Wenn man unserer Borussia eins nicht vorwerfen kann, dann, dass sie selbst jahrzehntelange Fans nicht mehr überraschen könnte. Max Eberls Ankündigung, sich am Saisonende von Dieter Hecking trennen zu wollen, ist mal wieder ein Beweis dafür.
Ich habe mir bewusst etwas Zeit gelassen, bevor ich mich dazu äußere. Vor allem, weil trotz der vielen "Vollzugsmeldungen" in Sachen neuer Trainer und der vielen Spekulationen rund um mögliche weitere Veränderungen bis jetzt noch nichts dergleichen fix ist und wohl vor der Partie am Sonntagabend auch nicht werden wird.
Was sich also sportlich und im Umfeld verändern wird, werde ich dann kommentieren, wenn wir alle mehr wissen. Ich gebe zu, es juckt mich schon in den Fingern, weil gerade die Personalie Marco Rose sehr spannend und der Blick in eine Zukunft mit einem so hoch gehandelten jungen Trainer reizvoll ist.
Aber eins nach dem anderen. Noch ist die Ära Hecking nicht vorbei. Und darüber bin ich ganz froh - denn Gladbach sollte aus meiner Sicht auch weiterhin kein Verein sein, der seinen Trainer schasst, obwohl er mit der Mannschaft gerade auf einem Europacup-Platz steht. Das Drumherum der Entscheidung, zum Saisonende den noch gültigen Vertrag mit Dieter Hecking aufzulösen, ist allerdings etwas, das mir schwer im Magen liegt.
Klar, viele Fans frohlocken, weil sie sich mit dem eher stoischen Auftreten von Dieter Hecking seit jeher schwer tun. Gepaart mit der Einschätzung, dass er mit Ausnahme der Hinrunde das wahre Leistungsvermögen der Spieler nie so richtig herauskitzeln konnte, reicht das für viele schon aus, den Daumen zu senken.
Ich bin da zurückhaltender. Viele urteilen schnell, doch was uns Fans betrifft, sehen wir immer nur einen kleinen Ausschnitt der Wahrheit, natürlich vor allem das, was während der Spiele der Borussia abläuft. Diese öffentlichen 90 Minuten pro Woche sind selbstverständlich auch die entscheidenden für das Abschneiden eines Vereins in der Saison. Doch zur Beurteilung einer Leistung oder Entwicklung, egal ob bei Spielern oder Trainer, genügt das nicht immer. Und so wie Fußball ein Spiel mit vielen Unwägbarkeiten ist, so gibt es Dinge in einem Verein, in einem Trainerleben, die dieser nicht allein beeinflussen kann. Insofern verkneife ich mir ein endgültiges Urteil darüber, ob Dieter Hecking es hätte besser machen können oder nicht, und auch darüber, ob er in Zukunft der richtige Mann für Borussia gewesen wäre. Denn die Entscheidung darüber ist ja ohnehin gefallen.
Und damit bin ich bei dem Teil, der mich seit Dienstag doch sehr beschäftigt: die Art und Weise der an sich begrüßenswerten Neuausrichtung im Club. Klar, man muss nicht sentimental werden. Auf Teufel komm raus an Spielern oder Trainern festzuhalten, die sich verdient gemacht haben, ist kein Erfolgsrezept. Fußball ist ergebnisabhängig, unterliegt ständigem Wandel - und er ist ein Geschäft. Dem kann und will sich auch Gladbach nicht entziehen. Das weiß ich und das akzeptiere ich.
Dennoch habe ich hier das erste Mal das Gefühl, dass im Umgang miteinander etwas auf der Strecke bleibt. Und das könnte nachwirken.
Ich nehme es Max Eberl ab, dass es ihm schwer fällt, eine solche Entscheidung gegen den aktuellen Trainer zu treffen, mit dem er sich wohl auch gut versteht. Es spricht für ihn als Manager, dass er das trennen kann und die beste Lösung für Gladbach vor vielleicht persönliche Belange stellt. Es kann auch wirklich sein, dass gerade die einmalige Chance darauf besteht, einen wirklich tollen Trainer zu verpflichten, bevor es jemand anderes tut. Die Zeit wird es zeigen.
