrolle bei beiden Teams nur selten vorhanden war. Vor allem in der Anfangsphase flipperte der Ball im Sekundentakt von der einen zur anderen Mannschaft, mehr als fünf Sekunden Ballbesitz waren die Ausnahme.

Sicher lag das nicht nur an der Aufstellung der Bayern, die zwar namhaft war, aber wo mancher eben auch auf einer ungewohnten Position agieren musste. Es lag auch nicht nur am angekratzten Selbstbewusstsein der Borussen, die sich - ebenfalls nicht in Bestbesetzung - auch in diesem Spiel nur mühsam aus der eigenen Verunsicherung befreien konnten. Nein, es lag auch an den winterlichen Witterungsbedingungen, einem etwas seifigen Untergrund und der Tatsache, dass beide Teams irgendwie nicht wussten, wo sie nach der kurzen Weihnachtspause gerade stehen und wie sie schnell wieder ins Spiel finden könnten. Auch die guten Torchancen und die Tore auf beiden Seiten entsprangen dabei dann weniger spielerischen Geistesblitzen, sondern trugen einen großen Faktor Zufall in sich.

Zunächst sah es dennoch so aus, als würde der Meister hier seinen Stiefel besser herunterspielen können als die Mönchengladbacher Gäste. So zerfahren die ersten 20 Minuten auch waren, mehr Struktur und mehr Zug zum Tor hatten eindeutig die Bayern in ihrem Spiel. Insofern war auch die Führung nicht unverdient. Erst nach dem 0:1 stellten sich die Hütter-Schützlinge in en Räumen merklich besser auf und bemühten sich auch mal mit mehr als drei Spielern in die gegnerische Hälfte zu kommen.  

Der Ausgleich fiel aber doch eher überraschend, nach einem guten Ballgewinn zwar, bei dem Borussia die Kugel nicht gleich wieder verlor, sondern über mehrere Stationen in der Münchner Hälfte nach vorne spielen konnte. Doch eigentlich hätte aus der Flanke von Lainer nichts werden können, da nur Lars Stindl im Strafraum gegen eine Überzahl an Roten stand. Doch der Zufall, Kimmichs Querschläger und eine in diesem Moment dann doch gute Box-Besetzung mit nur drei Gladbachern (gegen acht Bayernspieler) sorgten für das 1:1 durch Neuhaus. Auch dass Stevie Lainer kurz darauf nach tollem Eckball von Luca Netz (und offenbar einstudiertem Laufweg) frei zum 2:1 einköpfen durfte, haben sich die Gastgeber vor allem selbst zuzuschreiben. Das war einfach schlecht verteidigt.

In jedem Fall war es genau der Verlauf, der Borussia fortan in die richtige Spur lenkte. Und von da an ließ die Hütter-Elf nicht mehr locker und zeigte genau das, was in dieser Phase wichtig ist: Kampf, Kampf, Bissigkeit und Zähigkeit. Das reichte gegen diese Bayern an diesem Abend, und insofern war auch der Sieg am Ende "verdient erkämpft". 

Ärgerlich unter diesen Umständen war nur, dass auch am Freitag die eigenen Möglichkeiten wieder nicht genutzt wurden, um das Spiel frühzeitig zu entscheiden. Das war schon vor der Pause ein Manko, als Embolo das 3:1 auf dem Fuß hatte und am glänzend parierenden Ulreich scheiterte und zum Glück Lewandowski und Müller quasi im Gegenzug eine Riesendoppelchance (Pfosten und Ginter-Abwehr auf der Linie) zum Ausgleich liegen ließen.

Vielleicht waren das auch schon die Schlüsselminuten für den Ausgang dieses Spiels. Denn in der zweiten Halbzeit verteidigten die Borussen das Ergebnis letztlich gekonnt und mit dem nötigen Portiönchen Glück, wurde aber längst nicht so gefordert wie in manch anderer Partie gegen den Rekordmeister. Und wenn, dann hatten sie sich selbst in Not gebracht, wie etwa bei dem einen oder anderen Harakiri-Pass, den sich etwa Koné bei allem Eifer erlaubte. Schlimmer allerdings war, dass kein Konter erfolgreich zu Ende gefahren werden konnte und die Bälle dann teilweise auch noch peinlichst einfach vertändelt wurden.

Am Ende ist das egal, denn die drei Punkte sind im Sack und die Mannschaft, die auf dem Platz stand, hat bei allen spielerischen Unzulänglichkeiten gezeigt, worauf es in der Rückrunde zu allererst ankommen wird: Über den Kampf und die konsequente Abwehrarbeit zurück ins sichere Spiel zu finden. Das haben fast alle, die gestern im Einsatz waren, auch verstanden. 

Lainer, Netz und natürlich Jantschke überragten meiner Meinung nach in dieser Hinsicht gegen die Bayern, aber auch Stindl, Kramer und der oft vorne auf sich allein gestellte Embolo standen dem kaum nach. Im Gegensatz zu dem erneut phlegmatischen Auftritt von Plea und vor allem zu Marcus Thuram, der kurz vor Schluss dann doch noch ins Spiel kam und nur mit einem aufreizend lässig vertändelten Konter und seinem unbeteiligten Zurücktraben auffiel und damit auch äußerst negativ aus der Mannschaft herausragte.
Mit dieser Einstellung und den dürftigen Auftritten in den vergangenen Wochen scheint es wirklich dann das Beste zu sein, ihn kurzfristig gegen eine vernünftige Ablöse abzugeben. Es wäre ein enttäuschendes Ende einer so verheißungsvoll gestarteten Geschichte, aber: That's life.

