2019-04-28

Nicht mehr konkurrenzfähig

Schluss, Aus, es reicht. Die Saison ist für mich abgehakt. Der VfL wird sich vielleicht doch noch irgendwie und mit fremder Hilfe auf einem Euro-League-Platz ins Ziel retten. Doch verdient hat er es längst nicht mehr. Alle Mannschaften um Gladbach herum spielen Fußball, erzwingen Tore, Siege - und sie zeigen Mentalität und wenn nötig, ihre Zähne. Die Hecking-Truppe dagegen spielt vor sich hin, als gelte es die Zeit bis zum Saisonende irgendwo im Nirgendwo der Tabelle rumzubringen.

Es war jedem klar, dass heute ausschließlich ein Sieg zählt - aufgrund der Ergebnisse der Konkurrenten, aber auch, weil es eins der beiden vermeintlich leichteren Spiele des Restprogramms war. Was geliefert wurde - war trotz teils gemeingefährlicher Foulkultur des Gegners - unterirdisch. Das heute erinnerte fatal an den letzten Spieltag der vergangenen Saison, als sich Borussia mit einer blutleeren und auffällig gleichgültigen Leistung beim abgestiegenen HSV blamierte. 

So zweikampf- und abschlussschwach wie heute gewinnt die Mannschaft keinen einzigen Punkt mehr in dieser Saison. Und das 0:1 von Stuttgart war ja nur der Tiefpunkt einer Entwicklung in den letzten Wochen, die zwischenzeitlich nur durch ganz gute kämpferische Einlagen kaschiert wurde (von denen heute nur im Ansatz noch etwas übrig war). Der Kredit ist, zumindest bei mir, leider schon wieder aufgebraucht.

Natürlich kann man keinem Spieler den Einsatz absprechen. Sie waren stets bemüht, wie es wenig schmeichelhaft im Arbeitszeugnis heißen würde.
Doch was sie gemeinsam auf die Beine stellen, wird von Woche zu Woche weniger. Man kann auch mal gegen eine Trümmertruppe wie Stuttgart verlieren, zumal nach einem Trainerwechsel, der vor dem Spiel dort einige Karten neu mischte. Aber: Nicht so. 
Eine Mannschaft, die in der Hinrunde (fast) die gesamte Liga verzückt und teils zauberhaft an die wand und ausgespielt hat, darf nicht auf eine so hilflose und uninspierende Weise verlieren, so dass man den noch immer sehr fehlerhaft agierenden Schwaben am Ende unverblümt bestätigen muss, dass sie verdient gewonnen haben. Weil sie offensichtlich kapiert hatten, worum es in diesem Spiel für beide ging - und Gladbach, wo unter der Woche immer noch Spieler vom Ziel Champions League sprachen, eben nicht.

Ich werde heute nur kurz feststellen, dass Schiedsrichter Bastian Dankert sich zwar heute richtig Mühe gegeben hat, zum schlechtesten Mann auf dem Platz zu avancieren. Es ist ihm aber nicht gelungen, auch weil die harmlose zweite Hälfte von Borussia jegliches Argument nimmt, dem Schiedsrichter irgendeine Rolle bei der Niederlage zuweisen zu können - selbst wenn man wollte.

Nein, heute geht es um anderes, ganz Grundsätzliches. Eine Mannschaft, die - bis auf den unermüdlichen Denis Zakaria und mit Abstrichen Christoph Kramer und Patrick Herrmann - zu keiner Zeit den Eindruck vermittelte, die verunsicherten Gastgeber mit Macht in ihre Schranken zu verweisen, war der ideale Aufbaugegner für ein Team, das sich vergangene Woche in Augsburg mit 0:6 hat abschießen lassen. Das ist nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahren so gewesen. Und das macht mich auch so sauer. Das ganze Theater um die schlechte Rückrunde in der vergangenen Saison wiederholt sich auffällig, und das, obwohl diesmal das Verletzungspech nicht mehr als Grund herhalten kann.

Nachdem sich die Unzulänglichkeiten bei den Spielern wiederholen, kann ich mich da eher kurzhalten. Insgesamt zu langsam, zu behäbig, von pressenden Gegenspielern zu leicht zum Rückpass zu zwingen, bei den Pässen zu wenig präzise und mit zu wenig Druck, um schnelle Läufe nach vorne überhaupt zu ermöglichen. 
Die Chancenverwertung ist ein reines Desaster, wenn selbst eine 3-gegen-den Torwart-Situation so jämmerlich verschenkt wird wie bei Pleas frühem Alleingang. Freistöße und Ecken können auch direkt zum Gegner gespielt werden, so harmlos sind sie, auch die Flanken und flachen Hereingaben in den Strafraum sind erbarmungswürdig schlecht. Ganz ehrlich, darüber, wie Borussia im letzten Drittel des Spielfeld spielt, können sich selbst die dürftigsten Bundesliga-Abwehren scheckig lachen.