Dennoch ist es ein für die Borussia-Führung ungewohnter Vertrauensbruch, mit einem Trainer zu verlängern, ihm zu signalisieren, dass er alles richtig macht. Um ihn dann vier Monate später ins Gesicht zu sagen, dass man es jemand anderem eher zutraut, die Mannschaft weiterzuentwickeln als dem, der seit zweieinhalb Jahren ohne erkennbaren Fehl und Tadel mit ihr arbeitet.
Eine größere Ohrfeige für die Arbeit, für die nachgewiesene Erfahrung als Bundesligatrainer, kann es kaum geben. Dass das den Betroffenen verletzt und tief enttäuscht, ist leicht zu verstehen, zumal er sich ausrechnen kann, wie lange schon hinter seinem Rücken die Weichen für einen anderen Trainer gestellt worden sind.
Denn wenn Marco Rose nach Gladbach wechseln sollte, dann tut er das sicher nicht aus einem spontanen Einfall oder weil ihm die Angebote aus Schalke oder Wolfsburg nicht gut genug gewesen wären. Bei allem, was man über Max Eberl weiß, ist es sehr wahrscheinlich, dass er den Kontakt mit Rose schon länger hält - länger wahrscheinlich als die Konkurrenten. Der Manager denkt in der Regel deutlich voraus, wie man bei Lucien Favre gesehen hat, den er auch schon im Fokus hatte, als er noch nicht als Trainer für den VfL in Frage kam.
Dass Max Eberl jetzt zu dem drastischen Mittel greift, Hecking trotz frisch verlängertem Vertrag und sportlichem Erfolg (das darf man ja nicht kleinreden bei der derzeitigen Tabellensituation, trotz der jüngsten Rückschläge) vor die Tür zu setzen, deutet darauf, dass es wirklich kurzfristig die seltene Möglichkeit gab, mit einem anders ausgerichteten Trainer ein neues Kapitel in der Borussia-Historie aufzuschlagen.
Es lässt aber auch den Schluss zu, dass Eberl nicht wieder den Moment des Handelns verpassen wollte. Bei den letzten Trainerentscheidungen hatte er schließlich nicht immer die Wahl, die Weichen neu zu stellen. So folgte auf das Favre-Drama zunächst der nur als Interimslösung gedachte André Schubert, dessen erste Erfolge Eberl dann quasi dazu zwangen, ihn zum Cheftrainer zu machen. Als Schubert das Spielglück verließ, musste der Manager wieder schnell und ungeplant handeln und griff zur damals wohl besten Lösung namens Dieter Hecking. Der stabilisierte das Team wie gewünscht und war damit ebenfalls nicht einfach wieder vom Hof zu schicken, wenn es denn je geplant war.
Für Max Eberl bedeutet das einerseits eine gute Bilanz, weil sich seine Entscheidungen - wie bei vielen Spielertransfers - als richtig herausgestellt hatten. Andererseits ist das zugleich sein Problem gewesen, weil er nicht zuletzt aufgrund der öffentlichen Meinung kaum hätte vertreten können, einen gerade durchaus erfolgreichen Trainer abzusetzen.
Mit der rüden Demission von Dieter Hecking nimmt Max Eberl das Heft des Handelns in die Hand und riskiert damit einiges. Nicht nur, dass die Ehrenhaftigkeit und Verlässlichkeit im Umgang, die dem Verein traditionell gutgeschrieben wird, und die auch zwischen Eberl und Hecking immer betont wurde, einen Knacks bekommen hat. Der Manager läuft auch Gefahr, sich dabei zu verzocken. Denn der neue Trainer kann noch so gute, neue Ideen haben - es gibt keine Garantie, dass sie auch zünden oder nachhaltig funktionieren.
