Aber dass ich nicht euphorisch werde, hat nicht viel zu sagen. Auch bei Lucien Favres Vorstellung fragte ich mich, und ich war sicher nicht der einzige, was sich der Club und Max Eberl davon versprachen, den bei Hertha nach gutem Beginn gescheiterten Schweizer in dieser Situation zu verpflichten. Wie es weiterging, brauche ich niemandem zu erzählen. Mit André Schubert bewies Eberl ebenfalls ein gutes Händchen, auch wenn dessen Leistungen für Gladbach in den vergangenen Wochen unverdient etwas untergingen.
Also wird sich der Manager auch etwas dabei gedacht haben, jetzt den Ex-Wolfsburger ins Rennen zu schicken. Seine Gladbacher Vergangenheit wird sicher nicht den Ausschlag gegeben haben, dafür war Heckings Auftritt in den 80er Jahren zu wenig prägend.
Heckings Karriere zeigt, dass er Mannschaften, auch Außenseiter, durchaus erfolgreich machen kann. Doch wo ihm das gelang, in Lübeck, Aachen, Nürnberg, blieb er nicht so lange, dass man sein Verhalten bei Rückschlägen hätte beobachten können. Er stieg jeweils vorzeitig, während der Saison aus und auf - zu einem Verein, der ihm noch mehr bieten konnte. Dieses "Söldnerimage" wird ihm weiter nachhängen, genauso wie der Makel, aus den fast unbegrenzten Möglichkeiten in Wolfsburg nicht noch mehr gemacht zu haben. Doch das ist Schnee von gestern.
Wichtig ist, was Hecking aus unserer Mannschaft machen wird. Bislang war er stets ein Freund klarer Abwehr-Strukturen, sprich der Viererkette mit zwei offensiv wie defensiv starken Außenverteidigern. Das Personal dafür kann ihm Gladbach auch bieten. Mit Oscar Wendt und Nico Schulz links; Julian Korb über rechts sowie den rechts wie links einsetzbaren Fabian Johnson und Nico Elvedi stünden ihm Spieler zur Verfügung, die in diese Position reinrücken könnten. Ob sie die defensive Stabilität dazu haben, müsste sich zeigen. Das wird aber der entscheidende Faktor für den weiteren Verlauf dieser Saison sein. Hecking muss den VfL hinten dicht machen.
Vorne spielte Hecking bei den Gölfen gern mit einem Stoßstürmer, einem zentralen Mittelfeldspieler auf der 10 und zwei Flügelspielern. Gäbe es die diversen Verletzungen nicht, könnte ein solches Quartett vor der Doppelsechs (Kandidaten: Dahoud, Kramer, Strobl) so aussehen:
Hahn (Stindl, Drmic)
Raffael (Hazard)
Das könnte vielversprechend sein. Borussias Spieler sind so flexibel, dass auch noch viel mehr Kombinationen denkbar sind. Reine Flügelspieler sind allerdings nur Traoré, Herrmann und Johnson. Alles anderen verlieren einen Teil ihrer Stärke, wenn sie an die Außenlinie gepresst werden. Ganz im Gegenteil übrigens zu Nico Elvedi, der außen in der Viererkette sehr starke Spiele abgeliefert hat. Wenn Hecking aber verstärkt auf Flügelspiel setzen sollte und weniger auf das zentrale Dreieck Raffael, Stindl, Hazard, dann bedeutet das, das viel mehr Flanken und Zuspiele von außen kommen würden, die entsprechend versierte Abnehmer suchen. Eine Chance für Josip Drmic?
Überhaupt darf man gespannt sein, wie sich der Trainerwechsel auf die einzelnen Spieler auswirkt, ob sich zum Beispiel bislang kaum berücksichtigte Akteure wie Schulz und Hofmann empfehlen können oder gar einer der Jungen (Sow, Benes, Ndenge, Simakala) eine Chance erhält. Wird Tony Jantschke wieder eine feste Größe und was passiert mit Josip Drmic - findet Hecking für ihn eine funktionierende Einbindung ins Spiel? Wenn ein Trainer mit anderen Vorstellungen kommt, bietet das ja auch Chancen für andere Spielertypen, die unter Favre oder Schubert nicht hundertprozentig ins Schema passten. Das ist spannend zu sehen, ebenso, auf welchen Positionen der Verein wie versprochen personell nachlegen will. Und wo er auch Spieler spätestens zum Sommer abgeben will.
Nicht zuetzt wird es darum gehen, ob Hecking die gewachsene Mannschaftshierarchie erstmal aufbrechen will und wie ein Hans Meyer gleich mal ein, zwei Spieler nach Gladbach holt, die ihm vertrauen und den einen oder anderen rasiert bzw, degradiert. Oder ob er wie Favre das Personal so nimmt, wie es ist und davon ausgehend seine Spielidee entwickelt. Welcher Typ Hecking ist, weiß ich nicht. Aber wir werden sicher in Kürze erfahren, wie er die Puzzleteilchen zusammenfügen will. Und auch, ob und was sich im Trainerteam tun wird. Bisher hat er ja offenbar immer seinen "Co" Dirk Bremser mitgebracht. Ich bin gespannt, wieviel Kontinuität Borussia unter dem neuen Trainer beibehalten kann und will. Und natürlich ob sich das auch auszahlt.
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