Wenn auf eins Verlass ist in dieser Saison von Borussia, dann ist es die Unzuverlässigkeit der Mannschaft. Kleine Fortschritte und große Rückschläge innerhalb von 90 Minuten und von Spiel zu Spiel gehören zum ständigen Repertoire der neuen Borussia, das ist nervenzerreißend und über die Zuständigkeit von vier Trainern und einem deutlichen Personalumbruch auf dem Platz hinweg kaum noch nachvollziehbar zu erklären.
Und auch wenn ich den Weg gutheiße und bereit bin, dem Trainer sehr viel mehr Zeit zu geben als manch anderer schon jetzt: Die zahlenmäßig und unter dem Strich auch gefühlt maue Bilanz und das wankelmütige Auftreten der Elf vom Niederrhein lässt Platz für manchen Zweifel. Das Mainz-Spiel habe ich nicht gesehen und ich hatte während der Belästigungspause durch erneute Länderspiele auch gar keine Motivation, mir das im Nachhinein noch anzuschauen.
Das Derby heute bewies dann wieder, dass auch das, was gegen Mainz wohl ganz gut klappte, eine flüchtige Angelegenheit war. Einmal mehr. Das Spiel heute war ungeachtet einiger unglücklicher Momente ein böser Rückfall in die vergangenen Jahre, aber auch in die des noch nicht so lange zurückliegenden Darmstadt-Spiels.
Wie so oft zuvor wurden vor dem Derby von den Spielern zwar verbal die richtigen Tasten gedrückt (wir wissen, was das Spiel bedeutet, wir geben alles für den Sieg, bla bla bla), nur um sich dann wieder schlafmützig und verdutzt in einem Spiel wiederzufinden, für das man offensichtlich nichts von den angekündigten Tugenden auf den Rasen hat retten können.
Köln ist die fußballerisch schwächere Mannschaft, aber das war heute nur zeitweise in der zweiten Halbzeit zu erahnen. Aber im Gegensatz zur Seoane-Truppe machte die Mannschaft von Steffen Baumgart (nicht zum ersten Mal in den vergangenen Derby-Jahren) das, was sie kann, dann auch gut. Sie kämpfte und lief fleißig, sie zog mit vielen Bällen über die schnellen Außen den Gladbacher Abwehrverbund auseinander, um dann in der Mitte die sich bietenden Räume zu nutzen und den davon überrumpelten und paralysierten Gegner von einer Verlegenheit in die nächste zu stürzen.
Ich bin nicht Taktiknerd genug, um einschätzen zu können oder zu wollen, ob das jetzt mehr am Kölner Können lag oder daran, dass Koné in der ersten Hälfte nur partiell an dem Fußballspiel teilnehmen mochte, vor allem, wenn es in die Gladbacher Hälfte ging. Oder Neuhaus und Friedrich (der sich immerhin steigerte) und Plea mal wieder einen ihrer schlechten Tage hatten, was in der Summe jeden Defensivverbund ins Schwimmen bringen kann.
Es ist allerdings auch für diesen Text egal, denn am Ende stand eine tief ernüchternde erste Halbzeit, bei der nur das Ergebnis noch etwas hoffnungsvoll stimmen konnte - schließlich stand es (auch dank Moritz Nicolas) nur 0:1.
Mit Rocco Reitz und einigen weiteren Umstellungen kam der VfL nach der Pause etwas sicherer und zwingender ins Spiel. Das Ausgleichstor von Nico Elvedi war Ausweis der gesteigerten Bemühungen um mehr Spielteilnahme, aber auch noch kein Auftakt für ein spielerisches oder wenigstens kämpferisches Feuerwerk gegen nun deutlich mehr geforderte Gastgeber. Wäre Koné in der 69. Minute nicht einmal mehr zu schläfrig gewesen und hätte sich dann nicht zu einem saudummen Foulspiel hinreißen lassen, wäre heute dennoch mehr möglich gewesen.
So besiegelte der einzige Fehler des sonst wieder bärenstarken Moritz Nicolas kurz darauf den nächsten Derby-Elfmetertreffer von Florian Kainz. Nicolas spielte im Duell mit Waldschmidt nicht den Ball, sondern traf den Kopf des Kölners leicht, der daraufhin den korrekten Strafstoßpfiff für sich bekam. Ein unglückliche Szene, denn Waldschmidt konnte den Ball nur unkontrolliert verlängern, es bestand also keine Torgefahr. Aber das passiert.