Gladbach ist in dieser Hinsicht sogar ein gebranntes Kind. Der VfL hatte schon einmal (zwischen 2004 und 2006) einen Trainer, der nicht so hip war wie andere; der das Team erst nach dem halbjährigen Dick-Advocaat-Desaster gerettet hatte und es schließlich (über seinen Verhältnissen spielend) mit Höhen und Tiefen auf den 10. Tabellenplatz geführt hatte, was damals fast das Nonplusultra für den Verein war. Doch dann musste Horst Köppel trotz laufenden Vertrages einem noch glänzenderen Namen aus der Vereinsgeschichte weichen, der auch in den Augen der Fans mehr versprach, aber wenig einzuhalten imstande war: Jupp Heynckes.
Es besteht keine unmittelbare Gefahr, dass sich dies genau so wiederholt, schließlich ist der VfL nicht mehr die graue Maus von damals und kann einem Trainer einen wirklich konkurrenzfähigen Kader und beste Bedingungen im Umfeld zur Verfügung stellen.
Dennoch ist es stets ein gewagtes Spiel, den funktionierenden Trainer ohne Not gegen ein Versprechen für die Zukunft einzutauschen.
Da ich über die Jahre immer wieder gesehen habe, wie gut die Entscheidungen des Gladbacher Managements in personellen Dingen letztendlich waren, sehe ich dem relativ entspannt entgegen, zumal Max Eberl einen solchen Schritt nicht machen würde, wenn er sich nicht wirklich sicher wäre, dass der Neue hält, was er für den Verein verspricht.
Allerdings muss ich dem düpierten Noch-Trainer in dieser Sache das größte Kompliment machen. Dieter Hecking hat die herbe Enttäuschung schlucken müssen, bleibt trotzdem professionell, fokussiert auf Mannschaft und Aufgabe, lässt kein schlechtes Wort fallen, er ist Vorbild und hat sich so einmal mehr gegenüber Borussia tadellos verhalten. Davor ziehe ich meinen Hut und hoffe, dass wir nicht irgendwann mal bedauernd an ihn zurückdenken müssen. Sicher ist: Einen solchen Abgang hat Dieter Hecking sicher nicht verdient. Fans und Mannschaft können aber in den nächsten Wochen noch einiges dafür tun, ihm den Abschied nicht zu bitter werden zu lassen.
Gestern - auf der Fahrt nach Gladbach - haben wir im Kreise der Mitfahrer unserer Fahrgemeinschaft genau die hier aufgegriffene Thematik besprochen (es dürfte sich in Gladbacher Kreisen wohl um ein fast überall präsentes Thema handeln). Die Aussagen hier im Blog treffen es im Kern in etwa so, wie wir es ebenfalls diskutiert haben. Unter dem Strich sind wir zu dem Konsens gekommen, dass DH sehr wohl ein verdienter und auch in einem gewissen Umfang ein guter und erfahrener Trainer ist. Er war sicherlich der richtige Mann, um die nach dem Abgang von Schubert entstandene Schieflage wieder zu stabilisieren. Da brauchte es die Erfahrung und Ruhe eines DH sicherlich. Allerdings sind wir der Meinung, dass unter ihm kein Spieler wirklich besser geworden oder sich weiterentwickelt hat. Ebenfalls sind wir verwundert gewesen darüber, dass unsere doch eigentlich intelligente Mannschaft bisher niemals in der Lage war (oder in der Kabine niemals angewiesen wurde?), sich auf einen Gegner ein- und im Laufe des Spiels auch mal das System umzustellen. Dass unsere Mannschaft mit spielintelligenten Spielern so etwas nicht bewerkstelligen könnte, konnte so recht keiner von uns glauben. Umso erstaunlicher war es, dass gestern die Systemumstellung doch recht gut funktioniert hat. Warum erst so spät?
