2018-08-26

Eine Stunde Verheißung

Borussia, das war stark. Ein Start in die neue Saison, wie man ihn sich besser fast nicht wünschen kann. Nach dem lockeren Sieg beim BSC Hastedt folgte erwartungsgemäß eine deutlich härtere Nuss, die ebenfalls geknackt wurde. Und mit Ausnahme der ersten halben Stunde, mit der die Mannschaft noch einmal an all die Fehler der vergangenen Saison erinnerte, war das eine richtig saubere Leistung.
Heute war es wieder zu spüren, dass da eine Mannschaft auf dem Platz steht, die für einander einsteht und in der jeder für den anderen läuft und kämpft. Das ist Grundstein des Auftakterfolgs gewesen, dann erst kommen die spielerischen Finessen, die die Mannschaft nach und nach auf den Rasen des Borussia Parks gebracht hat.


Natürlich: Zu der Geschichte gehört auch, dass die Gäste das Spiel in der ersten Halbzeit in eine andere Richtung hätten drehen können. Da war Leverkusen die etwas zwingendere Mannschaft mit den deutlich besseren Torchancen. Doch ausgerechnet der verschossene Handelfmeter von Hazard erwies sich als Kick für den VfL. Danach übernahm die Hecking-Elf vollends die Initiative, griff mutiger an, spielte schneller nach vorn und gewann die nötigen Zweikämpfe, die die schnellen Konterversuche der Pillen unterbanden. Das war der neu sortierten Elf um den Sechser Tobi Strobl in den ersten 30 Minuten zu wenig gelungen. Diverse leichte Ballverluste am gegnerischen Strafraum führten da noch zu gefährlichen Gegenangriffen.


Zwei Dinge waren aus meiner Sicht ausschlaggebend, dass es vor allem nach der Halbzeit erheblich besser lief für Borussia. Zum einen, dass Thorgan Hazard wieder über die angestammte linke Seite kam, weil Fabian Johnson mit ihm die Seite tauschte. Und dass die Achter Jonas Hofmann und Florian Neuhaus das Spiel an sich zogen und mit irrem Laufaufwand den Leverkusenern im Zentrum die Luft nahmen, brillant assistiert vom abgeklärten Strobl, der seine Aufstellung nachhaltig rechtfertigte.


Um den Titel des Spielers des Spiels bewarben sich heute gleich mehrere Rautenträger. Luis Jordan Beyer etwa, der bei seinem Bundesliga-Debüt eine unglaublich abgezockte Partie auf rechts (meist) gegen Leon Bailey ablieferte. Beyer war dabei ballsicher, mit dem guten Auge für den richtigen Pass und im Zweikampf nahezu immer so früh am Gegner, dass Bailey seine Schnelligkeit kaum ausspielen konnte. Und nicht zu vergessen, die Rettungstat mit der Brust auf der Linie in der ersten Halbzeit. Da hat einer heute mit Schmackes seinen Hut in den Ring geworfen für den Stammplatz auf dieser Position.

Tony Jantschke machte in der Innenverteidigung für mich eins seiner besten Spiele in den vergangenen Jahren. Er war stets da, wo er sein musste, wenn nötig auch mit der Härte eines Fußballgottes. Dass Leverkusen im Gladbacher Strafraum trotzdem einige Male gefährlich wurde, zeigt, dass es auch beim Defensiv-Quartett Beyer, Ginter, Jantschke, Wendt noch Steigerungpotenzial gibt. Aber heute blieb der Kasten sauber, und unter dem Strich zählt genau das.

Dass am Ende ein Zu Null stand, hatte auch wieder mit einem glänzend aufgelegten Yann Sommer zu tun. Einige Wackler hatte er drin, vor allem beim Fausten, aber ansonsten stand er hervorragend und machte selbst Alarios Kopfball in der Schlussphase noch mit einem Weltklasse-Reflex zunichte. Es scheint, als hätte ihm die Kicker-Krone als bester Buli-Keeper der Rückrunde mental nochmal ein paar Extra-Prozente verschafft.