Kainz verschoss zwar den ersten Versuch aus 11 Metern, doch dank der Spezialregeln für Torhüter beim Elfmeter durfte der Kölner nochmal ran und brachte den FC gegen die dezimierten Gäste endgültig auf die Siegerstraße.
Was lernt man aus diesem neuerlichen Tiefschlag? Lässt man den Alarmismus aus der Fanseele mal weg, der die Niederlage besonders dramatisch erscheinen lässt, weil es ja das Derby gegen den bis dahin auch noch sieglosen Erzrivalen war, dann war es immer noch ein äußerst fragwürdiger Auftritt.
Es ist nicht das erste Spiel, bei dem Gerardo Seoane taktisch und personell viel korrigieren musste, bis Borussias Bemühungen einigermaßen konkurrenzfähig oder zeitweise dann auch sehr ansehnlich erschienen. Das spricht entweder für falsche Annahmen, was die Taktik der Gegner angeht. Oder dafür, dass der Trainer noch kein sicheres Gespür dafür hat, welcher der Seinen am Spieltag diesmal unpässlich aufzutreten gedenkt. Oder beides. Vielleicht liegt es auch daran, dass dann die Alternativen fehlen, mit denen man anders auftreten kann. So war es sicher eine Schwächung, dass heute nicht der wendige Itakura, sondern der statische Marvin Friedrich verteidigte. Aber die Mannschaft sollte unabhängig davon in der Lage sein, mehr als einen Punkt gegen Gegner wie Mainz und Köln zu holen.
Was also fehlt? Ich weiß es nicht, und Gerardo Seoane wird schnell Lösungen finden müssen, wie er sein Team über ein ganzes Spiel konzentriert und motiviert Fußball spielen lassen kann. Denn fürs Erste ist Borussia in der unteren Tabellenhälfte festgenagelt, und dort geht die Geduld mit Trainern in der Anhängerschaft besonders schnell verloren. Keiner verlangt Wunderdinge von dem Schweizer, aber mehr als in den ersten 8 Spieltagen muss es künftig werden, das steht außer Frage.
So, natürlich hat heute auch der Schiedsrichter Einfluss auf den Ausgang des Spiels genommen. Weil die Hauptschuld an der Niederlage allerdings zweifellos bei Borussia liegt, setze ich meine Schiedsrichter- und Regelkritik aber ans Ende des Textes.
Aus meiner Sicht war es heute trotz überwiegend formal korrekter Entscheidungen in den wichtigsten Szenen ein sehr schwacher Auftritt von Deniz Aytekin. Eine so einseitige Linie pro Köln in den Zweikämpfen (trotz recht fairem Spiel) habe ich sehr lange nicht gesehen. Keine einzige gelbe Karte gegen Köln, wo allein Hübers sich drei taktische Fouls leistete und einmal mit einem beherzten Tritt in Neuhaus' Hacken auch noch den Schuh des Gladbachers mit wegtrat. Dagegen stand wieder einmal eine Witz-Verwarnung, diesmal gegen Scally nach Martels Schauspieleinlage kurz vor Schluss. Unterirdisch auch die "Stürmerfoul"-Entscheidung gegen Jordan am Ende, was dann noch eher ein Elfmeter für den Gladbacher Angreifer gewesen wäre und auf jeden Fall eine erstklassige Torchance für Borussia gewesen wäre.
Entscheidender in Aytekins Leistung war für mich aber der erste Elfmeter. Aytekin erkannte auf Hand, weil Konés Arm an der Strafraumkante aus einem Meter Entfernung angeschossen wurde. Er wusste bei seinem Pfiff noch nicht, dass sich Koné auf der Linie und damit im Strafraum befunden hatte. Dass so aus einem Freistoß ein Elfmeter wurde, ist regelkonform und nicht zu kritisieren. Wohl aber, diese Situation als strafbares Handspiel zu werten.