AntwortenLöschenDes Weiteren war uns schleierhaft, weshalb trotz schlechter (oder nach und nach schlechter werdender Leistung) nicht auch mal ein "verdienter" Spieler auf die Bank gesetzt wurde (vielleicht weil dieser Spieler auch einfach mal eine Pause brauchte?) und dafür jemand anders eingesetzt wurde. Warum in den schlechten Spielen beispielsweise nicht auch mal Kramer spielen durfte - ein Spieler, dem von der Mentalität her nichts vorzuwerfen ist, ein Spieler, der den Mannschaftskollegen den Willen zu gewinnen vorleben kann. Warum sich die Mannschaft plötzlich und für vergleichsweise viele Spiele irgendwie hängen ließ, kann man auch nicht sagen. Sicher kann man mal einen schlechten Tag haben, ein mieses Spiel abliefern, aber man sollte doch wenigstens versuchen, eine Art "Siegeswillen" auf den Platz zu bringen?!
Natürlich sind alle vorher genannten Entscheidungen bezüglich des Systems etc. am Ende des Tages die Entscheidungen des Trainers, aber unser Konsens war: DH ist Stabilisator, aber nicht unbedingt Innovator und ein "funktionierender" Trainer klingt für mich persönlich in etwa wie Note 3 - befriedigend. Reicht das für die mittlerweile gewachsenen Ansprüche der Borussia?
(Gleich folgt Teil 2)
Teil 2:
AntwortenLöschenUnserer Ansicht nach ist die vorzeitige Vertragsverlängerung mit DH einer der doch recht wenigen Eberlschen Fehler (ich sage nur: Nico Schulz) gewesen. Gut, wir wissen das nicht, aber dass die Vereine wegen unseres (Noch)-Trainers Schlange gestanden haben, konnten wir uns so recht auch nicht vorstellen. Und dass ME schon länger in eventuellen Verhandlungen mit Marco Rose steht, das ist gut vorstellbar und vermutlich. Und wenn man die Chance hat, so einen interessanten jungen Trainer zu verpflichten, dann sollte man dies tun. Es ehrt meiner Ansicht nach Eberl allerdings, dass er sich offenbar persönlich zu DH nach Hause begeben hat, um ihm höchstpersönlich und vermutlich unter vier Augen zu eröffnen, dass man am Ende der Saison nicht mehr mit ihm plant. Anstatt ihn am nächsten Arbeitstag kühl ins Büro zu zitieren und zu feuern. Ob man das allerdings dann so öffentlich machen muss / sollte, sei dahin gestellt. In der heutigen Zeit ist es jedoch zugegebenerweise - Stichwort "Medien und Maulwürfe" sehr schwer, solch einen Schritt geheim zu halten. Daher vielleicht der sofortige Schritt nach vorn, um Spekulationen vorzubeugen.
Was die im Blog angesprochene "Ehrlichkeit und Verlässlichkeit" angeht, nun ja, diese Verlässlichkeit hat ME - und Gladbach - auch beinahe schon Kopf und Kragen gekostet (Stichwort Frontzeck). Und ich schätze, ME hätte diese Trennung zum Saisonende nicht publik gemacht, wenn es nicht schon einen designierten Nachfolger gäbe. DH ist im Gegenzug natürlich anzurechnen, dass er nach dieser für ihn enttäuschenden Nachricht die Saison professionell zu Ende bringen möchte. Weshalb die Mannschaft allerdings über so viele Spiele hinweg so blutleer und einfallslos aufgetreten ist, das wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Das gestrige Spiel hat doch gezeigt, dass man es besser kann. Die Zuschauer haben es bemerkt und honoriert.
Nun gilt es, aus den verbleibenden Spielen das Maximum herauszuholen. Dass man - aller Voraussicht nach - die CL wohl verspielt hat, muss man leider wohl als vermutlich gegeben ansehen. Obwohl man alle Trümpfe in der Hand hatte! Aber die Eintracht aus Frankfurt wird sich das Bonbon wohl nicht mehr nehmen lassen... Wirklich ärgerlich!
Gruß, Fohlen
Wie genau die Abläufe waren und warum genau jetzt, werden wir wohl nie erfahren. Aber so, wie du es schreibst, liegen wir ja nicht weit auseinander. Danke für den ausführlichen Beitrag!
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