Was für ein Tag! Das Drumherum für den Start in die neue Saison stimmte, über Wochen verbesserte sich die Laune der Borussia-Fans Stück für Stück. Erst der wichtige personelle Cut auf der Trainerposition nach der enttäuschenden letzten Saison. Gute Entscheidungen des neuen Managements um Roland Virkus. Eine konzentrierte Vorbereitung. Die so wichtige enge Tuchfühlung, die Fans und Mannschaft am Tegernsee und während der Vorbereitung endlich wieder aufnehmen konnten, nachdem die coronabedingten Abstandsregeln, die zeitweise leeren Stadien und die sportliche Stagnation in den vergangenen zwei Jahren zu einer merklichen Distanzierung vieler Fans geführt hatte.
Die Freude auf den Neustart war umso greifbar, je näher der Anpfiff rückte. Auch weil es der geschickte Kommunikator Daniel Farke von Anfang an verstanden hat, mit emotionalen Worten über die Traditionen, Werte und Ziele des Clubs die Liebe zu Borussia glaubhaft zu erklären und wachzurufen, bei den Anhängern und den Spielern.
Er lebt den Stolz auf das "Verteidigen des Borussia-Trikots" vor und zeigt mit seiner Art (und Trainingsarbeit) offenbar auch dem einen oder anderen vertraglich zaudernden Profi eine Perspektive in diesem Club auf. Sonst wäre es wohl kaum denkbar gewesen, dass ein Alassane Plea zu diesem Zeitpunkt seinen Vertrag vorzeitig bis 2025 verlängert - und hoffentlich noch einige diesem Beispiel folgen werden.
Nach Lassos für wohl alle überraschende Vertragsverkündung am Freitag setzte zumindest in den sozialen Netzwerken eine fast euphorische Verliebtheit ein, die die Vorfreude auf den Saisonstart gegen die TSG Hoffenheim noch einmal zu steigern in der Lage war. Dazu der eindrucksvolle Fanmarsch durch die Stadt vor dem Spiel, die strahlende Sonne, das erwartungsvoll gespannte und aktionsbereite Stadion. Alles war gerichtet. Es konnte also eigentlich alles nur schief gehen, wird mancher erfahrene Borusse geunkt haben.
Denn als einzige offene - und entscheidende - Frage nach diesen ersten Wochen unter Daniel Farke blieb: Wie setzt die Mannschaft das alles beim Ernstfall, in den ersten Bundesliga-Minuten der Saison, auf dem Platz um?
Nach den ersten 90 Minuten kann man sagen: Es ist sehr gut gegangen. Die Startelf hatte einen klaren Plan und setzte ihn mit Ernsthaftigkeit, Spielfreude, Geduld und intelligentem Spiel um - mit Erfolg. Der Sieg war Lohn eines aktiv geführten Spiels, das 3:1 war hoch verdient, aber doch keineswegs selbstverständlich.
Denn natürlich lief noch nicht alles wie geschmiert. Es gab Missverständnisse bei Pässen und Laufwegen, manchen ungewohnt groben Fehler (Bensebaini), zu häufiges Querspielen, zu langsames Zirkulieren des Balles in ungefährdeten Räumen im Mittelfeld, zu wenig direktes Spiel - gerade in der ersten Halbzeit tat sich Borussia auch in Überzahl noch oft schwer, den Ball schnell in die gefährlichen Zonen im letzten Angriffsdrittel zu bringen.
Hier wurde das Fehlen von Lars Stindl deutlich, der sehr viel häufiger als sein Vertreter Flo Neuhaus oder der oft zentral im Spiel eingebundene Chris Kramer den schnellen, die Abwehr zerschneidenden Pass in die Spitze spielt.
Die Zielstrebigkeit und Direktheit im Spiel nach vorne wurde mit zunehmender Spielzeit besser, einfach weil der Gegner in Unterzahl natürlich müder wurde. Weil mit steigendem Selbstbewusstsein auch die Gladbacher Spieler mutiger im Spiel nach vorne wurden und sich so nicht nur die Tore verdienten, sondern leicht auch noch zwei oder drei Tore mehr hätten nachlegen können. Allerdings ist es schwer zu sagen, ob das gegen elf Gegner an diesem Tag genauso gelungen wäre.