Tobi Strobls Rolle in der Mannschaft heute habe ich schon hervorgehoben, mit 12,4 Kilometern war er zudem einer der fleißigsten auf dem Rasen. Florian Neuhaus lieferte ebenfalls eine blitzsaubere Partie ab, er holte reaktionsschnell den zweiten Elfmeter heraus und glänzte durch gute Balleroberungen, clevere Läufe in die Tiefe und feine Pässe. Thorgan Hazard sprühte vor Spielfreude, vergass aber ab und an den richtigen Zeitpunkt für den Pass. Dass mal ein Elfer nicht sitzt, muss man auch bei einem Spieler seiner Klasse einkalkulieren. Trotzdem eine Augenweide, ihn weiter bei uns spielen zu sehen. 
Auch Raffaels Maschine lief mit zunehmender Spieldauer merklich warm, mit der Krönung des "Borussia-Barcelona-Gedächtnistors" zum 2:0 durch den agilen Johnson. 


Sie alle hätten zum Spieler des Spiels werden können. Wenn, ja wenn ihnen nicht Jonas Hofmann heute den Rang abgelaufen hätte. Nach der eher drögen ersten halben Stunde mit viel Verzögerung und Hinten-herum-Spielerei im VfL-Spiel blühte der so oft gescholtene Mittelfeld-Künstler heute richtig auf und bestätigte die überwiegend starken Eindrücke aus den Vorbereitungsspielen. 
Mit Zuckerpässen in die Schnittstellen schnitt er durch die Gäste-Defensive, eroberte Bälle, lief Gegenangriffe ab, tauchte überall und nirgendwo auf und verzeichnete nach den 93 Minuten sagenhafte 13,44 Kilometer auf dem Tacho. Er übernahm die Verantwortung bei der zweiten Elfmeterchance, verwandelte sicher und kam so auch endlich zu seinem ersten Ligatreffer für Gladbach. 
Kurz gesagt, Hofmann war vor allem in Halbzeit zwei Dreh- und Angelpunkt im Spiel und zeigte, dass ihm diese Position im offensiven Mittelfeld viel mehr liegt als die auf dem Flügel (ich glaube, ich mutmaßte das auch schon mal - vor längerer Zeit). 
Für ihn freut es mich im übrigen deshalb ganz besonders, weil er seine enormen Spielmacherqualitäten bisher so selten abrufen konnte und immer noch bei vielen Fans als Fehleinkauf gilt, obwohl er einer der talentiertesten im Kader ist. Doch das hilft natürlich nicht weiter, wenn man immer nur das Versprechen eines Topspielers ist und es nie einlöst. Heute hat er gezeigt, dass er in der neuen Borussia eine tragende Rolle spielen könnte, wenn man ihn lässt und ihm nicht wieder eine Verletzung in die Quere kommt.




Zwei Pflichtspiele, zwei Siege - das kann sich sehen lassen. Aber ich werde nicht den Fehler machen, jetzt alles für gut zu erklären und die Mannschaft mit Erwartungen zu überfrachten. Natürlich hätte auch heute wieder der eine oder andere besser ausgespielte Konter für noch klarere Verhältnisse sorgen müssen. Und an der langen Aufwärmphase in Halbzeit eins ist selbstredend noch zu arbeiten.
Das im Auge zu behalten, den Blick immer nur auf das nächste Spiel zu richten und am Ende zu schauen, wozu das reicht, ist eine wiederentdeckte Erkenntnis, die Borussia im neuen Spieljahr bislang gut ansteht. Wie der ehrliche Blick darauf, dass das Spiel natürlich auch in eine schlechtere Richtung hätte laufen können. 

Doch heute können wir mit dem guten Gefühl an eine Stunde tollen Offensivfußball ins Bett gehen und von mehr träumen - solange wir nicht vergessen, dass das nur gelingen kann, wenn die Mannschaft auch in den nächsten Spielen eine Einstellung wie heute zeigt und ihre Geschlossenheit und ihren Willen auf den Platz bringen muss. Es scheint, als hätte sie das verstanden. Und das wurde, sofern ich das aus der Ferne beurteilen konnte, auch im Stadion wohlwollend wahrgenommen und stimmungstechnisch belohnt. Die Saison läuft und sie macht Spaß. Gladbach-Fans gefällt das.   

Bundesliga 2018/19, 1. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Bayer Leverkusen 2:0. (Tore für Borussia: 1:0 Hofmann FEM, 2:0 Johnson)

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