Dazu kam heute noch ein ganz schwaches Zweikampfverhalten. Besonders Elvedi und Ginter ragten hier im Negativen heraus. Natürlich unterläuft Donis vor dem entscheidenden Tor Elvedi und verschafft sich so einen Vorteil. Den muss ich auch nicht zwingend abpfeifen. Aber wenn ich doch im Spiel merke, dass da ein Schiedsrichter ist, der Schwierigkeiten hat, Fouls zu bewerten, dann darf ich mich doch erst recht nicht so billig abkochen lassen wie Elvedi in dieser Szene. Abgesehen davon hatten die Stuttgarter unter dem Strich ja deutlich mehr gute Schusschancen, die sie im Prinzip genauso nutzten, wie es ein Abstiegskandidat traditionell tut - nämlich gar nicht.
Besonders ärgerlich: In der ersten halben Stunde zeigten die Borussen sogar mehrfach, wie es gehen könnte. Gegen den zwar gut gestaffelt stehenden Gegner gelang es Neuhaus, Zakaria und Co mit Pässen in die Tiefe an den Strafraum immer wieder mit einem Pass, die erste Abwehrkette zu überwinden. Allein, es kam nichts Zählbares dabei heraus. Mit zunehmender Spielzeit schloss Stuttgart diese Lücken immer besser, auch weil vom VfL zu wenig überraschende und schnelle Aktionen kamen. 

Soweit meine Mannschaftsschelte. Noch sprachloser macht mich aber die Leistung des Trainerteams. Ich habe Verständnis gezeigt über die Enttäuschung von Dieter Hecking über seine Ausbootung. Ich hätte es auch verstanden, wenn er sofort die Brocken hingeworfen hätte. Doch was er seitdem gecoacht hat, lässt eine sehr merkwürdige Einstellung durchscheinen - oder Hilflosigkeit. Oder ein bisschen von beidem. Seit der Bekanntgabe des Trainerwechsels zum Saisonende wagt Hecking plötzlich Experimente. Erst die unerwartete Umstellung auf Dreierkette, die kurzzeitig für Belebung sorgte, aber ein Problem beseitigen sollte, das es eigentlich nicht gab. Denn mit vernünftigen Außenverteidigern kann man vielleicht sogar besser Druck über die gesamte Breite des Feldes erzeugen als mit einer noch zentraleren Ausrichtung gegen ohnehin eng stehende Gegner. Mit der negativen Begleiterscheinung, dass die einsamen Flügelläufer Herrmann und Hazard zwischen Defensive und Offensive aufgerieben wurden und so einen großen Teil ihrer Stärken nach vorne einbüßten. 

Ich will nichts gegen ihren Einsatz sagen, beide haben sich für die Mannschaft geopfert und ihre Rolle sehr gut ausgefüllt. Aber solche Offensivwaffen so weit weg vom gegnerischen Tor zu binden, ist ein Luxus, den man sich auch erlauben können muss. Angesichts der personellen Alternativen, die sich auch heute als wenig hilfreich erwiesen haben und vor allem mit Blick auf die jämmerliche Torausbeute der letzten Spiele, kann man daran seine Zweifel haben. 
Als diese ziemlich auf der Hand liegende Frage über die Rolle Hazards von (Fan-)Medien vorgebracht wurde, zusammen mit der Frage, ob man nach dem Ausfall von Stindl und Raffael nicht vielleicht Hazard neben Plea in den Sturm beordern sollte, wies Hecking die Kritik sehr brüsk zurück: "Da maßen sich die Leute an, wie ein Trainer zu denken, obwohl man null Ahnung von dem Ganzen hat und nicht nachvollziehen kann, warum man irgendwelche Dinge macht, weil man nicht nah genug dran ist", sagte er laut "Fohlen hautnah". Das klingt dünnhäutig, das ist dünnhäutig. Doch der Misserfolg hinterlässt Spuren.

Das Ergebnis seiner Aufstellung war, wie wir heute gesehen haben, ein anderes. Sagen wir ruhig, ein merkwürdiges. Und das lässt mich ernsthaft zweifeln, ob Dieter Hecking noch ein wirkliches Interesse an dem maximalen Erfolg mit der Mannschaft zum Saisonende hat. Oder ob es im Team oder zwischen Mannschaft und Trainer Probleme gibt, die der Umsetzung seiner Taktik im Wege stehen.