In der Defensive sah man einen im Vergleich zur Vorsaison erheblich stabileren Auftritt. Die TSG konnte das Tor von Yann Sommer seltenst gefährden, brachte überhaupt nur zwei Torschüsse an. Aber natürlich gilt auch hier die Einschränkung, dass Hoffenheim die Angriffsbemühungen nach dem Platzverweis und der eigenen Führung weitgehend einstellte und erst wieder nach dem Rückstand stärker Richtung Gladbacher Tor strebte. Es war also auch hier ein Muster mit begrenztem Aussagewert. Aber wie konzentriert gegen den Ball gearbeitet wurde, das war dennoch nicht zu übersehen.
Nun wissen wir heute nicht, ob das Hoffenheim dieser Saison am langen Ende ein harter Prüfstein gewesen sein wird. Welche Rolle der Hopp-Club in der Liga spielen wird, muss sich erst erweisen. Gestern war er vor dem Platzverweis ein Gegner auf Augenhöhe, das danach lässt sich nur schwer einordnen.
Mit dieser Einschränkung lässt sich für die Gladbacher Elf immerhin ein sehr positives Fazit ziehen. Defensive Stabilität, Torgefahr und gute Kombinationen im Angriff, dazu eine aufmerksame und kompromisslose, aber nicht überharte Zweikampfführung - mehr kann man von einem ersten Saisonspiel nicht erwarten. Sehr stark, wie sich Manu Koné ins Spiel einfügte, nachdem er in der Saisonvorbereitung und im Pokal nicht eine Minute in Testspielen auf dem Platz gestanden hatte.
Eindrucksvoll, wie variabel sowohl im zentralen Mittelfeld Kramer und Koné als auch in vorderster Reihe Neuhaus, Hofmann, Plea und Thuram die Räume nutzten. Sehenswert, wie Ramy Bensebaini in Embolo-Manier den wichtigen Ausgleich markierte und wie Elvedi abgezockt zum 3:1 vollendete. Und beruhigend, einen so abgeklärten Passspieler wie Ko Itakura in der letzten Reihe zu haben.
Gut, fraglich ist, ob man sich gegen elf Mann einen so hoch stehenden und eher nachlässig verteidigenden Bensebaini hätte erlauben dürfen. Denn das Gegentor war ein Beispiel dafür, dass es auch bei einer eigentlich guten Staffelung mal unordentlich werden kann, wenn der Gegner sehr schnell nach vorne spielen kann. Vorne verlor Geburtstagskind Thuram den Ball mit einem etwas lässigen Einsatz, der Direktpass erreichte Rutter am rechten Flügel, und letztlich war es dort Bensebainis unmotivierte und schlecht getimte Grätsche ins Leere, die den Torerfolg doch sehr erleichterte.
Doch davon ließ sich die Mannschaft nicht verunsichern, sie verlor nicht die Ruhe, wie oft unter Rose und Hütter, spielte stattdessen weiter geduldig und abgeklärt nach vorn und belohnte sich ja dann auch dafür.
Damit komme ich zum Platzverweis. Wie ich heute las, lamentieren die Gäste inzwischen offener als gestern nach dem Spiel damit - und mit einer angeblichen Tätlichkeit gegen Rutter. Letzteres ist aus meiner Sicht ein Witz, weil Kramer mit seiner Schulter im Zweikampf niemals unabsichtlich den Kopf des Gegners traf, auch wenn er den TSG-Angreifer damit kurz anknockte, war das ein "normales" Foul. Kurz vorher hätte es aber durchaus eine Gelbe Karte gegen Koné geben können, wegen eines doch sehr rustikalen Einsatzes gegen Rutter.
Auch an Poschs Platzverweis gibt es nichts zu diskutieren - außer vielleicht den Zeitpunkt. Denn wenn man es genau betrachtet, war schon das erste Foul von Posch an Neuhaus eine glatte Rote Karte. Der Hoffenheimer rutschte mit seinen Stollen am rechten Unterschenkel des Gegners entlang und brachte ihm eine sofort durch den Stutzen blutende Wunde weit oberhalb des Knöchels bei, bevor er ihm das Fußgelenk von oben "stempelte", die die Schiedsrichter gern sagen.
