2019-04-21

Zwei Patzer zu viel

Geht doch! Das könnte man schreiben, wenn der VfL heute den verdienten Lohn für sein Spiel eingefahren hätte. So bleibt nach dem Abpfiff trotz eines kämpferisch überzeugenden und durchaus mitreißenden Spiel einmal mehr ein sehr bitterer Nachgeschmack - wie immer, so scheint es, wenn es gegen die Vereinsimitation aus Leipzig geht und der Ertrag ausbleibt.

Es ist den Borussen heute relativ wenig vorwerfen - abgesehen von den Dingen, die sich durch die gesamte Rückrunde ziehen: Schlampiger letzter Pass, der einen guten Abschluss verhindert, zu behäbige Spielphasen, wo man den Gegner, den man gerade erst richtig ins Schwitzen bekommen hat, sich davon wieder erholen lässt. Und: Sehr naive Verteidigung in den beiden Szenen, die zu den Gegentoren führten.
Da der VfL im Moment nicht in der Lage scheint, mehr als in Tor pro Spiel zu erzielen, bedeutet das dann entsprechend eine weitere unnötige Niederlage gegen einen Gegner, der höher gehandelt wird als er heute im Borussia Park nachzuweisen in der Lage war.

Die Gladbacher Defensive inklusive der zentralen Mittelfeldspieler Chris Kramer und Denis Zakaria (heute ganz hervorragend aufgelegt, geschickt und effektiv in den Zweikämpfen) sowie den fleißigen Außen Herrmann und Hazard meldete die hochgelobte Offensive mit Cunha, Forsberg, Sabitzer und Werner weitgehend ab, auch Poulsen bekam nach seiner Einwechslung keinen Fuß auf die Erde - außer mit Fouls. Die Borussen liefen viele Bälle ab, setzten den Leipzigern mit ihrem aggressiven Pressing ebenso zu wie umgekehrt und waren aus meiner sicht über 90 Minuten die bessere Mannschaft. Aber die Elf von Dieter Hecking war wieder nicht in der Lage, über 90 Minuten die Konzentration aufrecht zu erhalten und die eigene Spielidee durchzudrücken. Das hatte sicher mit dem eingespielten und taktisch cleveren Gegner zu tun. Aber nicht nur.

Das erste Gegentor war ein Geschenk, weil Ginter den gerade eroberten Ball schlampig und zu kurz in Richtung Herrmann spielte, der gegen den dazwischen sprintenden Halstenberg nur noch den Fuß reinstellen konnte und diesem das Alibi zu einem spektakulären Faller lieferte. Den Ball hätte der Leipziger nie und nimmer mehr rechtzeitig vor der Auslinie erreichen können, es bestand also null Torgefahr. Das interessiert aber natürlich für die Elferentscheidung nicht. Es interessiert hinterher auch nicht, dass man die - wenn überhaupt - hauchzarte Berührung am Fuß auch durchaus hätte weiterlaufen lassen können, wobei die Bewegung Herrmanns natürlich sichtlich in den Laufweg des Gegners ging und der Schiedsrichter in Echtzeit daher von einem Foul ausgehen konnte. Damit wäre der Kölner Keller gefragt gewesen, doch dort beließ man es beim "Kann-Elfmeter", bei dem man den Mann auf dem Rasen offensichtlich nicht zu korrigieren hat.

Das ermutigte die Gäste, sich fürderhin möglichst oft und bei dem leichtesten Windhauch zu Boden zu werfen und zu lamentieren, während sie ihrerseits die Gegner mit allen Mitteln und viel "Handarbeit" über die Maßen bearbeiteten, da allerdings zu oft ungestraft.
Kurz vor Schluss hätte es einen Elfmeter auch für Borussia geben können, als im Strafraum ein Gladbacher zu Boden gezogen wurde. Da blieb die Pfeife stumm, auch im Kölner Keller beließ man es dabei. Mit etwas Abstand betrachtet kann ich damit leben, es war jedenfalls keine klare Fehlentscheidung.

Das war heute auch nicht der ausschlaggebende Grund für die Niederlage. Der lag in der Naivität, wie Borussia dann auch beim zweiten Gegentor zu Werke ging. Der heute wieder sehr fleißige und defensiv starke Kramer ließ sich von Forsberg leicht auswackeln, Strobl ging gegen Halstenberg gar nicht in den Zweikampf und auch Yann Sommer sah nicht ganz so gut aus, als der Ball an ihm vorbeirutschte. Das war definitiv ein zu billiges Tor.