Ich bin über die Jahre mit den meisten taktischen Veränderungen des Trainers einverstanden gewesen. Und wenn sie nicht erfolgreich waren, konnte ich sie zumindest nachvollziehen. Seit der Winterpause häufen sich allerdings Veränderungen und Einwechslungen, die sich mir nicht mehr so ganz erschließen. Wie die heute. 
Ich bin ein großer Freund der Spielweise von Jonas Hofmann. Aber ihn neben Plea in den Angriff zu stellen, war für mich völlig unverständlich. Das konnte nicht funktionieren.

Ja, Hofmann ist wendig, trickreich, laufstark und geschickt mit dem Ball. Er ist aber ein Spieler, der es  - mittels seiner Technik und dem rechtzeitigen Abspielen des Balles - gerade besonders versteht, sich Zweikämpfen möglichst zu entziehen. In vorderster Reihe kann er zwar den Gegner gut anlaufen, aber er muss auch in harte Zweikämpfe mit den Innenverteidigern gehen, was ihm überhaupt nicht schmeckt und ihm viel von seiner Leichtigkeit und Spielidee nimmt. Mit langen, hohen Bällen, die ein Stürmer oft sichern oder per Kopf weiterleiten muss, kann er überhaupt nichts anfangen. Und als derjenige, der Stürmern Bälle in den Lauf legt, ist er in der vorgezogenen Position auch nicht mehr so stark, weil er das Spiel vor sich braucht, um wirklich effektiv zu sein. 
Was war der Erfolg? Hofmann zog sich im Spiel immer wieder auf seine alte Position zurück, holte Bälle, verteilte aus dem Mittelfeld, während Plea im Angriff den Alleinunterhalter spielte oder mal Flo Neuhaus ganz vorn auftauchte, der sich in der Spitze aber ebensowenig wohl fühlt wie Hofmann.

Doch auch die Auswechslungen heute machten nicht den Eindruck eines zu allem entschlossenen Trainerteams. Das 0:1 ist gerade gefallen, da wechselt Hecking in Strobl den einzigen Innenverteidiger in Normalform aus, um Wendt zu bringen. In der Folge musste das Team seine neue Struktur erstmal wiederfinden. Zehn Minuten später kam dann Traoré für Hofmann und kurz darauf noch Cuisance für Kramer. Keiner der drei wusste das Spiel umzubiegen, im Gegenteil. Wendt und Traoré spielten sich zwar teilweise gut über die Außen durch, doch die Flanken und Zuspiele blieben ungefährlich. 

Und warum der junge Franzose derzeit noch eingewechselt wird, ist mir ein Rätsel. Er spielt nach wie vor sehr arrogant und versucht mit meist unangebrachten Einlagen, auf sich aufmerksam zu machen. Auffälligste Szene war ein Freistoß, vor dem er sich konzentrierte wie ein Ronaldo, nur um ihn dann in die Mauer zu schießen.

Und das, wo in Josip Drmic ein Stürmer auf der Bank saß, der seine Jokerfähigkeit genau vor einem Jahr in mehreren Spielen schon bewiesen hat. Einer, der Plea gut hätte unterstützen können. Der über den Flügel kommen könnte. Aber selbst in so einem Spiel wird er ignoriert, während Cuisance eingesetzt wird, obwohl er offensichtlich noch immer nicht kapiert hat, dass in der derzeitigen Situation sich das Spiel nicht um ihn dreht, sondern er sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen hat.

Nein, so wird das nichts mehr. Und auch wenn ich heute den Trainer ein wenig in den Mittelpunkt der Niederlage gestellt habe, bleibt festzuhalten, dass er nur einen Teil der Verantwortung dafür trägt. 
Die Mannschaft ist keine Einheit und fällt gegenüber den Konkurrenten deutlich ab, was Einsatz, Einstellung und Spielwitz angeht. Dass sie viel zu langsam kombinieren, zu oft den sicheren Ball statt den schnellen Weg nach vorn suchen, über kein Einschüchterungspotenzial verfügen, um einen angeschlagenen Gegner mal über mehr als 5 Minuten so zusetzen zu können, dass er Fehler macht - über das alles entscheiden vor allem die Spieler auf dem Platz. Darauf hat der Mann an der Seitenlinie während der 90 Minuten nur noch einen sehr eingeschränkten Einfluss. 