Natürlich werden jetzt viele Spielberichte den Gladbacher Sieg vor allem mit Bayerns Ausfällen erklären. Das kann uns recht sein, weil dadurch auch die Gladbacher Leistung nicht unnötig überhöht wird. Ein bisschen Understatement tut den Spielern im Moment sicher besser, um wieder nachhaltig in die richtige Spur zu finden. Aber die fehlenden Bayern-Stars sind ja wie gesagt auch nur ein Teil der Wahrheit, zumal eine noch besser besetzte Startelf im Oktober auch schon 5:0 gegen den VfL die Packung bekommen hat.
Klar: Die seltsame, aber in weiten Teilen selbstverschuldete (kleiner Kader, Nachlässigkeit) personelle Lage der Corona-Bayern lässt sich an einem besonderen Fakt illustrieren. Dass ein 16-Jähriger so nebenbei zum neuen Rekordhalter als jüngster Spieler der Bundesliga wurde - nicht, weil er als herausragendes Talent schon so weit wäre, sondern weil der Rekordmeister keine anderen spielfähigen Kräfte hatte oder einwechseln wollte, das ist schon so. Doch die Ausfälle von Bensebaini, Hofmann, Scally und Zakaria wiegen auf Gladbacher Seite ja kaum weniger schwer.

Am Ende ist es - trotz des erneuten Erfolgs über den größtmöglichen Gegner - erstmal nur ein Schritt aus der Krise (hoffentlich). Aber der ist umso wertvoller, weil er die Verantwortlichen zunächst wieder ein bisschen ruhiger arbeiten lassen kann. Und das ist in dieser Situation das Allerwichtigste. 

Noch ein bisschen was zum Schiedsrichter? Nun, Daniel Siebert hatte einen sehr großzügigen Tag, übersah dabei einige klare Fouls und hatte auch etwas Glück, dass die Spieler das nicht über Gebühr ausreizten. Denn sonst wäre er nicht gut damit durchgekommen. Gerade Lewandowski hätte mindestens nach seinem zweiten groben und völlig unnötigen Foul gegen Keeper Sommer Gelb bekommen müssen, ebenso Roca.
Stattdessen verteilte Siebert die einzige Verwarnung des Spiels wegen Meckerns an Lars Stindl. Dabei hatte der - vielleicht in der falschen Wortwahl, aber in der Sache berechtigt - sich darüber beklagt, dass Siebert zuvor nach einem Einwurf den Gladbacher Wechselwunsch zweier bereitstehender Spieler ignoriert hatte, was in der Folge zu einer großen Bayern-Chance führte und darüber hinaus dann durch die Verwarnung auch noch zu einem Freistoß gegen Gladbach (statt eigenem Abstoß).
Die Gelbarmut in diesem Spiel, die auf Seiten der Gladbacher ansonsten auch durchaus in Ordnung ging, zeigt aber auch - im Positiven -, dass gestern trotz der spielerischen Klasse und der Geschwindigkeit, die die Müncher auch diesmal zeitweise auf den Rasen bringen konnten, kein Gladbacher gezwungen war, in höchster Not taktische Fouls und damit Verwarnungen zu ziehen. Man muss "nur" jetzt darauf und auf den anderen positiven Ansätzen aufbauen. Damit der frühe Start nach Maß veredelt werden kann.

Bundesliga, 18. Spieltag: Bayern München - Borussia Mönchengladbach 1:2. Tore für Borussia: 1:1 Neuhaus, 1:2 Lainer.

Saisonspende: Zwei Euro für zwei Tore, zehn für den Sieg gegen den Lieblingsgegner: Das kann sich zum Rückrundenstart sehen lassen und "katapultiert" den Spendenstand von 72 auf 84 Euro. Prima!

Folgendes gilt für die Saison 2021/22: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal: 1 Euro. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 121 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

1 Kommentar:

  1. Super 3 Punkte - hoffentlich etwas zum Aufbauen, das ist immer noch nötig. Ein Spiel, wo ich nach 25 Minuten schon bedient war, da einfach zu viel Alibifußball und Begleitservice das Borussenspiel prägte. Ich fand auch, Embolo hat es ganz gut gemacht - allerdings hat er durch sein ständiges im Abseits stehen etliche Ballverluste von Kone und Co. provoziert. Das sollte er besser machen. Der madige Auftritt von Thuram und Plea ist wirklich ein Rätzel - schade. Schade auch, dass Ginter zwar top Abwehrsituationen hatte, aber wieder nicht als Leader der Abwehr zu sehen war. Das leere Stadion ließ die "Geräusche" vom Platz gut durch. Die Borussen waren viel zu ruhig, fast leise - da würde ich mir mehr Verständigung und Aufmunterung wünschen. Lainer, Sommer, Netz waren spitze! Aber alle haben es zum Schluss hin - mit genügen Dusel - klasse verteidigt. Vielleicht gelingt ja jetzt was gegen die Pillen.

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