Für mich Rot, weil es eben nicht nur das leichte Zuspätkommen im Zweikampf war, sondern eine bewusste Aktion, die in Kauf nimmt, den Gegner zu verletzen, wenn der den Ball spielt. Da wäre ein Hinweis des VAR angesagt gewesen.
Mit Poschs rücksichtslosem Tritt gegen Bensebaini kurz darauf ist aus meiner Sicht aber sowieso jegliche Diskussion über die Berechtigung dieses Platzverweises überflüssig. Der war einfach selbstverschuldet und hochverdient.
Da diese Art der Zweikampfführung in den ersten Minuten ganz deutlich zum Konzept des Hoffenheimer Spiels gehörte, hat aus meiner Sicht aber auch der Schiedsrichter Daniel Siebert ein paar Aktien an der Eskalation. Der Unparteiische war sichtlich bemüht, bei zwei - nominell relativ spielstarken - Teams eine großzügige Linie zu fahren.
Aber wenn vor allem eine Mannschaft von Beginn an überhart und rücksichtslos in die Zweikämpfe geht, kann das nicht funktionieren. Siebert gab früh eine Gelbe Karte gegen Scally, der zwar mit hoher Geschwindigkeit grätschte, seinen Gegner aber ohne Intensität und ohne Absicht zu foulen, von den Beinen holte. Eine eher zweifelhafte Bestrafung der einen Mannschaft kann aber nie für eine Beruhigung des Spiels sorgen, wenn vor allem das andere Team rustikal zu Werke geht.
Dagegen ließ er mit Ausnahme der Karten gegen Posch die Hoffenheimer in der ersten Halbzeit - allen voran Grischa Prömel, der ohne Verwarnung blieb - ungestraft auf alles treten, was sich bewegte. Poschs erste Gelbe Karte war nämlich schon die vierte oder fünfte hässliche Szene der Gäste, nach der sich ein Borusse schmerzerfüllt am Boden wälzte.
Erst danach griff Siebert konsequenter ein. Im weiteren Verlauf des Spiels gab es zugebenenermaßen dann auch ein paar Szenen, wo er eher zweifelhaft Szenen zugunsten der Borussia entschied. Das hatte aber nichts Spielentscheidendes. Für die vielleicht spielentscheidende Schwächung müssen sich die Akteure der Treter- und Schauspielergemeinschaft aus Sinsheim schon an die eigene Nase fassen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Borussia ist gut in der Saison angekommen. Die Umstände des Spiels verhindern, dass die Euphorie sofort unangemessen hochschwappt. Denn es war, bei allen positiven Eindrücken, ein Sieg gegen einen dezimierten Gegner. Es war aber auch ein Sieg, der ein Fan-Fundament hat.
Der Fanmarsch hat auch die Spieler beeindruckt. Und die Unterstützung von den Rängen, das Zusammenrücken von Fans und Mannschaft, kann sowieso einiges bewegen und Kräfte freisetzen. Der Grundstein für ein fruchtbares Miteinander ist also gelegt. Das Trainerteam hat daran sowohl auf als auch abseits des Rasens seinen Anteil, und die Fans nehmen diesen Spirit gern und dankbar an. Das weckt Lust und Hoffnung auf mehr. Aber es war eben auch nur ein erster Schritt - 33 weitere müssen erst noch gegangen werden.
Saison 2022/23, Bundesliga, 1. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - TSG Hoffenheim 3:1. Tore für Borussia: 1:1 Bensebaini, 2:1 Thuram, 3:1 Elvedi.
Die ersten drei Tore in der Bundesliga bringen drei Euro ein, damit sind jetzt 22 Euro in der
Spendenkasse.
Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.
Ziemlich genau in den Winkel getroffen!
AntwortenLöschenAber die fantastische Stimmung im Park möchte ich nochmals mehr hervorheben, denn so wars schon lange nicht mehr!
Sehr gute Zusammenfassung vom Spiel . Dem ist eigentlich nichts hinzu zu fügen . Außer vielleicht , daß Rollo jetzt auch Jonas Hofmann einen neuen Vertrag hat unterschreiben lassen . Bis 2025
AntwortenLöschenJaa, der Rollo macht doch ne gute Arbeit !!!
AntwortenLöschenAuch vieles intern !!
Nicht gleich alles rausplappern !!
Top !!