Es scheint aber auch nicht so, als könnten sich Team und Trainer - oder jeder für sich - noch einmal so zusammenraufen, dass sie sich in den restlichen Spielen wenigstens nicht vorwerfen lassen müssten, nicht alles versucht zu haben. Das ist ein beunruhigender Befund. Denn auch wenn sich zur neuen Saison einiges ändern wird - ein großer Teil der Mannschaft bleibt. Ihr eine andere Mentalität zu verpassen, wird Marco Roses wichtigste Aufgabe sein. Ob es Sinn ergeben würde, wenn nach dem 0:1 von Stuttgart nun Hecking doch seinen Platz räumt, lasse ich mal dahingestellt. Denn ein neuer Impuls für den Liga.Endspurt müsste dann ja von dem Interimstrainer kommen. Der würde sicher nicht Bremser oder Geideck heißen und aus Heckings Stab kommen. Bliebe Arie van Lent. Doch ehrlich gesagt: Womit sollte er die Profis aufrütteln, wenn ihnen die gute Aussicht auf einen europäischen Startplatz bis jetzt keine Flügel verliehen hat?



Bundesliga 2018/19, 31. Spieltag: VfB Stuttgart - Borussia Mönchengladbach 1:0

7 Kommentare:

  1. Komplett zutreffender Artikel!
    Es ist leider völlig unverständlich, dass es (wieder) nicht gelingt, die gute Leistung der Hinrunde mal über eine ganze Saison zu ziehen. Aber eine Frechheit ist es, so ein Gekicke abzuliefern - wieder einmal. Denen gehört doch der Ars... versohlt! Warum spricht denn aus der gesamten Vereinsführung da keiner Tacheles? Von Spiel zu Spiel denken; nicht bedenken, wo man herkommt; nicht bedenken, wo man hin will! Ab auf den Platz am Samstag und 3 Punkte holen!

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  2. Hallo Addi, kann mich dem nur anschließen - glaube aber am Samstag nicht an irgendwelche Punkte. Konnte zum Glück das Spiel nicht sehen, nur einen Ticker lesen, aber da bin ich auch froh drum. Als Stuttgart das Tor gemacht hatte, war mir klar: Das wird nix mehr. Und so war es auch. Ich sehe es ähnlich wie Wortarbeiter, für mich ist die Saison ebenfalls gegessen und der Kredit ist futsch. Haken dran und ich freue mich auf die Sommerpause. Und dann sehen, wie sich der neue Trainer so schlägt... Für jetzt bin ich leider mal wieder bedient. Alles Positive aus der tollen Hinrunde liegt in Trümmern. Leider mal wieder... Gruß, Fohlen

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  3. Morgen,Mal wieder! Das ist das schlimme! Lauter Schlafmützen im Vorstand.Hauptsache es wird gebaut.Heute Jhv,da wird wieder gejubelt,über den Beton.Vielleicht sollte man den Zustand der Mannschaft Mal offenlegen.Das Tagesgeschäft,liegt nämlich brach.

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  4. Sehr gute Analyse, so sehe ich es auch. Und da Hecking doch ohnehin aufhört, kann er doch eigentlich schon jetzt von dannen ziehen, vielleicht könnte Arie van Lent tatsächlich noch mal positive Akzente setzen für die letzten drei Spiele. Aber man kann über Trainer, Taktik, mangelende Einstellung etc. diskutieren so viel man will, letztlich ist es absolut nicht erklärbar, warum eine Mannschaft, die nach dem 20. Spieltag noch 2. war und viel Vorsprung vor den Nicht-Europa-Plätzen hatte, einen derart blamablen Niedergang hinlegt. Im Moment macht es keinen Spaß, ein Fan der Fohlen zu sein ...

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  5. 100% Zustimmung, da spricht mir jedes Wort aus der Seele!

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  6. Schöner Artikel zu einem unschönen Thema.

    Hecking scheint mittlerweile so beleidigt zu sein wegen seiner vorzeitigen Verabschiedung, daß er völlig stur & starrköppisch geworden ist und sich trotzig wie ein 5jähriger benimmt.

    Eberl sollte ihn jetzt direkt in den Sommerurlaub schicken, und für die letzten drei Spiele entweder Ari v. Lent oder Hans Mayer auf die Bank setzen. Großartige neue Taktiken können jetzt eh nicht mehr eingeführt werden auf der Zielgraden, aber motivational nochmal alles raushauen was irgend geht sollte möglich sein.

    Aber sicherlich nicht mit Hecking an der Linie...

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  7. Danke Euch, ich bin froh, dass ich das nicht alleine so gesehen habe.

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