Es ist physikalisch nicht möglich, dass Koné in dieser Situation beim Rauslaufen und zur Seite drehen (um dem Schuss auszuweichen) den Arm anders hält. Der Arm befindet sich nicht in abgestreckter Position und auf keinen Fall ist es eine absichtliche Vergrößerung der Körperfläche. Mit diesem Abstand zum Schützen ist es auch zeitlich nicht möglich, sich in irgendeiner Weise aus dem Schussfeld zu bewegen. Mit gesundem Menschen- und Fußballerverstand darf man so einen Elfmeter nicht verhängen.
Und da liegt das Problem, denn es werden immer wieder solche Zufallstreffer zu Strafstößen und Szenen, wo Abwehrspieler im Fallen bewusster einen Ball blocken, nicht. Es wird sich natürlich an diesem Zustand nichts ändern, aber es ist und bleibt eine Verhöhnung der wirklich motorisch hochversierten Profifußballer, die auf diese Weise Strafen gegen sich bekommen, die sie überhaupt nicht vermeiden oder abwenden können.
Bei der Roten Karte gegen Koné gehe ich mit, es ist auch Spekulation, ob die Diskussion um die Grifo-Szene einen Tag zuvor dazu geführt hat, dass man gegenüber Gladbachs Franzosen nun ganz bestimmt nicht zu milde urteilen wollte. Aber die Art, wie Koné da in die Beine grätschte, lässt ehrlicherweise kaum Argumente, das bei Gelb zu belassen.
Bleibt die Elfmeter-Wiederholerei nach dem gehaltenen Strafstoß, die wirklich ärgerlich war, weil sie Nicolas und Co. noch einmal ein Momentum im Spiel hätte geben können. Ich denke nicht, dass die Partie dann verloren gegangen wäre, ist aber natürlich nur ein Gefühl. An der korrekten Auslegung der Regel gibt es auch nichts zu monieren, der Keeper des VfL hatte die Linie verlassen, bevor Kainz geschossen hatte. Punkt.
Kritikwürdig auch hier die Absolutheit, mit der diese Regel zu Anwendung kommt. Sinn der Regel ist es, dass sich der Torwart mit der Bewegung nach vorne keinen Vorteil gegenüber dem Elfmeterschützen verschaffen soll. Das war in dieser Szene auch überhaupt nicht der Fall. Nicolas stand beim Schuss wenige Zentimeter vor der Linie, der Elfmeter war zudem grottenschlecht geschossen und wäre womöglich nicht einmal ins Tor gegangen.
Hier wird also einem Schützen eine zweite Chance gegeben, obwohl im Sinne des Spiels kein nennenswerter Verstoß des Torhüters vorgelegen hat, wohl aber eine messbare Verletzung einer willkürlich eingeführten Erschwerung der Torhüterparade. Dass es um Entscheidungen im Fußball immer wieder so viel Ärger gibt, liegt nicht zuletzt an solchen sportfernen Regelungen. Die sind von Schiedsrichtern bequem und formal stets korrekt anzuwenden, und nur dafür werden sie eingeführt - nicht, um das Spiel gerechter zu machen.
Beim Abseits haben wir uns inzwischen an absurde Zentimeter-Abseitsentscheidungen gewöhnt, auf deren Zustandekommen die Aktiven selbst kaum noch einen Einfluss haben. Keiner kann wissen, ob zum Zeitpunkt des Abspiels ein Haarbüschel oder eine Kniescheibe vor dem Verteidiger ist, das ihn ins Abseits befördert. Wir nehmen das in Kauf, aber es macht den Sport nicht besser und nicht gerechter. Es macht ihn nur egaler und unberechenbarer.
Saison 2023/24, Bundesliga, 8. Spieltag: 1. FC K*** - Borussia Mönchengladbach 3:1. Tor für Borussia: 1:1 Elvedi.
Saison 2023/24, Bundesliga, 7. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - FSV Mainz 05 2:2. Tore für Borussia: 1:0 Neuhaus, 2:2 Scally.
Saisonspende:
Zwei Tore gegen Mainz, eins im Derby. Für den gehaltenen Elfmeter von Moritz Nicolas gibt es 2,50 Euro, auch wenn er letztlich nichts gebracht hat. Gesamtstand jetzt 24,50
Euro.
Das gilt in der Saison 23/24: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Jonas Omlin oder einem anderen Torwart: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 123 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.
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