Damit schien die Geschichte durch zu sein. Bis zum 1:2, nach dem noch eine knappe halbe Stunde Zeit blieb, das Spiel zu drehen. Der Anschlusstreffer durch Plea war sehr schön herausgespielt, fiel aber zu einem eher glücklichen Zeitpunkt, als ich schon dabei war, die Hoffnung aufzugeben. Das Tor leitete noch einmal eine gute Druckphase (inklusive einiger schlecht ausgespielter Konter der Gäste) ein, die aber irgendwann versandete. Letztlich standen sich die Borussen in den letzten 20 Minuten eher selbst im Weg, indem sie gegen die aggressiven Leipziger zu viele Bälle verloren oder zu ungenau spielten. Und wenn sie die Chance zum Torschuss hatten, vergaben sie überhastet. Trotz aller Bemühungen muss man nüchtern betrachtet sagen: Das reicht dann eben nicht für höhere Ziele.

Und so gehen wir in die letzten vier Spiele und sind so schlau wie vorher. Wir schauen auf die vielen Gesichter von Borussia und wundern uns immer wieder, was seit Februar passiert ist. Nach der sagenhaften Heimsieg-Serie sind wir nun im direkten Anschluss bei sechs sieglosen Heimspielen hintereinander angekommen. Das ist definitiv zu wenig, um in der absoluten Spitzengruppe bleiben zu können. Demgegenüber stehen dann hervorragende 13 von 18 möglichen Punkten auf fremden Plätzen in der Rückrunde - eine für Gladbacher Verhältnisse außergewöhnlich gute Bilanz. Die kam allerdings mit Ausnahme des Sieges in Leverkusen und des 1:1 in Frankfurt nur gegen Teams aus den unteren Gefilden zustande. Gegen alle anderen Teams, die dem VfL im Kampf um Europa gefährlich werden können oder die inzwischen vor Borussia stehen, blieb die Mannschaft in der Rückrunde sieglos - und mit Hoffenheim und Dortmund kommen ja noch zwei nach Mönchengladbach.

War die Abwehr in der Hinrunde noch das Prunkstück, stabilisierte sich die VfL-Defensive erst in den vergangenen Spielen wieder merklich. Und vorne stehen den 36 geschossenen Toren der Hinrunde (damals die zweitbeste Offensive) nun nur noch magere 13 Tore aus 13 Spielen gegenüber. Nur Hannover, Nürnberg und Schalke haben in der Rückrunde noch weniger Tore geschossen. 
All das zeigt, warum Borussia nicht mehr auf Platz drei oder vier steht und mit seit heute nur noch drei Punkten Vorsprung auch mehr denn je um einen Euro-League-Platz bangen muss. Denn auch wenn die Leistung heute in Ordnung war und der Wille und der Kampf dazu führte, dass der Funke auch auf die Ränge übersprang: Das berühmte Momentum ist nicht auf Seiten der Hecking-Truppe.

Bundesliga 2018/19, 30. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Rote Brause Leipzig 1:2 (Tor für Borussia: 1:2 Plea)


P.S. Ich muss sagen, die diversen Fanproteste gegen das "Brause-Konstrukt" der vergangenen Jahre haben mich schon nicht überzeugen können. Und durch Wiederholung von nervigen Pfeifkonzerten, diesmal nur bei Leipziger Ballbesitz, werden sie auch nicht origineller geschweige denn wirkungsvoller. Ob das auf dem Platz jemanden durcheinander bringt und eher hilft als schadet, will ich gar nicht beurteilen. Beim DFB oder in der Brause-Zentrale juckt das jedenfalls niemanden.

Die Entscheidung, wohin der Fußball steuert, wenn man für Konzerne wie RedBull die Türe öffnet, ist lange gefallen, die Abwehrschlachten längst geschlagen und verloren. Es kotzt mich auch an, dass diese Reißbrettvereine Erfolg haben - mit ihren Investitionen, die frei sind von den Zwängen anderer Vereine, die das einzusetzende Geld erst erwirtschaften müssen. Aber wir werden sie nicht mehr los, und jede ohnmächtige Wut, mit der gegen sie angepfiffen wird, prallt folgenlos dort ab. 
Der einzige Weg, ein richtiges Argument und die richtige Antwort, RB wehzutun, wäre, sie endlich mal auf dem Rasen zu besiegen. Solange das nicht geschieht, nutzen weder Trillerpfeifen noch derbe Plakate. Höchstens, um immer wieder unserer Ohnmacht und Wut Ausdruck zu geben. Nach außen sehen wir aber nur wie schlechte Verlierer aus.

3 Kommentare:

  1. Leider zutreffend ....

    Zu bemängeln hätte ich allerdings das ewige im Abseits stehen, alleine dadurch waren viele Zuspiele nicht möglich und der Spielaufbau mußte abgebrochen werden!

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    1. Schon wahr. Dabei wirkt sich oft das zu langsame Überbrücken des Mittelfelds negativ aus, weil die Stürmer schon starten, während der Mitspieler noch nachdenkt, was er als nächstes macht.

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  2. Dauert halt zulange vom Kopf zum Fuß.RB ist qualitativ eben besser aufgestellt als Borussia.Das ganze von hinten nach vorne braucht deutlich zu lange.

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